Filius |
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Geschrieben von Hans Jachim | |
Heft bestellen - Erinnerungen an Adolf Schmal-Filius. Zusammengetragen von Hans Jachim. ![]() Beginnen wir mit dem Olympiasieger. Geboren am 18. August 1872 als Sohn des im Rheinland gebürtigen Journalisten Johannes Schmal, eines Redakteurs des "Neuen Wiener Tagblatt", wuchs Adolf in Wien auf und war bald von dem in Hochblüte stehenden Radsport fasziniert. Die Radclubs schossen damals wie Schwammerln aus dem Boden und wir müssen uns vor Augen halten, dass allein in Wien um 1896 etwa 11.000 Radler in 200 Radclubs organisiert waren. Dementsprechend hatte der "Österr. Touring-Club" (ÖTC) allein bereits in der Gründungsphase über 2.000 Mitglieder während der kurz danach ins Leben gerufene "Österr. Automobil-Club" (ÖAC) gerade mal 200 Mitglieder, vereinte, von denen vielleicht eine Handvoll ein Automobil besaßen. Adolf Schmal, seit 1893 Mitglied im eben gegründeten "akademisch-technischen Radfahrverein", nahm bald an großen Radrennen wie "Wien- Rom" und "Paris-Wien" teil. Nebenbei betätigte er sich als Fechter und war im Winter unter den ersten nordischen Skiläufern anzutreffen. Als 1896 der Aufruf zu den ersten olympischen Spielen der Neuzeit erfolgte, packte Jung-Adolf daher Fechtmaske, Säbel und Rennrad ein und löste ein Bahnticket nach Athen. So einfach war das damals, es gab keine nationalen Komitees, Betreuer, Trainer. Wer wollte, konnte mitmachen, wenn sein Auftreten entsprechend glaubwürdig war. Kurz nun die Ereignisse bei diesen ersten olympischen Spielen der Neuzeit: Mit dem Säbel hatte unser Held bereits einen Medaillenplatz vor Augen - "nur zwei schwache Gegner waren noch abzufertigen" - als der griechische König als Zuschauer auf der Bildfläche erschien. In heute unvorstellbarer Unterwürfigkeit begann man, den Säbelbewerb von Beginn an nochmals auszutragen und so erreichte Adolf Schmal im neuerlichen Anlauf nur den 4. Platz. Anderntags dominierte Adolf jedoch auf der Radrennbahn: Bronzemedaille im 333 Meter-Sprint und als "Drüberstreuer" gleich auch über 10.000 Meter. Als Krönung folgte dann die Goldmedaille im 12-Stunden Bahnrennen mit einer Gesamtstrecke von 314,997 Kilometern. Zusammen mit dem Wiener Arzt Dr. Paul Neumann - Gold im Schwimmen - und Otto Herschmann - Bronze, Schwimmen - kam unsere "Mannschaft" 1896 daher mit 2 Gold- und 3 Bronzemedaillen zurück. Schmal erkämpfte selbstverständlich seine "Goldene" mit einem österreichischen Produkt, nämlich einem "Swift-Steyr"-Rad der "Österreichischen Waffenfabriks-Gesellschaft". ![]() Filius - wie wir ihn ab nun nennen wollen - berichtete über alle großen Rennen, die Österreichischen Alpenfahrten, Automobilausstellungen, kurz die gesamte zeitgenössische Automobilwelt. Dabei erwies er sich auch als ausgezeichneter Fotograf, der neben Kolowrat auch als Pionier der Bildberichterstattung in Erscheinung trat. Unter anderem bestritt Filius mit Dreher die Herkomer Konkurrenz 1907 und alle Österreichischen Alpenfahrten bis 1914, als "Kontrollor" von Kolowrat, Hieronimus und anderen. Gleichzeitig schrieb er den größten Teil der diesbezüglichen Berichte in der AAZ und steuerte zahlreiche Fotos bei. Er kam dabei in den Genuss des von "Sascha" erfundenen Spezialverdecks-System "siamesische Zwillinge Schwestern Blazek" (Copyright Sascha Kolowrat, siehe auch meinen Artikel in AC 1 und 2 /2006). Die Lektüre dieser Berichte ist historisch interessierten Lesern sehr zu empfehlen. Nahezu alle Persönlichkeiten der österreichischen "Motorwelt" - von Porsche über Lohner und Puch - werden dabei zum Teil in sehr launiger Weise porträtiert und auch der Hochadel ist "in Bild und Schrift" dabei. So waren beispielsweise die Erzherzöge Karl Franz Josef und Josef Ferdinand nebst dem Prinzen Elias von Parma 1910 als Teilnehmer dabei und Erzherzog Leopold Salvator begleitete