El Caballo Volador - Der kurze Flug des Pegasus |
Geschrieben von Wolfgang M. Buchta | |
Heft bestellen - El Caballo Volador - Der kurze Flug des Pegasus In Spanien soll es, so die Legende, fliegende Pferde auf vier Rädern geben - Ulli und Wolfgang Buchta sind der Geschichte der raren Spezies nachgegangen. Von Karl V. bis Francisco FrancoAls Christoph Kolumbus - nach der üblichen Geschichtsschreibung - am 12. Oktober 1492 Amerika entdeckt, war Kolumbus zwar ein Genuese, der lange Zeit auf Porto Santo bei Madeira gelebt hatte, aber seine Entdeckungsfahrten unternahm er im Auftrag der spanischen Krone, so war es nur logisch, dass Spanien der Hauptnutznießer der Länder der „Neuen Welt“ werden sollte - erinnern wir uns nur an Kaiser Karl V., in dessen Reich „die Sonne niemals unterging“.
Vorerst lief es für Hispano-Suiza gut. Mit dem Typ Alfonso XIII. - natürlich nach dem königlichen Förderer benannt - dessen Höchstgeschwindigkeit 1910 bei 130 km/h lag, zeichnete Birkigt für eines der ersten „Super Cars“ der Automobilgeschichte verantwortlich. Am Ende des Ersten Weltkriegs war das neutrale Spanien unter der faschistischen Regierung von „El Caudillo“ Francisco Paulino Hermenegildo Teódulo Franco y Bahamonde Salgado Pardo, besser bekannt als General Francisco Franco, ob seiner gegenüber Deutschland „wohlwollenden Neutralität“ zunächst ein isoliertes, armes Agrar-land - heute würden wir von einem „Schwellenland“ sprechen - und so wie die heutigen Schwellenländer sich und der Welt die eigene Größe durch hohe Gebäude, superluxuriöse Hotels oder die Veranstaltung von Olympiaden und Weltmeisterschaften beweisen, so pflegte man es auch damals. Von Hispano-Suiza zu ENASA1946 bekam der enteignete Schweizer Marc Birkigt auch als Chefkonstrukteur einen Nachfolger, wobei die staatlichen Eigentümer, I.N.I., das „Instituto Nacional de Industria“, keine schlechte Wahl getroffen hatten: Wifredo Ricart war der wohl bedeutendste spanische Automobilkonstrukteur - siehe Kasten - der zuletzt für Alfa Romeo - auch keine schlechte Referenz - gearbeitet hatte. Die Reste der Automobiltradition von Hispano-Suiza wurden per 24. Oktober 1946 zu ENASA (Empresa Nacional de Autocamiones S.A.), die sich der wirtschaftlichen und politischen Situation entsprechend auf die Entwicklung und den Bau von Nutzfahrzeugen - Lastwagen, Busse und Militärfahrzeuge - konzentrieren sollte. Vorerst gab es für die geplanten Produkte noch keinen Namen, bis irgendjemand auf den Handelsnamen „Pegaso“ kam - das mythologische Pferd Pegasus sollte Stärke, Agilität und Eleganz symbolisieren. Der in den Jahren 1946/47 gebaute „Pegaso I“, von dem aus Gründen der Materialknappheit nur wenige Exemplare - 1946 waren es ganze 38 Stück - gebaut wurden, war ein leicht modifizierter Hispano-Suiza 66G, dem letzten (LKW-)Modell des Traditionsunternehmens.
Rasch wurde der Z-202 als „El camión español“ zum Erfolgsmodell am spanischen Nutzfahrzeugmarkt - was nicht so schwer war, wie es vielleicht klingt, denn LKWs waren in der Nachkriegszeit in ganz Europa gesuchte Mangelware - und in verschiedensten Versionen - als Sattelschlepperzugmaschine (Z-701) oder als Bus - gebaut.
Don Wifredos Traum wird WirklichkeitIrgendwie war abzusehen gewesen, dass ein Ingenieur wie Wifredo Ricart, der vor dem Krieg bei Alfa Romeo auch für Rennwagen verantwortlich war, mit dem Bau nützlicher und zuverlässiger aber biederer Lastwagen nicht vollständig ausgefüllt sein würde. Und Ricart stieß mit seinen Ideen bei seinen Vorgesetzten nicht auf ganz taube Ohren. Irgendwo zwischen General Franco und der I.N.I. hielt man es für durchaus wünschenswert, mit einem spektakulären Projekt der Welt die überragenden technischen Fähigkeiten Spaniens zu demonstrieren und so neue Märkte für spanische Produkte zu erschließen.
