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Donnerstag, 25. April 2024
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Geschrieben von Walter Blasi   

Heft bestellen - Vom Original zum Replica

Der Berlin-Rom Wagen Ferdinand Porsches von Michael Barbach

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Rekordfahrten und Stromlinienform Die 20er und 30er Jahre des 20. Jahrhunderts standen ganz im Zeichen einer zunehmenden Beschleunigung des Automobils. Nicht nur stärkere Motoren und überarbeitete Fahrwerke bescherten den Automobilisten höhere Reisegeschwindigkeiten, sondern auch die Karosserie rückte verstärkt in das Blickfeld von Konstrukteuren und Designern, die oftmals, wie in Deutschland, aus der Luftfahrtindustrie kamen, wo sie kein Betätigungsfeld vorfanden. Daneben bekundeten auch Reifenhersteller ihr Interesse an hohen Geschwindigkeiten und erwiesen sich oft als Motor für Rekordfahrten, um das Verhalten ihrer Reifen bei schnellen Dauerfahrten studieren zu können. Dazu lieferten meist automobilbegeisterte, autoritäre Machthaber wie im Deutschen Reich oder Italien dann jene Autobahnen, auf denen diese hohen Geschwindigkeiten auch gefahren werden konnten.


Stromlinienwagen waren daher so „designed“, dass sie dem Wind den geringsten möglichen Widerstand entgegensetzen konnten. Windschutzscheiben waren seitlich gebogen, die Dachlinie wurde niedrig angesetzt und lief nach hinten in der Mitte spitz aus und ging dort in eine horizontale, weich abgerundete Heckpartie über. Die Scheinwerfer waren integriert und um ein Abreißen der Strömung zu verhindern, wurde einzelnen Details der Karosserie ein besonderes Augenmerk gewidmet. Türgriffe wurden versenkt und auf Stoßstangen gänzlich verzichtet. Außerdem achtete man auf geringe Spaltmasse. Um diese Windschlüpfrigkeit zu erreichen, ist es daher kaum verwunderlich, dass die straßentauglichen Stromlinienautos einander sehr ähnelten. Eine Serienfertigung, d. h. ein kommerzieller Erfolg, war diesen Fahrzeugen keiner beschieden – einzig dem vom Altösterreicher Hans Ledwinka konstruierten Tatra Typ 87 gelang der „Sprung“ in die Serienproduktion. Die Forschungsergebnisse hinsichtlich Windschlüpfrigkeit der Karosserie stießen vor allem im Rennsport auf Interesse, ging es doch darum, hohe Geschwindigkeiten zu erreichen.

Dennoch verzichtete kaum ein renommierter Automobilproduzent auf die Herstellung eines Stromlinienfahrzeuges, um „Rekordfahrten“ zu unternehmen. Sie sind in den 30er Jahren dazu gedacht, um die Leistungsfähigkeit von Fahrzeugen und Fahrern unter Beweis zu stellen. Der Modetrend Stromlinie ist übrigens in den USA ausgebrochen, wo selbst Bleistiftspitzer und Haushaltsgeräte aus dem Windkanal zu kommen schienen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass in England um Mitte der 30er Jahre erzeugte Fahrzeuge lediglich Abrundungen und Ausrundungen der Karosserie aufwiesen und sich die britischen Konstrukteure zu keine konsequent durchgeführten Stromlinienformen wie in Deutschland oder Frankreich durchringen konnten.

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An dieser Stelle seien einige repräsentative europäische Vertreter genannt. Der Automobilhersteller Adler aus Frankfurt am Main (zählte nach dem Ersten Weltkrieg zu den wichtigsten deutschen Fahrzeugherstellern) schuf Stromlinienautos, die in den Jahren 1935 und 1936 mehrere internationale Rekorde einfuhren. Dabei handelte es sich 1935 um das Modell Trumpf-Junior, ein serienmäßiger Kleinwagen mit einem 1000-cm³-Motor (Klasse G), dem eine stromlinienförmige Karosserie „darüber gestülpt“ wurde. Außerdem wurde der Beweis erbracht, dass auch kleinvolumige Motoren enorme Dauerbeanspruchungen zu leisten imstande waren. Ende 1935 und 1936 unternahm Adler abermals Rekordfahrten, diesmal allerdings mit leistungsstärkeren Modellen, um neuerlich Rekorde einzufahren. Adler setzte 1937 seine stromlinienförmigen Rennlimousinen sogar in Le Mans ein.

