Heft bestellen - Rom im Heiligen Land Die Geschichte von Sabra/Rom - Israel... Nein, das hat nichts mit Masada, Herodes der Kreuzigungen zu tun, sondern mit der einzigen eigenständigen Automarke des Nahen Ostens, die ihre Heimat in Haifa in Israel hatte. Text: Andreas Stieniczka Photos: Andreas Stieniczka, Austro Classic
L. Schneller und Yitzhak Shubinsky gründeten 1957 die Autocars Co. Ltd. als Importfirma für Automobile, begannen aber schon bald mit der Montage britischer Reliant-Dreiradwagen. 1960 startete man jedoch bereits mit der eigenen Autoproduktion in Form des Autocars Sussita (aramäisch für Stute), eines kleinen dreitürigen Kombis, der von einem britischen 1 Liter-OHV-Vierzylinder- Motor von Ford UK mit ca. 40 SAE-PS, der ansonsten im Anglia zum Einsatz kam, über ein britisches Getriebe und eine starre Hinterachse angetrieben wurde. Auf einem kreuzverstrebten Kastenrahmen war eine Fiberglas-Karosserie ! aufgebaut und der Wagen war wahlweise mit einem niedriger verdichtenden Motor oder Zweifarblackierung zu bekommen. Eine Lieferwagen- und eine Pickup-Ausführung befanden sich ebenfalls im Angebot. Die ersten Fahrzeuge sollen noch als Teilesätze aus Großbritannien gekommen sein, doch später wurden die Autos vollständig in Israel hergestellt (bis auf den Antriebsstrang natürlich). Der Sussita wurde zeitweise gar zum meistverkauften Auto in Israel! Man versuchte 1960 sogar einen Export in die US A, wo man den Wagen auf einer Handelsmesse in New York unter dem Namen Sabra Sussita (Sabra = hebräische Bezeichnung für eine Kaktusart, auch als Kosename für geborene Israelis verwendet) vorstellte. Aufgrund seines niedrigen Preises gab es 600 feste Bestellungen! und 35 Autos sollen im Juni des Jahres in die US A gegangen sein, während die Presse von einer Kapazitätserweiterung auf 2.400 Autos im Jahr sprach. Doch die Seifenblase platzte aufgrund der armseligen Fertigungsqualität des Wagens. Im gleichen Jahr befasste sich Shubinsky noch mit einem aufregenderen Fahrzeugtyp. Er hatte auf der Londoner Sports and Racing Car Show die Karosserie des britischen Ashley GT gesehen und ein neues Chassis von L.M.B. (Les Ballamy) entdeckt. Autocars erwarb von beiden die Fertigungsrechte und beauftragte den bewährten Partner und damaligen Fiberglas- Experten Reliant damit, beide Neuerwerbungen zu einem funktionsfähigen Ganzen zu entwickeln. Der Karosserie-Entwickler Ken Woods hatte mit dem Job wohl keine größeren Probleme, aber den Chassis-Mann David Page erwarteten größere Kopfschmerzen bei der Vorderradaufhängung; der erste Chassis-Prototyp erreichte nicht einmal das Werkstor, bevor die Querblattfeder an den Verbindungspunkten abscherte...!
Aber man bewältigte die Probleme und konnte auf der New Yorker Motor Show 1961 den Sabra Sport genannten Roadster vorstellen, der mit einem 1,7 Liter-OHV-Vierzylinder aus dem Ford UK Consul mit etwa 61 SAE-PS versehen war, später jedoch angeblich auch mit angehobener Verdichtung und 74 SAE-PS und Zweivergaser- Anlage und 91 SAE-PS verfügbar gewesen sein soll, die über ein deutsches ZF-Getriebe zu Werke gingen. Auch eine Hardtop-Variante wurde etwas später präsentiert. Der Sabra war für Reliant ebenso bedeutend wie für Autocars, denn es handelte sich um das erste von dieser Firma entwickelte Vierrad-Auto! und er war der Startpunkt einer über längere Zeit recht erfolgreichen Sportwagen-"Dynastie". Auf der gleichen Automesse stand auch der neue Sabra Carmel 12, eine nach dem gleichen Konstruktionsprinzip wie der Sussita gebaute Zweitüren-Limousine, optisch aber deutlich erwachsener und moderner und mit einem 1,2 Liter-OHV-Vierzylinder aus dem Ford UK Cortina Mk I / Anglia Super mit 53 SAE-PS ausgerüstet. Der Wagen war breiter und geräumiger, hatte eine deutlich größere Windschutzscheibe und soll von Reliant entwickelt worden sein, jedenfalls entsprach die Karosserielinie mit ihren kantigen, klaren Linien dem Stil des neuen Reliant Regal 3/25. Autocars war zunächst noch gar nicht in der Lage, den Sabra Sport in Israel herzustellen und so wurden die ersten 100 Fahrzeuge komplett bei Reliant in Großbritannien produziert, während man in Haifa an der Einrichtung der Fabrik arbeitete. 1962 erschien der Sabra Sport GT, ein Fließheck-Coupé auf Basis des Roadsters.
