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Donnerstag, 28. März 2024
Salonwagen: FIAT 130 Berlina Drucken E-Mail
Geschrieben von Winfried Kallinger   

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Der 130 sollte zum Flagschiff von Fiat in der Oberklasse werden und der Welt zeigen, wie sich Eleganz und technische Klasse als Ausdruck eines neuen modernen Lebensstils verbinden lassen. Der Markt verstand die Botschaft aber leider nicht. Winfried Kallinger berichtet über einen schönen Misserfolg.

 

FIAT und Italien


FIAT und die kleinen Leute, das war die Grundlage der Erfolgsstory des Unternehmens nach dem großen Krieg, nachdem 1947 die Produktion im Werk Lingotto in Turin wieder aufgenommen worden war. Der Topolino und seine Nachfolger, der 500 Cinquecento und die Baureihe 600 Seicento hatten mit ihren kleinen sparsamen Motoren, cleverem Design und günstigem Preis Italiens Familien motorisiert und Europa im Eilschritt erobert. Die technisch aus der Vorkriegsära herüberreichende bewährte Baureihe 1100 und die überaus erfolgreichen Mittelklasse-Modelle mit 1500 bzw. 1600 ccm-Motoren stellten den Konzern auf eine breite Basis und stießen auf gute Nachfrage, sportliche Varianten wie der Dino und zahlreiche Ableger von Abarth bis Moretti oder Autobianchi sorgten dafür, dass das Image der Marke nicht allzu langweilig wurde. Den oberen Abschluss der Modellpalette bildete die elegante Baureihe 1800 bis 2300, die man heute wohl als gehobene Mittelklasse bezeichnen würde, die aber doch ziemlich weit von der Luxusklasse entfernt waren. Mit dieser breiten Modellpalette war es kein Wunder, dass man bereits 1965 die Millionengrenze an gebauten Fahrzeugen überschritt und vor allem auch nördlich der Alpen, insbesondere in Deutschland und Österreich mit Lizenzproduktionen ein ordentliches Stück vom Marktkuchen abschneiden konnte. FIAT war zu dieser Zeit neben VW der größte Automobilproduzent Europas.

Also alles bestens in Turin – oder doch nicht? Seit 1936, seit dem Typ 527 hatte man bei FIAT kein großes Prestigemodell mehr im Programm, mit dem man der deutschen oder englischen Konkurrenz ein adäquates Gegenstück für den Transport nobler Menschen, wichtiger Politiker oder sonstiger mehr oder weniger bedeutender Prominenz entgegensetzen konnte. Die Baureihe 2300 war nur ein unzulänglicher Ersatz. Das war ein Manko, das dem italienischen Sinn für stilvollen Auftritt und dem Bedürfnis nach Repräsentation des eigenen Landes natürlich schwerstens zuwider lief.

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Wirtschaftswunder und Volksmotorisierung


Der Boom der Massenmotorisierung nach dem Krieg war das Ergebnis einer unglaublichen Aufbruchsstimmung in ganz Europa nach den furchtbaren Jahren der Zerstörung. Das Wirtschaftswunder, steigende Einkommen, Vollbeschäftigung und der Wunsch nach individueller Mobilität schufen eine gewaltige Nachfrage nach Autos, vorerst einmal in Form manchmal skurriler Kleinwagen, die der ganzen Familie sozusagen ein fahrendes Dach über dem Kopf und ein ganz neues Lebensgefühl boten und mehr als nur Ersatz für das Motorrad waren. Bald wurden aus den Kleinstwagen richtige Autos und die Urlaubsreise in andere Länder war nicht mehr das Privileg wohlhabender Menschen, sondern ein breite Massenbewegung. In Deutschland war es der Volkswagen, in Frankreich die kleinen Renault und Citroen, in England der revolutionäre Mini und in Italien eben die leistbaren, praktischen und anspruchslosen kleinen und mittleren Baureihen von FIAT, die das Volk auf die Räder brachten.

Technisch war die Vorkriegsära mit ihren Leiterrahmen-Fahrgestellen, ausladenden Formen und angesetzten Kotflügeln bald überwunden und die Pontonform mit selbsttragenden Karosserien läutete nicht nur eine neue Ära des Designs, sondern vor allem neue, billigere und effizientere Produktionstechniken ein. FIAT als Herzstück der italienischen Autoindustrie war ein Pionier dieser Entwicklung und mit dem Wachstum von FIAT wurde Italien in den 1960-er zur führenden Autonation, was das Design und innovative Technik betraf. Unzählige Sonderaufbauten, sportliche Ableger, die auch im Motorsport speziell in den kleinen Klassen auftrumpften und Design-Derivate entstanden auf Basis der biederen FIAT-Modelle und trugen den Ruf des italienischen „disegno“ und indirekt natürlich auch den Ruf von FIAT in alle Welt.

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Centro Stile FIAT 1959 wurde das Centro Stile

 

FIAT als Designzentrum von FIAT unter der Patronanz von Dante Giacosa, dem genialen Konstrukteur (unter anderem) des FIAT Topolino und des 500, in der Via Settembrini in Turin gegründet. Das Zentrum sollte weitgehend unabhängig Designideen entwickeln und gestalterische Weichen für künftige Modelle von FIAT entwickeln. Ungefähr 80 Leute arbeiteten dort und das Zentrum berichtete direkt an Dante Giacosa.