1937 wurden auf der Basis des BMW 328 von Wendler in Reutlingen zwei Stromlinien-Coupés karossiert. BMW war, was die Stromlinie anging, überhaupt sehr umtriebig. 1939 wurde von Touring in Mailand auf ein 328er Chassis eine Coupékarosserie aufgesetzt. 1940 hatte der Aerodynamiker Wunibald Kamm für BMW ebenfalls ein windschlüpfriges 328-Coupé kreiert. 1938 wurde das Chassis eines Mercedes 540 K mit einer Stromliniekarosserie versehen, das von Dunlop zwecks Reifentests im Hochgeschwindigkeitsbereich in Auftrag gegeben wurde. Damit erreichte das Fahrzeug statt der rund 140 km/h mit handelsüblicher Karosserie eine Geschwindigkeit von bis zu 170 km/h und mit Kompressorhilfe waren sogar 185 km/h drin. Ebenfalls 1938 plante Maybach einen Stromlinienwagen, den SW 38 Stromlinie, der 1939 als Testwagen für Fulda-Reifen gebaut wurde. Ein eher ungewöhnliches Stromlinienfahrzeug war der Wanderer W25, denn er verfügte über kein Dach. Immerhin gelang es mit diesen Autos, den Mannschaftssieg in der Fernfahrt Lüttich-Rom-Lüttich zu erringen, für die sie extra gebaut wurden.

Auch der „Zauberer aus Molsheim“, Ettore Bugatti, kam an der Stromlinienform nicht vorbei; vom Aérolithe, dem Prototyp des Atlantic 57 SC, wurde 1935 ein Exemplar gebaut. Talbot-Lago (mit seinem T-150-C SS Teardrop Coupé), Delage und Delahaye bereicherten mit ihren Stromlinienfahrzeugen ebenfalls die windschlüpfrige automobile Welt. Neben Tatra leistete auch ein anderes tschechisches Unternehmen, nämlich Skoda, mit dem Modell 935 Dynamic seinen stromlinienförmigen Beitrag.


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Der Berlin-Rom-Wagen von Ferdinand Porsche Auch Ferdinand Porsche erlag der Faszination des Stromlinienautobooms – verständlich, denn erstens war der geniale Konstrukteur viel zu renn- und sportwagenbegeistert und zweitens wird er die sportlichen Erfolge der Konkurrenz sehr wohl mitbekommen haben. Der gegen Ende der 30er Jahre als Kraft-durch-Freude-(KdF)-Wagen bekannt gewordene Käfer hatte bereits eine Karosserie, die eine Mischung aus „Stromlinie, Kammheck und Buckel“ aufwies. Nebenbei bemerkt, das Konzept des Volkswagens hatte bereits 1925 ein gewisser Béla Barényi als junger Student entworfen und 1932 dem Konstrukteur Porsche bei einem Bewerbungsgespräch vorgelegt. 1955 konnte sich Barényi vom Volkswagenwerk die Anerkennung der Urheberschaft am VW Typ 1 gerichtlich erstreiten.

Was also neben dem KdF-Wagen fehlte, war ein Fahrzeug mit konsequent durchgezogener Stromlinienformgebung, wie ihn die automobile Konkurrenz produzierte, und das rekordtauglich war. Altmeister Porsche, Schöpfer vieler siegreicher Rennwagen, aber auch bekannt für kostspielige Experimente, beabsichtigte 1937, basierend auf dem KdF-Wagen, einen schnellen Volkswagen zu bauen. Mit dem Austro-Daimler Sascha hatte er Anfang der 20er Jahre die Idee vom kleinen, leichten Sportwagen erstmalig verwirklicht. Die Deutsche Arbeitsfront war zunächst von seiner Idee nicht begeistert, und die Vorstöße Porsches wurden abgeschmettert.

