100 Jahre ALFA ROMEO
Geschrieben von Alexander Korab   

Heft bestellen - 100 Jahre ALFA ROMEO - Alfa ist 100

Ein Blick ins Museo Storico Alfa Romeo in Arese
von Alexander Korab

 

ImageZahlreiche Automobilmarken wurden gegründet und sind wieder verschwunden. Fünfzehn existieren noch, die auf eine mehr als 100-jährige Geschichte zurückblicken können und Alfa Romeo zählt seit heuer dazu. Das Jubiläum ist der ideale Anlass, dem Museo Storico Alfa Romeo einen Besuch abzustatten. Das Museum ist ein Geheimtipp.  Es liegt gut versteckt auf dem Gelände des mittlerweile aufgelassenen Alfa-Werks in Arese nördlich von Mailand, das 1960/61 errichtet wurde. Heute befindet sich die Produktion ja in Turin und in Pomigliano d’Arco bei Neapel. Die Hallen in Arese stehen seit Mitte der 80er Jahre leer und im ehemaligen Bürogebäude arbeiten gerade mal sieben Leute, die sich um die umfangreiche Alfa-Historie und das Museum kümmern.  Man muss schon einen besonderen Grund haben, in die einsame, von grauen Betonwänden gesäumte Nebenstraße abzubiegen, welche vor einem rostigen Pförtnerhäuschen endet.
Dann ist man doch einigermaßen überrascht - fast wie Alibaba in der Schatzhöhle, wenn man das Museum betritt. Größer könnte der Kontrast nicht sein zwischen den verwaisten Fabriksanlagen und der außergewöhnlichen, überaus gepflegten Sammlung. In sechs Etagen sind über hundert Fahrzeuge ausgestellt und mustergültig dokumentiert, darunter viele extrem teure Einzelstücke und Prototypen. Alfa Romeo macht leider nicht viel Aufhebens um das Museum, solange es keine Gesamtlösung für das Areal gibt.  Vor ein paar Jahren beabsichtigte man, hier ein Kundencenter oder einen Alfa Romeo-Erlebnispark zu errichten und diesen zum 100. Geburtstag feierlich zu eröffnen, aber die Finanzkrise des Fiat-Konzerns hat diese Pläne wohl vereitelt.
ImageGenau genommen feiert ALFA - die Anonimia Lombarda Fabbrica Automobili Geburtstag, denn Alfa Romeo heißen die Autos erst seit 1918, benannt nach Nicola Romeo, der das Unternehmen 1915 kaufte und bis 1930 leitete.  Die Alfa-Story beginnt jedoch schon 1906, als in Portello nicht weit von Arese ein Darracq-Werk errichtet wurde. 1910 übernahmen lombardische Geschäftsleute das glücklose Unternehmen. Im gleichen Jahr erschien bereits der erste Alfa, ein robuster, großvolumiger Vierzylinder mit der Bezeichnung 24HP, den der Ingenieur Giuseppe Merosi konstruiert hatte. Bald gab es auch Erfolge im Motorsport, dennoch gestaltete sich die Zeit bis zum 1. Weltkrieg schwierig. Die Jahre 1914-1918 standen bei Alfa ganz im Zeichen der Rüstungsindustrie. Nach dem Krieg gelingt der Neustart einer Automobilproduktion und Alfa Romeo gedeiht zu einem der führenden Fahrzeughersteller Italiens. Ein rotes Kreuz auf weißem Grund und ein Reptil mit einem Kind im Rachen - das Stadtwappen von Mailand demonstrierte die Verbundenheit der Marke mit der Region. In der Zwischenkriegszeit entstanden weitere Werke in Saronno, Neapel, Triest und Rom, in denen auch Traktoren, Lastwagen, Omnibusse, Straßenwalzen, Lokomotiven, Eisenbahnwaggons, Baumaschinen sowie Motoren für Schiffe und Flugzeuge produziert wurden. 1925 gewann Alfa mit dem P2 die Weltmeisterschaft.  Ein aufgeladener 6C 1500 siegte 1928 erstmals bei der Mille Miglia. Bedeutend für Alfa Romeo war die Gründung der "Scuderia Ferrari" 1929.  Der erfolgreiche Alfa-Werksfahrer Enzo Ferrari gründet ein privates Renn-Team und führte die motorsportlichen Aktivitäten von Maranello aus fort.
