Katz und Maus |
Geschrieben von Kurt F. Strasser | |
Heft bestellen - Der Steyr-Puch 500 und der Fiat 500 Text: Kurt F. Strasser Diese allerliebste Karosserie bot die Hülle für zwei ganz verschiedene Fahrzeuge. Das war zwar nicht neu: Das Modell Fiat 1400 (1400A und B und 1900A und B), das bei Steyr in Lizenz gebaut wurde (Steyr-Fiat-Assemblingvertrag 1949), rüsteten die SteyrWerke mit einem eigenen Motor (WB 405) aus -, eigentlich auf, - denn die Steyr- Motoren waren grundsätzlich stärker und drehfreudiger als die von Fiat. Das war für einen Alpenfiat in gebirgigem Gelände auch angebracht. So hatte der Fiat 1900B 80 PS (SAE), der Steyr 2000B 86 PS (SAE) und der Steyr 2000 Sport gar 93 PS (SAE) bei 4300 U/min, damit brachte er es auf 160 km/h Spitze. Als man sich im Steyr-Daimler-Puch-Konzern 1954 entschlossen hatte, zumindest einen Kleinwagen in eigener Produktion zu fertigen, kam nun diese wunderbar ausgewogene Kleinwagenkarosserie daher und ließ den eigenen Entwurf, ein eher noch an Modellen wie Lloyd Alexander oder dem NSU Prinz orientiertes "Kacherl", dagegen alt aussehen. Giacosos geniales Design war wie von einem anderen Stern. So schloss man den Vertrag mit F.I.A.T.: Die Turiner Automobilfabrik lieferte die Rohkarosserie, in den Puchwerken in Graz, wo man gerade sehr erfolgreich Motorräder herstellte, wurde der neue "SteyrPuch 500 Modell Fiat" hergestellt. Der neue "Fiat 500 Nuova" wurde im Juli 1957 vorgestellt, der "Puch", wie man ihn bald nannte, am 30. September desselben Jahres. Man hatte die Zeichen der Zeit richtig erkannt. Der Puch verkaufte sich bald ganz gut, 1959 waren es 8.334 Fahrzeuge (Produktionsrekord), und er ging auch gut. Da sich der Fiat anfangs nicht so gut verkaufte, entschloss man sich, ihn etwas aufzupäppeln und in ein paar prestigeträchtige Rennen zu schicken. Es wurde dazu das Modell "Fiat 500 Nuova Sport" mit frechen roten Streifen und zusätzlichem Mittelscheinwerfer geschaffen, etwas aufgebohrt, von 60 auf 67,4 mm, mit Weber 26 IMB 1 statt 24 iMBVergasern bestückt, und damit von 479,5 auf 499,5 ccm und 21,5 PS (CUNA) statt der normalen 15 PS gebracht. Damit ging man am Hockenheim-Ring 1958 an den Start, bei einem 12-Stunden-Rennen für Kleinwagen. Gleichsam als Zugpferd hatte man einen von Meister Karl Abarth präparierten Fiat 500 mitgebracht, der, von Luigi Villaresi gesteuert, auch gleich die schnellste Runde fuhr und in Führung ging. Aus unerfindlichen Gründen (?) hörte der Abarth plötzlich auf, sich fortzubewegen, und die Fiats machten sich den Sieg untereinander aus; Alexander und Prinz hatten das Nachsehen. Auch im harten Langstreckenrennen Lüttich-Brescia-Lüttich vor 60 Jahren, quer über die Alpen, siegten Arturo Brunetto und Andrea Frieder auf dem Fiat 500 Nuova Sport vor Gegnern wie dem Messerschmitt TG 500, Goggomobil 300, Berkley (mit 500-ccm-Excelsior-Motor), Lloyd, Zündapp Janus, 2 CV, Panhard Dyna oder BMW Isetta. Eine glänzende Präsentation, und durchaus verkaufsfördernd. Seine Klasse, Gran Turismo 500, beherrscht der neue Flitzer selbstverständlich von Anfang an. 1959/60 wird das Sport-Reglement in Italien geändert, die Klasse GT 500 wird abgeschafft und die Produktion des "Fiat 500 Nuova Sport", nun überflüssig geworden, eingestellt. Das neue Modell "Nuova 500 D" erbt von seinem sportlichen Onkel den vergrößerten Hubraum, den größeren Vergaser und andere kleine Veränderungen, sodaß er Fiat Nuova 500 D bei einigem Tuning dem Sportmodell in nichts nachstand. Er wurde auch bald für die Klasse Turismo bis 500 ccm homologisiert. Der sportliche Wettkampf wird nun in der Klasse 500 Turismo ausgetragen. Die Klasse bis 500 war in dieser