Die Modelle wurden im Centro Stile von der ersten Idee bis zum fertigen Entwurf aus Plastilin oder Gips durchgearbeitet, was damals ein Novum in der Industrie darstellte. Als Konsulent und gestalterischer Leiter des Centro Stile wurde Mario Felice Boano verpflichtet, der als Designer einen hervorragenden Ruf hatte und dessen Karosserieschmiede einen hervorragenden Ruf genoss.

Im Rahmen des Centro Stile FIAT war Boano für das Design der Sondermodelle der laufenden Produktion verantwortlich. Aus seiner Arbeit im Centro Stile entstanden Entwürfe für solche wichtigen Fahrzeuge wie den FIAT 600 und den Simca 1000 und schließlich der Entwurf für die FIAT 130 Berlina, die 1969 in Produktion ging – womit wir wieder beim Thema wären. Das 130 Coupé wurde dagegen von Pininfarina entworfen.

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FIAT und die Politik


In den 1950er-Jahren dominierte FIAT den inländischen Markt mit geradezu beherrschender Übermacht, musste aber zunehmend zur Kenntnis nehmen, dass es außerhalb Italiens auch interessante Automarken gab, die auch für das italienische Publikum attraktiv waren und durch die fortschreitende Liberalisierung der Märkte leistbar wurden. Der wachsenden Konkurrenz begegnete man mit Lizenzproduktionen, unter anderem auch mit Steyr-Daimler-Puch in Österreich, NSU in Deutschland oder etwas später mit Lada in Russland und ziemlich aggressiven Übernahmen anderer heimischer Automarken, denen das Überleben neben der übermächtigen Mutter zunehmend schwer gefallen war. Autobianchi war eines der ersten „Opfer“, danach folgten im Jahr 1966 die Edelstücke Ferrari und Dino und 1969 Lancia. Mit diesen Akquisitionen und der forcierten Entwicklung von FIAT zu einem Mischkonzern, der auch im Versicherungs- und Bankenbereich, im Verlagswesen und in der Eisenbahnindustrie tätig wurde, war die Rolle von FIAT als bestimmende Wirtschaftsmacht in Italien endgültig festgeschrieben.

Politisch war die wirtschaftliche Dominanz von FIAT nicht ohne Probleme. Das war schon in der Zwischenkriegszeit so, als FIAT von Mussolini im Zusammenhang mit dem Bau des neuen Superwerkes im Turiner Stadtteil Lingotto samt Teststrecke auf dem Dach als Vorbild für einen faschistischen Industriebetrieb gelobt wurde, die Eigentümerfamilie Agnelli sich aber wenig um die Wünsche des Diktators scherte und bei den Löhnen der Arbeiter eher ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen als die Ziele der Politik im Auge hatte. Zu den Faschisten versuchte man Distanz zu halten, trotzdem warf man Agnelli Senior und der Familie 1945 Kollaboration mit den Faschisten und Nazideutschland vor und sperrte ihn aus der Firma aus. Kurz vor seinem Tod wurde die Beschlagnahme aber wieder aufgehoben und das Werk wieder an die Familie zurückgegeben.

Das Spannungsverhältnis zwischen der wirtschaftlichen Macht in wenigen Händen und dem Gefühl einer gewissen Ohnmacht der davon abhängigen Werktätigen zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte von FIAT, obwohl man seitens der Unternehmensführung durchaus das Nötige, wenn auch nicht unbedingt mehr tat, um den sozialen Frieden aufrecht zu erhalten. Bei FIAT einen Job zu haben, war jedenfalls ein begehrenswertes Ziel.

 In den 1960er-Jahren aber wurden Turin und die FIAT-Werke zu einer Hochburg der Linken und soziale Machtkämpfe bis zur Werksbesetzung durch die linksextreme Zelle „Lotta continua“ hielten das Unternehmen in Atem. 1966 übernahm Giovanni Agnelli, der Enkel des Firmengründers, die oberste Leitung der Unternehmensgruppe, der er seit 1953 als Vizepräsident angehörte, was die Spannungen nicht verminderte, weil Agnelli mit seinem ausschweifenden Lebensstil nach dem Krieg einen zweifelhaften Ruf als Playboy erworben hatte, dem man die oberste Leitung eines solchen Unternehmens nicht zutrauen wollte. In Zusammenarbeit mit seinem Bruder Umberto, der die Auslandsgeschäfte leitete, entpuppte sich Giovanni Agnelli allerdings überraschenderweise als weitsichtiger Unternehmer, der die Macht des Konzerns nicht nur zur Mehrung des Familienvermögens nutzte – was man ihm nicht nur einmal vorwarf –, sondern der auch maßgeblichen und nicht ausschließlich egoistischen Einfluss auf die Wirtschaftspolitik und die Sozialgesetzgebung Italiens nahm, nach dem Motto „Was FIAT nützt, nützt auch Italien“. Dabei war er in der Auswahl seiner politischen Freunde nicht gerade zimperlich und zögerte zum Beispiel nicht, den Einfluss des stalinistisch angehauchten italienischen Kommunistenführers Palmiro Togliatti für den Bau eines FIAT-Werkes im russischen Stawropol-Wolschki, das später auf Toljatti umgetauft wurde, zu gewinnen. Aus dem FIAT 124, der 1966 in Europa zum Auto des Jahres gewählt worden war, wurde in diesem Werk später der Lada, aus der Bezahlung des Werkes durch die Russen mit minderwertigem Recycling-Stahl entstanden die später für FIAT und Alfa Romeo signifikanten Rostprobleme.

