Alfa Romeo Spider
Geschrieben von Wolfgang M. Buchta   

Heft bestellen - Alfa Romeo Spider - Bella Machina!

Alfa Romeo wird 100 und Austro Classic gratuliert mit einer Story über den Alfa Spider, einer Story vom Duetto bis zum aktuellen Modell.
Wolfgang M. Buchta durfte fahren, Ulli Buchta hat photographiert..

 

ImageDass die Firma Alfa Romeo heuer ihren hundertsten Geburtstag feiert, war wohl nicht zu übersehen, aber wenn wir in die ersten paar Jahrzehnte zurückblicken, präsentiert sich Alfa Romeo ganz und gar nicht als Automobil für jedermann.
Erfolgreiche Rennwagen und sündteure Sportund Tourenwagen mit traumhaften Karosserien von Pininfarina, Bertone oder Zagato. Rennen und die einst so beliebten Concours d‘Elegance konnte Alfa Romeo reihenweise gewinnen, an der "Verkaufsfront" konnte (oder wollte) die Marke aus Mailand diese Erfolge nicht verwerten. Nebenbei verdiente Alfa Romeo gutes Geld mit Nutz- und Militärfahrzeugen sowie Flugmotoren.
In den ersten paar Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg setzten die Mailänder die Politik der Exklusivität fort, die sich erst 1950 vorsichtig ändern sollte. Am Pariser Salon dieses Jahres präsentierte Alfa das Modell 1900 Berlina, ein durchaus sportlicher Familienwagen, der zumindest für den oberen Mittelstand erschwinglich war.
Vom Alfa Romeo 1900, auch davon gab es natürlich Sonderkarosserien, entstanden immerhin 20.000 Stück - für die großen Hersteller eine lächerliche Stückzahl, aber für Alfa Romeo das bis dahin mit Abstand erfolgreichste Modell.
1954 erfolgte mit der Giulietta Sprint der nächste Schritt von den Traumwagen in die Realität. Interessanterweise präsentierte Bertone das "Sprint" genannte Coupe ein Jahr bevor die Giulietta Berlina (= Limousine) vorgestellt wurde.
Der kleine (1.290 ccm) aber feine Doppelnockenwellen-Vierzylinder leistete bei 6.100 U/min 65 PS - ausreichend für 165 km/h - ein kleiner, erschwinglicher Sportwagen ward geboren.
Max Hoffmann, der Mann der bereits Mercedes 190 SL und BMW 507 nach Amerika gebracht hatte, redete den Italienern eine offene Version der Giulietta ein, und die Amerikaner (und nicht nur diese) waren von Pininfarinas Giulietta Spider begeistert.
Bis 1964 wurde die Giulietta, das "Julchen", in den drei Serienversionen - Sprint Coupe, Spider und Berlina - sowie etlichen Sonderkarosserien gebaut. In Summe entstanden die für Alfa Romeo unglaubliche Stückzahl von mehr als 175.000 Exemplaren.
ImageIm Sommer 1962 wurde die kleine Julia erwachsen und aus der Giuletta wurde die Giulia. Zuerst kam die charakteristische kantige Berlina auf den Markt, eine völlige Neukonstruktion, die den Begriff "Sportlimousine" neu definieren sollte.
Das Coupe Giulia Sprint glich äußerlich vorerst dem Vorgängermodell, wurde allerdings von einem 1.600 ccm Motor mit 92 PS (als Veloce sogar 112 PS) angetrieben.
Ein Jahr später wurde das Übergangsmodell dann durch die Giulia Sprint GT abgelöst. Die Karosserie ging als "Bertone Coupe" in die Automobilgeschichte ein und sollte uns mit einer verwirrenden Vielfalt an Motoren und Typenbezeichnungen bis in die 70er Jahre begleiten.
Auch die Giulia Spider bekam 1962 einen leichten Facelift und den 1.600er Motor.