Doch kurz nach der Produktionsaufnahme des Sabra in Israel soll Autocars angeblich pleite gegangen sein. In einem Bericht in der Firmenzeitung von Reliant, "Reliant Review", vom Oktober 1963 sprach man davon, dass Autocars an einer neuen Fabrik in Terah, nahe Haifa, baue, um die Produktionskapazität zu verdreifachen. Was damals passierte und wie Autocars doch noch überlebte und in dieser Zeit, 1963/64, sogar den neuen, wiederum dreitürigen Sabra Sussita 12 Kombi als Ersatz für den optisch und leistungsmäßig veralteten Vorgänger entwickeln konnte, bleibt unklar. In jedem Falle entsprach der Kombi stilistisch jetzt seinem Markenbruder Carmel. Man überlebte irgendwie bis 1966, als die griechische Firma Attika die Lizenzfertigung des Carmel aufnahm und man in eine Partnerschaft mit der britischen Leyland-Triumph eintrat. Übrigens wird behauptet, dass Kamelen die Fiberglas- Karosserien sehr appetitlich erschienen sein sollen, und sie deshalb angefangen hätten daran zu knabbern und zu beißen, so dass deshalb angeblich bei einer recht großen Anzahl Sabras Löcher in der Karosserie zu sehen gewesen sein sollen. Es wird jedoch sehr am Wahrheitsgehalt dieser Gerüchte gezweifelt. Es gibt auch einen Erfahrungsbericht über einen 1966er Sabra Sussita, in dem das Modell als sehr billig und primitiv gemacht, ernsthaft gefährlich, unstabil, unzuverlässig und sehr schlecht gefertigt beschrieben wird. Durch die Verbindung mit der britischen Triumph, die faktisch sogar eine Übernahme gewesen zu sein scheint - die Leyland-Werksliteratur der Zeit bezeichnet Sabra als "Leyland-Triumph (Israel) Ltd." - änderte sich die gesamte Modellpalette, mit Ausnahme der Sport-Versionen, motorisch, während noch ein neues Modell auf den Markt kam. Alle Modelle wurden jetzt vom 1,1 Liter- OHV-Vierzylinder des Triumph Herald mit 51 PS (120 km/h) angetrieben und erhielten die Zusatzbezeichnung 12 / 50, des öfteren wird jedoch außerdem noch der Zusatz TR für Triumph aufgeführt (Sabra Carmel (TR) 12 / 50, Sussita (TR) 12 / 50). Eine wichtige Neuheit war der Sabra Gilboa TR 12 / 50, eine viertürige Stufenhecklimousine, die technisch und optisch ansonsten den anderen Modellen glich. 1967 begann Autocars mit der Montage des T riumph 1300, die bis 1973 andauerte. Mit dem Triumph Pony transferierten die Briten ein Geländewagen-Projekt zu Autocars, das über einen sehr kurzen Radstand, eine ebenfalls sehr kurze Motorhaube und einen zum Frontantrieb zuschaltbaren Allradantrieb verfügte und hauptsächlich in einer Pritschenausführung mit Planenverdeck über den Sitzen, aber auch in einer viertürigen Version, ebenfalls mit Planenverdeck gebaut wurde. Der Autocars Dragoon (Dragoner)wurde nach Griechenland und in die Schweiz exportiert und in Persien montiert. Die Produktion des Sabra Sport soll wegen des Sechs-Tage-Krieges 1967 eingestellt worden sein, bestellte Fahrzeuge sollen aber noch bis 1968 geliefert worden sein; bei Reliant wurde die Produktion des Zwillingsbruders allerdings bereits 1965 zugunsten des Scimitar eingestellt. Die Angaben über die Stückzahlen differieren erheblich: Eine Quelle nennt 208, eine andere 379 Wagen, annähernd übereinstimmend ist die Zahl der in die US A exportierten Sabra Sport mit 144 oder 140 Exemplaren, eine Quelle spricht von 200 Teilesätzen die von Reliant an Autocars nach Israel geliefert wurden. Möglicherweise aus diesen Lieferungen stammend wurden, nach beiden Quellen übereinstimmend, erstaunlicherweise 81 Sabra Sport nach Belgien geliefert, womit dieses Land der zweitgrößte Exportmarkt für Sabra war.
