Heft bestellen - Die Halbstarken aus Steyr 1948 – Österreich leckte eben seine Kriegswunden, oder räumte Schutt und baute wieder auf. Der Wiederaufbau ist es, der den Bedarf an LKW und Traktoren generierte. Die Firma Steyr spannte aus diesem Grund ihre Techniker zusammen und ließ sie den LKW bauen, der für Jahrzehnte die inländische Nutzfahrzeuglandschaft prägen sollte – den STEYR 380. Text: Harald Steindl Photos: Wolfgang M. Buchta, Franz Pulkert, Archiv Steindl
Mit diesem 3,5 t LKW und seiner nahen Verwandtschaft dem 480 und 580, sowie mit den daraus abgeleiteten Bussen, gelang es, Österreich "zu bewegen". Sie waren wie maßgeschneidert für den damaligen täglichen Bedarf und prägten als "Halbstarke" nicht nur in den wilden fünfziger Jahren das Straßenbild, sondern weit darüber hinaus. Ich erlaube mir diese Fahrzeugfamilie liebevoll als "Halbstarke" zu bezeichnen, denn die wirklich schweren Zeitgenossen wurden damals von anderen Herstellern gefertigt. Aber beginnen wir von vorne. Die provisorische Staatsregierung Österreichs beauftragte die STEYRWerke 1945 mit der Herstellung eines 3 t LKW. Das geforderte Produkt war ideal für die Konstrukteure der Steyr-Werke, denn eigentlich war ein ähnliches Fahrzeug - der Steyr 270 in erheblicher Stückzahl während des 2. Weltkrieges produziert worden. Steyr 270 (Steyr 1500A und 2000A). Am 23. April 1938 legte Keppler, der Beauftrage Hitlers für Österreich, seinen Bericht über die Lage der österreichischen Automobilindustrie vor. Demnach wäre die österreichische Automobilindustrie zur Gänze zu erhalten, aber unter der Voraussetzung, dass die einzelnen Betriebe zu größeren Unternehmen fusionieren müssten. Als Detail interessant ist noch die Schlussfolgerung in diesem Bericht, wonach die Fertigung der schweren LKW in Wien zu konzentrieren wäre, die Gruppe der leichten LKW bis 1,5 t wäre hingegen zur Gänze in Deutschland herzustellen. Die Gründe hierfür lagen u.a. in der technischen Kompetenz der österreichischen Saurer-Werke (schwere LKW) und in der Kapazität der Phänomen- Werke (leichte LKW). Mit Befehl des Oberkommandos des Heeres vom 15. September 1939 musste Steyr-Daimler-Puch die Herstellung von Fahrzeugen mit handelsüblichem Aufbau zur Gänze einstellen. Da dieser Schritt für die Firma absehbar schien, wurde bereits im Vorfeld versucht im Bereich der Militärfahrzeuge Fuß zu fassen. So wurde u.a. die Fertigung der Austro Daimler Motorkarette (kurz ADMK) und die Entwicklung eines 1,5 t Allradfahrzeuges, dem Typ 270, vorangetrieben. In einem Erlass des Generalbevollmächtigten für das Kraftfahrwesen, General von Schell, vom 19. März 1940 wurde festgelegt, dass ab 1941 der Typ 270 an Stelle des Typ 640 produziert werden musste. Nach dem sogenannten Schell-Plan sollte Steyr einen geländegängigen LKW mit 1,5 t Nutzlast bauen. Dr. Ferdinand Porsche betreute die Entwicklung des Motors und des Fahrzeuges unter den Projektnummern 145 und 147. Nach der Präsentation am 22. September 1941 in der Sonderschau "Steyr im Krieg wie im Frieden" in den Firmenräumlichkeiten der Steyr Daimler Puch am Schwarzenbergplatz in Wien erfolgte der Produktionsstart für die Großserie Anfang 1942. Am 23. Februar 1944 wurden