1930 nannte Ferrari 6 Wagen bei der Mille Miglia. Der geniale Tazio Nuvolari gewann das Straßenrennen auf einem 6C 1750, gefolgt von seinem Teamkollegen Achille Varzi. Der 1750er Alfa war ein Meisterwerk an Präzision und Verarbeitungsqualität.  Zahlreiche Motorsporterfolge verdankt er seiner sprichwörtlichen Robustheit gegen eine Konkurrenz, die nicht selten leistungsmäßig überlegen war. Langstreckenbewerbe waren daher das bevorzugte Revier von Alfa.  1931 siegte Nuvolari mit dem von Vittorio Jano konstruierten 8C 2300 bei der Targa Florio in Sizilien. 1932 war für Alfa das wahrscheinlich erfolgreichste Jahr vor dem Zweiten Weltkrieg.  Die Mailänder gewinnen mit dem P3, einem kompromisslosen Rennwagen mit 2,6 Litern Hubraum und 215 PS, jeden wichtigen Grand Prix und jedes nennenswerte Sportwagenrennen in Europa. Die meisten Siege teilen sich Nuvolari und der Deutsche Rudolf Caracchiola.
ImageDie Weltwirtschaftskrise traf Alfa Romeo hart.  1933 übernahm eine staatliche Auffanggesellschaft das renommierte Werk. Trotz finanzieller Probleme wurde das Engagement im Motorsport fortgesetzt. 1934 konnte Alfa mit dem auf 2,9 Liter aufgebohrten P3 noch eine stattliche Anzahl von Erfolgen verbuchen. Ab 1935 dominierte die deutsche Konkurrenz mit Mercedes und Auto Union. Tazio Nuvolari holt sich am 28. Juli 1935 noch einen sensationellen Sieg auf dem Nürburgring.  Danach hatte Alfa nichts mehr gegen die überlegenen Silberpfeile aufzubieten.
Einige Rennwagen mit 1,5-Liter-Motoren, die ursprünglich für die Voiturette-Serie entwickelt worden waren, überlebten den Zweiten Weltkrieg unbeschadet hinter ein paar Strohballen versteckt. Für die neue Nachkriegs-Grand-Prix- Formel (1,5 Liter aufgeladen oder 4,5 Liter ohne Kompressor) war die Alfetta wie geschaffen und sorgte von 1947 bis 1951 für eine grandiose Siegesserie.  Bei der ersten Fahrerweltmeisterschaft 1950 trat Alfa mit einem Team an, das als die drei großen "F" berühmt wurde. Die beiden Italiener Giuseppe Farina und Luigi Fagioli sowie das argentinische Talent Juan Manuel Fangio pilotierten die Alfetta 158. Bei allen elf Einsätzen blieb die Alfetta ungeschlagen und am Ende war Farina der erste Formel-1-Weltmeister der Geschichte.  1951 konnte Fangio noch drei der sechs Großen Preise für sich entscheiden und wurde knapp vor Ascari und Gonzales, beide auf Ferrari, Weltmeister. Danach erklärte Alfa Romeo den Rücktritt vom Grand Prix-Rennsport und dabei blieb es bis zur Kooperation mit Brabham in den 70er Jahren. Als Hersteller von Straßenfahrzeugen wandelte sich Alfa Romeo vom kleinen Feinkostladen mit einer Jahresproduktion von 160 Fahrzeugen (1946) zum Global Player mit einem jährlichen Output von über 100.000 Stück (1969). Nach Kriegsende setzte man die Produktion des 6C 2500 fort. 1950 wurde der Alfa Romeo 1900 vorgestellt, ein richtungsweisendes Konzept, das vom Österreicher Rudolf Hruska mitentwickelt worden war. Die 1954 präsentierte Giulietta - auch hier war Hruska federführend - eroberte die Herzen der Alfisti im Sturm. 1962 folge die unvergessliche Giulia, die vielen als das klassische italienische Polizeiauto in Erinnerung bleibt. Mit der von Bertone gestalteten Junior- Serie wurde die sportliche GT-Tradition von Alfa in den 60er Jahren fortgesetzt. Im Film "Die Reifeprüfung" machte Dustin Hoffmann den Spider zum Symbol einer ganzen Generation.