Warum nun gerade nach Belgien eine solch relativ große Lieferung gelangte ist bislang unerklärlich. Es sollen in den USA noch 36 in England gebaute Sabra existieren und weltweit 20 israelische Wagen, wovon sich wohl 14 in Belgien befinden. Eine umfassende Auffrischung des Modellprogramms gab es 1968, als ein 1,3 Liter-OHV-Vierzylinder- Triumph-Motor mit 56 PS (130 km/h) aus dem Herald 13 / 60 den 1,1 Liter ersetzte und sich die Zusatzbezeichnungen aller Modelle von 12 / 50 auf 13 / 60 änderten, teilweise jedoch auch die Zusatzbezeichnung 1300 Verwendung fand. Zwei zusätzliche interessante Nutzfahrzeugvarianten fanden sich im Programm, zum einen der Sabra Sussita 1300 Pick-up, der wahlweise nicht nur ein Verdeck über der Ladefläche, sondern auch längsstehende Sitzbänke für bis zu 6 Personen bieten konnte, zum anderen der Sabra Sussita 1300 High-roofed Delivery Van (Hochdachlieferwagen), mit dem Sabra den anderen Herstellern um Jahrzehnte voraus war, denn er war mit den etwa 20 Jahre bis 30 Jahre später erschienen italienischen Fiat Fiorino, französischen Renault Rapid, deutschen Ford Courier oder deutschen Opel Combo vergleichbar, Kleinwagen mit einem hohen Lieferwagenaufbau hinter den Vordersitzen. Die britische Standard-Triumph verband sich 1969 in Großbritannien mit BMH (Austin, Morris usw.) und so wurde Autocars faktisch zum Außenposten dieses neuen Konzerns. Die britische Marcos wurde beauftragt, Prototypen mit einer Karosserie aus Kunststoff für das Mini-Fahrgestell zur Produktion bei Autocars zu entwickeln. Man baute 4 Kombis und ein einzelnes Fahrzeug mit Fließheck und zog das Projekt sogar bis zur Ausführung von Crashtests durch bevor es aufgrund interner Reorganisationen gestrichen wurde.
Die Briten stiegen schließlich 1971 komplett bei Autocars aus. Die Firma baute in diesem Jahr etwa 1.260 Wagen. Ein Facelift gab allen Modellen 1972 ein deutlich verändertes Aussehen, die kleinen Heckflossen, in denen sich die schmalen vertikalen Rücklichter befunden hatten, waren verschwunden, das gesamte Heck kastenförmiger und glattflächiger gestaltet, während vorne die drei Bögen, welche die Oberkante der Front bildeten (eine große bei der Motorhaube, zwei kleinere über den Scheinwerfern) durch eine gerade Wölbung ersetzt worden waren. Dazu hatte man den Kühlergrill vereinfacht, indem die horizontalen Zierleisten nur noch in der Mitte durch eine vertikale Leiste genau in zwei gleich lange Hälften geteilt wurden und die Ecken leicht abgerundet waren. Auch die Blinker wurden flacher aber breiter. Die wichtigste Änderung war jedoch die Verlängerung des Radstandes beim Zweitürer Carmel und dem Kombi Sussita um 20 cm auf das Niveau des Viertürers Gilboa, so dass alle Modelle jetzt 2,50 m Radstand besaßen. Der Sabra Sussita 1300 Kombi hatte bei der Verlängerung anstelle des einen großen Seitenfensters zwei, durch einen breiten Dachpfosten getrennte, kleinere Fenster erhalten. Ein wichtiger Einschnitt erfolgte 1974, als Rom Carmel Industries die Firma Autocars aufkaufte. Hier wird es wiederum unklar, wie es unmittelbar weiter ging; eine Quelle spricht von einer Produktion der alten Modelle bis 1975. Für 1976 wird eine Produktionszahl von 1.500 Autos genannt.