die Werksanlagen durch Bombenangriffe erstmals schwer beschädigt. Die Folge war ein nahezu vollständiger Zusammenbruch der Fertigung im Hauptwerk in Steyr. Der nächste Angriff der USA erfolgte bereits am 24. Februar 1944 in zwei Wellen. Ungefähr zeitgleich zu den erwähnten Bombenangriffen wurde der 1500A zum Baumuster 2000A modifiziert. Dieses Fahrzeug war mit dem 1500A im nahezu baugleich. Von beiden Typen gemeinsam wurden in Steyr ca. 18.900 Fahrzeuge gefertigt. Um den Bedarf des deutschen Reiches zu decken, musste 1942 eine sogenannte Zwangslizenzen, ein weiteres Mittel zur Typenbereinigung im Dritten Reich, an Auto Union vergeben werden. Nach nicht unerheblichen Anlaufschwierigkeiten (Auto Union war bisher ein reiner PKW Hersteller) erzeugte die Lizenznehmerin bis Ende 1945 9.724 Nachbaufahrzeuge dieses Typs. Die Produktion des 2000A lief schließlich im Februar 1945 aus. Aber im Rückblick, sowie unter dem Licht, dass ab 1943 die Industrie in Deutschland unter erheblichem Rohstoffmangel litt, erscheinen die Stückzahlen bezogen auf die Produktionsdauer gewaltig. So wurden 1943 am Höhepunkt der Fertigung 9.841 LKW 1500A und RSO in Steyr gefertigt. Das Herz des 1500A12 war ein luftgekühlter V8 Benzinmotor mit 70 PS Dauerleistung (Spitzenleistung 85 PS) aus 3,5 l Hubraum. Durch seine spezielle Konstruktion war der Motor auch bei extrem tiefen Temperaturen, wie sie im Winter in der Sowjetunion vorkamen, startfreudig und konnte dank der Gebläsekühlung nicht einfrieren. Der Antriebsstrang bestand aus einem Haupt- und einem Verteilergetriebe, wodurch 8 Vorwärts- und 2 Rückwärtsgänge zur Verfügung standen. Motor, Getriebe und das verwindungssteife Fahrwerk (mit 6 Querträgern) sorgten für eine Spitzengeschwindigkeit von max. 100 km/h. Der 1500A brachte als Pritschen-LKW leer 2.450 kg auf die Wage und ermöglichte eine Zuladung von 1.675 kg. Einsatzbedingt wurden neben der Standardbereifung auch Gleitschutzketten, für besonders schlammige Böden, oder spezielle Sandreifen für den Wüsteneinsatz aufgezogen. Darüber hinaus konnte der LKW auch mit Schneekufen und -Raupen ausgerüstet werden. Es versteht sich von selbst, dass während der gesamten Produktionszeit Details verbessert wurden. Die ersten 1500A sind leicht an dem seitlich montierten Reservereifen erkennbar. Gebaut wurden nicht nur achtsitzige Mannschaftstransport- oder Pritschenwagen, sondern auch Fahrzeuge mit Funk- oder San-Kofferaufbauten. Dass der 1500 A nahezu ein Universalgenie war, zeigen Ausführungen für die Feuerwehr oder für die Verwendung als Sattelzugmaschine. Das obere Ende der Aufbau- und Ausstattungsvarianten stellte der fünfsitzige Kommandeurwagen mit Cabrioverdeck dar. In einem damaligen Prospekt wurden Ausstattungsdetails wie Zigarettenanzünder, Armstützen, Schlafsitzeinrichtung, verstellbare Rücksitze mit Mittelarmlehne und Fußrasten für die im Fond sitzenden Offiziere gelobt. Das Reserverad war im unterteilten Kofferraum untergebracht. Als Option konnte eine Wagenheizung geordert werden. Steyr selbst baute die Pritschenwagen und die Fahrgestelle, die dann von anderen Firmen wie Lohner mit den entsprechenden Aufbauten versehen wurden. Dass diese Fahrzeuge heute begehrte Sammlerstücke sind, versteht sich von selbst. Was aber damals keiner wusste: die mächtige, Kraft suggerierende Motorhaube sollte noch Jahrzehnte später, wenn auch in leicht abgeänderter Form, das Straßenbild prägen, aber davon etwas später ...