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Der Boom wird schwächer – Der Markt ändert sich


Der wirtschaftliche Boom der Nachkriegszeit konnte natürlich nicht endlos weitergehen und Mitte der 1960er-Jahre waren gewisse Ermüdungserscheinungen unübersehbar. Der Markt für Kleinwagen und biedere Mittelklasseautos näherte sich der Sättigung, die veralteten Konstruktionsmethoden wurden durch die selbsttragenden Karosserien und modernere Fertigungsmethoden endgültig über Bord geworfen, die technischen Konzepte der Motoren und Fahrwerke hatten sich weitgehend vom Staub der unmittelbaren Nachkriegszeit befreit und die internationale Konkurrenz war schärfer geworden. Sogar Volkswagen musste langsam vom unbesiegbar scheinenden Dauerläufer Käfer mit seinem veralteten Raumkonzept Abschied nehmen und selbst die stockkonservativen Briten hatten mit dem Mini eine veritable Revolution in technischer und konzeptioneller Hinsicht ausgelöst. Die Leute verdienten gut und wer immer es sich leisten konnte, stieg automobilistisch in die Mittelklasse und darüber auf oder wählte leistungsstärkere Varianten der Grundmodelle. Das Auto wurde zum Ausdruck der sozialen Stellung seines Besitzers und emanzipierte sich endgültig vom Transportmittel zum Statussymbol.

Das noch bis in die 1960er-Jahre rein auf die Minderheit einer repräsentationsbedürftigen Oberschicht ausgerichtete Angebot an Luxusfahrzeugen, das sich in Aussehen und Technik deutlich von der übrigen Produktion unterschied, war wirtschaftlich nicht mehr lukrativ. BWM mit dem barocken 502 und zum Teil auch Mercedes mit dem altvaterischen 300 „Adenauer“ mussten das ebenso zur Kenntnis nehmen wie Daimler oder Jaguar mit ihren konservativen Großlimousinen. Sportlichkeit war ein Thema, jedenfalls aber modernes Design statt schwülstigem Prestige, Komfort und Luxus bei voller Praktikabilität waren gefragt, eine neue Form der „Oberklasse“, die deutlich oberhalb der gehobenen Mittelklasse an der Luxusklasse anklopfte, war geboren. Bei FIAT hatte man in den ausgehenden 1960er-Jahren für diese Klasse nichts anzubieten und man musste das Feld der großen Limousinen zähneknirschend insbesondere den Deutschen und Engländern überlassen.

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FIAT modernisiert nach oben

 

In der Chefetage von FIAT war man sich der Problematik sehr wohl bewusst und man hatte nicht die Absicht, die Entwicklung zu verschlafen. Das Jahrzehnt der 1960er stand daher im Zeichen einer umfassenden und ziemlich radikalen Überarbeitung der Modellpalette. Es war auch höchste Zeit dafür. Die alten Träger des Erfolges, insbesondere der schnuckelige 500 Cinquecento, der immerhin schon etwas modernere 600 und die konservativen 1100er, waren in die Jahre gekommen und mussten über kurz oder lang zeitgemäßeren Typen weichen. In Zusammenarbeit mit dem Centro Stile wurde für das mittlerweile altbacken wirkende Corporate Design eine der Zeit Rechnung tragende modernere Linie entwickelt, die Produktionstechniken wurden erneuert, Fahrwerke und Antriebe neu konzipiert und insgesamt die Modellpalette um eine Stufe nach oben angehoben, was Hubräume und Zielpublikum betraf. Die Zeiten der billigen Volksmotorisierung unter Verzicht auf Leistung und Komfort waren vorbei, der gestiegene Wohlstand brauchte neue Modelle für die Familie.

Der neue 850 in der unteren Klasse, der 124 als Familienauto in der Mitte und der 125 als gehobene Mittelklasse waren die neuen auf Anhieb erfolgreichen Träger dieser offensiven Strategie, die durch sportliche Varianten wie diverse offene Spider und Coupés imagegerecht geschärft wurde. Die 500er und 1100er wurden zwar noch geliftet, aber das Ende der antiquierten Technik war eingeläutet. Ganz im neuen sachlichen Stil waren der 124 und der 125 betont funktional und nüchtern, um nicht zu sagen schuhschachtelförmig gestylt, zeigten ein vor dem nicht gekanntes großzügiges Raumangebot, verzichteten weitgehend auf Chromschmuck und Zierelemente und hatten neue, modernere Motoren und Fahrwerke – der 125 punktete sogar mit einem sportlichen Zweinockenwellenmotor.

