LOTUS ELITE - Die Schöne und das Biest |
Geschrieben von Alexander Korab | |
Heft bestellen - LOTUS ELITE - Die Schöne und das Biest Text und Photos: Alexander Korab 1957 war ein aufregendes Jahr für das "Lotus- Werk" in der Tottenham Lane, Hornsey, im nördlichen London, damals noch nicht viel mehr als eine Bastler-Garage. Der Lotus Eleven, ein in Handarbeit gefertigter, ultraleichter Rennsportwagen, galt in seiner Klasse als fast unschlagbar. Die 24 Stunden von Le Mans brachte in diesem Jahr sogar zwei Klassensiege, den Biennial-Cup und den Index of Performance-Preis. Lotus mischte erstmals auch in der Formel 2 mit. Eine beachtliche Leistung für den erst 29jährigen Firmenboss Colin Chapman und sein Team. Nicht nur in Europa, auch in den USA meldeten sich immer mehr Kunden und Interessenten. Die Geschäfte liefen gut. Geniestreich eines Hobby-Designers. Kirwan- Taylor scribbelte ständig Autos und so lud ihn Chapman 1956 ein, Entwürfe für das neue Lotus- Coupé beizusteuern. Zunächst wurden die Grundparameter festgelegt. Um ein möglichst geringes Eigengewicht zu erzielen, sollte das Auto ohne Metallchassis auskommen, also über eine selbsttragende Karosserie - einer Art Kunststoff-Monocoque verfügen. Fahrwerksteile sollten vom Lotus 12, dem Formel 2 Monoposto übernommen werden. Als Antrieb hatte Chapman den Vierzylinder von Coventry Climax im Auge, der sich im Eleven bereits bewährt hatte. Kirwan-Tayler machte sich sogleich an die Arbeit und studierte wochenlang attraktive Coupé-Lösungen verschiedenster Mitbewerber. Besonders inspirierten ihn Pininfarinas Ferrari Superfast und Bertones "BAT"-Prototypen für Alfa Romeo. Inzwischen holte sich Chapman drei vielversprechende, junge Fachleute an Bord, welche die Umsetzung von Kirwan-Taylors Entwürfen bewerkstelligen sollten. Das Trio bestand aus Peter Cambridge, John Frayling und Ron Hickman. Letzterer überarbeitete Kirwan-Taylors Skizzen und optimierte das Design nach fertigungstechnischen Kriterien. John Frayling formte ein Tonmodell im Maßstab 1:5, dem es jedoch noch - verglichen mit dem späteren Serienfahrzeug - ein wenig an Eleganz ermangelte. Chapman involvierte nun auch Frank Costin, einen Aerodynamiker, der bereits an der Entwicklung des Lotus Eleven beteiligt war. Feinkorrekturen wurden angebracht und Costin prognostizierte einen Luftwiderstandsbeiwert von 0,29. Bei einem Windkanal-Test eines Fahrzeugs aus der Serie im Jahr 1962 wurden allerdings nur 0,336 ermittelt. Dennoch ein beachtliches Ergebnis, wenn man bedenkt, dass ein Jaguar XKE im Jahr 1963 nur auf 0.44 kam und der futuristische Citroen DS 19 1965 auch keinen besseren Wert erreichte, als das Lotus Coupé von 1957! Ein weiteres Tonmodell entstand, auf das sich schließlich alle Beteiligten einigen konnten. Schwere Geburt. Der Bau des ersten Prototyps fiel in den Verantwortungsbereich von John Frayling. Die Arbeiten gestalteten sich aufwendiger als ursprünglich angenommen und der Plan, ein Auto für die 24 Stunden von Le Mans im Juni 1957 fertig zu bekommen, mußten fallen gelassen werden. Als nächstes Ziel wurde also Earls Court im Oktober angepeilt. Beim Vermessen der fertiggestellten Basiskarosserie stellte Frayling mit Schrecken fest, dass es beim Trocknen des Kunststoffs zu einer Schrumpfung gekommen war. Weiteres Material musste aufgetragen werden, um eine maßgenauen Form zu erhalten. Ende August 1957 konnten endlich die ersten Kunststoffteile entformt werden und zu einer kompletten Karosserie zusammengefügt werden. Aus Stabilitätsgründen bestand die Karosserie aus drei Schalen, einer Außenhaut, einem Innenteil und einer Bodenplatte. Kinderkrankheiten und Produktionsbeginn. Zwei weitere Preproduction-Fahrzeuge wurden gebaut. Chapman vertraute sie den Rennfahrern Ian Walker und John Lawry an, damit sie im harten Renneinsatz erprobt werden konnten. Ian Walker erhielt seine Elite im Mai 1958, fuhr damit direkt nach Silverstone und gewann damit auf Anhieb die 1600er Sportwagen-Klasse. Am darauf folgenden Tag wiederholte sich dieser Erfolg in Mallory Park, noch ein Sieg in der selben Klasse. Walker beteiligte sich 1958 an 12 Veranstaltungen und gewann 10 davon. Seine Wettbewerbsfähigkeit hatte die kleine Elite hinlänglich bewiesen aber serienreif war sie noch lange nicht. Im Laufe des Jahres stellte sich heraus, dass an den Radaufhängungen gearbeitet werden musste und an den Türen, die nicht dicht waren. Das größte Problem war jedoch die Vielzahl