 So entschloss er sich, auf eigene Faust das Projekt eines Sportwagens zu verwirklichen und 1938 entstanden erste Zeichnungen eines aerodynamischen Sportcoupés. Zunächst sah es noch danach aus, als ob tatsächlich alle Pläne in der Schublade landen würden, bis eine politisch motivierte Motorsportveranstaltung für neuen Auftrieb sorgte. Ursprünglich sogar für 1938 geplant, sah die Oberste Nationale Sportbehörde für die Deutsche Kraftfahrt gemeinsam mit der Federazione Automobilistica Sportiva Italiana und der Reale Federazione Motociclistica Italiana zur Feier der Achse Berlin-Rom ein spektakuläres Rennen vor, nämlich eine Langstreckenfahrt von Berlin nach Rom in Anlehnung an einen der härtesten Bewerbe der Welt, nämlich Lüttich-Rom-Lüttich. An der Berlin-Rom-Fahrt wollten sich u. a. auch Hersteller wie Mercedes (mit einem 540 K Stromlinie), BMW (mit einem 328 Touring Roadster) oder Lancia (mit einer Aprilia Aerodinamica) beteiligen. Zugelassen waren nur 250 Pkw und 150 Motorräder. Das Reglement sah bei den Pkw nur Fahrzeuge der Baujahre zwischen 1936 und 1938 vor; ältere waren nicht zugelassen. Vermutlich hätte man 1939 das Reglement „nachgebessert“, um auch Porsche zum Zug kommen zu lassen, denn der hätte gemäß den 1938 geltenden Regeln nicht teilnehmen dürfen.

Da der Großteil der Strecke auf der Autobahn zurückzulegen war, hatten sich viele der teilnehmenden Automobilhersteller für eine Stromlinienkarosserie (siehe oben) entschieden. Auf Grund der Tatsache, dass der Käfer für ein solches Unternehmen kaum geeignet war, wurde von Porsches bewährtem Team eine für den Renneinsatz geeignete Sonderanfertigung, nämlich ein Sportcoupé, auf die Beine gestellt (Bezeichnung als VW Typ 60 K 10 oder als Porsche Typ 64). Erwin Komenda zeichnete die Pläne für die Aluminium-Stromlinienkarosserie, unter der selbst die Räder verschwanden. Die Konstruktion des Aufbaus stammte von Josef Mickl, dem Schöpfer mehrerer k.u.k. Seeflugzeuge, und Karl Fröhlich war für die Positionierung des Motors vor die Hinterachse verantwortlich. Der Boxermotor leistete durch größere Ventile, Doppelvergaser und einer höheren Kompression 40 PS, was für eine Höchstgeschwindigkeit von 145 km/h reichte. Die „VW-Bodenplatte“, einschließlich der Radaufhängungen wurde völlig geändert bzw. neu konstruiert. Schließlich wurden drei Exemplare hergestellt. Drei deshalb, weil das Reglement vorsah, dass eine Mannschaft aus drei Kraftwagen „gleichen Fabrikats, gleicher Type und gleichen Zylinderinhalts“ bestehen musste. Die Alu-Karosserie (Gewicht nur 545 kg) soll von der Firma Reutter in Stuttgart, die seit 1932 eng mit Porsche zusammenarbeitete, hergestellt worden sein. Am Typ 64 aber war bereits Form und Aussehen des 1946 in Gmünd in Kärnten gebauten Porsche-Modells 356 erkennbar.

Die Langstreckenfahrt Berlin-Rom sollte, wie schon angedeutet, vom 27. bis 28. September 1938 stattfinden, wurde  jedoch eine Woche vor dem Start ohne nähere Begründung abgesagt. Vermutlich wollte man Ferdinand Porsche genügend Zeit geben, sein Rennwagenprojekt fertig zu stellen, denn der oberste Motorsportchef des Deutschen Reiches, Adolf Hühnlein, wollte den Wagen unbedingt dabeihaben. Aus der verschobenen Fernfahrt wurde weder im Frühjahr noch im September 1939 nichts – der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges am 1. September verhinderte dann endgültig den Bewerb. Porsche aber hatte sich offenbar das Ziel gesetzt, zumindest in der Zeit nach dem Krieg in der 1100-cm³-Klasse Weltrekorde einzufahren.