Das ursprüngliche Projekt mit dem Code Z-101, einer vier- bis fünfsitzigen Luxuslimousine mit V-12-Motor wurde nicht weiter verfolgt, aber unter der unscheinbaren Typennummer Z-102 begann 1950 die Arbeit an einem Sportwagen, der lupenreine Rennwagen-Technologie für die Straße bieten sollte. Aber damit nicht genug! Der Block des V-8 von anfangs 2,5 Liter Hubraum - was wohl nicht ganz zufällig der Formel der Grand Prix Rennwagen der Zeit entsprach - und einer Leistung von 165 PS, bestand aus Aluminium, wie auch die geschmiedeten Alu-Kolben, was dem ganzen Motor ohne Kupplung ein Gewicht von nicht einmal 200 kg gab. Magnetzündung, Trockensumpfschmierung, natriumgekühlte Auslassventile, ... rundeten die exotische Hightech-Spezifikation ab. Der Alumotor, der kurze Radstand von 234 cm und eine typische Gesamtlänge von etwas über 4 Meter gaben dem Wagen ein Gewicht von 1.060 kg für das Standardmodell und 990 kg für die Sportausführung.
Stimmt, Pegaso fertigte zahlreiche Teile bis zu den Türschnallen, Stoßdämpfern und sogar Schrauben selbst, aber nicht oder nicht primär aus Stolz, sondern vielfach aus Not - die spanische Zulieferindustrie existierte praktisch nicht und Einkäufe im Ausland kosteten wertvolle Devisen, allerdings nur dann, wenn „das Ausland“ bereit war, an das faschistische Spanien zu liefern. Heute müssen die Besitzer und Restoratoren bei der Ersatzteilsuche dafür büßen ... Die technische Extravaganz setzte sich beim Getriebe fort. „Normale“ Autos hatten das Getriebe an den Motor angeflanscht, exklusive Sportwagen hatten (vielleicht) ein Transaxlegetriebe, d. h. das Getriebe liegt unmittelbar vor der Hinterachse, aber Ricart ging natürlich einen Schritt weiter und positionierte das Fünfgang-Getriebe hinter die Hinterachse. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Gewichtsverteilung wird weiter optimiert und im Fahrgastraum wird etwas zusätzlicher Platz geschaffen. Dafür ging der Platz im Kofferaum, wo sich bereits Tank, Reserverad, die innen liegenden, hinteren Bremstrommeln und die De Dion-Hinterachse - von gleicher Konstruktion wie im Alfa Romeo Tipo 512 Grand-Prix-Wagen - breit machten, gegen Null. Banale Praktikabilität stand offenbar nicht hoch auf der Prioritätenliste des genialen Konstrukteurs. Scheibenbremsen? Servolenkung? Synchronisiertes Getriebe? Lauter Fehlanzeigen! Firlefanz, den „echte Rennfahrer“ genauso wenig brauchen, wie einen Kofferraum. Von der Motor Show auf die RennstreckeSeinen ersten großen öffentlichen Auftritt hatte der brandneue Pegaso Sportwagen im Oktober 1951 am Pariser Salon, wo ein zweisitziges Coupé und ein Cabrio, beides rare Werkskarosserien, die natürlich auch „in house“ gebaut worden waren.
1954 kostete der Mercedes 300 SL den enormen Betrag von DM 29.000. Der Dollar notierte 1954 zur DM mit 4,20, d. h. am alles entscheidenden amerikanischen Markt kam der 300 SL - vergessen wir einmal Nebengeräusche wie Transport oder Zölle - auf knapp US$ 7.000. Der Pegaso Z 102 hingegen wurde bei Produktionsbeginn um US$ 9.500 und gegen Ende der kurzen Produktionszeit um US$ 15.000 angeboten. Und der 300 SL hatte alle wichtigen Sportwagenrennen gewonnen und einen Stern am Kühlergrill ... Für die „World Motor Sports Show“ im Februar 1953 in New York konnte Pegaso die Preise nochmals toppen: Der Pegaso Cupula, ein zum Verkauf stehendes „Concept Car“ wurde um stolze US$ 29.000 abgeboten. Für alle, die Wifredo Ricart auf die Diskrepanz seiner Autos und der wirtschaftlichen Realität in Spanien ansprachen, hatte dieser eine schlüssige Antwort parat - „Wir sind ein armes Land und daher müssen wir Juwelen für die Reichen bauen!“ Was macht ein Sportwagenhersteller zur Verbesserung seines Images? Die nahe liegende Antwort lautet: Motorsport, oder wie die Firma Ford später so schön formulierte „Race on Sunday, Sell on Monday“ - Erfolge im Motorsport sind die beste Werbung, besonders für einen Hersteller von sportlichen Automobilen. Also begann Pegaso ein, gemessen an der Größe und Finanzkraft der Firma, ambitioniertes Rennprogramm.
Als kleinen Trost konnte Pegaso bei Rekordfahrten auf einem Rundkurs bei Vich, rund 70 km nördlich von Barcelona, mit einem serienmäßigen(?) Spider 218 km/h erreichen und mit einem Coupé mit einer speziell gebauten, hauchdünnen „Bisiluro“ Doppelrumpf-Karosserie einen Schnitt von 226,4 km/h erreichen, wobei zeitweise Spitzen von bis zu 250 km/h erreicht wurden. Für Le Mans 1953 bereiteten sich die Spanier besser vor: Zwei spezielle Rennwagen mit „Katamara Karosserie“ - der Fahrer saß auf der rechten Seite unter einer asymmetrischen Glaskuppel - und dem Motor wurde mit einem zweistufigen Kompressor weit über 200 PS Leistung eingehaucht.
