Classic mal anders
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Classic mal anders

Bremen Motorshow 2011

Highlights der Bremen Classic Motorshow Bremen. Ein Plexiglas-Schiebedach als Sonderausstattung? Fischsilberblaue Lackierung?  Selbstverständlich. Flugzeuginstrumente im Cockpit, gerundete Kühlermaske, vollversenkbares Dach, Gepäckbrücke unter der Fahrertür, eine so geschwungene wie schwülstige Karosserie – kein Problem, wenn genug Kleingeld vorhanden ist. Aber das war nie ein Thema für Prominente wie Prinz Bernhard der Niederlande, Rudolf Caracciola, Bernd Rosemeyer, Ernst Udet, Emil Jannings, Ernst Heinkel, Werner von Siemens und der König des Irak. Die bestellten eben kein Auto von der Stange, sondern ließen sich ihre Wunschkarosserien maßschneidern. In diesem Fall allesamt bei dem wohl edelsten aller deutschen Karosseriebauer, dem Berliner Unternehmen Erdmann & Rossi. Allein in Deutschland gab es in der Hoch-Zeit der Individualisierung – den 20er und 30er Jahren – über 300 dieser Spezialisten. Grund genug für die Bremen Classic Motorshow, ihr diesjähriges Länderthema den deutschen Sonderkarosserien zu widmen. Rund ein Dutzend seltener und außergewöhnlich schöner Aufbauten sind vom 4. bis 6. Februar in den Hallen der Messe Bremen zu sehen.

Selbstverständlich auch eine Arbeit von Erdmann & Rossi: ein Mercedes-Benz 540 Kompressor Cabriolet von 1938 aus dem berühmten Museum der Schlumpf-Brüder. Einer der ganz frühen Fans der 1898 von Willi Erdmann gegründeten Firma war übrigens Kaiser Wilhelm II. Der bestellte schon im ersten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts seine Geschenke für ausländische Staatsgäste an der Spree. Ganz so alt ist die Historie der Ravensburger Schmiede Spohn nicht. Hermann Spohn gründete sein Unternehmen 1920 und wurde bald bekannt dafür, Maybach-Chassis einzukleiden. So schuf er 1937 auch das zweitürige Maybach Zeppelin DS 8 Sport Cabriolet. Das Einzelstück wurde von einer Hamburger Familie geordert und befand sich jahrzehntelang von der Öffentlichkeit ausgeschlossen in der Hansestadt, bevor es der französische Automobilfachmann André Lecoq in den 70er Jahren erwarb, restaurierte und es an einen deutschen Liebhaber verkaufte. Im Februar ist es in Bremen zu bewundern.

Ebenfalls aus den dreißiger Jahren stammen die Exponate von Ambi-Budd, Gläser und Hebmüller. Ambi-Budd schuf mit dem Adler Autobahn 2,5 Liter Sport aus dem Jahr 1938 die aerodynamische Karosserie auf einem Adler-Fahrgestell, um Vielreisenden eine angenehme Fahrt zu ermöglichen mit geringerem Treibstoffverbrauch und weniger Windgeräuschen, als es die älteren Karosserien mit steil stehenden Kühlern und eckigen Formen vermochten.  Adler selbst hatte bereits die Motoren standfest gemacht für die neue Art des Reisens. Mehr als 100 Stück (die Sportlimousine baute Buhne, die Cabrios Karmann) wurden allerdings nicht hergestellt. Die Dresdner Firma Gläser (1864 von Carl Heinrich Gläser als Hersteller von Kutschen und Pferdeschlitten gegründet) nahm sich 1937 Hanomag vor und baute das etwa 80 PS starke Hanomag Sturm Cabriolet. Es war der Versuch, der eher biederen Marke eine sportliche Note zu verschaffen, denn die technische Basis war besonders in Sachen Motoren, Fahrwerk und Bremsen Herstellern wie Mercedes und Audi gleichzusetzen.  Hebmüller – hauptsächlich bekannt durch die ersten VW-Käfer-Cabriolets – karossierte 1934 auf besonderen Kundenwunsch einen Ford Rheinland und schuf mit der Pullmann-Limousine eine Langversion. Josef Hebmüller hatte den Stellmacher-Betrieb in Barmen 1889 von dem Vorgänger übernommen.