Das erste Sportcoupé ist übrigens erst am 19. August 1939 fertig geworden. Der zweite Wagen wurde dann im Dezember 1939 und das dritte sogar erst im Juni 1940 fertig. Auf diversen S/W-Fotos sind die Fahrzeuge mit den Stuttgarter Kennzeichen IIIA-0703, IIIA-0687 und IIIA-0701 in unterschiedlichen Lackierungen zu sehen. Es existiert auch ein Foto, das die Rückansicht eines der Wagen zwischen zwei VW-Kübelwagen im Winter zeigt. Das Kennzeichen ist allerdings IIIA-43037. Oberhalb dieses Kennzeichens – dies ist auf einem anderen Foto zu erkennen - ist ein weiteres (IIIA-0688) montiert. Diese ausgedehnten Versuchsfahrten im Winter 1941 wurden auch durch Filmaufnahmen dokumentiert.

Über das Schicksal der drei Sportcoupés gibt es äußerst unterschiedliche Angaben. Einmal soll ein Fahrzeug in einer Stuttgarter Garage einem Bombenangriff zum Opfer gefallen sein. Andere Quellen sprechen von der Vernichtung eines der Sportcoupés durch Unfall seitens des KdF-Leiters Bodo Lafferentz. Fotos eines havarierten Wagens mit dem Kennzeichen IIIA-0701 stammen allerdings vom Katschberg und nicht von Lafferentzs Unfall. Lafferentzs Unfallauto soll allerdings das Kennzeichen IIIA-0703 gehabt haben und seine Witwe bestätigte, dass es damals kein Totalschaden war, sondern das Fahrzeug repariert und innerhalb der KdF-Organisation weiter verwendet wurde. Anderen Quellen zufolge soll das Fahrgestell dieses Wagens als Basis für den dritten Berlin-Rom-Wagen gedient haben. Ein weiterer Wagen – dieser soll als Dienstwagen des Porsche-Konstruktionsbüros in Verwendung gestanden haben – wurde von Ferdinand Porsche nach Zell am See geschickt und im Schütt-Gut der Familie Porsche einquartiert; dieser Wagen soll der einzige Überlebende sein. Andere Quellen sprechen davon, dass nach dem Einmarsch amerikanische Soldaten das Auto entdeckt haben und damit herumgekurvt sind. Wegen der großen Hitze sollen sie das Dach einfach abgesägt oder ein Loch hinein geschnitten haben. Mangelnde Fürsorge hinsichtlich des Ölverbrauchs sorgte schließlich für einen Motorschaden. Einen zweiten Berlin-Rom-Wagen soll Ferdinand Porsche während des Krieges ebenfalls als Dienstfahrzeug verwendet haben. Es würde den Rahmen sprengen, hier alle Geschichten über den Verbleib der drei Sportcoupés anzuführen.

Eindeutig steht jedoch fest, dass am 26. 4. 1946 laut Anmeldebestätigung der englischen Militärregierung ein Wagen im kärntnerischen Gmünd unter der Rubrik „Marke“ nur als „Sportwagen Typ 64“ mit der Fahrgestellnummer 38/41 und der Motornummer 38/43 auf Dr. Ing. h.c. F. Porsche mit dem amtlichen Kennzeichen K 45.240 angemeldet wurde. Die Fahrgestellnummer 38/41 wäre laut Chris Barber dem ersten Wagen zuzuordnen. Der Motor mit der Nummer 38/43 jedoch müsste im zweiten Wagen eingebaut gewesen sein. Folglich muss in irgendeiner Form ein „Umbau“ stattgefunden haben. 1947 wurde der Typ 64 nach Italien zu Pininfarina zwecks eines „Faceliftings“ geschickt. Es ist anzunehmen, dass das eine oder andere schwer beschädigte Fahrzeug überlebt hat und zur Restaurierung des letzten verbliebenen Berlin-Rom-Wagens aufgebraucht wurde.

Ferdinand Porsches Sohn Ferry setzte 1948 den Wagen sogar als Rennauto ein; er nahm damit am Straßenrennen „Rund um den Hofgarten“ in Innsbruck teil. Im Juni 1949 kaufte dann der Innsbrucker Amateurrennfahrer Otto Mathé dieses Modell direkt von seinem prominenten Eigentümer, das am 11. 7. 1949 als Einzelgenehmigung zum Verkehr zugelassen wurde. Da offenbar kein Typenschein vorhanden war, musste Mathé beim Amt der Tiroler Landesregierung ein Ansuchen um Genehmigung dieses Fahrzeugs (vom 7. 7. 1949) stellen.