Bei diesem Aufbruch zu neuen Ufern konnte die so lange verwaist gebliebene luxuriöse obere Mittelklasse natürlich nicht zurückstehen und das Centro Stile unter Federführung von Mario Felice Boano erhielt den Auftrag, den Übelstand mangelnder Präsenz in der Oberklasse schleunigst zu beseitigen und der Welt zu zeigen, wozu der italienische Fahrzeugbau fähig war.

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Wer sind die Konkurrenten?


Mitte der 1960er- Jahre tummelte sich eine Vielzahl großer, leistungsstarker und eleganter Limousinen der oberen Mittelklasse oder der unteren Oberklasse, wie immer man diese schwer zu kategorisierende neue Klasse bezeichnen mag, auf dem europäischen Markt. Kennzeichen dieser Klasse waren in der Regel 6 Zylinder, ein Hubraum in der Größenordnung von 3 Liter, eine deutlich über 160 km/h liegende Höchstgeschwindigkeit und ein üppiges Raumangebot mit nobler Ausstattung.

Die Wege zum Prestige führten nicht immer über eigenständige Konstruktionen, sondern durchaus auch über den Griff in die Bausteinkiste, wie das etwa Opel mit dem Opel Commodore auf Basis des Rekord und dem Motor aus dem großen Admiral schlau vorexerzierte und damit ein preislich überaus attraktives Angebot auf die Räder brachte. Überhaupt war das Segment der relativ leistbaren Oberklasse bei Opel mit der 6-Zylinder-Baureihe Commodore/Kapitän/Admiral bestens betreut und brachte auf Grund des Baukastenprinzips gutes Geld.

BWW brachte 1966 mit dem 2500 eine starke Ansage, Jaguar war mit dem sportlichen und luxuriösen Mk II sowieso schon etabliert und hatte mit dem neuen XJ 6 einen überaus attraktiven, wenn auch nicht gerade billigen Nachfolger als Trumpf im Talon, der sich mit verschiedenen Motorisierungen durchaus auch grenzüberschreitend bis in die absolute Oberklasse adaptieren ließ. Citroen setzte mit der ID-Reihe und weiter mit der DS sowieso neue Maßstäbe in Bezug auf Komfort und Innovation, allerdings mit bescheidenen nicht gerade prestigeträchtigen 4 Zylindern. Und da war natürlich Mercedes, der Marktführer in diesem Segment mit den Baureihen 250 und 280, die in gewisser Weise unangreifbar schienen und das bürgerliche Establishment mit zahlreichen Motor- und Ausstattungsvarianten ähnlich wie Jaguar bis ganz nach oben verwöhnten.

FIAT stand dagegen mit leeren Händen da. Der 2300 war technisch zu antiquiert und zu klein, auf Lancia, die mit der Flaminia ein hervorragendes Produkt der Luxusklasse im Angebot hatten, warf man zwar ein Auge, aber auf Grund der hohen Produktionskosten und der technischen Eigenwilligkeit ergab sich daraus keine Zukunftsperspektive. Die Fortsetzung dieses Modells war daher auch im Zug der Übernahme von Lancia durch FIAT im Oktober 1969 keine Option. Diese Übernahme war überdies eher von der Politik als von der Modellpalette motiviert – man wollte die drohende Übernahme durch Ford verhindern.

Es war also klar: ein vollkommen neues Modell musste her, wollte man im Segment der prestigeträchtigen und als lukrativ eingeschätzten oberen Klasse mitspielen.

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FIAT 130 – Das neue Flaggschiff


Das Lastenheft für den neuen Oberklasse-Typ mit der trockenen Bezeichnung 130 war klar: 6 Zylinder, größerer Hubraum nahe der 3 Liter-Marke, sportlich und komfortabel für stilvolles Reisen für fünf Personen, repräsentativ und mindestens so stark und schnell wie die deutsche Konkurrenz aber nicht so teuer.

Um die hochgesteckten Ziele so rasch und effizient wie möglich zu verwirklichen, wurde in der Chefetage von FIAT nicht gekleckert, sondern geklotzt: das alte Werk in Lingotto aus der Mitte der 1920er-Jahre mit seiner spektakulären Testbahn auf dem Dach war zwar mittlerweile zur Architekturikone geworden, aber nicht mehr für moderne Produktionsabläufe, geschweige denn für eine Steigerung der Produktion geeignet. Seine Stilllegung war daher nur mehr eine Frage der Zeit.

In Rivalta bei Turin wurde daher ein ultramodernes neues Werk hochgezogen, das mit etwa 6.500 Beschäftigten die Produktion der „Vetture speciali“, also der sportlichen Spider- und Coupé-Modelle 850 Sport, 124 Sport und Dino übernahm. Im neuen Werk sollte auch das Prestigemodell 130 gebaut werden, das eine vollkommen eigenständige Entwicklung war, bei der keine Bauteile aus den übrigen Modellen von FIAT verwendet wurden. „Herrschaftlich aber nicht protzig“ sollte das neue Oberklassenauto laut FIAT-Pressemitteilung sein und den letzten Stand der Technik sowie herausragenden Komfort und Fahreigenschaften bieten. Drei Jahre Planung und Erprobung lagen hinter der Präsentation. Im März 1969, als der neue 130 auf dem Autosalon in Genf der Öffentlichkeit vorgestellt und offiziell bekanntgegeben wurde, dass das neue FIAT-Prestigemodell ab Sommer dieses Jahres auf den Markt kommen würde.

