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Donnerstag, 25. April 2024
30 Jahre später: Hannu Mikkola und Audi 200 quattro, Sieger der Safari Rally 1987, kehren nach Kenya Drucken E-Mail
Geschrieben von Sebastian Klein www.mcklein.de   

Heft bestellen - 30 Jahre später: Hannu Mikkola und Audi 200 quattro, Sieger der Safari Rally 1987, kehren nach Kenya zurück

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In den frühen 1980er Jahren „überrollten“ die allradgetriebenen Fahrzeuge, allen voran der Audi quattro, die internationale Rallyeszene. Als die Ära der Gruppe B 1986 zu Ende ging, hatten 4WD-Fahrzeuge auf allen WRC-Läufen Siege errungen – mit einer Ausnahme. Die Safari Rally, die härteste Veranstaltung des WRC-Kalenders, war in den Händen der Hecktriebler geblieben – so lange bis ein 45-jähriger Veteran und eine „Direktionslimousine“ des Weges kamen. Jetzt sind Hannu Mikkola und der Audi 200 quattro nach Kenya zurückgekehrt …

Als Audi mit dem quattro Anfang 1981 in die „World Rally Championship“ einstieg, mangelte es nicht an Skeptikern. Für Veranstaltungen wie die Paris–Dakar, wo der (von Audi konstruierte) VW Iltis 1980 gewonnen hatte – OK, da hatte der Allradantrieb vielleicht seinen Platz – aber von kurvenreichen Bergstrecken, wie sollte da ein Allradler einen Fiat 131 Abarth, Renault 5 Turbo oder Talbot Sunbeam Lotus schlagen? Selbst Walter Röhrl, der in der Nähe des Audi- Werks wohnte, lehnte nach Testfahrten mit dem Quattro dankend ab – mit dem Getriebe würde der Wagen nie eine Rallye überleben und überhaupt wurde die Kombination aus Turbomotor und Allradantrieb als zu schwer und zu komplex für den Rallyeeinsatz angesehen.


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Schon bald sollten die Skeptiker eines Besseren belehrt werden. Bereits beim zweiten Einsatz des Audi Quattro in der WRC konnte Hannu Mikkola bei der Schwedenrallye einen überzeugenden Sieg – Schnellster in 15 von 25 Wertungsprüfungen – erringen.

Aber die schneebedeckten Straßen im schwedischen Värmland waren erst der Beginn: Rallye Monte Carlo, 1000-Seen-Rallye in Finnland, Portugal und Italien, die Quattro-Technologie erwies sich weltweit als Sieger – von den Pampas und Anden von Argentinien, über die schnellen Schotterstraßen Neuseelands bis zum Dschungel der Elfenbeinküste.


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Als die Gruppe B nach einigen tödlichen Unfällen – die Autos waren einfach zu schnell geworden – eingestellt wurde, gab es nur zwei „weiße Flecken“ auf der Rallye-Landkarte von Audi: Korsika und die Safari Rally. Die „Rallye der 10.000 Kurven“ wurde zur Gänze auf Asphalt gefahren und blieb die Domäne von leichtgewichtigen „Rennwagen“ wie Lancia 037 Rally oder Renault 5 Maxi Turbo. Erst 1986 schaffte der Peugeot 205 T16 den ersten Allrad-Sieg in Korsika.


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Somit blieb ausgerechnet das härteste Event des WRC-Kalenders, die Safari Rally in Kenya, die Domäne der „2WD-Truppe“, als 1987 mit der Gruppe A ein neues Kapitel in der „World Rally Championship“ aufgeschlagen wurde. Wie würde der Kampf 2WD gegen 4WD 1987 ausgehen? Die japanischen Seriensieger – Toyota 3 Siege, Nissan 4 Siege in den letzten 8 Jahren – setzten auf neu entwickelte Coupés mit Hinterradantrieb, Ford schickte den Sierra RS Cosworth (ebenfalls Hinterradantrieb) und Opel (Kadett GSi) und VW (Golf GTI) – beide mit Vorderradantrieb – an den Start.


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Die 4WD-Truppe war da deutlich dünner besetzt: Der Start eines einsamen Lancia Delta HF Integrale war mehr als Probegalopp für kommende Jahre zu sehen, die Subaru RX Turbos waren, verglichen mit dem Mitbewerb untermotorisiert, und die beiden Audi 200 quattro wogen im Safari-Trim 1,5 Tonnen. Audi hatte bereits dreimal versucht, die Safari zu gewinnen, aber bis jetzt vergeblich, aber wie Audi Sportchef Herwart Kreiner es formulierte: „Die Safari-Rallye in Kenia sollte man als Werk einmal gewonnen haben.“


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Walter Röhrl, einer der beiden Audi-Werksfahrer, war alles andere als zuversichtlich: „Der Wagen war viel zu schwer und ich war überzeugt, er würde sich unter seinem eigenen Gewicht zerstören.“, schrieb Röhrl später in seiner Autobiographie. Bekanntlich hasste Röhrl die Safari: „Jeder, der hier gerne fährt, ist in meinen Augen ein Idiot!“, begann die Rallye eher vorsichtig und hat später gestanden, dass er „um jedes Loch herum gefahren“ ist. Sein Teamkollege Hannu Mikkola ging die Sache ganz anders an: „Wenn ich jemanden überholen kann, dann werde ich es tun.“


