Die ALTA-Story |
![]() |
![]() |
Geschrieben von Kurt Parzer-Belmonte | |
Heft bestellen - Die ALTA-Story Selten genug gelangt ein Rennwagen zum Verkauf, dessen Historie in Dokumenten nahezu bis ins kleinste Detail belegt wird. Im September 1997 war das einmal der Fall. Text: Kurt Parzer-Belmonte Nun, J.L. Ford vulgo “Ludovic” Ford hatte sich keinen Sportwagen gekauft, weil er Gusto auf ein schnelles Wurstsemmerl bekam. Er war einer von wenigen „honorable men”, die sich in der 1930ern ein noch heute seltenes Juwel kauften, um als Privatfahrer an Automobilrennen teilzunehmen. Und dafür wählte er gut, er wählte ALTA. Eine kleine Rennwagenschmiede, die nur auf Bestellung und nur an handverlesene Kunden lieferte. Und das begann mit sehr einfachen Mitteln. Geoffrey Taylor In England gab es mehr verrückte und zugleich erfolgreiche Eigenbrötler, als man annehmen würde. Von einem Colin Chapman etwa haben wir oft gehört, dass Genie und Wahnsinn gleich unter einem Speisezimmer zu Hause sein können. Denn dort lag jene Garage, in der die ersten Lotus-Rennwagen entstanden. Annähernd von ähnlichem natürlichen Drang und Begabung dürfte ein gewisser Geoffrey Taylor gewesen sein. Ende 1927 baute er sich einen Sportwagen nach seinen Vorstellungen gleich hinten im väterlichen Stadel in Kingston-upon-Thames. Der Vater stellte dort Motorradteile für A.B.C. (All British Engine Co. Ltd.) her. Als Werkzeuge dienten bloß ein paar Metallsägen und eine wasserbetriebene Drehbank. Da war Geoffrey gerade mal Mitte Zwanzig. Es sollte unbedingt ein Wagen mit wenig Hubraum und zwei obenliegenden Nockenwellen sein, außerdem nicht nur klein und leicht, sondern vor allem von sehr geringer Bodenfreiheit. Denn Geoffrey Taylor war der festen Überzeugung, daß die vergleichbaren zeitgenössischen Rennwagen allesamt zu hochbeinig dastanden und mit ihrem folglich hohen Schwerpunkt ein schlechtes Fahrverhalten zeigten. Besonders in Rennbewerben. Damit sollte er Recht behalten. Als er durch die Erfolge schließlich überzeugt war, daß aus dem Prototyp doch eine Art verkaufsfähiger Serienwagen gedeihen könnte, gründete Taylor 1931 die ALTA Car and Engineering Company in Tolworth/Surrey, am südwestlichen Stadtrand von London. Der Sage nach war Geoffrey Taylor vom Wort “Alberta” so sehr begeistert, daß er davon auch die Marke herleitete. Na ja, der Rennsport und die Frauen. Aber besser „ALTA” als „BERTA”. Nur wahre Connaisseure gaben einen ALTA in Auftrag, der dann in Handarbeit gebaut wurde. Und das Ungewöhnlichste an einem solchen feinen Wagen war, daß nicht einfach ein Motor zugekauft wurde. Nein, die winzige Company hatte doch tatsächlich ein brillantes eigenes Antriebsaggregat konstruiert. Obwohl die Produktionskosten dafür extrem hoch gewesen sein mußten, blieb der ALTA immer ein “relativ” günstiger Rennsportwagen. Er kostete damals 350 Pfund ab Werk Technik vom Feinsten Bevor der berühmte ALTA-Zylinderkopf aus Aluminium zum Einsatz kam, hatte Taylor bereits verschiedene andere Konstruktionsvarianten verworfen. Der beste Erfolg wurde dadurch erzielt, daß die Wege des Kühlwassers an Stellen besonders hoher Temperaturen - also um die Ventile und die Zündkerzen herum - so gewählt waren, daß eine enorm hohe Durchflußgeschwindigkeit erzielt wurde. Zusammen mit der ausgezeichneten Leitfähigkeit des Aluminiums ergab das eine ideale Kühlung bei hohen Motorleistungen. Die Ventile standen im rechten Winkel zueinander und konnten ohne spezielles Werkzeug einfachst justiert werden. Die Druckumlaufschmierung der beiden Nockenwellen versorgte jedes Lager einzeln. Gesteuert wurden die Wellen anfangs durch Königswellen. Die Motoren waren dadurch optische Augenweiden, liefen aber mit relativ lautem Betriebsgeräusch und zu unzuverlässig, zumindest im Renneinsatz. Der ALTA besaß ein Getriebe mit 4 Vorwärtsgängen und 1 Retourgang. Besondere Erwähnung fand auch die Laufruhe und