 Mario Felice Boano hatte sich beim Design des neuen 130 strikt an die Formensprache gehalten, die für die Erfolgsmodelle 124 und 125 und den gänzlich neuen 128 entwickelt worden war. Kubische Grundform, gerade gestreckte Linien, niedrige Gürtellinie, schlanke Säulen, große Fenster und Platz im Überfluss waren die Ingredienzien des Entwurfes, die Linie betonender reichlicher Chromschmuck und ein fein gezeichneter Kühlergrill mit Doppelscheinwerfern und in die Stoßstange integrierten Zusatzleuchten sollten dem Auto aber die Nüchternheit der Basisform nehmen. Das Signal aus Sicht von Boano war klar: dieses Auto ist moderne Architektur und richtet sich an die neue Erfolgsgeneration. Die Schmuckelemente sollten die Botschaft klar machen, dass bei aller Modernität auf italienische Eleganz nicht verzichtet werden muss.

Die Erscheinung des 130 war durchaus imposant. Fast 5 Meter Länge, 1,80 Meter Breite und knapp 1,5 Meter Höhe und ein Radstand von gut 2,70 Meter gaben schon etwas her und brauchten sich vor dem Mitbewerb nicht zu verstecken. Die kubische Grundform ergab überdies ein Raumgefühl besonderer Art, quasi das Gefühl, in einem automobilen Salon zu sitzen. Ebenso riesig war der Kofferraum, in dessen Tiefen reichlich Urlaubsgepäck und all das Zubehör, das man als erfolgreicher Mensch so braucht, ohne jede Schwierigkeit Platz fand.

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Enttäuschte Hoffnung


Die Reaktionen der Presse und der Öffentlichkeit auf das neue Auto waren allerdings gemischt. Das Design von Mario Boano wurde – aus heutiger Sicht nicht ganz nachvollziehbar – als barock, überladen, amerikanisch und dann wieder als zu wenig unterscheidbar von den Mittelklassemodellen von FIAT kritisiert und an dieser Kritik konnte auch die Anerkennung des hohen technischen Standards, den das Auto bot, nichts Grundlegendes ändern. Gelobt wurde das neue Fahrwerk mit hinterer Doppelgelenkachse und Schraubenfedern und der moderne aufwändige Motor, dessen Gene unverkennbar aus dem Motorsport stammten.

Am 3. 3. 1969 berichtete der SPIEGEL unter dem Titel „Königin bedroht“ über den Angriff von FIAT auf die Vorherrschaft von Mercedes in Italien: „Ein Mercedes kostet in Italien 20 bis 25 Prozent mehr als in Deutschland. Und wer einen erwerben möchte, muss Lieferfristen von zehn bis zwölf Monaten hinnehmen. Die Produzenten des Wagens mit dem ,Guten Stern von Schwaben‘ steigerten ihre Verkäufe in Italien von 3000 Autos im Jahr 1967 auf 4450 im letzten Jahr.“ „Wir hätten die doppelte Menge verkaufen können“, erläuterte Italiens Mercedes-Generalimporteur Dr. Boccanelli, „aber aus Stuttgart waren nicht mehr Wagen lieferbar“.

Zumindest nach der Überzeugung der Mercedes-Importeure in Rom wird auch das stark motorisierte Turiner Prestige-Mobil weiteres Vordringen der Stuttgarter Sechszylinder nicht aufhalten können. Importeur Boccanelli: „Die Mercedes-Limousine bleibt die Königin der Autostrada.“

Dieser Befund war natürlich Zweckoptimismus, aber nicht falsch, wie sich in weiterer Folge herausstellte. In Italien kam das Auto zwar durchaus gut an, wozu auch beitrug, dass es die Wagenflotte offizieller Stellen, bei denen Prestige eine Rolle spielte, nicht zuletzt mit sanftem politischem Druck bereicherte. Trotzdem gelang der große Durchbruch auch in Italien nicht, irgendwie waren die großen Modelle von FIAT schon früher den italienischen Geschäftsleuten nicht luxuriös und nobel genug gewesen und unter diesem Imagemangel hatte auch der neue 130 zu leiden. Die Oberschicht bevorzugte weiterhin die Marke des Papstes und der fuhr leider Mercedes.

 Auch außerhalb Italiens fand der 130 zu wenig Liebhaber, um den wirtschaftlichen Erwartungen von FIAT gerecht werden zu können. In Österreich fuhren Bauunternehmer und Rechtsanwälte gerne damit, aber die Zahl derer, die am angestammten Mercedes schon aus Tradition festhielten, war einfach zu groß und die Aufsteiger wandten sich eher BMW, bei Neigung zur Exotik Jaguar oder im Fall intellektueller Ausrichtung den futuristischen großen Citroen zu. Der 130 blieb ein Mauerblümchen.