noch nicht von Überfluss an Technik, Elektronik und Leistung angekränkelten Phase des Motorsports sehr beliebt. Sie bot Entfaltungsmöglichkeiten für Talente, am Volant wie in der Werkstätte. Es gab spannende Wettkämpfe, seriennahe Autos und Preise in Reichweite. Rennbegeisterung beim Publikum, nicht nur in Italien, auch in Österreich, wo sich die Puchs auch gleich in den kleineren Tourenwagenklassen breitmachten. Der Puch war, bei aller äußerlichen Ähnlichkeit, von Karosserie, Lenkung und Vorderachse abgesehen, ganz anders, eben für österreichische Bergstraßen, aufgebaut. Was der Fiat 500 D vom Sportmodell geerbt hatte, mehr Leistung, das brachte der Puch von vornherein mit. Bei alledem (Ausstattungsfeinheiten wie Luxus-Zwei-Farben- Klappsitze, beleuchteter Innenrückspiegel etc.) war der Puch um 5 kg (!) leichter als der Fiat und bot mehr Kopffreiheit unter dem Cabrio-Verdeck. Vor allem aber hatte er statt eines luftgekühlten ZweizylinderReihenmotors einen luftgekühlten Zweizylinder-Boxermotor unter dem notwendigerweise leicht veränderten Motorhaubendeckel hinten, größere Reifen (135-12), stärkere Bremsen, auf deren Trommeln die Stahlfelgen angeschraubt waren, eine leistungsfähigere Kupplung und viele andere Bauteile aus österreichischer und deutscher Produktion. Der Motor war ein starkes Stück österreichischer Ingenieursleistung. Er war etwas stärker (16 DIN-PS), und lechzte geradezu nach Leistungssteigerung. Als Boxermotor hatte er eine günstigere Masseverteilung, sowie dank ausreichendem Ölkühler thermodynamisch bessere Werte, als dies ein kleiner stehender Reihenzweizylinder haben konnte. All das brachte einen niedrigeren Schwerpunkt, mehr Laufruhe und insgesamt, dank anderer Hinterachse, eine bessere Straßenlage. Natürlich sprach sich auch bei den italienischen Fahrern herum, dass es hier einen schnellen Cinquecento gab, und nun begann das Katz und Maus- Spiel: Die Katze musste sich auch hier verstecken, denn die SteyrDaimler-Puch AG war vertraglich gebunden, den Wagen nicht nach Italien zu importieren. Dort jedoch hatte man schon damals große Praxis und geniale Virtuosität im Umgang mit, oder besser, im Umgehen von Gesetzen, und so konnte das Spiel beginnen. Rasch kam man auf die Idee, dass einem österreichischen Staatsbürger niemand verbieten kann, sein Auto mit nach Italien zu nehmen. Die zeitweise Übersiedlung freundlicher österreichischer Staatsbürger war eine Möglichkeit, zu einem schnellen Puch zu kommen. Und da sind auch noch die Südtiroler zwischen Österreich und Italien. Insbesondere der begabte Techniker und begeisterte Rennfahrer Ernesto Prinoth aus St. Ulrich im Grödnertal. Er verstand sich sehr gut auf den Puch-Motor und setzte ihn auch in verschiedenen Fahrzeugen (Formel Baby) mit durchschlagendem Erfolg ein. Es gab seit 1959 auch einen Sport-umbausatz, der um öS 2500.- 27 PS aus dem Boxer holte. Prinoth nahm mit seinem Wagen, Kennzeichen T 2.974, als erster SteyrPuch 500 in einem italienischen Rennen, am 26. April 1959 am Bergrennen von San Marino teil, - und er gewann. Gleich darauf läßt er alle Fiats auf dem Rundstreckenkurs in Monza hinter sich. Viele cinquecentisti interessieren sich nun für dieses Geschoß und wollen auch eins haben. Aus dem Kreis dieser Interessenten gelingt es dem Regisseur Piercarlo Borghesio, Prinoths Puch zu ergattern. Borghesio steigt ein und hat alle Fiats im Rückspiegel. Auch Giuseppe Lombardi, Unternehmer aus Forlì, ergattert einen Puch, Kennzeichen T 103.474. Die beiden diktieren von nun an das Gesetz des Stärkeren. Am 5. August 1959 gewinnt er die Coppa Gallenga. Und weiter, Bergrennen, Rundstrecken... 