Geräuscharmut der Gänge. Sämtliche Zahnräder liefen auf Kugel- bzw. Rollenlager. Die Standardübersetzungen waren 4,4:1, 5,8:1, 8,22:1 und letztlich 15:1 im ersten Gang. Auf Wunsch waren auch andere Übersetzungen erhältlich. Besonderes Augenmerk galt dem Rahmen und dem Chassis. Der Stahlblechrahmen war besonders stabil ausgelegt, um Verwindungen möglichst zu vermeiden. Bei damaligen Straßenverhältnissen und der für den ALTA möglichen Geschwindigkeit eine schwer lösbare Aufgabe. Für die Blechhaut wählte man Leichtmetall. Der Motor und das Differential wurden etwas nach links versetzt. Das ermöglichte, den Fahrersitz zwischen Kardantunnel und Rahmenrohr “abzusenken”; waren ja alle rechtsgelenkte Wagen. Mit geringer Bodenfreiheit und einem tiefen Schwerpunkt erzielt der ALTA damals wie heute beste Fahreigenschaften. Die Seitenbereiche waren bis unter die Achsen gezogen, wodurch ein besonders flacher strömungsgünstiger Fahrzeugboden entstand. Vorne kamen “Woodhead”-Halbelliptik-Federn zum Einsatz, hinten Viertelelliptik. Hydraulische Stoßdämpfer unterstützten. Besonders in schnellen Kurven zeigten sich die Vorteile des ALTA gegenüber herkömmlicher Bauweise. Außer in Kurven mit Fleischhauereien. Die Bremswirkung war erstaunlich gut aufgrund des großen Trommeldurchmessers und der Bremsfläche. Betätigt wurde über Seilzug, der an den Vorderrädern auch schnell nachgestellt werden konnte. Die Wirkung konnte gut dosiert werden und erforderte nur leichten Pedaldruck. Vom ALTA wurden auch zwei Spezialvarianten angeboten. Ein Wettbewerbswagen für Rennen, Bergwertungen etc. mit bemerkenswert hoher Beschleunigung und Geschwindigkeit. Diese Version besaß andere Kotflügel, einen Renntank, kleinere Scheinwerfer und größere Instrumente. Der Motor war mit 4 Vergasern bestückt und auf Wunsch mit Doppelzündung. Der Preis lag bei 385 Pfund. 40 Pfund teurer kam das darüber hinaus mit Kompressor ausgestattete “racing model”. Um die hohen Herstellungskosten bei doch “moderatem” Verkaufspreis der Fahrzeuge aufzubringen, wurden auch Tuning-Teile für andere Sportwagen angeboten. Zum namhaftesten und begehrtesten Teil geriet der ALTA-Zylinderkopf für den Austin Seven, ebenfalls mit obenliegender Nockenwelle. Grand-Prix-Wagen Vorweg zur leichteren Verständlichkeit: Anfang der 1950er gab es ALTA GP-Rennwagen und Formel 2-Wagen, die bei ALTA mit eigenen Komponenten gefertigt wurden, und Rennwagen, die von anderen Firmen unter Einbau von ALTA-Grand Prix-Motoren gebaut wurden - z. B. H.W.M., Connaught oder letztlich Cooper. Obwohl die Rennfahrerei nur Taylors persönlicher Vogel war, kam dennoch von ALTA der erste Grand-Prix-Wagen nach dem Krieg. Er hatte das mit einer unglaublichen Sturheit durchgesetzt. Das war nicht einfach, weil alles an der Rohstoff- und Geldknappheit zu scheitern drohte. Während etwa BRM noch lange herumtüftelte, fand Taylor irgendwie die Materialien zusammen, um jenen Wagen zu bauen, der ihm den Krieg über im Hirn herumgespukt hatte, während das Unternehmen - wie viele andere britische Marken - Flugzeugteile produzierte. Der Drang zum Primaner unter den Rennställen verursachte enorme Entwicklungskosten, die das Unternehmen kaum verkraften konnte. Immer wieder führte das zu erheblichen Verzögerungen. ALTA nahm zwar grundsätzlich auch die Sportwagenherstellung wieder auf, Taylor war aber ein absoluter Rennfanatiker und förderte die übrigen Firmeninteressen kaum. Trotz Rationierungen schaffte er, daß der erste ALTA GP-Wagen schon 1948 über die Pisten raste. Im Schweizer Bremgarten gab der ALTA GP mit John Heath als Fahrer sein Debüt. Es dauerte leider nur sieben Runden. Der Motor glich zwar auf den ersten Blick der unmittelbaren Vorkriegskonstruktion, der 4-Zylinder DOHC mit 1490 ccm war jedoch eine völlig neue Maschine. Das Kurbelgehäuse bestand nun aus Leichtmetall, wie auch der Zylinderkopf. Der aus Gußeisen gefertigte “Meehanite”-Zylinderblock hatte gleichen Hub und Durchmesser von je 78 x 78 mm erhalten und sollte später auch die Leistung eines zweistufigen Kompressors verkraften. Eine alte Idee von Geoffrey Taylor. Die nach dem Roots-System funktionierenden Kompressoren stellte ALTA selbst her und erzielte bei den neuen Motoren bei 7000 rpm annähernd 230 bhp. Als Getriebe wurde ein 4-Gang-Vorwählgetriebe von EVN verwendet. Das Chassis bestand aus einem leiterförmigen Rohrrahmen wie schon Jahre zuvor, aber die Radaufhängung war neu und arbeitete in gummigelagerten Schwinghebeln. Das Blechkleid glich ein wenig dem Mercedes Benz W165, aber eben nur ein wenig. Bei H.W.M. hatte man sich ebenfalls ganz und gar dem Rennwagenbau verschrieben. Der schon erwähnte John Heath und George Abecassis, beide auch ambitionierte Rennfahrer, wollten ihr Glück mit eigenen Wagen versuchen. Vorerst mit den Formel-2-Monoposti, die von ihrer Hersham & Walton Motors Ltd. gebaut wurden. Den Namen leiteten sie von den beiden Ortschaften her, zwischen denen das Werk in Surrey angesiedelt war. Von H.W.M. stammten die Chassis, vom nahen ALTA-Werk die 2litre-Motore. Geoffrey Taylor hatte wegen der ständigen Defekte und der mangelnden Erfolge in der Königsklasse Formel 1 die Lust und bereits einen Haufen Geld verloren. Also stürzte auch er sich auf die günstigere Formel 2. Hier liefen die Motore ohne Kompressoren. Abecassis war damit wesentlich erfolgreicher. 1950 feierte er im H.W.M-ALTA auch einen Klassensieg in Le Mans. Na egal, in den GP1 wurde später - uaahh - ein Jaguar-Motor eingebaut. Das war aber nichts Ungewöhnliches zu der Zeit, denn aus den “alten” ALTAs wurden die Motoren in die besseren H.W.M.-Chassis eingebaut. Zurück blieb ein rolling chassis, das auf einen passenden Motor wartete. Heute aber befindet sich der GP1 in seinem ursprünglichen Zustand in der Rennwagensammlung in Donnington. Im Frühjahr 1949 wurde für Geoffrey Crossley ein zweiter Wagen gefertigt, der GP2. Im belgischen GP in Spa fuhr er als Neuling noch sehr vorsichtig und wurde 7. Letzter. Aber in Monthléry heimste er 1949 einige Streckenrekorde ein. Crossley beendete seine Karriere jedoch schon gegen Ende 1951. Er blieb ein rennbegeisterter Amateur, der nie den Drang zum Star verspürte. Crossley erzielte zumindest die einzige Formel 1-Wertung für ALTA. Wieder in Spa gelang ihm 1950 der neunte Platz mit fünf Runden Rückstand. Für Joe Kelly entstand im Jahr 1950 ein dritter Wagen. Dieser war nun mit dem zweistufigen Roots-Kompressor ausgestattet. Aber auch Kelly war mit keinem brillanten Fahrkönnen gesegnet. Wer weiß, was der Wagen mit einem Stirling Moss am Steuer alles gewonnen hätte, aber der fuhr erst im Jahr darauf einen H.W.M.-ALTA im Schweizer Grand Prix und wurde Achter. Kelly ließ danach viele Änderungen am Motor und an der Karosserie des GP3 durchführen und hat noch in den 1950ern zahlreiche Rennen bestritten. Auch ein vierter GP-Wagen wurde begonnen, aber letztlich in einen Formel 2 umgebaut. In den H.W.M.-ALTAS saßen immer die besseren Fahrer wie Stirling Moss, Lance Macklin, Peter Collins, Paul Frere. Aber auch die konnten letztlich keine Wunder wirken. Von 48 GP-Nennungen der H.W.M.-ALTAS in der Zeit zwischen 1951 und 1955 endeten 28 vorzeitig, meist mit technischen Defekten am Motor oder an der Kraftübertragung. Lance Macklin etwa startete 1953 bei 6 Grand Prixs und schied bei allen mit technischen Problemen aus. ALTAS waren und blieben immer ideale Kurzstreckenkämpfer. 