die Tour und stellte seine Fotografien der AAZ zur Verfügung. Um ersten Unsicherheiten meiner Leser zu begegnen und Verwechslungen zu vermeiden, muss ich an dieser Stelle auch den jüngeren Bruder Erich Schmale (1886-1964) erwähnen, der viel später ebensolche Bekanntheit wie Filius im Motorwesen erlangte und auch Verdienste bei der Schaffung des ersten Motor-Veteranenclubs und der weiteren Organisation des Veteranenwesens erwarb. Erich hatte die Namensänderung des Bruders selbstverständlich nicht mitgemacht und irgendwie mutierte sein Name auch von "Schmal" zu "Schmale". Über ihn vielleicht zu einem anderen Zeitpunkt mehr. ![]() Reisen. Ein eigenes Kapitel sind die umfangreichen Reisen von Filius, über die auch in einigen Büchern für die Nachwelt berichtet wurde. Filius ging es dabei nicht um großartige Erstbefahrungen oder Expeditionen. Er wollte vielmehr über die mühelose Selbstverständlichkeit berichten, mit der bereits Automobilreisen im Großraum der Monarchie möglich waren. Automobilismus wird dabei als Sport angesehen, so man ohne Chauffeur unterwegs ist. Unter diesem Leitmotiv ist das gesamte Wirken von Filius zu sehen. Schon 1902 hatte er eine Fernfahrt mit dem Motorrad, einer kleinen 13/4 PS Laurin u. Klement unternommen und hatte etwa 1000 Kilometer über Graz, Villach, Stilfserjoch, Bozen und Innsbruck unter die Räder genommen. Durchschnittliche Tagesleistung 200 Kilometer. Ich bitte ausdrücklich, jetzt nicht überheblich zu schmunzeln. Es galt damals ja als gute Leistung, den Wiener Exelberg pannenfrei zu bezwingen. Die Erfahrungen als "Schrauber" bei dieser Fahrt dürften den Anstoß für das oben genannte Lehrbuch für Motorradfahrer gelegt haben. Als erster Reisebericht von Filius ist 1907 eine "Automobilreise durch Bosnien, die Hercegovina und Dalmatien" überliefert: Mit einem 28/32 HP Gräf & Stift Doppelphaeton fahren drei Damen und drei Herren (ohne Chauffeur!) zum "äußersten Okkupationszipfel der Österreichisch-Ungarischen Monarchie". (Anm.: Bosnien-Hercegovina wurde zwar 1878 von Österreich okkupiert aber erst 1908 annektiert. Es war also staatsrechtlich zum Zeitpunkt der Reise noch immer Teil des osmanischen Reichs) Beschaulich in 12 Tagesetappen zwischen 140 und 200 Kilometern. "Die bosnische Landesregierung stellt eine offene Regierungsordre aus, in der alle öffentlichen Funktionäre angewiesen werden, jede erdenkliche Unterstützung zu gewähren." ...... "Una-tal, wir passieren eine holprige Brücke und befinden uns mit einem Schlag im Orient" (Anm: die Una fließt in die Save und markiert die Grenze zwischen Kroatien-Slawonien und Bosnien-Herzegowina) ... "In Jajce gibt es bereits einen Motorradfahrer ... In Sarajevo findet man drei gute Hotels: Europa, Zentral und die Kaiserkrone ...". Noch stand die originale Narenta-Brücke in Mostar. Zengg wird als altes Seeräubernest erwähnt. Wieder ein Hinweis für mitleidig lächelnde Leser: fahren Sie doch heute einfach dort hin. Nur so. Dann werden Sie einen Eindruck erhalten, wie es vor 100 Jahren war. ![]() Der Wagen ist ein 16 HP offenbar Laurin & Klement. Als Extras ausdrücklich erwähnt sind besonders breite Backenbremsen und ein 120 Liter fassender Tank. Benzin wurde damals in Kannen ("Benzinbidon") verkauft, in Frankreich zu 50 Centimes/Liter. Hervorzuheben ist dabei die Reise "durch die automobilfreundliche Schweiz". Das Land der Eidgenossen stellt sich auf dieser Tour als eine einzige Verkehrsschikane heraus, für den frühen Automobilisten ein wildes Kurdistan in Mitteleuropa. Man benötigt unbedingt die Spezialkarten des Schweizer Automobilclubs, auf denen die unzähligen Wegverbote und Schikanen eingezeichnet sind und sieht sich einer unglaublich feindseligen Bevölkerung gegenüber. Fuhrwerke fahren bewusst in der Straßenmitte, um ein Automobil nicht passieren zu lassen. Steine werfende Straßenkinder sind noch das geringste Übel. "Das