M, wie Motorsport |
Geschrieben von Gernot Kronberger | |
Heft bestellen - M, wie Motorsport Kaum ein anderes Auto bringt den Zeitgeist der späten 70er Jahre exakt auf den Punkt, wie der M1 von BMW. Text: Gernot Kronberger Er war BMW's erster und bislang einziger echter und reinrassiger Sportwagen. Das Mittelmotorkonzept war absolutes Neuland für den bayrischen Automobilkonzern. Bisher waren kleine und sportliche Limousinen vom Schlage eines 2002 und der neu eingeführten 3er-Reihe die Kernkompetenz. In der Mittel- und Luxusklasse konnte man mit der 5erund der 7er-Reihe neue Käuferschichten anlocken und den Klassenprimus Mercedes fordern. Auf dem Sektor der Sportwagen galten damals der Ferrari 308, der 512 Berlinetta Boxer, Lamborghini's Urraco und der Countach, der Lotus Esprit und der Porsche 911, von dem erst kürzlich die letzte Evolutionsstufe, der Turbo, gezündet wurde, als Maß aller Dinge. Genau in dieses Umfeld wird der M1 geboren, und es war keine leichte Geburt. Die Ziehväter. Um die für den Sommer 1973 geplante, offizielle Einweihung des neuen Firmen-Museums und Bürokomplexes der BMW AG in München entsprechend zu feiern, und außerdem für die 1972 in München stattfindenden Olympischen Spiele mit einem optischen Bonbon präsent zu sein, schlug Verkaufschef Robert "Bob" Lutz im März 1972 den Bau einer rassigen Sportwagen-Studie als Blickfang vor. Bereits 1971 hatte Hubert Hahne, ehemaliger Werksfahrer bei BMW, solch ein Projekt angeregt. Da kein eindeutiges Nein kam, nahm er Kontakt mit Lamborghini auf. BMW sollte die Mechanik liefern und Lamborghini sollte daraus einen Sportwagen bauen. Zwei Chassis mit BMW Serienmotor entstanden als der vormalige Verkaufschef Paul G. Hahnenmann ("Nischen Paul") überraschend bei BMW ausschied. Der Vertrag mit Lamborghini platzte. Dennoch gab es über 100 Interessenten, die bereit gewesen wären rund eine halbe Million Mark für das Mittelmotor-Coupe hinzublättern. Angeregt von Verkaufschef Lutz nahm man deshalb wieder Kontakt zu Michelotti auf, um eine Kleinserie entstehen zu lassen. Die Flügeltüren sollten allerdings normalen weichen und als Aggregat war an Stelle des unerprobten Turbomotors ein verbesserter Dreiliter Sechszylinder vorgesehen. Die Pläne gediehen weit und ein Kaufpreis von 120.000 Mark schien realistisch. Doch die Ölkrise machte einen Strich durch die Rechnung. Kurzarbeit, Tempo 100 und Fahrverbote ließen bei BMW den sogenannten Krisenstab immer häufiger tagen. Sämtliche Zukunftsprojekte wurden auf Eis gelegt, darunter auch die Zusammenarbeit mit Michelotti, welcher bereits heftig in die Fertigung des Coupes investiert hatte. 20 Stück im Monat hätten entstehen sollen. Da es aber keine bindenden Verträge gab erhielt Giovanni Michelotti auch keinerlei finanzielle Abfindung! Das war der dritte Streich... Die Geburt des E26. Der Ölmarkt beruhigte sich wieder und mit vollen Auftragsbüchern im Rücken nahm Motorsport-Geschäftsführer Jochen Neerpasch den Anlauf, einen Rennwagen in Straßenversion in der BMW-Modellpalette unterzubringen, der ihm alle Vorraussetzungen für einen erfolgreichen Einsatz im Motorsport bot. Denn das 3,0 CSL Coupe war am Ende seiner Entwicklung und auch die 3er- und 5er Modelle brachten von der Grundstruktur sehr wenig Eignung für den großen Rundstrecken-Rennsport mit. So ging