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Insgesamt waren 8 Werksteams und 18 werks-unterstützte Wagen am Start und bald war klar, dass sich schon am Beginn der 4.011 km langen Rallye sich die Spreu vom Weizen scheiden würde. Nach fünf Sonderprüfungen lag Stig Blomqvist (trotz Fieber) mit dem Sierra Cosworth voran, aber dann begannen seine Probleme – Dampfblasen im Kraftstoffsystem, eine brennende Bremsscheibe und eine Elektrik, die der Turbolader „geröstet“ hatte. Lancia und Opel kämpften auch mit technischen Problemen und die Subarus waren, wie schon erwähnt, ganz einfach zu schwach. Am schlimmsten erwischte es das Nissan-Team: Die Hinterachse des erstmals eingesetzten 200SX erwies sich als zu schwach, und der Wagen von Shekhar Mehta brannte sogar ab, als das Öl aus der Hinterachse auf den heißen Auspuff tropfte. Auch der SX200 von Teamkollegen Mike Kirkland fing Feuer, aber er reversierte geistesgegenwärtig seinen Nissan in einen Fluss und löschte so das Feuer.


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Nach all dem lagen Hannu Mikkola (Audi) und Björn Waldegård (Toyota Supra) voran, und so spitzte sich die Safari zu einem Zweikampf zweier gleichwertiger Fahrer auf sehr unterschiedlichen Fahrzeugen zu. Sowohl Mikkola als auch Waldegård hatten die Safari bereits gewonnen und wollten zeigen, das sie es mit Anfang 40 „noch immer könnten“.


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Die beiden Autos waren allerdings konzeptuell sehr unterschiedlich. Während der Toyota Supra ein konventioneller Sportwagen mit Hinterradantrieb und 6-Zylinder-Motor war, war der Audi 200 quattro eine viertürige Luxuslimousine mit Allradantrieb und 5-Zylinder-Turbomotor. In Gewicht und Leistung – 1.500 kg und 250 PS – lagen die beiden erstaunlich knapp beisammen und in den vier Tagen der Rallye sollten Mikkola und Waldegård dreimal die Führung wechseln.


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Als erstes bekam Mikkola Probleme. Samstag am frühen Morgen blieb der Motor des 200 quattro ganz einfach stehen. Normalerweise wäre das Serviceteam in Minutenschnelle mit dem Helikopter zum „gestrandeten“ Fahrzeug geflogen, aber da es noch dunkel war, „schlief“ der Hubschrauber noch. Ingenieur Mikkola und sein Beifahrer Arne Hertz machten sich im Motorraum des Audi auf die Fehlersuche, während das Serviceteam sich auf den Weg machte. Bis ein loser Schlauch vom Turbo zum Intercooler – der das Steuergerät „beleidigt“ hatte – als Schuldiger gefunden war, vergingen 30 Minuten. Mikkola war jetzt nur mehr vierter hinter Waldegård, Röhrl und Kenneth Eriksson auf VW.


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„Auf der Safari hattest du immer Probleme, man musste nur versuchen, ohne wirklich große Probleme ins Ziel zu kommen“, erinnerte sich Mikkola beim neuerlichen Ausflug nach Kenia. Und schon vor 30 Jahren war im klar, dass – in Afrika – große Probleme in Stunden, nicht in Minuten gemessen werden. „Bei der Safari kommt es darauf an, bis zum Ende zu kämpfen. Wenn es ein Problem gibt, darf man sich nicht unterkriegen lassen. Immer weitermachen und vielleicht reicht es am Ende doch für einen Sieg.“


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Und das sollte Mikkola bei der 1987 Safari Rally beherzigen. Der Finne schwindelte sich an seinen vorsichtigen Teamkollegen Röhrl vorbei, überholte Eriksson, während der Schwede eine Halbachse an seinem Golf wechseln musste, und – kurz vor dem Zwischenstopp in Nairobi – wurde Waldegård bei einem Routineservice aufgehalten und Mikkola war zurück an der Spitze. Die vier führenden Teams lagen vor der letzten Etappe nur 17 Minuten auseinander.

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 Während der Rallye verteidigte Mikkola noch seine Taktik: „Die Toyotas sind einfach zu gut. Du kannst sie nicht ganz einfach fahren lassen und hoffen, dass irgendetwas bricht. Du musst sie unter Druck setzen.“ Und diese Strategie sollte am letzten Tag aufgehen. Auf der Strecke durch das hohe Gras der Chyulu Hills, das berüchtigt dafür ist, die Lufteinlässe zum Kühler zu verstopfen, ignorierte Waldegård die Temperaturanzeige seines Supra und stoppte nicht am Servicepunkt, um das Gras entfernen zu lassen – eine fatale Entscheidung.