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Der Rennfahrer Otto Mathé oder Ferdinand Porsche hätten ihre Freude gehabt Mathé erwarb neben dem kompletten Fahrzeug auch die Reste der/des anderen Wagen, die zur Basis für den so genannten „Fetzenflieger“, einem Monoposto-Rennwagen, wurden. Das von Porsche gekaufte Sportcoupé, das von ihm liebevoll „Ahnherr“ genannt wurde, ist unter dem amtlichen Kennzeichen T 2222 in die Motorsportgeschichte eingegangen. In Mathés Typenschein bzw. Zulassungsschein wurde das Fahrzeug als „Porsche Type 64“ eingetragen. In der Rubrik „Name und Wohnort des Erzeugers des Fahrgestells“ wurde übrigens „Porsche-Konstruktionen GmbH Salzburg“ eingetragen. Der Schriftzug „Porsche“ über dem Kühlergrill soll von ihm angebracht worden sein. Auf Grund einer durch einen Motorradunfall in den 30er Jahren erlittenen schweren Verletzung des rechten Armes baute Mathé den Wagen auf Rechtslenkung um. Dadurch konnte er mit der linken Hand schalten, während er mit Brust und Knie das Lenkrad fixierte. Zwischen 1949 und 1952 gewann der Innsbrucker zahlreiche nationale und internationale Straßenrennen, so z. B. 1950 die Österreichische Alpenfahrt.  Anfang der 80er Jahre eröffnete er mit dem „Ahnherrn“ mehrere Oldtimermotorsportbewerbe in Europa und den USA.

Der Originalzustand des Typs 64 blieb nicht erhalten. Mathé, der übrigens für den Formel-1-Champion Niki Lauda das Idol seiner Kindheit war, adaptierte ihn laufend für seine Renneinsätze, was sich in verschiedenen Motorkombinationen mit einer Leistungsbandbreite bis zu 60 PS niederschlug. Für die Verzögerung sorgten FIAT-Bremsen. Die Schneckenlenkung wurde durch eine Zahnstangenlenkung ersetzt und die Achsen wurden mit 15-Zollfelgen bestückt.

Mathé besaß den Wagen, von dem er sich niemals trennen wollte, bis auf eine Unterbrechung – eine Mineralölfirma erwarb den Typ 64, als es ihm gesundheitlich nicht gut ging - bis zu seinem Tod im Dezember 1995. Als Mathé seinen „Ahnherrn“ nach einem dreijährigen Kampf 1994 wieder zurückerhielt, war dies seinen Aussagen zufolge der schönste Moment in seinem Leben.

Der Replica-Wagen von Michael Barbach Nach Mathés Tod erwarb Dr. Thomas Gruber das Fahrzeug, der es 1998 von dem Porschespezialisten Michael Barbach restaurieren und wieder in den Urzustand versetzen ließ. Barbach bestätigte auch, dass im Fahrzeug nirgendwo eine Fahrgestellnummer gefunden wurde. Gruber wollte jedenfalls so fahren wie Ferdinand Porsche – linksgesteuert und mit der damaligen Technik. Diese Restaurierungsarbeiten – die Karosserie war durch Unfälle während der Rennen einigermaßen mitgenommen und eher unsachgemäß repariert worden – produzierten eine Menge Daten, Aufzeichnungen und Unterlagen, die jedoch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren – so wurde es mit dem Besitzer des Typs 64 vereinbart. 2008 verkaufte Gruber schließlich den Wagen an die Schörghofer Gruppe. Das war dann der Zeitpunkt, an dem Barbach die Unterlagen aus dem Archiv holte und mit dem Gedanken spielte, „so ein Auto“ nachzubauen, genauer gesagt den Wagen Nummer 1 mit dem  Kennzeichen IIIA-0703.