Preislich war der 130 zwar kein Schnäppchen, aber doch ein Angebot, das man bei der Auswahl gehobener Fahrkultur in Betracht ziehen konnte:

Grundpreise ca. 1971 in Deutschland:

FIAT 130 (2800)                 2866 ccm        19.300 DM   160 PS
FIAT 130 (3200)                 3238 ccm        20.980 DM   165 PS
Opel Commodore GS/E     2500 ccm        13.100 DM   150 PS
Jaguar XJ 6 2,8                  2791 ccm        26.670 DM   149 PS
Mercedes 250                    2496 ccm        20.369 DM   130 PS
Mercedes 280 SE              2778 ccm        35.520 DM   160 PS
BMW 2800                         2494 ccm        28.000 DM   170 PS

Am Preis allein konnte der mangelnde Erfolg des 130 also nicht liegen, an der unbestrittenen Leistung, dem Komfort und der Qualität des Autos auch nicht. Die anfänglich trotz des Motors aus der Sportwagenabteilung und des sportlichen Fahrwerks noch etwas lahme Charakteristik des Autos, insbesondere in der serienmäßigen Automatikversion, wurde durch den 1970 nachgereichten größeren Motor mit 3,2 Liter Hubraum und 165 PS und einer Spitze von gut und gern 190 km/h gründlich ausgemerzt und der luxuriöse Charakter des Innenraums nachgeschärft. Spätestens mit dieser Aufrüstung war der 130 in seiner Klasse tatsächlich zum Spitzenreiter geworden, der seinem Mitbewerb in nichts nachstand und Maßstäbe setzte, die rein objektiv keine Wünsche offen ließen.

Trotzdem war es offenbar das unausrottbare Image von FIAT als Massenproduzent, das mit Luxus und Oberklassenprestige einfach nicht vereinbar war und den Erfolg des 130 verhinderte. Auch das Händlernetz war mit diesem Auto anscheinend überfordert und schaffte es nicht, ein auf die gehobene Klientel angepasstes Kundenservice und zuverlässige Wartung anzubieten. In seiner 7-jährigen Bauperiode von 1969 bis 1976 fanden daher nur rund 15.000 Exemplare einen Abnehmer – das war für eine Fortsetzung der Produktion oder für weitere Modellpflege einfach zu wenig.

Um das Ruder doch noch herumzureißen, brachte FIAT 1971 ein bei Pininfarina gebautes zweitüriges Coupé heraus, das mit seinen puristischen klaren Linien eine Designikone wurde. Aber auch dieser Versuch nützte nichts; Ende 1977 wurde die Produktion auch dieses Modells nach nur rund 4.500 Exemplaren mangels ausreichender Nachfrage eingestellt.

 Vereinzelt gab es auch Sonderaufbauten und sogar einen Kombi, aber die spielten keine nennenswerte Rolle. Mit der Benzinkrise Mitte der 1970er brach die Benzinkrise herein und damit war die Zeit für solche großen und wenig sparsamen Autos sowieso vorbei. FIAT tat gut daran, wieder auf seine Kernkompetenz kleinerer und sparsamerer Fahrzeuge zurückzugreifen.

Für den heutigen Betrachter – zugegeben subjektiv – ist die Kritik an der Form des 130 nicht recht nachvollziehbar. Die Form ist so unverwechselbar typisch für den Zeitgeist des Überganges von den im Design noch rundlicheren und Schmuck nicht scheuenden 1960er- zu den sachlichen 1970er-Jahren, dass sich die Kritik an der angeblich barocken Charakteristik kaum rechtfertigen lässt. Die perfekten Proportionen der großen Limousine und ihre starke Ausstrahlung, die aus der Spannung zwischen strenger Grundform und verspielter Leichtigkeit resultiert, verfehlen heute ihre Wirkung auf den Betrachter nicht. Das Coupé ist demgegenüber in seiner perfekten glatten Schönheit fast ein wenig blass, obwohl seine stilistisch ausgewogene Ästhetik natürlich etwas unzweifelhaft Besonderes darstellt.

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Der Motor


Ein wahres Gustostück italienischen Maschinenbaus ist der Motor des 130, anfänglich noch mit ein wenig schwächlichen 142 PS aus 2,9 Liter Hubraum, die bald durch bessere Vergaser auf 160 PS gesteigert wurden, ab 1971 mit 165 PS aus 3,2 Liter Hubraum. Sein Konstrukteur war Aurelio Lampredi, 1917–1989, dessen Karriere bei Piaggio mit dem Bau von Vespa-Motorrollern begonnen hatte. Berühmt wurde er nach dem Krieg durch seinen 4,5-Liter-12-Zylindermotor für Ferrari, mit dem Froilan Gonzales 1951 in Silverstone den ersten Sieg für Ferrari in einem Weltmeisterschaftslauf feiern konnte. Bis 1955, als Ferrari die Rennabteilung von Lancia mit Vittorio Jano übernahm, bildeten die Lampredi-Motoren die Garantie für weitere große Rennerfolge. Lampredi wechselte zu FIAT und war dort bis 1977 Chefentwickler für die Motoren und verantwortlich für die berühmten Twin-Cam-Motoren von FIAT.