Steyr 470 - der Raupenschlepper Ost (RSO). Im Jänner 1942 wurden Hitler erste Entwürfe über ein neues Fahrzeugkonzept, das aus rationellen Gründen auf möglichst vielen Komponenten des 1500A bestand, vorgelegt und auch von ihm genehmigt. Dies war die Geburtsstunde des RSO. Hitler sah im RSO das geeignete Fahrzeug für den Feldzug gegen die Sowjetunion. Unter Verwendung möglichst vieler Komponenten aus dem 1500A wurde Anfang 1942 in nur 53 Tagen ein Fahrzeug für Probefahrten bereitgestellt. Nach eingehenden Tests im hochalpinen Gebiet sowie in den Donauauen konnten beeindruckende Testergebnisse präsentiert werden. Unter voller Konzentration auf die Entwicklung konnte bereits am 27. August 1942 der RSO dem Reichminister für Bewaffnung und Munition, Speer, und dem Vorsitzenden des Panzerausschusses, Porsche, präsentiert werden. Unter dem Eindruck der Berichte ordnete Hitler umgehend persönlich die Produktion an. So soll er damals eine Produktion von 2000 Fahrzeugen bis Ende 1942 befohlen haben, die dann bis Ende 1943 auf 2400 Einheiten/Monat zu steigern gewesen wäre. Er verfolgte danach mit Interesse die Geschehnisse rund um dieses Kettenfahrzeug und ließ es sich am 4.Jänner 1943 von Meindl persönlich vorführen. Diese extrem kurze Entwicklungsphase führte für das Hauptwerk in Steyr am 29. Jänner 1943 zur Verleihung des Titels "Kriegsmusterbetrieb". Steyr fertigte bis Jahresbeginn 1944 ca. 2.600 Stück. Als Lizenznehmer traten die Firmen Gräf & Stift, Klöckner-Humbold-Deutz (KHD) und Auto- Union/Wanderer auf. Der bedeutendste Nachbau hinsichtlich Stückzahl fand bei KHD mit 12.474 Fahrzeugen statt, gefolgt von Gräf & Stift mit 7.695 und Auto Union mit 5.650 RSO. Auto Union fertigte somit mehr als doppelt so viele RSO wie der Lizenzgeber selbst. Das besondere in diesem Fahrzeug war seine geringe Bodenpressung (die Fachliteratur spricht von nur 0,18 kg/cm2 bei voller Beladung mit Winterkette). Diese Eigenschaft verdankt der nur 3.400 kg schwere Kletterer (70 % Steigfähigkeit auf griffigem Boden ohne Anhänger) seinen Raupenketten und seinem Laufwerk. Trotz des geringen Bodendrucks wurde die notwendige Griffigkeit durch eine überlegte Anordnung der Stollen und Höcker auf den Ketten erzielt. Zusätzlich konnten aufsteckbare Blechglieder die Kette "wintertauglich" machen. Immerhin erreichte der RSO eine Höchstgeschwindigkeit von 17 km/h max. im 4. Gang. Als Triebwerk wurde der schon aus dem 1500A bekannte luftgekühlte V8 Benzinmotor mit 70 PS Dauerleistung verwendet. Um den Fahrbedingungen im schwierigen Gelände zu entsprechen, wurde das Fahrwerk auf Längsstabilität und geringe Neigung zu Nickschwingungen optimiert. An dieser Stelle sei auch Oskar Hacker erwähnt. Er konnte als technischer Direktor der Steyr-Werke mit seinen Erfahrungen, die er durch die Entwicklung der Austro Daimler Motorkarette (ADMK) gewinnen konnte, die Entwicklung des RSO deutlich beeinflussen. Nach dem 2. Weltkrieg erstand