Hockenheim Historic
Geschrieben von Dietmar Gasser   

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In Memory of Jim Clark 2010. Diese außergewöhnliche Oldtimer-Rennveranstaltung ist top organisiert, die Atmosphäre mehr als familiär. Dieses Event ist für alle Liebhaber klassischer Automobile und historischer Rennwagen eigentlich ein jährliches Muss.

Text: Dietmar Gasser
Photos: Manfred Noger

 

ImageDie "Hockenheim Historic - In Memory of Jim Clark" (von 2005 bis 2008 noch "Jim Clark Revival") vom 16. bis 18. April waren bereits die sechste Auflage zu Ehren des zweifachen Formel- 1-Weltmeisters, der am 7. April 1968 im ersten Lauf um den Martini Gold Cup (Formel-2-Europameisterschaft) auf dem Hockenheimring in der fünften Runde tödlich verunglückte. Das Event - veranstaltet von der Hockenheimring GmbH.  und vom Badischen Motorsport Club - wächst von Jahr zu Jahr. Heuer strömten knapp 25.000 zahlende Zuschauer ins Motodrom. Bei Kaiserwetter jagte ein Highlight das andere. Insgesamt wurde in zehn Rennserien um Meisterschaftspunkte gekämpft, dazu gab es noch vier hochkarätige Präsentationsläufe.
Wohl bei keiner anderen Rennveranstaltung gibt es so viele Formelrennwagen aller Kategorien zu erleben. Die Hockenheim Historic ist aber auch ein Festival für Sportprototypen. Die "Big Bangers" messen sich im Orwell Supersportscup.  Tourenwagenfans kamen bei der Classic Trophy oder spätestens beim "Kampf der Zwerge" mit den Serien Abarth-Coppa-Mille, British-Car- Trophy und NSU-TT-Trophy auf ihre Rechnung.  Im Programm integriert sind aber auch einige aktuelle Nachwuchsserien. So balgten sich heuer junge Heißsporne in der nordeuropäischen NEC Formula Renault 2.0, in der Formel Lista Junior oder im Austria-Formel-3- bzw. Austria-Formel-Renault-Cup.

ImageHistoric Formula One. Das meiste Zuschauerinteresse haben freilich die Boliden zwischen 1966 und 1985 der historischen FIA-Formel-1-Europameisterschaft "HFO" (Historic Formula One), ehemals FIA-TGP, die noch heute atemberaubende Rundenzeiten vorgeben. Der Brite Bobby Verdon- Roe liess im überlegenen McLaren MP4/1B (der erste Formel 1 mit einem Carbon-Kohlefaserchassis) seinen Gegnern nie den Hauch einer Chance. Der Spanier Joaquin Folch - betreut vom Schweizer Kumschick Racing-Team - belegte mit dem Brabham BT 49 aus der Sammlung von Bernie Ecclestone Rang zwei vor dem Japaner Katsu Kubota in einem Williams FW 07. Der Wiener Radiologe Gunther Alth wurde mit seinem silbernen Ex-Jarier-March 701 Gesamt-14.  In der Klassenwertung gab es Rang zwei.
Packende Kämpfe lieferten sich auch die historischen Monoposti der FIA Lurani Trophy (Formel Junior-Boliden der Baujahre 1958 bis 1963), oder der Historic Formula 2 (Bj. 1967 bis 1978), wo der Österreicher Roland Wiltschegg mit seinem schönen Chevron B 39 Neunter wurde.

Kracher-Autos in der "Boss-GP". Viele Kracher-Autos bot die Boss-GP-Serie auf. Hier ist praktisch alles erlaubt. Hier versammeln sich Formel-1- Boliden bis Baujahrsgrenze Ende 2005, Indycars, Renner der GP2, der A1GP-Nationenserie, der Nissan- und Renault Wordseries, Formel Nippon oder der Formel 3000. Hier haben Ingo Gerstl und Norbert Gruber mit ihren Dallara Renaultbzw.  Dallara Nissan-Worldseries-Autos und Haudegen Peter Milavec mit dem neu erworbenen Panoz-Champcar ihre Spielwiese gefunden.  Ein eindrucksvolles Spektrum von 40 GP-Rennwagen aus sieben Jahrzehnten boten die Demoläufe der Vereinigung "Race History on Track".  Das ästeste Fahrzeug war der Alfa P3 von 1932, Ex-F-1-Pilot Jo Vonlanthen (Sui) donnerte mit seinem Ferrari F 500 um den Kurs, den einst Alberto Ascari 1952 bewegte.