Neerpasch das Projekt eines vollkommen neuen Sportwagens an. Ein Projekt, welches in ähnlicher Form in den fünf, sechs Jahren zuvor praktisch dreimal gestartet, aber nie ins Leben gerufen wurde. Mit dem M1 hatte man sich die Aufgabe gestellt, einen Autotyp zu entwickeln, den es sonst nicht gab, oder nicht mehr gab. Unter der internen Bezeichnung "E26" lief 1976 das Projekt für einen konkurrenzfähigen Rennwagen an, der in der "Gruppe 4" im Rahmen der Marken- Weltmeisterschaft eingesetzt werden sollte. Das Reglement verlangte jedoch, dass mindestens 400 idente Basisfahrzeuge in maximal 24 aufeinanderfolgenden Monaten gebaut werden müssen. Um diese Vorgaben zu realisieren, galt es daher zunächst eine verkäufliche, straßentaugliche Version zu entwickeln. Im Werbedeutsch klang das so: "Viele fahren mit modifizierten Serienwagen Rennen. Bei BMW geht jetzt ein modifizierter Rennwagen in Serie." Die Sache hatte nur einen Haken: Die BMW Motorsport GmbH hatte keine Möglichkeit solch ein Programm in der vorgesehenen kurzen Zeit zu realisieren. Um den "E26" über ein normales Produktionsband laufen zu lassen, war die geplante Stückzahl von 800 zu gering. So schloss BMW trotz aller schlechten Erfahrungen mit dieser Arbeitsweise erneut einen Vertrag mit Lamborghini ab. Diesmal war es ein Liefervertrag über die Montage des BMW M1. 400 Fahrzeuge sollten bis Ende März 1979 entstehen, danach war die Produktion von einem Auto pro Tag vorgesehen, bis die 800 Stück BMW M1 erreicht waren. Die Entwicklungsarbeiten seitens BMW waren, trotz einiger technischer Schwierigkeiten so gut wie abgeschlossen, da platzte die Bombe. Lamborghini steckte in einer ernsten Finanzkrise. Neerpasch musste fürchten, dass die Sportwagenschmiede schloss und damit das gesamte Projekt auf der Strecke blieb. An einen Vertrag war aufgrund der unsicheren Zukunft nicht zu denken. Als man nach neuen Produktionsstätten umsah konterte Lamborghini: "Wenn BMW glaubt, uns ausbooten zu müssen, dann wird es dieses Auto niemals geben!" Eine kritische Situation, zumal der BMW Vorstand soeben auch den Bau einer echten Straßen-Version des M1 beschlossen hatte. Made in EU Nach langen Verhandlungen einigten sich BMW und Lamborghini auf die Trennung. Allein um die daraus resultierende Unordnung zu sichten, das Zuliefersystem neu zu ordnen und wieder Tritt zu fassen, verstrich wertvolle Zeit. Über ein halbes Jahr dauerte es, bis ItalDesign die ersten Rohkarossen zum Kleinserien-Spezialisten Baur in Stuttgart, der das Chassis montierte, schickte. Die letzten Detailarbeiten und den Feinschliff erledigte dann, wie vorgesehen die BMW Motorsport selbst. Der Homologations-Termin 1979 konnte nicht nur nicht eingehalten werden, sondern verzögerte sich schlussendlich auf die Saison 1981. Der Zug in Richtung erfolgreiche Teilnahme an der Marken-WM war hiermit abgefahren. Und das, obwohl fünf hochspezialisierte Firmen, inklusive der Motorsport GmbH im wahrsten Sinne des Wortes versuchten, das Produkt M1 in perfekter Handarbeit auf die Breitreifen zu stellen. Marchesi& C. in Modena baute den nur 194 Kilo schweren Stahl-Gitterrohrrahmen. Etwa 150 Arbeitsstunden waren dafür nötig. Der Chef selbst arbeitete, fast schon künstlerisch, frei aus der Hand, wobei die Werkzeuge nach den fünf Prototypenrahmen entstanden, die noch von