der RSO in einer zivilen Bauform als Motormuli wieder. Die schon mehrfach angesprochene Kletterfähigkeit, natürlich im anspruchsvollen Gelände, gepaart mit der Anforderung zum Waten erforderte eine geschlossene Wanne mit einem Boden, der keine Höcker oder ähnliches aufwies. Gelenkt wurde der RSO durch Lenkhebel, die wiederum über eine Differentialbremslenkung wirkten. Der Vorteil in dieser Konstruktion lag in der Wiederverwendbarkeit des Antriebsdifferentials vom 1500A. Für den Einsatz im harten russischen Winter konnte während der Fahrt das Fahrerhaus und der Mannschaftsraum mittels Motorwarmluft geheizt werden. Aber auch für die notwendige Wärme im Fahrzeug wurde gesorgt, wenn der Motor nicht lief. So gab es für den Mannschaftsraum einen Benzinofen. Für das "wohlige Gefühl von Wärme" im Fahrerhaus sorgte eine Lötlampe. Ruhen konnte der Fahrer in einer Hängematte, die im Fahrerhaus aufgehängt werden konnte. Für den Beifahrer hingegen stand eine liegesitzähnliche Konstruktion zur Verfügung. Wie damals durchaus üblich bestand das Fahrerhaus aus einer Holzunterkonstruktion, die verblecht wurde. Zwecks Fertigungsvereinfachung wurde das Fahrerhaus später in vereinfachter Form aus weitgehend geraden Blechen zusammengesetzt. Als Sonderformen sind bekannt: eine Schwimmversion, ein Raupensattelschlepper für den Mannschaftstransport (mit zweitem Kettenlaufwerk für den Sattelauflieger) aber auch eine gepanzerte Version mit aufgesetzter PAK und solche mit offenem Fahrerhaus.
Steyr 370. Der Krieg war vorbei, es galt die Schäden zu beseitigen. Auf der Herbstmesse des Jahres 1946 stellte Steyr seinen 370er vor. Klingt einfach, war es aber sicher nicht, denn die Werksanlagen waren schwer beschädigt und die notwendigen Maschinen als Beutegut durch die Siegermächte vereinnahmt. Trotzdem gelang es den STEYR-Werken den vom Steyr 1500A abgeleiteten 3 t Pritschenwagen, Steyr 370, herauszubringen. Und genau an dieser Stelle möchte ich die Geschichte mit der Kraft suggerierenden Motorhaube wieder aufnehmen. Der zivile 370er hatte nahezu die gleiche Front wie sein militärischer Vorfahre. Hier passt auch der Spruch "von den Schwertern, die zu Pflügen wurden". Wie schon sein militärischer Vorgänger wurde der 370er vom bekannten V8 Benzinmotor angetrieben. Der luftgekühlte Motor lieferte brav seine 80 PS, die den Laster zu 80 km/h im vierten Gang (Straße) verhalfen. Gegenüber dem 1500A eine leichte Steigerung der Motorleistung, denn hier lauteten die Angaben auf 70 PS Dauerleistung. Aus heutiger Sicht wahrscheinlich eine Spitzfindigkeit, denn damals waren täglich Lasten mit dem 3-Tonner zu bewegen, die oftmals die zulässigen Werte überstiegen; aber sichtlich kein Problem für den 370er. Das Fahrerhaus des 370 war jenem der Pritschenausführung des 1500A sehr ähnlich. Es war wiederum eine Holzrahmenkonstruktion, die mit Blech verkleidet wurde. Die für max. 3 Personen zugelassene Kabine mit geteilter Windschutzscheibe wurde durch Schiebefenster in den Türen mit Frischlust versorgt. Hinweise auf die Verfügbarkeit einer Kabinenheizung konnten keine gefunden werden, aber vermutlich wurden verschiedenste Improvisationen getätigt. Einem war sicher nie wirklich