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Kurz nach den Taita Hills fiel der Toyota aus. Dass Mikkola eine gebrochene Aufhängung hatte, spielte auch keine Rolle mehr und als Erikssons Golf 175 km vor dem Ziel einen Motorschaden hatte, waren die beiden Audi die einzigen Überlebenden an der Spitze und konnten einen überzeugenden Doppelsieg feiern. Der Drittplatzierte – Lars-Erik Torph auf Toyota – lag fast eine Stunde zurück.


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Für Audi und Hannu Mikkola war es ein epochaler Sieg. Einst, im Jahre 1972, war der Finne der erste ausländische Sieger, der mit einem Sieg bei der Safari Rally die Dominanz der „einheimischen Helden“ beenden konnte. Jetzt war es der erste Sieg eines Allradautos bei der härtesten Rallye der Welt. Aber es sollte auch der letzte WRC-Sieg sowohl für Audi als auch für Mikkola sein, denn das Team aus Ingolstadt beendete sein Rallye-Engagement noch vor dem Ende der Saison 1987. Mikkola war im „Herbst seiner Karriere“ und stolz darauf, sein Können noch einmal in seiner 99. WRC-Rallye zeigen zu können. Während der Siegesparty soll er gesagt haben: „Ist da irgend jemand, der meint, dass ich zum alten Eisen gehöre?“


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Bis heute, 30 Jahre später, ist der Sieg von 1987 ein ganz spezieller für ihn: „Ich war 45 Jahre alt und mir war bewusst, dass ich nicht mehr viele Siege vor mir haben würde. Es war großartig, dass ich in diesem Alter noch einmal gewinnen konnte.“, erinnert sich Mikkola, der jetzt 75 ist, während er es sich in der „Satao Elerai Lodge“ gemütlich macht und in die endlose Savanne des Amboseli National Park und auf den Kilimanjaro hinausblickt. Mikkola ist nach wie vor in guter körperlicher Verfassung und fühlt sich offensichtlich hier daheim. „Die Safari war von Anfang an meine liebste Rallye. Das ist nicht nur eine Rallye, sondern ein Abenteuer. Die Safari ist anders als alle anderen Rallyes und ich habe jede einzelne genossen.“


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Obwohl er jetzt in Florida lebt, zögerte er keine Sekunde, als die Einladung von Audi kam, anlässlich der „2017 East African Safari Classic Rally“ den gemeinsamen Sieg von 1987 zu feiern. Mit einer Strecke von mehr als 3.000 km hält die „Classic Rally“ den Geist der alten Zeit aufrecht und lockt immer legendäre Autos wie Porsche 911, Ford Escort und verschiedene Datsun an und auch einige von Mikkolas ehemaligen Konkurrenten. Sowohl Björn Waldegård als auch Stig Blomqvist konnten die Safari Classic in den vergangenen Jahren gewinnen. Während Blomqvist 2017 versuchte, seinen Sieg zu wiederholen, gingen es Mikkola und Audi gemütlicher an.


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Während die teilnehmenden Porsches, Fords und Datsuns die modernste Technik unter den klassischen Karosserien hatten, schien der Audi 200 quattro geradewegs aus dem Parc Fermé des Jahres 1987 zu kommen und lediglich gewaschen worden zu sein. Sogar die Klebebänder für die Startnummer sind noch da – lediglich über die Jahrzehnte hinweg etwas vergilbt.


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Der 200 quattro war sorgfältig von Audi Tradition bewahrt worden und verfügte über alle Safari-Modifikationen: Den markanten, vorderen Safari „roo-bar“, der Karosserie und Scheinwerfer bei Kollisionen mit Autos oder Tieren schützen sollte, die zusätzlichen Scheinwerfer auf den Kotflügeln, zwei Reserveräder und der 200-Liter-Tank. Letzterer gab dem Audi einen nicht zu unterschätzenden Vorteil über die Toyotas, wie Waldegård während der Rallye anerkennen musste: „Audi hat einen 200-Liter-Tank, unserer hat nur 120 Liter – daher müssen wir öfters nachtanken.“

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Einst war der Wagen zwar für die Safari Rallye präpariert worden, aber jetzt stand fest, dass dieses einzigartige historische Fahrzeug nicht in der Classic Safari eingesetzt werden würde. Der 200 quattro war nicht startberechtigt – bei der Safari Classic waren keine Allradfahrzeuge und keine Turbos zugelassen. Aber der wahre Grund war, dass „wir mit dem quattro keine Rallye fahren werden, denn es macht mehr Sinn, den Wagen in einem Stück zu lassen“, wie Mikkola erklärte. Etappen mit bis zu 155 km waren sicherlich nicht mehr das richtige für Audis letzten WRC-Sieger.


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Mikkola beschränkte sich auf einige Testfahrten in den Tagen vor der Rallye. Laut den glücklichen Journalisten, die ihn begleiten durften, zeigte der 75-Jährige beeindruckend, dass man Rallyefahren ebensowenig verlernt, wie Fahrradfahren. Obwohl Mikkola jetzt nach dem „Röhrl- Prinzip“ fuhr und jedes Schlagloch vermied, war es beeindruckend, Mensch und Maschine nach 30 Jahren wieder „in action“ zu sehen. Die Geschichte kehrte in diesen Tagen nach Kenya zurück...

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