Lamborghini erstellt wurden. Die Karosseriehaut entstand bei "T.I.R", der Transformationi Italiani Resine, 35 Kilometer von Modena entfernt. Sie bestand aus glasfaserverstärktem Kunststoff und entstand in rund 130 Arbeitsstunden. Rahmen und Karosserie kamen zu ItalDesign, die sich bei der Realisierung neuer Automodelle von der Idee bis zum Prototypen- Fahrzeug seit 1968 einen Namen machte. Der Rahmen wurde zunächst lackiert und mit der Karosserie verbunden. Danach erhielt die Karosserie einen Feinschliff und wurde lackiert. Alleine der Lackiervorgang nahm drei Tage in Anspruch, da jede der drei Lackschichten sorgfältig poliert und anschließend im Ofen bei 40 Grad eingebrannt wurde, Anschließend wurde der M1 verglast, mit der Elektrik versehen sowie mit dem vorgefertigten Armaturenbrett bestückt. Ab hier teilten sich die Wege. Die für den Wettbewerb vorgesehenen Coupes (Procar-Serie) wurden per LKW zu Osella (Italien), oder zu Ron Dennis nach England geschafft und dort nach allen erlaubten Regeln der Gruppe 4 aufgerüstet. Die Straßen M1 kamen zu Baur nach Stuttgart, wo das Auto den 3,5-Liter-Vierventilmotor, das ZF Fünfganggetriebe, die Lenkung und die Innenausstattung erhielt. Fahrwerk, Bremsen waren von Marchesi bereits vormontiert. Der Endabnahme durch einen Qualitätsprüfer der BMW AG folgte eine Testfahrt, bevor der nun fertige M1 nach München zur Auslieferung ging. 450 der zivilen Straßen-M1 sollten schlussendlich zwischen 1979 und 1981 gebaut werden. Und um jeden musste BMW hart kämpfen. Die letzten drei entstanden am 6. 2. 1981 und wurden an BMWSpanien und an 2 Kunden direkt in München ausgeliefert. Eine intern geführte Fahrgestell- Nummernliste weist von 1978 bis 1982 insgesamt 48 gebaute Rennfahrzeuge aus. Zwei davon ohne Nummer und je einen Renn M1, der direkt zu den Privatteams von Schnitzer und Heidegger transportiert wurden. Die restlichen 44 Wagen hatten Osella (4), BMW Motorsport GmbH (15) und Ron Dennis (25), im Ursprung auf die Beine gestellt. Diese Procar-Fahrzeuge brachten letztendlich doch noch etwas Glanz am Ende einer schwierigen Entstehungsphase. Design von Giugiaro, Technik von BMW. Zweifellos gehört der 1978 auf dem Pariser Salon vorgestellte M1 zu den großen BMW-Legenden. Als Konstrukteur war Manfred Braungart, Intimus von Jochen Neerpasch, federführend. Wo immer es möglich und sinnvoll war, wurde versucht, Einzelteile aus den in Produktion befindlichen BMW-Großserienmodellen zu verwenden, wie z. B. Heizung, Klimaanlage, Leuchten, Schalter, Lenksäule, Bremssättel und Zylinder- Kurbelgehäuse. Mit dem Entwurf der Karosserie wurde Giorgetto Giugiaro beauftragt. Einzige Auflage war es die Designelemente des 1972er-Bracq-Turbo einfließen zu lassen. Und das Design konnte sich sehen lassen. Italienische Formensprache gepaart mit deutscher Sachlichkeit. Alleine die Felgen mit ihren in Sternenform angeordneten Schlitzen treffen den Geschmack der Zeit. Selbst beim Anblick der Karosserie kommt man heute nicht auf die Idee einen fast 30 Jahre alten Sportwagen vor sich zu haben. Der von Giugiaros Firma ItalDesign realisierte M1 wies einen Cw-Wert von weniger als 0,38 auf. Ein für damalige Verhältnisse unglaublicher Wert. Bei aller Sportivität besaß er einen kleinen Kofferraum. Als Reserverad musste allerdings ein Faltrad genügen. Das