kalt während der Fahrt - dem Fahrer, denn der kam ohne Servolenkung und mit Einkreisöldruckbremse bei gut beladener Fahrt sicher ins Schwitzen. Die "Servolenkung von damals" war ein hinreichend groß dimensionierter Lenkraddurchmesser. Aber immerhin bot die Pritsche des 6655 mm langen Fahrzeuges 8,2 m2 Ladefläche. Genug für Brennholz, Schotter, Gemüse, Bier und das Übrige, das es in der Nachkriegszeit zu transportieren galt und das mit 25 - 28 l Benzin auf 100 km. Zwischen 1945 und 1949 verließen 2.006 Fahrzeuge der Type 370 die Tore der Steyr-Werke.
Steyr 380. Unbestritten hatte Steyr mit seiner 3- Tonnenklasse genau das richtige Konzept für die Erfordernisse der Nachkriegszeit umgesetzt - nach obiger Definition eben die "Halbstarken" unter den Lastern. Der Umstieg von Benzin auf Diesel als Treibstoff für die Lastwagen aus Steyr war angesichts des Benzinverbrauchs für die Verantwortlichen in Steyr eine Notwendigkeit. Zu jener Zeit war in Klaus, einem kleinen Ort in der Nähe von Steyr, das Institut für Verbrennungskraftmaschinen der technischen Hochschule Graz untergebracht. Zufall oder glückliche Fügung? Genau hier unter der Leitung von univ. Prof. Anton Pischinger wurden die erforderlichen Forschungen und Versuche für die späteren Dieselmotoren der 13er-Reihe (13 PS/Zylinder) unternommen, die über viele Jahre das Herz aller LKW und Traktoren aus Steyr bildeten. Nimmt man den Eintrag im Konstruktionsbuch als den "Geburtstag" der Baureihe 13, so würde dieser auf den 30. Oktober 1945 fallen. "Vorentwurf 1 Zyl.Versuchsdiesel" so lautet schlicht der Text in jener Zeile, mit der im Motorbau eine Erfolgsstory für STEYR begann. Rasch wurde ein 2-Zylindermotor unter der Bezeichnung WD213 zur Serienreife entwickelt, um nach dem Krieg die ersten Traktoren vom Typ 180 damit auszustatten24. In seiner Ausprägung als WD413 (wassergekühlter 4-Zylinder Kreuzstrom- Vorkammerdiesel) fand man das geeignete Aggregat für den nunmehr für 3,5 t Nutzlast ausgelegten Steyr 380. Die Entwicklung des 380 leitete damals bei Steyr Daimler Puch Chefingenieur Dipl.-Ing. Spiegel. In Österreich schrieb man das Jahr 1948. Auch der 380 kann seinen Ahnen den 370 nicht verleugnen, dafür braucht man nur die Optik der Motorhaube, die Kabine und das Fahrgestell betrachten. Nur der Motor war eine vollständige Neukonstruktion mit 85 PS (aus 5322 cm3 bei 2200 U/min). Die Leistung wurde für den 380 später (1953) auf 90 PS angehoben. Von seiner Auslegung als langsamer Langhuber, war ihm seine Unverwüstlichkeit schon in die Wiege gelegt worden. Seine Vielseitigkeit bewies der 4-Zylinder WD413 auch im Traktor Steyr 280, allerdings in diesem Fall mit weniger Leistung und einem Kurbelgehäuse aus Grauguss für den rahmenlosen Einbau. Der LKWMotor, rahmengelagert, hatte ein gewichtsparendes Kurbelgehäuse aus Siluminguss. Beworben wurde der Motor damals mit seinen Vorzügen "wie im Gesenk geschmiedete Pleuelstange". Die Ingenieure in der Entwicklungsabteilung wussten, was sie bauten - einen robusten und wartungsfreundlichen Motor, der mit normalem Werkzeug vor Ort repariert werden konnte. Ein Tausch einer Zylinderlaufbüchse z.B. bei einem 380er- Postautobus verlief vereinfacht