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Donnerstag, 25. April 2024
Reisen in exclusiven Mobilen Drucken E-Mail
Geschrieben von Wolfgang M. Buchta   

Heft bestellen - Reisen in exclusiven Mobilen - Die Elektrifizierung der Südstrecke

Am 5. Mai 1842 wurde das erste Teilstück der Südbahn zwischen Wien und Gloggnitz in Betrieb genommen, am 17. Juli 1854 überwand Ghega den Semmering und am 12. Juli 1857 fuhr der erste Zug von Wien nach Triest. Zwischen 1956 und 1977 wurde die gesamte Südstrecke elektrifiziert ... Mit einer Schrecksekunde von 40 Jahren haben wir nachgezogen. Wolfgang (Text) und Ulli Buchta (Photos) haben sich bemüht, möglichst langsam an die Adria zu kommen ...

  ImageAufmerksamen Lesern dieses Magazins ist vielleicht aufgefallem, dass die (humanoiden) Protagonisten dieser Geschichte eine Vorliebe - neben no, na für historische Fahrzeuge - für a) das Reisen an sich und b) Elektrofahrzeuge haben - da war es irgendwie nahe liegend (oder vielleicht auch nicht) die beiden Themen zu kombinieren. Erste Gespräche im Freundeskreis beschränkten sich meist auf Mitleid - o. k., für den Stadtverkehr könnte es ja vielleicht eines Tages sein, dass Elektroautos geeigent sind, aber zum Reisen - never ever.
Derartiges reizt natürlich zum Widerspruch und allmählich nahm die Idee Gestalt an - Opatia, auch unter dem Namen Abbazia bekannt, ist ein höcht austro-classisches, mondänes Seebad an der oberen Adria, das nicht nur Reich-und- Schön der Monarchie frequentierte, sondern - ein paar Jahrzehnte später - war auch der Autor im zarten Alter von 5 Jahren - "Meine erste Reise ans Meer" steht im Photoalbum - bereits einmal dort.
Volkswagen hatte mit dem VW e-Up! - bis auf den Antrieb praktisch baugleich mit dem Kleinwagen VW Up!, wodurch ein direkter Vergleich zwischen zwei Antriebssystemen möglich ist - nicht nur ein passendes Fahrzeug, sondern war auch rasch überredet - "o. k., wo wollt ihr euch den e-Up! abholen? In Wien oder in Wiener Neustadt?".
Da wir immer versuchen hilfsbereit und höflich zu sein und Volkswagen keine unnötige Mühen bereiten wollten und (vielleicht) auch, weil wir uns dadurch die Strecke Klosterneuburg - Wiener Neustadt (2x rund 70 km) ersparten, war die Entscheidung einfach: Am 3. Juli übernahmen wir einen gut eingefahrenen, weißen e-Up! mit dem Kilometerstand 3.787 - das große Abenteuer konnte beginnen.

ImageErste Etappe: Wiener Neustadt - Peggau. Natürlich fährt man mit einem Elektroauto, das eine Reichweite so um die 160 km und eine Ladezeit von rund 8 Stunden von ganz leer auf ganz voll hat, nicht ganz einfach los und ist vier Stunden später im je nach Route 450 bis 500 km entferten Opatija - das wäre ja höchst unsportlich. Eine richtige Reise will geplant sein und vor allem - wie schon Konfuzius vor 2.500 Jahren wusste "Der Weg ist das Ziel".
Getreu dem Motto "Auf den Spuren der Südbahn" führte die erste Teiletappe natürlich auf den Semmering - komplett mit Viadukt, Bahnhof, Südbahnhotel, ... und 40 Streckenkilometer und rund 700 Höhenmeter. Und wir haben den ersten leichten Schock: Reichweite in Wiener Neustadt: 158 km, Reichweite auf der Passhöhe Semmering: 59 km - die Höhenluft bekommt der Reichweite nicht wirklich gut.
Wobei die Erklärung natürlich logisch ist: Die Reichweite nimmt den Durchschnittsverbrauch der letzten 5 oder so Kilometer als Basis, und wenn wir jetzt weitere 59 km steil bergauf fahren sind die Akkus zwar leer, aber wir dafür am Gipfel des Großglockners ... Knapp 50 km weiter in Kapfenberg - dorthin geht es durchgehend bergab - zeigt die Reichweite wieder 74 km. Am Semmering findet sich das - heute leider leer stehende - Südbahnhotel, oder vielleicht sollte man besser sagen das erste Südbahnhotel auf unserer Reise.
Eine Eisenbahngesellschaft, die hunderte Kilometer Schienen in die Landschaft legt, tut dies nicht zum Vergnügen, sondern um damit irgendwann einmal Geld zu verdienen - mit Fracht und mit Passagieren, und letzteren, das erkannte man in England als erstes, muss man "etwas bieten" um sie in die Züge zu locken, beispielsweise prächtige Hotels - die sogenannten Eisenbahnhotels waren geboren.
Auch die Südbahngesellschaft unter ihrem Direktor Friedrich Julius Schüler erkannte den Trend und entlang der Strecke entstanden einige "Grand Hotels", von Wien aus kommend das erste am Semmering. Natürlich führt der Weg des wahrhaftig Reisenden nicht über die Autobahn, sondern über die Bundes- und Landesstraße, z. B. die L118 nach Kindberg, wo der Zunftbaum Kindheitserinnerungen wach werden lässt.