Der Motor des 130 ähnelt in seinem Aufbau dem ebenfalls von Lampredi entwickelten wesentlich kleineren und auf reine Leistung ausgerichteten Sportmotor des Dino, hat mit diesem aber außer der geistigen Verwandtschaft wenig zu tun. Der Motorblock ist ein kurzer V-Block aus Grauguss mit einem Bankwinkel von 60°, die beiden Zylinderköpfe sind aus einer Aluminiumlegierung und haben je eine von einem Zahnriemen angetriebene oben liegende Nockenwelle. Die Verdichtung beträgt 1:9. In typischer Lampredi-Manier sind die Köpfe zweiteilig ausgeführt, ein Teil für die Gaskanäle und die keilförmigen Brennräume, Ventilsitze und parallel hängenden Ventile, der andere für die Nockenwelle. Das Ventilspiel wird durch Distanzplättchen eingestellt, die in die Tassenstößel eingelegt sind. Die Ventile stehen schräg zur Zylinderachse, woraus eine eher ungünstige Gasführung auf der Auslassseite resultiert. Das ergibt zwar einen unbestreitbar kultivierten Lauf, aber auf der anderen Seite ein gewisses Leistungslimit, das erst mit der Vergrößerung des Motors auf 3,2 Liter Hubraum keinen Anlass zur Kritik mehr gab. Als weiterer Nachteil dieser Konstruktion blieb der relativ große Benzindurst, was dem 130 zeit seines Lebens immer wieder vorgeworfen wurde. Das Gemisch wurde mit einem Weber 45 DFC 12 Doppelvergaser aufbereitet.

 Zur Charakteristik des Autos passt der Motor jedenfalls sehr gut: sein sonorer Klang vermittelt Sportlichkeit, ohne aufdringlich zu wirken und ist damit beste italienische Schule. Das beachtliche Drehmoment des 3,2 Liter von 260 Nm fällt bereits bei 3.400 U/min an, die Nenndrehzahl liegt bei 5.600 U/min, die Leistung bei 165 PS und die Höchstgeschwindigkeit bei 190 km/h. Aus diesen Werten wird die hohe Elastizität und souveräne Klasse des Antriebsaggregats klar. Dem kleineren 2,9 Liter-Motor der ersten Serie fehlte mit seinen anfänglich 142 PS eine ganze Menge auf diese Werte, was aber durch eine eilig vorgenommene bessere Vergaserbestückung bald auf 226 Nm und 160 PS korrigiert wurde. Das waren schon recht ordentliche Leistungsdaten, die im Verhältnis zu den Mitbewerbern zwar gut, aber eben wegen des schwächeren Drehmoments nicht sehr gut waren und eine gewisse Trägheit zur Folge hatten, besonders wenn das Auto mit der serienmäßigen ziemlich weichen 3-Gang-Wandlerautomatik ausgestattet war.

Der 3,2 Liter der zweiten Serie war dann schließlich das souveräne Aggregat, das man sich von Anfang an gewünscht hätte.

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Das Fahrwerk


Über jede Kritik erhaben war das Fahrverhalten des 130. Leiser Lauf, eine straffe aber komfortable Federung, vorne Einzelradaufhängung mit Torsionsstäben und Stabilisator, hinten Einzelradaufhängung mit Längslenkern und in die hydraulischen Stoßdämpfer eingebauten Teleskopstreben, Schraubenfedern und Stabilisator waren absolut state of the art und hatten keinen Vergleich mit dem Mitbewerb zu scheuen. Die präzise und leichtgängige Kugelumlauf-Lenkung von ZF mit Servo-Unterstützung ist eine adäquate Ergänzung der Fahrwerksqualitäten und die 4 Scheibenbremsen mit Bremskraftverstärker bringen die Fuhre auch aus hoher Geschwindigkeit sicher zum Stehen. Schöne Räder aus einer Magnesium-Leichtmetalllegierung von Cromodora sind nicht nur eine Augenweide, sondern tragen auch zur Verringerung der ungefederten Massen bei.

Mit diesem Fahrwerk war FIAT ein großer Wurf gelungen und auch nach heutigen Maßstäben beeindruckt die Fahrkultur und Fahrsicherheit des großen Autos, dessen Agilität auf kurvenreichen Strecken genauso beeindruckend ist wie sein müheloses Gleiten auf der Autobahn. In dieser Disziplin bietet der 130 wirklich Luxus und Souveränität und verwöhnt Fahrer und Passagiere auch auf langen Strecken mit uneingeschränktem Fahrvergnügen. Dieses Vergnügen wird durch die geräumige, helle und komfortabel ausgestattete Karosserie nachhaltig unterstützt, die durch ihre großen Fensterflächen und schlanken Stützen nicht nur einen die Sicherheit fördernden freien Blick auf den Verkehr, sondern auch einen genussvollen Ausblick in die vorbeiziehende Landschaft bietet. Dieses Fahr- und Raumgefühl vermisst man leider bei modernen Autos, die mit ihren dicken Fensterpfosten, hoher Gürtellinie und fetten Keilform eher ein Bunkergefühl als Fahrfreude vermitteln.