Für den alles entscheidenden amerikanischen Markt war die berühmte Carrera Panamericana - 1950 bis 1954 abgehalten - das wichtigste Sportwagenrennen. 1953 gab Pegaso beim italienischen Karosseriebauer Touring eine spezielle Karosserie in Auftrag, aber der „El Panamericano“ genannte Wagen wurde nicht rechtzeitig für das Rennen fertig. Etwas besser lief es 1954, als Palacio mit einem Roadster mit 3,2 Liter Kompressormotor, der wegen der Unterstützung durch Leonidas Trujillo, dem Präsidenten der Dominikanischen Republik, „El Dominicano“, genannt wurde, am Start war.
Verschönerungsverein Die Antwort war einfach, vor allem mit Wifredo Ricarts Vorgeschichte: Ricart kontaktierte seine „alten Freunde“ in Italien, allen voran Carlo Felice Bianchi Anderloni, den Eigentümer von „Carrozzeria Touring Superleggera“.
Schwanengesang Kurz vor Ende der Produktion schien es, als hätte Ricart die ideale Lösung für das Karosserieproblem gefunden. Der junge, 1926 geborene, und damals noch unbekannte Karosseriebauer Pedro Serra entstammte einer in der Automobilbranche tätigen Familie und hatte die Profession des Karosseriebauers von der Pike auf gelernt. Serra war, wie auch Pegaso in Barcelona angesiedelt und konnte durchaus elegante Karosserien - geringe Transportwege, keine Zölle und ein niedrigeres Lohnniveau - um umgerechnet US$ 1.900 liefern. Auf Grund der Produktionseinstellung sollte es leider bei sieben Fahrzeugen - Z-102 und Z-103 - bleiben.
Für die Einstellung der Sportwagenproduktion im Jahre 1958 gab es zumindest drei gute Gründe - mangelnde Nachfrage, enorme Kosten und der grundsätzlich erfreuliche Umstand, dass die boomende Wirtschaft in Spanien jeden einzelnen Lastwagen, den Pegaso produzieren konnte gierig aufnahm. Vor die Wahl gestellt defizitäre Sportwagen oder kommerziell erfolgreiche Nutzfahrzeuge zu bauen - da war die (kommerzielle) Entscheidung wohl klar. Die gebaute Stückzahl ist, das klingt bei einem so exklusiven Kleinserienfahrzeug vielleicht seltsam, nicht genau bekannt, was vor allem daran lag, dass Pegaso etliche Chassisnummern mit unterschiedlichen Karosserien zeigte und auch gelegentlich ehemalige Rennfahrzeuge mit einer neuen Karosserie als Neuwagen verkaufte. Die meisten Quellen sprechen von 84 Stück, manchmal liest man auch die Zahlen 82 oder 86 - dass es deutlich unter 100 waren, darin sind sich alle einig. Rund 30 Exemplare haben bis heute überlebt und sind natürlich gesuchte Sammlerstücke, deren Preise sich in 300SL-Regionen bewegen.
In Automobile Quarterly 49/03 findet sich die vermutlich korrekteste Übersicht über die Stückzahlen bei den vier Karosseriebauern gefertigten Karosserievarianten:
Das Leben geht weiter ... Im Werk von ENASA - und ab 1953 in einem riesigen, neuen Werk in Madrid - „ging das Leben weiter“, wobei Leben in diesem Fall LKW, Autobusse und Militärfahrzeuge für die spanische Armee bedeutete. In den folgenden Jahren und Jahrzehnten entstand bei Pegaso, so wie auch bei anderen Nutzfahrzeugherstellern, eine verwirrende Vielfalt an Typen, von denen einige in großen Mengen gebaut wurden, während andere nur auf minimale Stückzahlen kamen oder gar Einzelstücke blieben.
1980 übernahm Pegaso den britischen Hersteller Seddon Atkinson und Ende des Jahrzehnts stand Pegaso selber zur Übernahme bereit. Zuerst ritterten MAN, die bereits eine technische Kooperation mit Pegaso hatten, und Mercedes-Benz um den spanischen Hersteller, ehe schließlich im Jahre 1990 die italienische IVECO Gruppe den Zuschlag bekam. Eine Zeit lang wurden Pegasos weiter produziert, die mehr und mehr zu IVECO-Modellen mit Pegaso-Aufschriften wurden, ehe 1995 die Marke ganz aufgegeben wurde. Seither werden in einem Teil der Werks in Madrid IVECOs gefertigt. Seit der Produktionseinstellung der Sportwagen im Jahre 1958 gab es einige Versuche, die mystische Marke wieder zu beleben. Der bekannteste dieser Versuche fand 1991 unter der Mithilfe von Pedro Serra statt. Das Britschen Design Büro „IAD“ konstruierte einen recht exakten Nachbau der Z-103 SS1 Roadsters - SS steht hier nicht, wie bei Alfa Romeo für „Super Sport“ sondern für „Serra Spider“, der von einem Rover V-8-Motor angetrieben wurde. Die „Recreation“ brachte es immerhin auf 10 (oder vielleicht auch 11) Exemplare.
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