ImageZweite Etappe: Peggau - Bad Radkersburg. Zwischen Peggau und Bad Radkersburg liegt Graz, wo - welch ein Zufall - gerade am Tag unserer Durchreise im Puch Museum und bei Magna Steyr des 100. Todestages von Johann Puch gedacht wurde.
Eine breite Palette von Puch-Produkten mitzwei, vier und sechs Rädern waren samt rund 250 Besuchern zusammengekommen, um sich im "Puch-Werk" mit Speis und Trank und Werksführung verwöhnen zu lassen. In Bad Radkersburg, wo Freunde eine Pension mit Garage, oder sollten wir sagen eine Garage mit Pension, besitzen, wartete ein leckerer Heuriger sowie ein weiches Bett auf uns und eine Ladung Strom auf unseren e-Up!

Dritte Etappe: Bad Radkersburg - Ljubljana. Eine lange Etappe von rund 190 km liegt vor uns und neben dem Puch Museum in Sakusak steht ein geplanter Tankstop auf halber Strecke am Programm. Großes Entsetzen - ein Elektroauto braucht ja 8 Stunden zum "Tanken"! - ist nicht unbedingt angebracht. "Tankstop" heißt in diesem Fall ja hier nicht notwendigerweise "Super voll, bitte!".
Als Faustregel kann gelten, dass mit "Haushaltsstrom", also 220/230 V, den es wohl überall gibt, in einer Stunde Ladezeit etwa 20 km Reichweite in die Batterie "rinnen" - und Smarje pri Jelsah hat neben einer öffentlichen Elektrozapfsäule, einer ausgezeichneten Pizzeria auch eine Kirche am Berg samt Kreuzweg zu bieten. Zwei Stunden Pause mit Mittagessen sowie schweißtreibender Abarbeitung des selben - das reicht locker bis Ljubljana, wo wieder ein leckeres Abendbrot, ein Hotelzimmer und Strom warten ...

ImageVierte Etappe: Ljubljane - Opatija. 125 km am direkten Weg und 300 m Höhenunterschied in die richtige Richtung, also bergab, das sollte locker in einem Stück zu schaffen sein, aber wir wollen doch zwei tolle slowenische Museen (und deren Steckdosen) nicht auslassen!
In einem riesigen - 6.000 m2 - ehemaligen Kar- täuserkloster in Bistra pri Vrhniki, ein paar Kilometer südwestlich von Ljubljana, befindet sich das "Tehniški muzej Slovenije", also das Technische Museum Sloweniens, mit einer beeindruckenden Fülle von Abteilungen - Forstwirtschaft, Holzverarbeitung, Jagd und Fischerei, Elektrizität, Textilindustrie, Druck, ... und natürlich für unsereins von besonderem Interesse einer Verkehrsabteilung, mit einer Menge und Vielfalt an Autos und Motorrädern - da könnte sich manch anderes Museum eine Scheibe abschneiden ...
Highlight ist wahrscheinlich eine eigene Halle mit Luxuslimousinen - Packard, Zil, Cadillac, ... - aus dem Besitz der "Altösterreichers" Josip Broz, besser bekannt als Marschall Tito. Wenig überraschend finden sich unter den gut 100 Fahrzeugen eine Fülle von Produkten aus Slowenien resp. dem ehemaligen Jugoslawien - Zaszava Automobile, Tomos Motorräder oder TAM Nutzfahrzeuge.
Etliche Kilometer weiter in Richtung kroatischer Grenze liegt das Städtchen Pivka (St. Peter in Krain), das für unsere Geschichte nicht weiter wichtig wäre, wenn Friedrich Julius Schüler, ihr erinnert euch noch an den umtriebigen Direktor der Südbahngesellschaft, auch hier ein (kleines) Südbahnhotel erbaut hatte, das zwar noch besteht, allerdings heute nicht mehr als Hotel betrieben wird.
Biegt man nach dem Bahnhof rechts ab, so kommt man nach kurzer Fahrt zum "Park vojaške zgodovine Pivka", dem slowenischen Militärmuseum in einer ehemaligen (italienischen) Kaserne in rund 550 m Seehöhe. Warum ist das erwähnenswert, außer weil der Anstieg Strom kostet?
Vielleicht weil das größte Objekt der beindruckenden Sammlung, das 19 m lange und 76 Tonnen schwere U-Boot P-913, das auf die umgebende Landschaft hinabblickt, irgendwie an Werner Herzogs Film Fitzcarraldo erinnert ... Aber nicht nur die Lage und die Geschichte des Museums ist besonders interessant, sondern auch die Qualität der Sammlung, die eine Fülle an Militärgerät aus aller Welt - amerikanische Militärhilfe nach den Zweiten Weltkrieg, Gerät aus der ehemaligen Sowjetunion, eigene Produktion im ehemaligen Jugoslawien, ... - der verschiedensten Epochen zeigt.