ImageAuch wenn die Blütezeit der Karossiers mit dem Zweiten Weltkrieg endete, versuchten sich auch danach diverse Firmen im individuellen Einkleiden von Fahrgestellen, obwohl nun viel mehr Hersteller Komplettautos anboten. Ein Beispiel ist der Goliath GP 700 Sport von Rometsch (gegründet 1924 von Friedrich Rometsch in Berlin-Halensee). Doch 1952 hatten die Autofahrer anderes im Kopf als nette Karosserien auf kleinem Chassis: Sie wollten günstige Mobilität. Da Wagen mit Sonderkarosserien erheblich mehr kosteten als das Basisauto, musste Rometsch die Hoffnung auf den Serienbau aufgeben.

An den Preisen scheiterte auch der Osnabrücker Karosserie-Profi Karmann mit dem vom italienischen Karosseriespezialisten Fissore gezeichneten Edel-Cabrio Opel Diplomat im Jahr 1971. Die Kosten für so einen Umbau waren so hoch, weil sowohl die Karosserie extrem versteift als auch eine wasserdichte Dachkonstruktion ersonnen werden musste. Wohl nur eine Handvoll dieser Autos wurden gebaut – einer steht auf der Bremen Classic Motorshow.  Wer sich übrigens für Sondermotorräder interessiert, ist auch in Bremen richtig: Zu sehen ist eine große Anzahl von „Konfektionären“ – deutsche Motorräder mit Einbaumotoren.

Mit dem Projekt „Junge Klassiker“ wagt die Bremen Classic Motorshow den Versuch, das Schubladendenken in Sachen Oldtimer (älter als 30 Jahre), Youngtimer (älter als 20 Jahre) und Gebrauchtwagen aufzubrechen. „Wir stellen Autos aus den späten 60ern bis zu den frühen 90er Jahren aus, die nur durch sehr wenige Hände gegangen sind und extrem wenig Kilometer auf der Uhr haben,“ sagt Projektleiter Frank Ruge. Der Clou: Alle sind käuflich.

Image„Es geht uns um Autos, die früher oft auf der Straße zu sehen waren, aber heute fast verschwunden sind,“ präzisiert Ruge, „und besonders die heute 30- bis 50jährigen Autofans können ihre Träume von damals jetzt erfüllen. Dabei ist das Image der Marken egal – das Haben-Wollen macht diese Fahrzeuge so reizvoll.“ Außerdem sind die hochwertigen, weil die nahezu neuen Sammlerfahrzeuge von morgen genauso zuverlässig auf der Straße sind wie bei der Wertsteigerung.

Zum Verkauf stehen zum Beispiel ein VW Käfer von 1974, dessen Zähler ganze 228 Kilometer ausweist, ein Renault 4 (1988, 16 km), ein Opel Rekord C (1967, 7100 km), ein Mercedes W 126 (1982, 29000 km), ein Porsche Carrera RS Leightweight (1997, 1937 km), ein Mercedes 500 SL 6.0 AMG (1989, 22171 km), ein Audi 100 LS C1 (1976, 8000 km), ein Ford Escort RS 1600i (1982, 29700 km), eine Corvette C3 Bob-Larsen-Turbo (1974, 10225 km), ein BMW M 635 CSi (1989, 11500 km), einer der wenigen Audi Quattro Sport (1986, 36500 km), ein Lancia Stratos HF Stradale (1973, 3500 km) und ein Ferrari 308 GT4 Dino (1978, 58000 km).

Wer lieber nur schauen will, entdeckt auch noch Ikonen der deutschen Rennsportmeisterschaft, so zum Beispiel den Ford Capri von Peter Mücke oder den Porsche 935 K3 von Kremer Racing.

Die Messehallen sind geöffnet von 9 bis 18 Uhr. Die Tageskarte kostet 13 Euro. Mehr Infos auch unter www.classicmotorshow.de