In dieser Gesamtheit von Motorcharakteristik, Fahrverhalten und Raumangebot erschließt sich die Gültigkeit des Designs des 130 und erst beim Fahren lernt man die luxuriösen Qualitäten dieses Autos wirklich kennen und schätzen – umso erstaunlicher, dass das die Zeitgenossen nur in so geringem Ausmaß wahrgenommen haben.

 Zwischen der ersten Serie A (2800) und der zweiten Serie B (3200) gibt es keine wesentlichen Unterschiede, was das Fahrwerk betrifft. Der höheren Motorleistung folgend, stellt man den 3200 allerdings auf breitere Reifen der Dimension 205/70 VR (ER 70 VR 14) statt 185 HR 14 beim 2800.

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Die Ausstattung


Schon serienmäßig ließ die der Oberklasse entsprechende Ausstattung wenige Wünsche offen. Dem Luxusanspruch folgend war die Automatik serienmäßig, das 5-Gang- Schaltgetriebe kostete Aufpreis. Elektrische Fensterheber, Klimaanlage und Lederpolsterung waren ebenfalls aufpreispflichtig, auch ein selbstsperrendes Differenzial, Metalliclackierung, Kopfstützen, Radio und athermische Scheiben konnten geordert werden, alles Dinge, die der Zielgruppe der dynamischen Manager durchaus entsprachen.

Zwischen der ersten und zweiten Serie ab 1971 wurde nicht nur der Hubraum des Motors vergrößert, sondern auch der anfänglich eher zu nüchtern wirkende Armaturenträger nachgerüstet. Edelholzapplikationen statt schwarzem Kunststoff auf Armaturenbrett, Mittelkonsole und Türabschluss erhöhten die Wohnlichkeit und das Gefühl, in einem luxuriösen Wagen zu sitzen. Auch die Armaturenbestückung wurde überarbeitet: das betont schlanke Armaturenbrett mit Bandtacho und in Reihe aufgefädelten Anzeigen wich einem noch immer sehr geradlinigen aber wesentlich wuchtigeren Armaturenträger mit schön gezeichneten und gut ablesbaren Rundinstrumenten, um die erstarkte Leistung auch im Fahrerblickfeld zu dokumentieren.

Eine liebenswerte Eigenheit ist die Fly-off-Handbremse, deren Hebel sich links neben dem Fahrersitz befindet und die man durch ein kurzes Anhaben und Fallenlassen löst. Ist sie nicht vollständig gelöst, ertönt ein laut schnarrendes Signal, das frappant an einen heutigen Handyton erinnert und keinen Zweifel daran lässt, dass man etwas vergessen hat.

Die Instrumentenbestückung ist mehr als reichlich. Neben Tachometer und Drehzahlmesser finden sich Voltmeter, Benzinuhr, Öltemperaturanzeige, Öldruckmesser, Wasserthermometer, Uhr, um nur die wichtigsten zu nennen. Der Öldruckmesser ist für nervöse ungeschulte Menschen allerdings ein Quell der Sorge – der Druck ist im Leerlauf extrem niedrig, was jedoch ein unbedenkliches Charakteristikum des Motors ist. Auf der Mittelkonsole gibt es einen praktischen Schieberegler für den Choke und das Handgas, ein Vorläufer des Tempomats. Für Eilige auf der Autobahn gibt es eine mit Kipphebel am Armaturenträger umschaltbare 2-Tonhupe, mit der bei Bedarf langsamere Verkehrsteilnehmer effektvoll verscheucht werden können.

Das Interieur ist selbst in der Standardausführung in Stoff der Klasse würdig. Weiche mit dickem Velours gut gepolsterte Sitze, mehrfach verstellbar bis zur Liegestellung, schöne Materialien für Armaturenträger und Türapplikationen entweder in elegantem Schwarz oder Edelholz je nach Ausführung, ein Sonnenschutzrollo an der Heckscheibe, gepolsterte Sonnenblenden und eine verstellbare Lenksäule lassen in Verbindung mit dem großzügigen Platzangebot und Raumgefühl den Ehrentitel „Salonwagen“ angebracht erscheinen. Auch der riesige Kofferraum ist keine finstere Höhle, sondern ein sauber aufgeräumtes, fein ausgekleidetes Behältnis für die schönen Dinge, welche die elegante Besatzung auf ihren großen Reisen mit sich zu führen gedenkt.

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Resumee

 

 Der 130 ist sowohl in seiner Standardform als Limousine wie auch als Coupé ein damals wie heute erstaunlich unterschätztes Auto, dessen Qualitäten sich in überraschender Weise erschließen, wenn man es einmal näher kennenlernt. Auf dem Oldtimermarkt spielt der 130 keine besondere Rolle und die Nachfrage ist überschaubar. Für Spekulanten ist der 130 daher eher kein Thema und das ist gut so: Enthusiasten, die ein nobles, seltenes und schönes Auto haben wollen, das beim Publikum auf hohe Sympathie stößt, sind beim 130 zu vernünftigen Preisen bestens bedient.

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