ImageAm Ziel - Sehnsuchtsort Opatija. Einst war Abbazia ein verschlafenes Fischerdorf, ehe sich ein wohlhabender Kaufmann aus dem benachbarten Fiume (heute: Rijeka) im Jahre 1844 die "Villa Angiolina", benannt nach seiner früh verstorbenen Frau, bauen ließ und diese mit einem prächtigen Park mit einer Fülle exotischer Pflanzen umgab.
1873 eröffnete die Südbahngesellschaft die Teilstrecke St. Peter in Krain (Pivka) - Fiume (Rijeka), die knapp an Abbazia (Opatija) vorbeiführte. Von der Station Opatija-Matulji führte einst eine elektrische Straßenbahn nach Opatija.
Unter Direktor Friedrich Julius Schüler, für den im Park der Villa Angiolina ein Denkmal steht, errichtete die Südbahngesellschft 1884 das Hotel Quarnero - das älteste Hotel des heutigen Kroatiens heißt heute "Hotel Kvarner" und wurde nach umfangreicher aber vorsichtiger Renovierung im Mai dieses Jahres wieder eröffnet. Für geschichtsbewusste Reisende ist in Opatija natürlich das "erste Haus am Platz" bestens geeignet - einst traf hier Kaiser Franz Josef I. den deutschen Kaiser Wilhelm II ., hier stiegen das rumänische Königspaar ab und Isadora Duncan. Und für diesen geschichtsbewußten Reisenden gibt es an der Adria zum Gedenken an Helmut Qualtinger natürlich, zumindest für den ersten Abend, nur ein Gericht "Hundstrümmerl - mit Zwiefel" für jüngere Semester und Nicht-Wiener auch als Cevapcici bekannt.
Eine kleine Überraschung hatte der geschichtsträchtige Boden unter südlicher Sonne für uns allerdings schon bereit: Wo es kaum Parkplätze gibt sind - trotz Vorankündigung - Parkplätze mit Steckdose doppelt rar. Aber es gibt wohl kein Problem, das die freundliche kroatische Hotelbelegschaft - wir sind auf unserer ganzen Reise durchwegs höchts freundlichen und hilfsbereiten Menschen begegnet, die unsere Narretei nach Kräften unterstützt haben - nicht lösen konnte.
Das "Kvarner" hat zwar keinen Parkplatz mit Steckdose, aber das "Imperial" hat Zimmer Nr. 17 mit Steckdose und einem Fenster zum Personalparkplatz ... Well done, die Damen und Herren von den Remisens Hotels und ein großes Dankeschön für die "unbürokratische" Lösung.
Eine öffentliche Stromtankstelle ist übrigens auch für Opatija für die nahe Zukunft geplant ... Ein Jahr nach dem "Quarnero" und in unmittelbarer Nähe wurde ein zweites Südbahnhotel "Kronprinzessin Stephanie", erbaut, das bei jedem politischen Umbruch in der Gegend einen neuen Namen bekam: Nach dem Ende der k.u.k. Zeit kam die Region unter italienische Herrschaft und das Hotel hieß "Regina Elena" nach der Gattin von König Viktor Emanuels III ., in den Jahren 1945 bis 1948 "Hotel Moskau" und nach dem Bruch Titos mit Stalin "Hotel Central" und seit 1966 "Hotel Imperial".
Neben Strom, Essen und Trinken und Hotels hat Opatija einiges mehr zu bieten, als selbst wir in nur drei Tagen würdigen können, daher eine unvollständige Auflistung
- den "Lungomare" alias "Obalno Šetalište Franza Josefa", Kaiser-Franz-Josef-Promenade - eine 12 km lange Strandpromenade, entlang der sich eine historische Sehenswürdigkeit nach der anderen aneinanderreiht, und die Opatija mit den Nachbarorten verbindet,
- ein "U-Boot", das zwar kein echtes, wie das am Berg ist, aber sich in seiner angestammten Umgebung befindet und für Ausflugsfahren und Unterwasserbeobachtung zur Verfügung steht,
- ein wildromantisches Hinterland, das man zu Fuß, per Mountainbike aber auch per Automobil erkunden kann (und sollte),
- glasklares Meer, das zum Schwimmen einlädt,
- eine subtropische Tier- und Pflanzenwelt,
- malerische Orte in der Umgebung,
- den Liburnia Classic Club Opatija, dessen Mitglieder in den Sommermonaten jeden Dienstag von 19:30 bis 22:00 zu kostenlosen(!) Oldtimertouren durch die Stadt einladen,
- und als Extrabonus jede Menge persönliche Erinnerungen resp. zumindest ein altes Photoalbum ...

