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Donnerstag, 28. März 2024
Der Zukunft auf der Spur - Innovation 1973 Drucken E-Mail
Geschrieben von Christian Frasz   

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Zufällig oder nicht? Volkswagen hat zum 50. Geburtstag des T2 im Jänner bei der Detroit-Auto Show NAIAS die Elektrostudie I.D. BUZZ mit Styling-Anleihen beim legendären Bulli präsentiert. Elektromobilität soll zum neuen Markenzeichen von Volkswagen werden, war die Botschaft des VW-Vorstandes.

Eine total neue Idee? Nein! Schon 1973 gab es den T2-Transporter mit Elektromotor. Motive, warum es sinnvoll sei, auf einen im Betrieb emissionsfreien Antrieb umzusteigen, waren bei Volkswagen schon in den 1970ern bekannt.

Natürlich wurde die Technik bei elektrisch betriebenen Fahrzeugen in den vergangenen Jahrzehnten gewaltig weiterentwickelt: Der Supersportler Toroidion 1MW leistet ein Megawatt (1.341 PS). Von 0 bis 400 km/h soll er keine elf Sekunden benötigen. Das Tesla-Modell S P90D ist mit 557 Kilometer aktueller Reichweiten-Spitzenreiter. Im Vergleich zum Meisterschaftsfinale der Formel E, das Sebastian Buemi gewann, waren die Formel 1-Rennen 2016 fad, sind viele Motorsportfans überzeugt. Und selbst die letzten Benzinbrüder bekommen bei den 434 km/h von Eva Hakansson auf ihrem E-Bike „KillaJoule“ leuchtende Augen.

Dennoch ist E-Mobilität bei vielen noch nicht angekommen: Die R.I.P.-Faktoren („Rest in Peace“ oder in Deutsch „Ruhe in Frieden“ – Gründe, warum sich E-Kraftfahrzeuge nicht durchsetzen konnten) sind immer noch dieselben, wie 1973 bei der Vorstellung des T2-Transporters mit E-Antrieb: zu geringe Reichweite, lückenhafte Lade-Infrastruktur und zu hoher Preis.

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In Deutschland sollen schon 2030 keine Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor zugelassen werden. Bis 2050 will Österreich einen CO2-neutralen Verkehrssektor realisieren. Bei der Tagung „El-Motion“ in Wien im Jänner wurden die neuen Förderungen für E-Fahrzeuge der Bundesregierung präsentiert. Diese gibt es nur, wenn der Käufer nachweist, dass er Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energieträgern beziehen kann.

Das ist bei der aktuellen Stromproduktion in Österreich und Europa – freundlich ausgedrückt – ein wenig schwierig. Auch wenn Österreich Spitzenreiter im Bereich der erneuerbaren Energie ist mit den vielen Wasserkraftwerken und unzähligen Windkrafträdern, die im Land herumstehen. Dennoch verursacht ein (im Betrieb emissionsfreies) E-Auto beim aktuellen EU-Strommix genauso viel CO2 wie ein Diesel-Pkw. Was bedeutet: Die Abgase werden von der Straße zu Kraftwerken hin verlagert.

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Motive für den Elektro-Transporter  Bei der Entwicklung des E-Transporters 1973 ist Volkswagen davon ausgegangen, dass reine Elektrofahrzeuge nur im Nahverkehr in Ballungszentren eine Chance hätten: bei einer Reichweite von 50 bis 100 Kilometer pro Batterieladung der Blei-Traktionsbatterien – den „zur Zeit wirtschaftlichsten elektrischen Energiespeicher“, wie die VW-Presse schrieb.

Volkswagen entschied sich für den Transporter als Versuchswagen, da der Gütertransport in Städten zu 90 Prozent mit Lkw passierte und „der Lieferwagen als Transportmittel in Städten bei steigendem Lebensstandard und sich weiter auffächerndem Warenangebot sogar noch an Bedeutung“ gewinnen werde. „Während es durchaus vorstellbar ist, dass sich der Personenverkehr in den Ballungsräumen auf öffentliche Verkehrsmittel oder auf völlig neue Verkehrssysteme verlagert.“ Einen Ersatz von kleinen und mittleren Lkw hielten die VW-Entwickler hingegen für „so gut wie ausgeschlossen“.

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Entwickelt wurde der Elektro-Transporter gemeinsam mit Bosch. In Deutschland war Varta Partner bei den Batterien, in Österreich wurde mit der Fa. Bären Batterien Dr. Leopold Jungfer kooperiert.