dargestellt in der lokalen Betriebsgarage ungefähr so: seitlicher Deckel am Motorblock aufschrauben, Kopf des betroffenen Zylinders abnehmen, Pleuelschrauben herausdrehen, Kolben ausfädeln und Buchse ausziehen - Einbau in umgekehrter Reihenfolge. Natürlich erforderte diese Arbeit ein umfangreiches Wissen um spezielle Tricks und Griffe, aber wesentlich daran: ein Ausbau des schweren Motors und der Transport in eine Spezialwerkstatt entfielen letztendlich. Die Kraft des Motors wurde über eine Einscheibentrockenkupplung auf das neu entwickelte Steyr-5- Ganggetriebe, von hier über eine zweiteilige Kardanwelle und ein sperrbares Hinterachsdifferential auf die zwillingsbereiften Hinterräder übertragen. Auf Kundenwunsch wurden die Fahrzeuge mit einem Zwischengetriebe ausgestattet. Eingebettet war dies alles in einem sehr stabil ausgeführten U-Profilblechrahmen, der quer versteift war und während der Bauzeit der Type 380 mehrmals verstärkt wurde. Der 380 war mit Reifen der Dimension 8,25-20 ausgestattet. Am Fahrerhaus wurde gegenüber dem 370 konzeptionell nur wenig geändert. Von einer großen Umsichtfähigkeit konnten die damaligen Fahrer nur träumen, denn weiterhin war die Windschutzscheibe zweigeteilt und kleine runde Spiegel ermöglichten "etwas" Sicht auf das, was sich neben bzw. hinter dem Fahrzeug abspielte. Immerhin spendierten die Konstrukteure der Kabine bald eine eigene Heizung. Ein besonderes Schmankerl stellt die Ausführung der Trennung zwischen Kabine und Motorraum dar - eine abgesteppte und einpasste Decke - in der Bauform ähnlich jener, die die Straßenbahnfahrer bei den Wiener Linien auf den älteren Modellen (heute noch in den Zügen der Type E und E1) im Winter vor Zugluft schützen. Mit 73,1 km/h lag die Höchstgeschwindigkeit im Bereich jener des 370 (spätere Versionen des 380er liefen 81,05 km/h!! ). Obwohl der 380 um 0,5 t Nutzlast mehr vertrug, lag sein angegebener und beworbener Normverbrauch bei nur 14,5 l Diesel/100 km (real: 16 - 20 l / 100km). Die Steigfähigkeit bei 3,5 t Nutzlast wurde mit 32 % angegeben25. Diese Angaben und Werte sind ein Beispiel für die damalige Werbung, so wurde an manchen Stelle sicherlich untertrieben. Überschätzen konnte man die Fahrzeuge nur sehr schwer, denn so mancher Unternehmer mutete seinem Steyr in der Praxis oft weit mehr zu und sah diese Belastungen als "normal" an, aber der Steyr "hielt" oder, wenn man es aber doch einmal zu weit trieb, waren dann Rahmen- oder Achsbrüche die Folge. Der Betrieb mit schweren Anhängern zählte sicher nicht zu seinen besonderen Fähigkeiten, dies überließ man den schweren Burschen der Konkurrenz. Aber das war auch nicht seine angestammte Domäne. 90 PS reichten damals meist für die Bewegung von Gütern. Bremsen musste man den 380 über eine öldruckverstärkte Bremse, die auf alle vier Räder über Backen wirkte. Ab 1953 war (mit dem neuen Motor) eine Motorstaubremse (Auspuffmotorbremse) serienmäßig vorhanden. Persönliche Fahrerlebnisse mit dem 380er lassen den Ausdruck "kräftig bremsen" unter einem anderen Licht erscheinen. Auch war die Bedienung der Motorstaubremse nur mit der linken Hand über einen Hebel möglich und wurde somit beim Befahren kurvenreicher Strassen