ImageDuett für den Tintenfisch. Im März 1966 wurde in Genf der Nachfolger der Giulia Spider präsentiert.  Die eingefleischten Alfa Freunde waren von der Form nicht restlos begeistert. Die Karosserie von Pininfarina war ausgesprochen modern, um 35 cm länger als die Giulia Spider und an den Ecken abgerundet. Böse Zungen sprachen vom "Gummiboot". Vor allem das abgerundete Heck wurde in der Presse verrissen. Werksintern bekam der neue Spider den Spitznamen "Osso di Sepia", also der Schulp des Tintenfisch, den man in unseren Breiten vor allem in vielen Vogelkäfigen findet.
Um dem Spott entgegenzutreten suchte Alfa Romeo bei den Lesern der Zeitschrift "Quattroroute" einen klingenden Namen für den vorerst schlicht "Alfa Romeo 1600 Spider" genannten Wagen. Aus 104.501 Einsendungen fiel die Wahl schließlich auf "Duetto" - zwei Sitzplätze, zwei Nockenwellen und zwei Vergaser. Dass es seit mehr als 10 Jahren in Schweden den Volvo PV 445 Kombi, genannt Duett, gab, schien niemanden zu stören.
Eigentlich war es wie bei allen Modellwechseln.  Die Traditionalisten trauerten dem alten Modell nach und der Rest stürzte sich auf das neue, obwohl die Preise durchaus "geschmalzen" waren.  In Deutschland kostete der Duetto 12.990 Mark und in England, wo man für den Duetto 1.895 Pfund verlangte, gab‘s um 1.126 Pfund einen Austin Healey 3000 oder um 2.068 Pfund einen Jaguar E. Trotz dieser Konkurrenz verkaufte sich der Wagen recht gut, wohl wegen der feinen Motortechnik und der unverwechselbaren Form.
ImageMit 106 PS und einer Spitze von 185 km/h bot der Duetto für das Jahr 1966 beachtliche Fahrleistungen und war hier seinem Vorgänger überlegen.  Mit serienmäßigen Gürtelreifen, vier Scheibenbremsen und konventionellem, aber gutem Fahrwerk war der Wagen der Leistung problemlos gewachsen.
Und wer mehr Leistung verlangte, war bei "Autodelta" der Tuning- und Rennabteilung von Alfa Romeo, gut aufgehoben. Dort entstand z. B.  1967 ein Duetto Spider mit 160 PS, leider nur in minimaler Stückzahl.
Der große Durchbruch in Amerika kam mit dem Film "The Graduate" ("Die Reifeprüfung"), wo ein jugendlicher Dustin Hoffman am Steuer eines roten Duetto die Hauptrolle spielt. Angeblich wurde der Auftritt nicht von Alfa Romeos PRAbteilung "querfinanziert"...
Bis Ende 1967 waren mehr als 6.000 Exemplare produziert worden, als Alfa einerseits den Namen "Duetto" in der Versenkung verschwinden ließ und andererseits den Motor auf 1.779 ccm vergrößerte. Der im Jänner 1968 präsentierte "1750 Spider Veloce" konnte mit 113 PS und einer Spitze von über 190 km/h wieder mit gut mit der Konkurrenz mithalten. Allerdings hatte das Gewicht um 50 kg zugesetzt, wodurch die Beschleunigung praktisch gleich blieb. Stabilisatoren, größere Bremsscheiben und breitere Reifen passten die Straßenlage den gesteigerten Fahrleistungen an.
Um dem damit auch gestiegenen Preis gegenzusteuern bekam der Spider einen "kleinen Bruder", den "1300 Junior". Dank hubraumschwächerem Motor mit nur 87 PS und sparsamerer Ausstattung war der Junior im Sommer 1968 sogar billiger als der Duetto zwei Jahre zuvor.