an Einzelteilen. Ein kompletter Body bestand aus fast 60 Komponenten. Chapman sah keine Chance für eine zügige Produktion im Haus und machte sich auf die Suche nach geeigneten Partnern. Den Auftrag für den Bau der ersten 250 Serien-Karosserien bekam schließlich ein Bootsbauer namens Max Johnson, Boss der Firma Maximar. Johnson zeigte sich amüsiert über das komplizierte Puzzle und riet Chapman zu einer Reduktion auf wenige große Bauteile. Weiters empfahl er eine höhere Wandstärke bei der Kunststoffhaut, damit man auf die vielen metallenen Verstärkungselemente verzichten konnte, die der Prototyp aufwies. Das brächte zwar etwas mehr Gewicht, jedoch deutlich geringere Fertigungskosten, was Chapman überzeugte. Bei der Serien- Elite stützte lediglich ein zierlicher Hilfsrahmen den Motor und diente gleichzeitig zur Montage der Vorderradaufhängung. Sensationell war die Hinterachskonstruktion, die mit zwei tragenden Federbeinen und zwei Schubstreben auskam, wobei die Antriebswellen ebenfalls eine stabilisierende Funktion übernahmen. Feuerspritze aus Coventry. Man kann nicht über die Elite schreiben ohne näher auf den berühmten Coventry Climax Motor einzugehen, der als "Feuerspritze" in die Geschichte einging. Tatsächlich ist der Elite-Motor, der Climax FWE konstruktiv identisch mit dem FWP (Featherweight Pump), der Anfang der 50er Jahre als Stationäraggregat entwickelt wurde. Für die Konstruktion verantwortlich zeichneten Walter Hassan, welcher schon für Bentley und Jaguar gearbeitet hatte, und Harry Mundy, ehemals beschäftigt bei BRM. Der Climax-Motor war extrem leicht, leistungsstark und sehr zuverlässig. Der FWE leistete mit 1216 ccm in der Basisversion mit einem SU-Vergaser 75 PS. Durch entsprechende Tuningmaßnahmen konnten mehr als 100 PS mobilisiert werden. Le Mans und andere Rennsport-Erfolge. "Ich kenne kein anderes Fahrzeug, das sich so leichtfüßig bewegen lässt. Als ich neulich von Snetterton nach Hause fuhr, schaffte ich einen Schnitt von 60 Meilen ohne je die 70 zu überschreiten. Einer der besten Sportwagen dieser Größenordnung, die ich jemals fuhr", sagte Stirling Moss über die Elite und auch die Presse lobte das innovative Coupé in den höchsten Tönen. Kritisiert wurde lediglich die Geräuschentwicklung und ein Test bringt es auf den Punkt: Man fühlt sich wie im inneren einer Trommel. Außer Spesen nichts gewesen. Geschäftlich wurde die Elite für Lotus leider kein Erfolg. Das Auto war einfach zu kompliziert in der Produktion und daher zu teuer. Es kostete mehr als ein Porsche Super 90 und brachte Chapman nur Verluste ein. 1961 versuchte er, den Verkauf mit Elite-Bausätzen in Schwung zu bringen. Der Wagen war so weit vorgefertigt, dass er von Amateurmechanikern in ca. 25 Stunden zusammengebaut werden konnte. Der Preis reduzierte sich - auch wegen steuerlicher Vorteile - um rund ein Drittel. Hinter dem Lotus-Werk türmten sich Rohkarosserien und Insider behaupten sogar, es wären komplett montierte Fahrzeuge wieder zerlegt worden, da sie sich als Bausatz besser verkauften. Zudem gab es Verarbeitungsmängel und in der Folge ernste Auseinandersetzungen mit Repräsentanten im In- und Ausland. Dem US-Repräsentanten Jay Chamberlain, der 1957 in Le Mans gestartet war und einen Klassensieg für Lotus errungen hatte, konnte Chapman aus finanzieller Not nur mehr gegen Vorkassa liefern. Das führte schließlich zum Konkurs Chamberlains und zum totalen Zerwürfnis zwischen den beiden ehemaligen Freunden. Lotus fing die Einbußen mit dem Verkauf von Sevens, Rennsportwagen und Singleseatern auf. Alle Erfahrungen mit der Elite mündeten in einem neuen Konzept, aus dem der Lotus Elan hervor ging, welcher die Elite 1963 ablöste. Congratulations. Etwa 1000 Elites wurden gebaut, von denen bis heute mehr als zwei Drittel überlebt haben dürften. Dank zweier Enthusiasten in den USA, Greg Paris and Mike Ostrov, die via E-Mail ein Netzwerk unter den Elite-Besitzern aufgebaut haben, konnten 689 Fahrzeuge lokalisiert werden. Vergangenen Sommer wurde in Silverstone der 50. Geburtstag des Lotus Elite mit einer eindrucksvollen Parade gefeiert. Viele Stars aus alten Tagen waren dabei. Colin Chapmans Witwe Hazel, Peter Kirwan- Taylor, Ron Hickman, John Frayling, Peter Cambridge, der zweifache Le Mans-Klassensieger John Wagstaff, alle waren sich einig: trotz aller Schwierigkeiten, die es in der kurzen Bauzeit gab, die Elite zählt ohne Zweifel zu den schönsten Sportwagen aller Zeiten. |