Cockpit war konzeptionsbedingt eng, besonders wenig Platz gab es für die Beine. Triebwerksseitig ließ man sich auf keine Experimente ein. Das werksintern "M88" bezeichnete Aggregat hatte als konstruktive Basis einen über 10 Jahre alten Motor. Allerdings war das Volumen der Graugussblockes mit 3.460 cm3 ziemlich ausgeschöpft. Die Konstrukteure mussten sogar einen technischen Kniff anwenden um zu diesem Hubraumvolumen des Vierventil- Motors zu kommen: zusammengegossene Zylinderlaufbuchsen ermöglichten eine maximale Bohrung von 93,4 mm. Im Prinzip handelt es sich beim M88 Triebwerk, das von den BMW-Standard-Triebwerken abgeleitet worden war, um einen alten Bekannten. Wirklich neu war der von Motorenchef Paul Rosche entwickelte Vierventil-Zylinderkopf, den wir aber schon aus dem 3,0 CSL Coupe in der 3,5-Liter--Wettbewerbs- Variante her kennen. Eine geänderte Ventilsteuerung bildete die einzig wirklich technische Neuerung. Man wollte auf Nummer Sicher gehen und dabei ein größtmögliches Potential für die Rennmotoren übrig zu lassen. Als besonderen Service erhielt jeder M1 Käufer einen eingefahrenen Motor, denn jedes dieser Triebwerke lief vor dem Einbau sieben Stunden auf dem Prüfstand und musste beweisen, dass die versprochene Leistung von mindestens 277 PS tatsächlich vorhanden war. Genug um den M1 260 km/h schnell zu machen und ihn von 0 auf 100 km/h in 5,7 Sekunden sprinten zu lassen. Auch im unteren Drehzahlbereich verfügt der Motor über eine enorme Kraftentfaltung. Der M88-Motor wurde in späteren Jahren im BMW M 635 CSI und im M5 eingesetzt. Sie gelten bis heute noch als ausgesprochen zuverlässig. Die Verwendung des Serienaggregates M88 in die Rennausführung M88/1 für die Gruppe 4-Version war in Anbetracht der sportlichen Veranlagungen einfach und wenig aufwendig: geschmiedete Kolben, polierte Pleuel, nachgearbeitete Kanäle, größere Ventile mit doppelten Ventilfedern, eine schärfere Nockenwelle sowie für die Einspritzanlage ein angepasster Raumnocken und eine Schiebermechanik statt der sechs Drosselklappen. Außerdem ein Flammrohr an der Auspuffanlage, dann so hoffte Paul Rosche, ließen sich Leistungen bis zu 490 PS realisieren. Die dazu erforderlichen knapp 10.000 U/min vertrug der 3,5-Liter-Reihensechszylinder klaglos. Noch mehr Leistung versprachen sich die Münchner bei der Verwandlung in die Gruppe 5. Ihr verhalfen zwei KKK-Turbolader zu einer PS-Ausbeute zwischen 850 bis 950 PS, je nach Ladedruck. Dieser Motor erhielt die interne Bezeichnung M88/2. Rar und begehrt. Der BMW M1 war einerseits ein topmoderner Hochleistung-Sportwagen, verfügte andererseits aber auch, bis auf den etwas beengten Fußraum, über gute Reisequalitäten. Selbstverständlich blieb er eine Rarität auf unseren Straßen, und vielleicht war er auch viel zu schade, um im Straßenverkehr verschlissen zu werden. Viele, die das Auto erwarben, betrachteten es dann auch mehr als eine Investition mit eingebauter Wertsteigerung. Heute tauchen ganz selten zum Verkauf stehende Exemplare auf. Jochen Neerpasch’s Exemplar, in einem dumpfen Grau lackiert war ebenso vor einigen Jahren zu erwerben, wie der M1 von Dieter Quester. Wie die meisten sind auch sie jetzt in fixen Händen. Trotz, oder gerade wegen seiner schweren Geburt zählt dieses Auto zu einem der großartigsten Klassiker der Neuzeit. |