ImageDas Heck ist weg. Für das Modelljahr 1969 wurde das Heck um exakt 12 cm gekappt und es entstand der sogenannte "coda tronca" oder "Fastback" Spider. Im Windkanal der Polytechnischen Hochschule von Turin hatten Messungen ergeben, dass die Abrisskante aerodynamisch besser sei als das runde Heck. Eine Erkenntnis, die ein gewisser Wunibald Kamm schon in den 30er Jahren propagiert hatte.
Diese Karosserieform sollte jetzt für mehr als 10 Jahre Bestand haben. Dies, obwohl die Form bei der Präsentation wieder heftig diskutiert wurde - Traditionalisten trauerten jetzt dem ach so gelungenen Duetto nach.
Unter der Karosserie war die Motorisierung mit 1.750 resp. 1.300 ccm ebenso gleich geblieben wie die Fahrleistungen. Zahlreiche Detailverbesserungen (Türgriffe, Sitze, Zweikreisbremsen, Instrumente,...) wurden von den meisten Kunden begrüßt.
1970 waren die Verkaufszahlen im Keller. Von nur 2.610 Stück gingen mehr als die Hälfte nach Amerika, aber die Konkurrenz (Fiat 124 Spider, BMW 2002 oder Morgan Plus 8) war stärker und billiger.
Bereits 1972 wuchsen die Verkaufszahlen wieder auf 5.443 Stück, denn seit Juni 1971 arbeitete unter der Haube ein 2-Liter-Motor mit 131 PS, der "2000 Spider Veloce" war geboren. Mit Beschleunigungswerten von unter 10 Sekunden auf 100 km/h wurde eine "magische Grenze" durchbrochen und unter optimalen Bedingungen war eine Spitze von 200 km/h in Reichweite.
ImageFür das Spitzenmodell, den 2000 Spider Veloce, war der Preis mittlerweile auf 17.690 Mark geklettert, wobei heute selbstverständliche "Extras" wie Metalliclack, Kopfstützen und Verbundglasfrontscheibe noch extra zu bezahlen waren.
Im Laufe ihres langen Produktionslebens erfuhr die zweite Generation zahllose Detailänderungen - Sicherheitslenkrad, Dreipunktgurten, Sicherheitsstoßstangen, elektrische Fensterheber, Digitaluhr sowie, den neuen Geräuschgrenzen zu Liebe, eine Reduktion der Leistung auf 127 PS (beim 2000 Spider).
In Barcelona zeigte Alfa im April 1974 eine Designstudie des Spider mit Zweifarbenlackierung und Front- und Heckspoiler, der schon recht genau die Form des ab 1983 gebauten "Spoiler-Spider" vorwegnahm.
Apropos Barcelona: Im Film "Vicky Christina Barcelona" sollte der "gute, alte Duetto" im Jahre 2008 noch einmal einen großen Filmauftritt bekommen.
Für die Saison 1983 bekam der Spider ein schwarzes Gummipürzel aufs Heck gesetzt. Abgerundet wurde das Ensemble mit einer durchgehenden, wuchtigen Sicherheitsstoßstange, größeren Heckleuchten sowie einem schaufelförmigen Frontspoiler. Erwartungsgemäß war das Entsetzen der Fangemeinde über den "Spider Aerodinamica" groß.
Im Innenraum dominierte das Lenkrad aus Holzimitat, zahlreiche Kontrollleuchten sowie eine Innenbeleuchtung, die erst 30 Sekunden nach dem Schließen der Türen verlosch.
Die beiden Motorvarianten hießen jetzt schlicht Spider 1,6 resp. Spider 2,0. Einzige unumstrittene Verbesserung war das Verdeck, das, jetzt aus Kunststoff gefertigt, gleichermaßen dichter und pflegeleichter war. 1984 erhöhte Alfa die Preise dramatisch auf 29.600 Mark (für den Spider 2,0).  Dafür gab es Teillederausstattung und Leichtmetallfelgen und vor allem den Namenszusatz "Lusso" ("Luxus").
Image1986 wurde der Spider weiter "veredelt". Als "Quadrifoglio Verde" bekam das Spitzenmodell zusätzliche Plastikanbauteile verpasst. Angeblich machten die Schwellerleisten den Wagen schneller.  Gleichzeitig musste Alfa Romeo den Spider allerdings mit Kat ausrüsten, was die Leistung auf 115 PS reduzierte. Die Alfisti waren "not amused"...
Mitte 1989 lief der letzte Spider mit Spoiler vom Band, für das Modelljahr 1990 wurde die letzte Generation präsentiert. Der Spoiler am Heck war verschwunden und einem recht gelungenen Ende gewichen, das Familienähnlichkeit zu Alfa 164 und 33 signalisieren sollte. Trotz zahlreicher Komfort- und Sicherheitsmerkmale - Airbag, Automatik, elektrische Fensterheber,... - und der damit verbundenen Gewichtszunahme, waren die Fahrleistungen dank neuer Elektronik unter der Motorhaube am Niveau der Vorgänger. Der Kraftstoffverbrauch blieb mit 10 Liter/100 km im Rahmen.
In einigen Ländern wurde neben dem Spider 2,0 mit Einspritzmotor weiterhin der Spider 1,6 mit Vergasern angeboten. Trotz eines Preises von 41.400 Mark verkaufte sich der Klassiker recht gut, bis schließlich im Jahre 1993 der endgültige Schluss kam.