Auf Grund von Unterlagen, d. h. von Maßangaben, entstand parallel zum Replica ein Modellauto im Maßstab von 1:1,5 auf Kart-Basis. Durch die Übertragung der Abmessungen entstand die Holzform, auf der die Karosserie in Handarbeit „gedengelt“ werden konnte. Trotz der vorhandenen Daten war die Rekonstruktion des Berlin-Rom-Wagens ein dornenvoller Weg. Das begann bereits bei den Fenstern, die bei den Originalfahrzeugen unterschiedlich waren. Barbachs Auto hatte Glasscheiben mit Gummi und Fensterrahmen und kein Plexiglas wie die anderen beiden Modelle. Porsche war wegen des schlechten Sichtfeldes auf Plexiglas mit dünnen Fensterrahmen übergegangen. Von den fünf existierenden Fotos mit Glasfenstern wurde deren Größe über die Spurweite (!) und dem Maßstab der Fotos errechnet. Sozusagen als Kontrolle, ob die Größe der Fenster auch tatsächlich stimmt, wurden Plexiglasfenster, ebenfalls über Fotos, angefertigt und mit der Glasfenstergröße verglichen und in die „Holzkarosserie“ eingebaut. Überdies wurde das ganze dann S/W fotografiert und mit den vorhandenen originalen Fotos nochmals ein Abgleich gemacht. Also viel „Try and Error“! Eine Herausforderung der besonderen Art war die Heckscheibe. Es wurden Schablonen angefertigt, um sie bei einschlägigen Betrieben gießen lassen zu können. Diese haben jedoch alle das Handtuch geworfen. Schließlich hat ein Künstler aus Wiener Neustadt die gewölbte Heckscheibe zustande gebracht.


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Probleme haben z. B. auch die Heckleuchten aufgeworfen. Die Berlin-Rom-Wagen haben unterschiedliche Leuchten gehabt. Durch „Googeln“ wurden die Heckleuchten der Automarken um 1938 „abgecheckt“ und es stellte sich heraus, dass diese von Mercedes stammten. Nun begann die Suche nach diesen Heckleuchten. Auf Ebay wurde man schließlich fündig und zähneknirschend – weil eben schwer aufzutreiben – wurde der geforderte Preis von 900 Euro für die beiden kleinen Leuchten bezahlt. „Wenn sie 2000 Euro gekostet hätten, hätte ich auch 2000 Euro bezahlt“, so Michael Barbach.

Die nächste „irrsinnige Action“ war der Tachometer von Veigel. Im KdF-Wagen ging er nur bis 120 km/h, beim Typ 64 bis 160 km/h. Barbach kaufte vom KdF-Wagen alle Tachometer auf, darunter sogar vier komplette Armaturenbretter, „weil immer etwas kaputt geht“. Was allerdings noch immer fehlte, war der originale Tachometer, der ein HiTech-Gerät mit Magnet und schwimmender Nadel war – nicht zu vergleichen mit einem herkömmlichen 911er mechanischen Tachometer mit Zahnrädern, der wäre sicherlich kein Problem gewesen. Ein Spezialist in Tirol schaffte es jedoch, aus einem KdF-Wagentachometer einen Veigel-Tacho zu bauen. „Immer zwei Schritte weiter denken, das war das wichtigste bei dem Auto“ war für Barbach Handlungsanleitung während der gesamten Bauphase.

Auch die Türschnallen waren so ein Thema. Aber wieder kam der Zufall zu Hilfe. „Und dann sehen wir einen Renault 4 CV mit eben diesen Türschnallen ... das war genau das, was wir gesucht haben“, so Barbach. Was die gewünschten Teile betraf, hatte man zwar Fotos, wenn man sie jedoch vergrößerte, wurde alles nur unschärfer. Also wie haben die Teile wirklich ausgesehen? Die Restauration des Mathé-Autos war auch nicht immer hilfreich, weil durch die Rennfahrerei vieles vom Original verloren gegangen war. Oder der Benzintank – wie hat der ausgesehen? Aus Pappkarton wurde daher ein Tank geformt, der in das Auto hineinpasste. Anders als beim KdF-Wagen war der Benzintank in diesem Fall nicht Teil der Chassis, sondern wie die Elektrik in die Karosserie „integriert“.

Hinsichtlich der Herstellung der Holzform („das war auch so eine lustige Geschichte“) beabsichtigte man zuerst die Spanten selbst mit der „Laubsäge“ auszuschneiden. Schließlich fand sich ein Betrieb aus dem Flugzeugbereich, der die Holzteile fräste. Weil der Computer aber Rundungen nicht erkannte, mussten diese entsprechend der Form händisch geschliffen werden.