Der neue Rom 1300 mit einer völlig neu gestalteten Karosserie erschien offenbar 1977, unter der neuen Marke Rom wurden zunächst nur eine Lieferwagenausführung sowie eine viertürige Limousine gefertigt. Stilistisch war der neue Wagen deutlich glattflächiger und moderner, besaß vorne zwei gleich große, großflächige rechteckige, durch einen deutlichen vertikalen Kunststoffsteg getrennte Kühlergrillsegmente mit abgerundeten Ecken und schwarzen Kunststoffgrills, runde Hauptscheinwerfer in Öffnungen die im Stil den Kühlergrills glichen, jedoch quadratisch und deutlich kleiner waren und er hatte am Heck schmale horizontale Rücklichter unterhalb der Ladekante des Kofferraums. Das technische Konzept mit Kastenrahmen und Kunststoffkarosserie sowie blattgefederter, starrer Hinterachse wurde beibehalten. Beim Motor handelte es sich um einen 1,3 Liter-OHV-Vierzylinder, die Quellen widersprechen sich hier allerdings wieder bei der Herkunft des Motors. Während eine Quelle von einer französischen Simca-Maschine spricht, ist an anderen Stellen von einem britischen Ford- Motor aus dem Escort mit 54 PS (130 km/h) die Rede, was der Autor aufgrund der Geschichte von Autocars für erheblich wahrscheinlicher hält. Das Auto verfügte auch über ein Zweikreisbremssystem und Scheibenbremsen vorne und einen großen Öffnungswinkel der Türen. Der Rom 1300 entsprach in der Größe in etwa einem Ford Escort Kombi, war aber 5 cm höher und wirkte recht solide und durchaus komfortabel. Im gleichen Jahr oder 1978, je nach Quelle, übernahm offenbar Urdan Industries, ein israelischer Industriekonzern aus dem Bereich der Metallverarbeitung, heute noch existent als Teil der "Shrem-Fudim- Kelner"-Gruppe Rom Carmel Industries einschließlich der Autoabteilung. Für 1979 überarbeitete Urdan dann die Front des Wagens noch einmal ganz massiv, während der Rest der Karosserie und der Technik weitgehend unverändert blieb. Unter der neuen Typenbezeichnung Rom 1301 trug das Fahrzeug nun eine massivere Stoßstange ohne Hörner vor sich her, hatte rechteckige Hauptscheinwerfer, die in recht tiefen Einbuchtungen saßen und als markantestes Merkmal eine deutlich nach vorne hervorspringende Schnauze im Stile eines Haubenlastwagens, die jetzt einen nur noch horizontal durch zwei schmale Zierleisten in drei gleich große Bereiche unterteilten großen Kühlergrill präsentierte. Nach Meinung des Autors eine misslungene Gestaltung, die den Wagen zu einem missmutig dreinblickenden Monster mutieren ließ. Beeindruckend war jedoch die Vielzahl an Karosserievarianten, neben der viertürigen Limousine fanden sich im Programm ein dreitüriger Kombi, der nun wieder über ein einzelnes langes Seitenfenster neben dem Laderaum verfügte, ein Lieferwagen, der sich vom Kombi durch die durch Kunststoffflächen ersetzten Seitenfenster unterschied sowie gleich zwei Pick-up-Ausführungen, von denen eine dem älteren Sussita-Pick-up entsprach, während die andere stärker in die Karosserieform integrierte Seitenflächen und kleine von der Fahrerkabine nach hinten reichende "Flossen" oder Stege besaß. Doch 1981 wurde die Produktion bei der ersten und einzigen israelischen Automarke eingestellt, nachdem 1980 nur noch 540 Autos gebaut worden waren. |