Passieren des Brüningpasses ist von 8 h früh bis 5 h abends im Tempo von 10 Kilometern pro Stunde erlaubt ... Aber heute ist Feiertag, da ist es verboten." Begüterte Reisende behelfen sich damit, dass sie einen Pferdevorspann mieten, natürlich gegen gehörige Taxe, der sie ohne Motorkraft mit der gewünschten langsamen Geschwindigkeit auf die Passhöhe bringt, hinunter darf man rollen. Übrigens mit "Zeitkontrolle": ".. vom Oberkellner auf der Passhöhe bekommt man eine Zeitbestätigung, das Buffetfräulein in Giswil kontrolliert die richtig eingehaltene Zeit". Mindestens 72 Minuten. Oder ein anderes Routineschild: "Automobilisten. Straße gesperrt von 12 h mittags bis 12 h nachts." ... Dies zwar nur für wenige Kilometer, aber ohne Alternativstrecke. Beinahe müßig zu sagen: nicht alle diese Einschränkungen sind auf der Liste des Schweizer Automobilclubs zu finden. Ziel der ganzen Einrichtungen war offensichtlich nicht eine Verkehrsberuhigung, sondern den Automobilisten womöglich zum Zahlen oder zu einem möglichst teuren Hotelaufenthalt zu zwingen. " ... entlang des Brienzer Sees hatte ich mit der Kalamität der Sonntagsradler zu rechnen. Wie ein Heuschreckenschwarm waren sie über die Gegend verbreitet, sie fuhren rechts, sie fuhren links, rasten um die Kurven und purzelten in den Graben", schreibt unser guter Filius, der ja gewiss kein Feind der Radfahrer war. Den Höhepunkt der überlieferten Fernreisen stellen die "Vier Wochen im Automobil" - so der Titel - im Herbst 1911 dar. Es ist die "Reisebeschreibung einer Fahrt durch die Dolomiten und Italien entlang der Riviera, über die Grand Route des Alpes, zum Besuch der Schlösser der Loire und zurück über Trouville und Paris nach Wien". Filius fährt mit seiner Gattin, der Wagen ist ein Laurin & Klement 25 HP 4 Zylinder. 6000 km ohne Defekt, ausgenommen Reifen. Das war damals für einen gut gewarteten Wagen normal, die Reifen waren die Sorgenkinder. Meist schnappten die Vorderräder Nägel auf, die Profile waren nach 6.000 km am Ende und hauchdünn. Er gibt den Tipp, in größerer Hitze die Reifen zu "berieseln" und "... trifft man immer wieder auf jemanden, der mit einem Gefäß vor einem Brünnlein steht und für ein Trinkgeld soviel Wasser über die Reifen giesst, als man nur immer will." Übrigens: Benzin wird noch immer mit der Schubkarre in Kanistern ausgefasst. Die rasante Entwicklung der Motorisierung ist auffällig. Was vor einigen Jahren noch Aufsehen erregte, wundert 1911 nicht mehr. Von Cortina bis zur Passhöhe des Falzarego begegnen die beiden immerhin 12 Automobilisten. Darunter aber nicht immer solchen, die ihr Fahrzeug beherrschen und bei Begegnungen mit anderen Fahrzeugen zu lebensgefährlichen Manövern greifen. Nizza wird "im Dornröschenschlaf" angetroffen; von Mercédés-Jelinek nimmt Filius keine Notiz und auch die Rennstrecke "La Turbie" findet keine Erwähnung! Dafür nennt er ausdrücklich das Denkmal des verunglückten Aviatikers Kapitän Ferber. Weiter führt die Strecke über die "Grande Route des Alps" von Nizza bis Aiguebelle über die schönsten und höchsten Passstraßen Frankreichs. Filius skizziert den technischen Fortschritt und die Entwicklung im Straßenbau folgendermaßen: "Die Strecke Stuttgart - Ulm wurde von uns in zweieinviertel Stunden zurückgelegt. Ich konstatiere diese an sich nicht verwunderliche Tatsache nur deshalb, weil ich 1900 für die Distanz in umgekehrter Richtung einen ganzen Tag brauchte. Auch München - Ulm kostete uns 1900 einen ganzen Tag. Damals trafen wir spät abends in Ulm ein, müde und abgearbeitet. "Ist das Ulm?" frugen wir einen Mann, der uns entgegenkam. "Ich will mit euch nichts zu tun haben", entgegnete er." So was kann ja auch der Teufel sein." Damit schlug er sich in die Büsche." (Zitat) ![]() Die letzte mir bekannte "Filius-Fahrt" war dann 1930 eine Sternfahrt nach Linz. |
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