23. August 1959 Coppa Selva di Fasano 30. August Coppa ai Colli Torinesi 10. März 1960 Frascati - Tuscolo 3. April Stallavena - Boscochiesanuova 22. Mai Castell’Arquato - Vernasca 25. Juni Varese - Campo dei Fiori 17. Juli Garessio - San Bernardo 7. August Bergrennen auf den Monte Erice 11. Septemper Trofeo Lumezzano 16. Oktober Coppa d’Oro AC Bologna ... Im nächsten Jahr, 1961 geht es so weiter, am 11. Juni 1961 gewinnt er wieder die Coppa Gallenga und so fort ... Lombardi und Borghesio teilen die Siege in der Kategorie Turismo 500 ccm unter sich auf. Einmal, am 25. Oktober 1959, gelingt es Aldo Alba am Steuer eines Fiat 500 Sport - diese Fahrzeuge wurden in der Klasse Turismo bis 500 ccm toleriert, Lombardi zu schlagen. Marcello Zampi kreuzt bald mit einem weiteren Steyr Puch 500 DL, Kennzeichen V 46.509, auf. Die Fiat-Piloten, ihrer nicht wenige, mußten sich aber in der Regel mit den Rennen begnügen, wo die Puchs nicht antraten. Schließlich konnten die ja nicht überall sein. Sowas ist unbefriedigend, das sieht jeder ein. Die eindrucksvolle Siegesserie von Lombardi, Borghesio und Konsorten erweckte begreiflicherweise Unmut, und es kommt zum Protest der Fiat-Piloten, die es satt waren, von den Siegen faktisch ausgeschlossen zu sein. Sie verlangen den Ausschluss der Puch-Fahrer aus der italienischen Meisterschaft. So geschah es auch. Lombardi, Borghesio und compagni verlieren also die Punkte zur italienischen Meisterschaft. Die Katze gibt sich aber noch nicht geschlagen, sie bekam eine auf die Pfoten. Aber das war nicht genug, man verlangt weiter, dass die Puch-Fahrer von den Preisen und Preisgeldern ausgeschlossen werden. Immerhin gab es bares Geld für einen Sieg, und Medaillen, die damals noch aus Gold waren. Das war in einer kleinen Klasse schon von Gewicht. 1961 nahmen die Puchs mehr oder weniger geheim an den Rennen teil, die Puch"Flügel" wurden abmontiert, um nicht anzuecken, aber der Unmut legte sich nicht. Anhaltende Proteste drängten die italienischen Sportbehörden zu einer neuen Maßnahme: Steyr-Puch 500 sind nur dann zuzulassen, wenn sie von Fahrern mit ausländischer Lizenz gelenkt werden. Auch da gibt es Wege. Man meldet einen ausländischen Wohnsitz bei einem netten Freund, nominiert das Fahrzeug unter einem ausländischen Rennstall, und auf geht‘s. 1962 und 63 kehren Lombardi, Marcello Zampi, Achille Muzzarelli, der Borghesios Puch erworben hat, wieder offiziell auf die Rennpisten zurück. Auch Ernesto Prinoth, mit einem Steyr-Puch 500 D, Kennzeichen G 72.726, fährt wieder, dazu noch Achille Minen, Arturo Brena, Banito Capellari, Domenico Romanello, Renzo Cattelan, Roland Parth und Roberto Benelli "Robertino". Nun ist das Maß voll. Die Fiat-Piloten verlangen eine weitere Einschränkung: Die Steyr- Puchs dürfen nur noch an italienischen Rennen teilnehmen, die für ausländische Beteiligung offen sind. Solche Rennen gibt es wenige. Die Fiat- Fahrer jubeln "die Katz ist tot, die Katz ist tot!". Die Geschichte endet hier. Fast, nur "Robertino" fährt noch ein paar Rennen, dann stellt auch er seinen Puch ab. Begabte Tuner wie Domenico Giannini verbessern inzwischen den Fiat 500 weiter, man ist wieder unter sich. Einmal noch, am 1. Mai 1966, holt "Robertino" seinen Puch aus der Garage, um noch ein letztes Rennen zu bestreiten, bevor er sich beruflich dem Familienbetrieb endgültig zuwendet. In der Coppa della Collina fordert er Maurizio Zanetti, den regierenden Meister in der Klasse Turismo 500, mit dem von einem der genialen Tuner, Romeo Ferraris, präparierten Fiat-Giannini 500 TV heraus, - und gewinnt. Mit diesem letzten strahlenden Sieg endet die Geschichte der italienischen Steyr-Puchs 500. Endgültig. |