Alles neu macht der März (in Genf). In Genf wurde im März 1994 der "Spider 916" zusammen mit dem 2+2-sitzigen Coupe "GTV" (= Gran Turismo Veloce) präsentiert.
Der "neue" Spider, wieder eine Kreation von Pininfarina, hat mit seinen langjährigen Vorgängern außer dem Namen nichts gemeinsam. Die ausgeprägte Keilform mit den kleinen Scheinwerfern war komplett neu und vor allem hatte der Spider einen querliegenden Frontmotor und, oh Schreck, Frontantrieb. Die Technik kam, mittlerweile war Alfa Romeo im Fiat Konzern gelandet, aus den Regalen von Fiat. Müssen wir extra erwähnen, dass die "echten Fans" dem verblichenen "Original" nachtrauerten?
ImageObjektiv gab es am Auto aber wenig zu kritisieren.  Leistungsstarke Motoren (bis zu 3,2 Liter Hubraum), ein aufwendiges Fahrwerk und eine reichhaltigere Ausstattung als alle Vorgänger zusammen. In seiner zehnjährigen Produktionszeit bekam der "keilförmige Spider" ein paar "modellpflegende Maßnahmen" und im Frühjahr 2003 einen größeren Facelift, ehe Ende 2005 die Produktion eingestellt wurde.
Denn es scharrte bereits der Nachfolger in den Startlöchern. Schon Anfang 2005 wurde der nach einem Mailänder Stadtteil benannte "Brera" als Serienmodell präsentiert. Als "Concept Car" war der Brera von Italdesign Giugiaro bereits drei Jahre zuvor in Genf vorgestellt worden. Ein Jahr später folgte die offene Version, die üblicherweise schlicht und einfach als Alfa Spider tituliert wird, auch wenn im Typenschein "Brera Spider" steht.
Technisch ist sind die, bis aufs Dach identischen Modelle auf der Höhe der Zeit: Motore zwischen 1,8 und 3,2 Liter (Benzin) resp. 2,0 bis 2,4 Liter (Diesel), Sechsgang-Automatik, Vierjahresgarantie, Service nur mehr alle 35.000 km, ...
Und glaubt Ihr wirklich, dass die Alfisti den neuen Spider uneingeschränkt begrüßt hätten? Da es an der Optik und Fahrleistungen wenig auszusetzen gab, setzten die Kritiker beim Gewicht an, dass zugegeben mit bis zu 1.700 kg recht hoch liegt - der ursprüngliche Giulietta Spider hat ungefähr die Hälfte gewogen. Mit der Modellpflege 2008 hat der Spider 939 zumindest ein paar Kilo verloren.
Aber warten wir ganz einfach auf den Nachfolger, dann werden alle dem aktuellen Modell nachtrauern ...

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