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Freitag, 19. April 2024
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Geschrieben von Jürgen Schelling   

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Berühmter Fieseler Storch fliegt wieder in der Schweiz – fliegendes Comeback nach 72 Jahren. Als „Held vom Gauli“ machte ein Fieseler Storch 1946 bei einer Rettungsaktion in den Schweizer Hoch-alpen Schlagzeilen. Nach einem halben Jahrhundert Flugpause fliegt er nun wieder.

Ein ganz besonderer Oldtimer war in den vergangenen Monaten am Himmel über der Schweiz zu sehen: Es ist ein Fieseler Storch aus den 1940er-Jahren in den Farben der Schweizer Luftwaffe und dem Kennzeichen A-97. Der Klassiker steht 2018 vor einem außergewöhnlichen aviatischen Comeback. Denn es ist das Originalflugzeug einer berühmten Rettungsaktion im November 1946 auf dem schweizerischen Gauligletscher. Bei geeignetem Wetter trainieren mehrere Piloten mit dieser Maschine und einem weiteren Fieseler Storch, der aber anders motorisiert ist als das Originalflugzeug. Organisiert hat das außergewöhnliche Comeback der eidgenössische Verein „Freunde des Fieseler Storch“. Dieser plante schon längere Zeit, einen der 1946 beteiligten Störche wieder flugfähig zu machen und mit einer neuerlichen Landung auf dem Gauligletscher an die einstige Rettungsaktion zu erinnern. Ein erster Versuch zum 70-jährigen Jubiläum des Einsatzes im Sommer 2016 scheiterte mit der Ersatzmaschine wegen des starken Föhns. Das Originalflugzeug A-97 war zu der Zeit auch noch nicht einsatzbereit

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Wie aber kam es überhaupt zu der Aktion, die damals Schlagzeilen in der ganzen Welt verursachte? Am 19. November 1946 verlieren die Piloten eines amerikanischen Flugzeugs in Wolken fliegend völlig die Orientierung in den Alpen. Plötzlich kracht die Maschine auf den Gauligletscher inmitten der Schweiz. Tiefer Schnee bremst den Aufprall, so dass wie durch ein Wunder lediglich ein Mitglied der Crew ernsthaft verletzt ist. Die US-Streitkräfte suchen zunächst im französischen Teil der Alpen, wo sie die vermisste Douglas C-53, eine Militärvariante der berühmten DC-3, vermuten. Tatsächlich kommt die Maschine aber weit vom Kurs ab. Erst am 21. November wird das Wrack mehr zufällig auf dem Gauligletscher in rund 3000 Metern Höhe entdeckt. 80 Schweizer Bergretter und Soldaten machen sich zu Fuß von Meiringen auf den Weg. Sie erreichen am 23. November die Überlebenden. Ein Abstieg noch am gleichen Tag ist aber wegen der Erschöpfung der Helfer unmöglich. Am nächsten Morgen die Überraschung: Militärpiloten aus Meiringen tauchen mit zwei Flugzeugen vom Typ Fieseler Storch auf. Sie wagen mit den auf Ski umgerüsteten Storch-Fahrwerken eine Landung auf dem Gauli nahe der Rettungsmannschaft. Es gelingt ihnen, alle zwölf Überlebenden auf den Flugplatz Meiringen-Unterbach in Sicherheit zu fliegen. Alle Passagiere und auch alle Helfer der aufgestiegenen Rettungsmannschaft überstehen die spektakuläre Bergungsaktion unversehrt. Das Geschehen erregt damals weltweites Aufsehen und gilt heute als Beginn der modernen Luftrettung im Hochgebirge.


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Der im deutschen Kassel gebaute Storch „A-97“ wurde 16 Jahre nach seinem spektakulären Rettungseinsatz bei den Schweizer Fliegertruppen ausgemustert und kam 1965 als Dauerleihgabe ins Verkehrsmuseum Luzern. Dort hing er bis November 2015 ein halbes Jahrhundert unter der Decke. Das Museum unterstützte das Vorhaben des Vereins, dieses Flugzeug wieder in die Luft zu bringen. Am 5. November 2016 hob der bei einer Spezialfirma in Polen restaurierte Storch „A-97“ nach mehr als 50 Jahren Dornröschenschlaf zu seinem zweiten Erstflug ab. Im Juli 2017 hatte dann das eidgenössische Bundesamt für Zivilluftfahrt die neuerliche Luftfahrtzulassung für die A-97 und das neue offizielle Kennzeichen „HB-EHJ“ erteilt.

Die A-97 feierte im vergangenen Sommer ihr Debüt in der Öffentlichkeit, zusammen mit einem weiteren vom Verein restaurierten Fieseler Storch. Dieser französische bei Morane-Saulnier produzierte Storch-Lizenzbau mit US-Motor und dem Kennzeichen A-99 wurde zwar bei einer missglückten Landung beschädigt, aber auch diese Maschine ist repariert und fliegt bereits wieder. Mit ihr trainieren die Piloten überwiegend, um das wertvolle Original zu schonen. Aber auch der „Held vom Gauli“ mit dem Kennzeichen A-97 fliegt mittlerweile wieder fleissig, schließlich muss der frisch überholte Argus V-8-Motor des Dreisitzers erst unter Beweis stellen, dass er zuverlässig läuft, bevor eine Landung auf dem Gletscher gewagt werden kann.

Im Laufe dieses Jahres könnte tatsächlich eine erneute Landung der A-97 unweit der Stelle seiner einstigen Rettungsmission stattfinden, falls Wetter und Schneeverhältnisse auf dem Gauligletscher mitspielen. Die Piloten des Vereins trainieren deshalb fleißig mit den beiden restaurierten Störchen A-99 und A-97 das Aufsetzen und Starten von Gletschern auf Skikufen.

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