ImageDie Formel Super Vau lebt. Ein weiterer Höhepunkt waren die Präsentationsläufe der beinahe 50 (!) Formel Vau- und Formel Super Vau-Boliden.  In Hockenheim vertreten auch einige Österreicher: Günther Huber im Beach MK II, Robert Waschak und Johann Haas (jeweils in einem Austro Vau) sowie Markus Huber mit seinem Kaimann von "Master" Kurt Bergmann, der es sich übrigens nicht nehmen ließ, der Veranstaltung - auch mit seinen 81 Lenzen - die Ehre zu erweisen.  Im wirklich imposanten Formel V-Feld gesichtet: Der Apal von Manfred Schurti aus Liechtenstein oder der Original-Kaimann, den Niki Lauda 1969 über die Pisten prügelte. Einzig die damals grüne Lackierung wurde vom jetzigen Besitzer auf Ratschlag des "Masters" - wen wundert’s? - auf ein Rot-Weiß-Rot-Muster umbemalt.

40 Jahre Interserie, 70 Jahre Kurt Ahrens. Ihr 40-jähriges Jubiläum feierte die Interserie. Diese europäische Rennserie wurde 1970 als Gegenstück zu der in Amerika so beliebten CanAm-Serie aus der Taufe gehoben. Die Stuttgarter Solitude GmbH.  organisierte zu diesem speziellen Anlaß gleich 25 faszinierende Boliden. Allein vier Porsche 917 und vier Porsche 908 reihten sich in den ersten Startreihen auf, teilweise bemannt von den Startern von damals wie Kurt Ahrens und David Piper.  Aber auch der erste Interserie-Gesamtsieger von 1970, Jürgen Neuhaus, drehte nochmals aktiv am Lenkrad. Speziell gefeiert wurde auch der ehemalige Privatfahrer Kurt Ahrens, ein Weggefährte von Jim Clark. Der Braunschweiger feierte im April seinen 70. Geburtstag. Ihm zu Ehren wurde eine große Parade mit allen in seiner Karriere pilotierten Autos organisiert. Das Formel- 2-Training vor 42 Jahren hat bei Ahrens tiefe Spuren hinterlassen. Der Deutsche war in Hockenheim sensationell Trainingsschnellster und war mit Jim Clark noch am Samstagabend zu Gast im aktuellen Sportstudio. Am nächsten Tag passierte der schreckliche Unfall des Schotten im Waldstück des "alten" Hockenheimrings.

ImageRindt ewig im Herzen. Ein absoluter Glanzpunkt aus österreichischer Sicht war die Präsentation "40 Jahre nach der Weltmeisterschaft von Jochen Rindt". Am 2. August 1970 gewann Rindt den ersten F-1-GP auf dem Hockenheimring. Es war Jochens sechster GP-Sieg, sein letzter vor dem tragischen Monza-Wochenende. Bei der Hockenheim Historic wurde unserem posthumen Champion mit einer tollen Parade - bestehend aus vier Original-Rindt-Boliden aus der Privatsammlung von Jo Willenpart - gedacht. Der aus Scheibbs stammende Willenpart ist ein glühender Fan Rindt’s. In Amerika schaffte er es mit seiner eigenen Alarm- und Sicherheitstechnik-Firma zum Multimillionär, weshalb er sich einen Lotus 72, den Lotus 49C, den Lotus 69-Formel 2 sowie den Brabham BT 18-F2 von Winkelmann Racing zulegen konnte. Alle vier Autos sind im Originaldesign und voll einsatzfähgig. Bei der Parade steuerte Willenpart selbst den Lotus 72. Dabei trug er den grünen Bell-Jet-Helm, den Rindt bei seinen Formel-2-Einsätzen trug, dazu noch die Original-Brille. Als Willenpart hinterher rücklings in die Box geschoben wurde, der Niederösterreicher sich aus dem Rennwagen schälte, glaubte man für Sekunden, dass der leibhaftige Jochen Rindt wieder unter uns ist.