ImageFünfte Etappe - Opatija - Ljubljana. Noch schneller als befürchtet sind die drei Tage vorbei - gar manches bleibt unerledigt - und die Heimreise beginnt. Diesmal ist das "Gefälle" von Ljubljana nach Opatija in die Gegenrichtung, sprich berauf zu befahren, aber zum Glück gibt‘s noch weitere Attraktionen, die Steckdosen und einiges mehr zu bieten haben.
Die Karsthöhlen von Postojna sind weltberühmt, die Skocjanske Jame, der unterirdische Teil der Reka, sind weniger überlaufen und brauchen sich keinesfalls zu verstecken. Der begehbare Teil des unterirdischen Laufs der Reka ist die rund 3,5 km lange "Rauschende Höhle", die die Besucher zwischen dem Wildwasser in der Tiefe und den Tropfsteinen an der Decke geführt durchwandert.
Die größte der unterirdischen Räume, die Martel- Halla hat eine Länge von 308 m, eine Breite von bis zu 123 m und eine maximale Höhe über dem Wasserspiegel von 146 m. An die rund 6 kmlange Höhlenwanderung schließt sich - optional - der Weg durch die beiden großen Dolinen - die Velika dolina (165 m tief) und die Mala dolina (120 m tief) und über hunderte Stufen wieder zurück zum Besucherzentrum, ein trotz der kühlen Höhlenluft schweistreibender Ausflug, der gleichermaßen den eigenen Speck abarbeitet und - schon vergessen, wir sind elektrisch unterwegs - an einer Steckdose des Besucherzentrums die Akkus füllt.
Das Abendessen in Ljubljana "im Schutze des Drachen" lässt die Anstrengungen der Höhlenwanderung wieder vergessen ...

ImageSechste Etappe - Ljubljana - Bad Radkersburg. Der vorletzte Reisetag erfreute uns durch Dauerregen und brachte die Erkenntnis, dass Regenwetter - Stichwort Rollwiderstand, Stichwort Scheibenwischer, Stichwort Licht, Stichwort beheizte Frontscheibe - die Reichweite deutlich - sagen wir so um die 20% - verkürzt. Erstmals auf der Reise wird es so richtig knapp: Mit 3(!) km Reichweite auf der Anzeige rollen wir im Einkauszentrum in Maribor an die "Zapfsäule" - was natürlich nicht ganz so dramtisch ist, wie es vielleicht klingt, denn Steckdosen gibt es, im Gegensatz zu Tankstellen, zumindest in unseren Breiten wirklich überall. Und im Notfall kann man immer einen freundlichen Wirt, Tankstellenbesitzer oder auch die Bewohner eines Privathauses um "eine Stunde Steckdosenbenützung" bitten - wie gesagt im Notfall, den wir ja nicht hatten ... Wohlbehalten in Bad Radkersburg angekommen, überredeten uns unsere Freunde zu einer kleinen Extratour im Zuge der

Siebenten und letzten Etappe. Südlich von Bad Radkersburg lebt ein slowenischer Sammler, der seine Garage(n) mit einer Reihe toprestaurierten Sammlerstücke gefüllt hat. Anreise - natürlich - per Strommobil ... und der erfolgreichen Bezwingung des Wechsels - die Abfahrt vom Wechsel "spielt" mittels Rekuperation rund 5% des Tank- pardon Batterieinhalts herein - landeten die Reisenden wieder wohlbehalten in Wiener Neustadt und tauschten e-Up! gegen Up! für die letzten 70 km der Heimreise ...
 
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