eher unterlassen. Druckluftbremsen gab es für den Anhängerbetrieb und ab der 2. Serie (ab 1953) auch für die Unterstützung der Servobremse des 380er. Modernisiert wurde der 380 erstmals 1953 (wie oben erwähnt - Serie 2) als er eine gefälligere Motorhaube (mit Zierleisten), eine geänderte Befestigung der Scheinwerfer und flexibel montierte Fahrzeugbegrenzer im Bereich der vorderen Kotflügel erhielt. Nicht sichtbar waren viele Änderungen (Verstärkungen) am Motor, Getriebe, Differential, Rahmen und Achsen. 1955 entfiel auch die bis dahin zweigeteilte Frontscheibe zu Gunsten einer einteiligen. Denn bis dahin wurde weitgehend die Meinung vertreten, dass bei Bruch eine geteilte ungebogene Scheibe einfacher zu tauschen sei. Die Grundfarbe der 380 (mit alter Motorhaube) war ursprünglich Grau mit blauem Grill. Im Zuge der Modernisierung trat dann das allseits bekannte Dunkelgrün (bis zum Produktionsende 196926), dass im angenehmen Kontrast zu den schwarzen Kotflügeln wirkte. Andere Lackierungen wurden durch diverse Aufbauhersteller nach Kundenwunsch aufgebracht. Eine Besonderheit unter den 380er stellte der Omnibus 380a - später 380q27 dar. Prinzipiell handelte es sich hierbei um ein so genanntes langes Fahrgestell mit 4200 mm Radstand, dass "tiefergelegt" wurde, um ein leichteres Einsteigen für die max. 29 Passagiere zu ermöglichen. Diese Vorstufe zu den heutigen Niederflurbussen (sofern dieser weit hergeholte Vergleich überhaupt zulässig ist) wurde durch eine Kröpfung des Rahmens über der Hinterachse erreicht. Die zeitgenössische Werbung streicht die Attribute dieses Fahrzeuges hervor: verwindungssteife, selbsttragende Ganzstahlkarosserie, große Sicherheit, Sitze aus gebogenen, verchromten Stahlrohren, Fensterscheiben aus splitterfreiem Glas, selbstsichernde Türschlösser, vier versenkbare Seitenfenster zur besseren Belüftung, Innenbeleuchtung, Heizanlage, Notausstieg über ein ausschwenkbares Rückfenster, Faltdach (Wunschausrüstung) und vieles mehr - sichtlich war man bemüht den damals nicht verwöhnten Österreichern so etwas wie Luxus auf ihrer Reise mit dem Steyr- Omnibus zu bieten. Der Verfasser kann sich noch gut an seine ersten Urlaube in der Steiermark erinnern, wo er immer wieder diese gelben Postautobusse (besonders faszinierend war die Leiter am Heck des Fahrzeuges, mit der man den Gepäcksträger am Dach besteigen konnte ...). Motortechnisch interessant ist die versuchsweise Ausrüstung dieser Bauart des 380er mit Turbolader. Doch konnte man die damit auftretenden Probleme nicht in den Griff bekommen und so bleibt dieser innovative Weg nur als Detail in der Geschichte der 380er bestehen. Einen Hörgenuss der besonderen Art vermittelt das langsame Ansteigen der Drehzahl des WD413 beim Gasgeben und das damit verbundene verhaltene "Brüllen" des Motors.