 Bei der Alu-Haut holte man sich Unterstützung von der Firma Drescher aus Deutschland. Diese hatte bereits für das Porsche-Museum eine Rohkarosserie hergestellt. Deshalb wurde auf Anraten von Herrn Drescher auch Aluminium in der Stärke von 1,1 bis 1,2 mm verarbeitet (anstelle von 0,8 mm wie beim Original, das viele Risse aufgewiesen hat). „Ob der Wagen jetzt 30 oder 40 kg mehr hat, ist egal“, so Michael Barbach. Derzeit ist der silbrige Typ 64-Replica mit einem 1300-cm³-Motor bestückt. In den Wagen könnte problemlos ein Motor mit 100 PS eingebaut werden.

Unter dem Strich kam eine Bauzeit von ca. 9000 Stunden heraus und 2014, genauer gesagt am 9. 5. um 14 Uhr, war das Auto zur Eröffnung der Firma in Kottingbrunn fertig. Das letzte dreiviertel Jahr wurde nonstop geschraubt, gehämmert und geklopft. Überdies war auch noch der Spengler ein halbes Jahr ausgefallen, weil er sich an einem Blech die Sehnen durchschnitten hatte.

Die Belohnung für Michael Barbach und seinen Mitstreitern nach all den langen mühevollen Jahren der „Neuerschaffung“ des Typs 64 war sicherlich ein Filmbeitrag in den „Seitenblicken“ des ORF. Diese haben sich zwar anfangs gesträubt („Autobranche machen sie nicht“), aber als sie merkten, dass hier ein Ferdinand Porsche-Auto gebaut wurde, zeigten sie sich bereit, einen Beitrag darüber zu drehen.

Stromliniennostalgie Michael Barbach ist nicht der einzige, der ein Stromlinienfahrzeug nachbaute. Verschiedene Firmen besinnten sich der windschlüpfrigen Fahrzeuge aus den 30er Jahren, die ihre Altvorderen einst geschaffen hatten. Der Wanderer W25 – von den vier existierenden hatte keiner überlebt – wurde von Audi mit einem immensen finanziellen Aufwand in drei Exemplaren wieder zum Leben erweckt. Aus Resten kaum noch rettbarer Wanderer-Limousinen wurden Fahrgestelle, Motoren und Getriebe entnommen. Letzteres mutierte zu einem synchronisierten Fünfganggetriebe, was dem Einsatzgebiet bei Rallyes und ähnlichen Veranstaltungen besser entsprach. Die Karosserie war lediglich nach Fotos entstanden. Von den Originalfahrzeugen war nichts mehr vorhanden – nicht einmal Konstruktionszeichnungen oder ähnliche Unterlagen standen zur Verfügung. Der Bugatti Aérolithe, der in den Wirren des Zweiten Weltkrieges verschwunden ist, wurde vor wenigen Jahren in den USA mit viel Aufwand als Replica nachgebaut. Fotos und wenige Blaupausen waren Ausgangspunkt für dieses Unternehmen. Auch BMW wurde vom Replicavirus angesteckt und baute nach alten Plänen sein eigenes 328 Touring Coupé, bevor es das Original erwerben konnte. Auch das Kamm-Coupé wurde als Replica wieder zum Leben erweckt.

Porsche in Stuttgart ließ es sich nicht nehmen, für sein neues Museum eigens eine Karosseriekopie des Typs 64 von der Firma Drescher (siehe oben) anfertigen zu lassen. An dieser Stelle sei auch auf das Prototypenmuseum in der Hamburger Speicherstadt verwiesen, das ebenfalls einen Berlin-Rom-Wagen, jedoch in dunkler Lackierung und mit dem historischen Kennzeichen IIIA-0701, zu seinen Schaustücken zählen kann. Und nicht zu vergessen der Berlin-Rom-Wagen des Porschespezialisten Michael Barbach, der zwar nicht in Gmünd, aber in Kottingbrunn beheimatet ist und immer wieder bei Oldtimer-Veranstaltungen für einen Blickfang sorgt – ob es deshalb ein „schönes Auto“ ist, nun das liegt ganz im Auge des Betrachters. Jedenfalls ist dieses Automobil mit seiner lückenhaften und oft widersprüchlichen Vergangenheit, die für Spekulationen und Gerüchte jede Menge freien Raum ließ und lässt, ein Mythos, dessen Faszination sich aber wohl kaum jemand entziehen kann.

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