1954 wurden die Reglements für GP-Motore geändert, was zu heftiger Konkurrenz mit Rennmotoren von Bristol- und Lea-Francis führte. Es gab keine Kompressorwagen mehr. ALTA konstruierte dafür noch einen letzten Motor mit 2,5litre, der aber nie das Werk verließ. Da Rennmotore für längere Zeit absolute Mangelware blieben, gelang 1955 noch eine Zusammenarbeit mit Connaught Engeneering. Tony Brooks gewann mit dem Connaught-Alta den GP von Syrakus 1955. Das war eine echte Sensation, denn seit Henry Seagrave im Jahr 1924 hatte kein Brite mehr einen Großen Preis gewonnen. Und das in einem ausschließlich aus britischen Teilen gefertigten GP-Wagen. In den Folgejahren erreichten Connaught-Altas immer spärlicher gute Platzierungen. Geoffrey Taylor zog sich mehr und mehr aus dem Formel-Rennsport zurück. Die Alta Car & Engineering Company wurde geschlossen und Taylor starb im Jahr 1966 im Alter von 63 Jahren. Sein Sohn Michael versuchte 1976 in Epsom - unweit von Walton-upon-Thames - für kurze Zeit eine Wiederbelebung, die jedoch nicht von Erfolg gekrönt war. Car number 14 - GX 2281 So landete der ALTA 1933 bei einem Mr. Fowell, der ihn während der nächsten 25 Jahre fuhr und in zahlreichen Briefen seine Zufriedenheit beschrieb, bevor er ihn 1958 an Mr. T.C. Jackson verkaufte. Danach folgten nur mehr zwei Besitzer. Nach den bis heute erhalten gebliebenen Werksaufzeichnungen - ist ja ein britisches Auto und Briten werfen nie etwas weg - handelt es sich um ein besonders feines Exemplar, weil ja beabsichtigt war, damit bei den 24 Stunden in Le Mans zu starten. Und natürlich auch zu gewinnen. Der 1.074 ccm-Motor (60 x 95 mm) hatte wie alle frühen ALTAs die berühmten obenliegenden Nockenwellen, die über Königswelle angetrieben wurden. Das Kurbelgehäuse bestand aus Magnesium, die Kurbelwellenlagerböcke aus Spezialaluminium. Ein zusätzlicher 5-Liter-Öltank saß an der Beifahrerseite hinter dem Armaturenbrett. Und 4 Amal-Vergaser beförderten den Kraftstoff in die Kammern des Schreckens. Und wie das noch heute orgelt, entnehmen wir den Originalworten des Eigentümers: “Schrägverzahnter Königswellenmotor, deshalb auch das einzigartige Motorengeräusch. Wie eine MV Agusta im Stand, das Rasseln der Zahnräder. Habe jetzt sogar eine Deutsche Straßenzulassung für das Fahrzeug bekommen, so wie es ist. Die TÜV-Beamten waren so sehr begeistert, daß es so etwas noch gibt. Ich konnte ihnen anhand der mitgelieferten Unterlagen, Bilder, Originalbriefe usw. beweisen, daß das Fahrzeug 1933 eine Verkehrszulassung in England bekommen hatte. So mußten nur Blinker und eine Warnblinkanlage montiert werden. Es macht einen Heidenspaß bei schönem Wetter, auf der Schwäbischen Alb um die Kurven zu pfeifen, dem Auspuffsound zu lauschen, die Fliegen zu schlucken, und das in einem Auto von 1932. Der Wagen liegt so niedrig, ich kann mit der Hand auf die Straße greifen, man spürt jede Rippe im Asphalt, riecht das heiße Öl, das Getriebe kracht, habe vergessen Zwischengas zu geben, steige in die Eisen, die bremsen sogar und ich nehme die Kurve unter vollem Zug, es ist ein einmaliges Gefühl. Muß mich zügeln, ist zu wertvoll, wenn ich hier etwas beschädige, wäre unverantwortlich. Stelle meinen Liebling nun wieder in die Garage und ergötze mich an den wunderbaren Proportionen. Fahrzeug ist total stimmig, lange Haube, kurzes Cockpit, toller Knackarsch. Und dann dieser schräge Kühlergrill. Hatten die damals schon einen Windkanal? Er steht nicht klobig protzig senkrecht wie bei anderen Herstellern sondern schräg .Die ganze Karosse ist hauteng um das Chassis geschlungen, ohne jeden Firlefanz, wie ein Italiener. Ist einfach ungeheuer ästhetisch. Der Alta steht gerade neben meinem Alfa 6C 2500 SS. Ich betrachte beide aus allen möglichen Blickwinkeln, sie sind einfach zeitlos elegant.” Der nunmehrige Eigentümer hat aus dem ersteigerten Zustand wieder einen wunderbaren schnellen Wagen gemacht. Wie schrieb Geoffrey Taylor so schön im Prospekt von 1932: “Ein ALTA ist kein Massenprodukt, weil wir der Ansicht sind, daß Menge und Qualität nicht vereinbar sind. Die Hersteller der besten Fahrzeuge teilen diese Auffassung. Bei der Konstruktion des ALTA war unser Ziel nicht die bloße Bewegung, sondern dem Besitzer größtmögliches Vergnügen zu bereiten.” |
< voriger Eintrag | weiter > |
---|