ImageDer GTA, eine Wettbewerbsversion des GT-Junior sorgte auf den Rennstrecken Europas für Furore.  Sieben Titel in der Tourenwagen-Europameisterschaft gingen auf sein Konto. Bei Berg- und Rundstreckenrennen wurde ab 1967 der Tipo 33 mit V8- und ab 1975 auch mit V12-Mittelmotor eingesetzt. Mit dem 33er gewann Alfa 1975, 1977 und 1978 die Sportwagen-Weltmeisterschaft.
1977 meldete sich Alfa mit einem zweiten Platz beim Großen Preis von Argentinien in die Formel 1 zurück. Bis in die 80er Jahre bleibt Alfa Romeo in der Königsklasse des Motorsports und tritt sowohl als eigenes Team als auch als Motorenlieferant für Brabham, Osella und Benetton auf.
Ende der 60er Jahre wagte Alfa den Sprung ins Kompaktwagensegment und übertrug Hruska die Gesamtverantwortung für dieses Projekt. In Pomigliano d’Arco bei Neapel wurde ein neues Werk errichtet und 1971 erschien der von Giugiaro entworfene Alfasud. Der fortschrittliche Fronttriebler verkaufte sich gut. Dennoch begannen in den 70ern für Alfa schwierige Zeiten.  Durch ein Joint-Venture mit dem japanischen Hersteller Nissan hoffte man, sich aus der wirtschaftliche Schieflage zu befreien. 1985 gab es Gespräche mit der Ford Motor Company, die Alfa Romeo gerne in ihre Organisation integriert hätten.  Doch dann wurde Fiat aktiv und gliederte Alfa 1986 in seinen Konzern ein. In der ersten Hälfte der achtziger Jahre bestand das Programm aus Spider, Alfasud, Alfasud Sprint und den auf dem Transaxle-Prinzip basierenden Modellen Giulietta, Alfetta, Alfetta GTV und Alfa 6. Dank neuer Möglichkeiten und finanziell gestärktem Rücken erwachte Alfa Romeo mit dem 1987 auf dem Markt erscheinenden Alfa 164 zu neuem Leben. Für die 1992er Saison entwickelten Techniker von Alfa Romeo, Abarth, Ferrari und des Lancia Rallye-Teams den 155 GTA. Bereits in der ersten Saison konnte Nicola Larini die italienische Tourenwagen-Meisterschaft vor seinen Markenkollegen Giorgio Francia und Alessandro Nannini für sich entscheiden. Von 1993 bis 1996 ging Alfa Romeo in der DTM an den Start.  Der 155er V6 TI erwies sich als das Auto, das es zu schlagen gilt. Nach 155 Siegen und Meisterschaftstitel wurde der Alfa 155 zu einem der erfolgreichsten Renntourenwagen des ausgehenden 20. Jahrhunderts.
ImageMit den Modellen 147 (1994) und 156 (1997) präsentierte der Designer Walter de’Silva eine überaus attraktive neue Linie, an der sich viele Hersteller orientierten. In den Jahren 2000-2003 holte sich Alfa Romeo bei der FIA-Tourenwagen-Europameisterschaft mit dem 156er vier weitere Titel in Folge.
Mit dem Alfa Romeo 8C Competizione erinnerte Alfa Romeo 2006 an die herausragende Motorsport-Tradition der Marke.
Zahlreiche Meilensteine aus der Geschichte von Alfa Romeo, darunter eine Reihe von futuristischen Designstudien sind im Alfa-Werksmuseum zu bewundern. Ein Besuch in Arese ist - nicht nur für Alfa-Fans - auf jeden Fall lohnend.

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