Aufgrund der geringen Reichweite wurde im Konzept ein rascher Batteriewechsel berücksichtigt. Eine Idee, die Pkw-Hersteller auch bei den modernen E-Autos überlegt haben. Diese ist letztlich an den unterschiedlichen Konzepten, Batterieentwicklern und der mangelnden Bereitschaft zur Zusammenarbeit der Konzerne gescheitert. Was wäre für den User eines E-Autos einfacher gewesen, als mit dem leeren Akku zu einer Batteriewechsel-Station zu fahren und diesen simpel und einfach durch einen vollen ersetzen zu lassen, um nach wenigen Minuten die Fahrt fortsetzen zu können, wie das bei Diesel oder Benzin funktioniert? Einer der R.I.P.-Faktoren für Elektrofahrzeuge wäre eliminiert worden.

Basis und Technik: T2-Pritsche Ein Platz für die Akkus war bei der Pritsche konstruktiv schon vorhanden. Unter der Ladefläche war bei der konventionellen Ausführung mit dem Benzinmotor ein großes Staufach, das sich von beiden Seiten beladen ließ. Mit einer aufwendigen und stabilen Ladevorrichtung wurden die Energiespeicher, deren Gewicht immerhin stolze 800 Kilo betrug, zum Batteriefach gebracht. Auf einer Seite kamen die leeren Akkus raus, die aufgeladenen auf der anderen rein, was „Durchschiebetechnik“ genannt wurde. Über die Ladedauer der Monsterakkus ist nichts bekannt. Alternativ konnte ein Hubstapler verwendet werden. Die Reichweite des Elektro-Transporters wurde mit 50 bis 100 Kilometer angegeben. Bei einer konstanten Geschwindigkeit von 50 km/h wurden im Testbetrieb 85 Kilometer zurückgelegt. Ziel von Volkswagen war, mit dem Partner Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk AG eine große Anzahl an „Batterie-Wechselstationen“ zu errichten, um den R.I.P.-Faktor Lade-Infrastrukur auszuschalten.


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Die Nutzlast des Transporters reduzierte sich wegen der schweren Akkus auf 500 Kilogramm.

Sonst wurde auf die vorhandene Technik des T2 zurückgegriffen: Auf das Standard-Vierganggetriebe wurde der E-Motor angeflanscht. Genutzt wurde ausschließlich der zweite Gang, auch der Rückwärtsgang war obsolet. Die Fahrtrichtung wurde durch die Drehrichtung des Motors geregelt, was mit einem Schalter am Armaturenbrett passierte. Der Motor mit Gleichstromantrieb hatte eine Kurzzeitleistung von maximal 32 kW und eine Dauerleistung von 16 kW. Der von BOSCH entwickelte Antrieb drehte maximal 6.700 U/min und wog 85 Kilo. Mit dem konventionellen Gaspedal wurde beschleunigt. Die Beschleunigung von 0 auf 50 km/h gab VW mit 12,5 Sekunden an, die Höchstgeschwindigkeit mit 75 km/h.

 Die Bremswirkung wurde im ersten elektrischen Bereich auch zur Energierückgewinnung genutzt, bei starkem Durchtreten wurde die vorhandene mechanische Bremsanlage aktiviert. Wegen der hohen permanenten Zuladung mit den 800 Kilo-Batterien wurden am Fahrwerk die Torsionsstäbe verstärkt und die Serienstoßdämpfer durch Dämpfer von Koni ersetzt. Das Leergewicht betrug stattliche 2.170 Kilo.

Den R.I.P.-Faktor „zu hoher Preis für E-Autos“ versuchte Volkswagen 1973 mit den Argumenten zu entgegnen, indem mit größeren Produktionszahlen der Preis gesenkt und mit der höheren Lebensdauer der Antriebe die Haltbarkeit der Fahrzeuge verlängert werden. Die Betriebskosten, so VW, sind wegen „des guten Wirkungsgrades des Antriebes und der Möglichkeit, die Batterie mit billigem Nachtstrom zu laden, so niedrig, dass Gesamtkosten pro Kilometer erreicht werden, die im Bereich der Kosten der konventionellen Antriebe liegen“.


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Zum 50er einen E-Motor? Wer möchte, kann seinem T2 zum Jubiläum einen Elektroantrieb schenken. Es gibt mittlerweile genug Anbieter, die eine Metamorphose eines Typ 2 (oder eines anderen Klassikers oder Youngtimers) in ein Elektroauto anbieten.

Über den Elektro-Kraftfahrzeugen schweben immer noch die R.I.P.-Faktoren. Auch wenn es schon genug alltagstaugliche Fahrzeuge gibt und die Entwicklung rasante Fortschritte macht. Die Hersteller geben die Richtung vor. Stromkonzerne haben ein neues Geschäftsfeld entdeckt. Die Politik unterstützt den Weg der im Betrieb emissionsfreien Fahrzeuge.

Volkswagen hat mit dem T2-Elektro-Transporter vor rund 40 Jahren einen Versuch gewagt und ist gescheitert, das Konzept in die Fläche und an den Kunden zu bringen. Einen Neustart soll es mit der Studie I.D. Buzz geben.

Photos: VW-Presse, Friedrich Bastl (Wr. Neustadt)

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