Steyr 480. So hieß der größere Bruder unsers 380er. Ab 1956 verließen die so genannten 5-Tonner (Grundversion) als Typ 480 das Werk in Steyr. Mehr Nutzlast brauchte ein Mehr an Motorleistung - stolze 95 PS lieferte der WD413c (Drehmoment: 324 Nm bei 1.400 U/min). Das 5-Ganggetriebe war ab sofort vollsynchronisiert. Motorstaubremse und Druckluftunterstützung für die Servobremse waren Standard. Ein Zwischengetriebe für 5 x 2 Gänge war gegen Aufpreis lieferbar. Als wesentliches äußeres Merkmal fallen die in die Kotflügel mittels eigenem Kasten integrierten Scheinwerfer auf. Die Kühlermaske zierte oftmals eine erhabene Scheibe mit dem Steyr-Emblem und dem Schriftzug "480". Mit 76,3 km/h war man auch mit 480er diesbezüglich wieder in der gewohnten Klasse. Der 480 war wie der 380 mit 8.25-20 Reifen ausgestattet. 1961: Der 480z war die Steigerung in Sachen Nutzlast - 6 t waren nun auch ab Werk möglich. Das Eigengewicht stieg auf 4,1 t. Die Hinterachse war für die verstärkte Beanspruchung mit einem Hypoid-Kegelradantrieb ausgestattet. Die gesteigerten Möglichkeiten hatten ihren Preis: der Verbrauch lag bei 15,7 - 26 l / 100 km. Der 480z war mit Reifen der Dimension 9.00-20 ausgestattet. Auch gab es wieder eine Großraumvariante - Steyr 480f mit 4200 mm Radstand gegenüber der Kurzversion mit 3710 mm. Die Sattelzugmaschiene 480g ergänzte das Lieferprogramm (Radstand 3260 mm). Der Kipper hieß 480k. Auch aus den 480er sticht der 480a32 wiederum heraus. Als erster Frontlenker der Steyr-Werke stellte er ein Novum dar. Diese Variante wurde für den Aufbau von Omnibussen aber auch Möbeltransportern gerne genutzt, da durch die Verlagerung des Fahrersitzplatzes zusätzlich Ladelänge gewonnen werden konnte.
Steyr 580. Gleichzeitig kam mit dem 480er 1956 der Steyr 58036 auf den Markt. Der Steyr 580 sollte ursprünglich die 6-Tonnenklasse abdecken. Äußerlich unterschied sich der 580 vom 480 durch die zusätzlichen Zierleisten am Kühlergrill, an den Motorseitenabdeckung, sowie an der Motorhabeu und durch das 580er-Emblem. Der Bau dieser Type wurde aber 1963 endgültig eingestellt. Der Gründe hierfür ergaben sich durch die Überschneidung mit der neuen Type Steyr 586 (6 Zylinder, 120 PS, Haubenfahzeug), sowie durch die Auslieferung der 480z. Diese Bereinigung der 6-Tonnen(+) Klasse war durchaus sinnvoll. Die Allradversion des 580er (Allrad, g und gk) mit bis 70 % Steigfähigkeit war das High-End Modell dieser Baureihe. Bei der Allradvariante des 580er konnte das Differential über Druckluftbetätigung gesperrt werden. Darüber hinaus war wieder eine Langversion (580f) und ein Kipper (580k) lieferbar. An dieser Stelle möchte ich meine Reise zu den "Halbstarken" mit dem WD413 Motor aus Steyr beenden. Es waren qualitativ hochwertige LKW, die für einen geschützten Inlandsmarkt produziert wurden, aber auch im Ausland, wenn auch in geringer Stückzahl, abgesetzt werden konnten. Die lange andauernde Fixierung auf den österreichischen Markt verhinderte letztendlich eine starke Positionierung der Marke STEYR im Ausland mit einem entsprechend ausgebauten Werkstätten- und Vertriebsnetz. Ende der 50ziger Jahre des vorigen Jahrhunderts folgte dem Steyr 380/480 noch der Steyr 586 (mit 6 Zylinder und 120 PS, Motorbaureihe WD609) als letzter Hauben-LKW. Danach wurden die Typen 680 und 780 (beide schon Stirnlenker) auf den Markt gebracht. Die hier beschriebenen LKW der Typen 380 und 480 konnte man jedoch noch lange nach dem Ende der Produktion auf Österreichs Straßen und Baustellen antreffen. Diese LKW wurden ihrem Ruf gerecht - langlebig und unverwüstlich. |