Motorrad-GP von Österreich 1950
Geschrieben von Dietmar Gasser   

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Als das Ländle noch einen Großen Preis hatte

Vor über 60 Jahren fand mit dem Grand Prix von Österreich in Feldkirch-Rankweil Vorarlbergs bislang größte Sportveranstaltung statt.

Text: Dietmar Gasser
Photos: Bildarchiv Manfred Noger

 

ImageNach dem Zweiten Weltkrieg waren Motorradrennen in Vorarlberg sehr beliebt. Mit Lustenau, Rankweil und Dornbirn gab es jährlich gleich mehrere Schauplätze. Absoluter Höhepunkt dieser Epoche war dann die Austragung des Motorrad-GP von Österreich am 10./11. Juni 1950 auf dem Dreieckskurs Altenstadt-Rankweil- Brederis. Start und Ziel befand sich beim Gasthof "Schäfle" in Altenstadt. Die Länge des Kurses betrug 4,7 Kilometer. Die Piloten waren sehr angetan von der glatten Pisten-Oberfläche, gefahren wurde gegen den Uhrzeigersinn. Bretterwände und Strohballen sicherten die neuralgischen Passagen. Mit 50.000 (!) Zuschauern war es bislang Vorarlbergs größte Sportveranstaltung.  Etliche Holztribünen wurden extra gezimmert, die Zuschauer säumten dicht gedrängt die Straßen, kamen mit Sonderzügen aus Bregenz und Innsbruck angereist. Etliche Fans trieb es sogar auf die Häuserdächer. Die Schüler hatten schon am Freitag schulfrei, alles drehte sich um das große, bevorstehende Rennen. Offizieller Veranstalter des ersten "Großen Preises von Österreich" nach dem Krieg war der Österr. Automobil-, Motorrad- u. Touring-Club Wien (ÖAMTC), die Durchführung oblag der Sektion Feldkirch des Vorarlberger Auto-Touring-Clubs (VATC) unter dem Präsidenten Fritz Pichlkostner. Als Rennleiter fungierte der Feldkircher Dr. Arnold Seeber.  Französische Besatzungsgendarmen und lokale Feuerwehrmänner sorgten für Ordnung.

ImageInternationale Stars. Das Rennen war mit internationalen Stars topbesetzt: Biaggio Nocchi reiste mit seiner 125-ccm-MV Augusta aus Italien an, Fergus Anderson (späterer 350 ccm-Weltmeister von 1953 und ’54) mit einer 250er-Moto Guzzi aus England. In der Starterliste tauchte auch Denis Jenkinson (GB) mit einer 500er-Norton auf. Jenkinson war später lange "Schmiermaxe" bei dem mehrfachen Beiwagen-Weltmeister Eric Oliver. 1955 siegte Jenkinson als Co-Pilot von Stirling Moss bei der "Mille Miglia" und war dann nach seiner aktiven Karriere jahrzehntelang einer der kompetentesten Formel-1-Berichterstatter.  Und mit Carlo Ubbiali war auch einer der talentiertesten Motorradrennfahrer aller Zeiten am Start: Der Italiener holte sich bis 1960 in der 125- und 250-ccm-Klasse insgesamt noch neun WM-Titel.
Auch die nationalen Rennasse ließen sich das Rennen nicht entgehen und wurden ihrer Favoritenrolle gerecht: So siegte der Wiener Leonhard Fassl auf AJS im Rennen bis 350 ccm und der Salzburger Helmut Volzwinkler auf seiner Triumph im 500-ccm-Hauptrennen über 30 Runden.  Volzwinkler erzielte auch mit 2:17,2 min.  die absolut schnellste Rundenzeit des Tages, was einen sagenhaften Schnitt von 122,86 km/h bedeutete.  Der unvergessene Rupert Hollaus (der Niederösterreicher verunglückte 1954 in Monza tödlich und wurde posthum Österreichs einziger Motorrad-Weltmeister) begann damals gerade seine Karriere und wurde im 250-ccm-Rennen (Sieger: Fergus Anderson) trotz eines Zündkerzenwechsels Fünfter.

ImageZwei Siege von Lokalhelden. Hochmotiviert waren Vorarlbergs "Kapazunder". In der Beiwagenklasse bis 600 ccm waren die Lokalmatadore Julius Beer/Gernot Zingerle (BMW) am Vormittag nicht zu bezwingen. Am Nachmittag erfolgte das Beiwagenrennen der 1000-ccm-Klasse. Beer hatte kein zweites Motorrad, baute über die Mittagspause in der nahegelegenen Werkstatt von Franz Ellensohn den 600er-Motor aus und einen 1000er-Motor ein. In der Eile passierte wohl ein Fehler, Beer/Zingerle ereilten in Führung liegend einen Motorschaden.
Völlig aus dem Häuschen waren die Zuschauer beim 125-ccm-Rennen, wo der Dornbirner Sepp Herburger sich mit Carlo Ubbiali ein großartiges Duell lieferte. Herburger hatte für das Rennen von seinem Freund Leo Vinatzer dessen Puch- Maschine erhalten, weil dieser selbst wegen eines unbewilligten Auslandsstarts in Hockenheim für Feldkirch von der OSK gesperrt worden war.  Herburger fuhr im Grenzbereich der Gesetze, auf der letzten Zacke, wie entfesselt. In den ersten Runden wechselte die Führung laufend, doch dann setzte sich Ubbiali mit seiner schnellen Mondial etwas ab. Drei Runden vor Schluss Dramatik pur: Herburger verlor das rechte Auspuffrohr und alles bangte, ob er noch bis ins Ziel durchhalten würde. In der allerletzten Runde schied dann aber Ubbiali mit einem Ventilfederbruch aus und Herburger siegte.

ImageSportliche Geste. Den Lorbeerkranz überreichte die damalige Lecher Ski-Olympiasiegerin Trude Jochum-Beiser, doch Seppl Herburger hängte den Kranz unverzüglich Carlo Ubbiali um den Hals. Für ihn war der Italiener der moralische Sieger ...
Wenig begeistert waren nach Veranstaltungsende die Funktionäre. Viele Zuschauer nützten die unzähligen Schlupflöcher und ersparten sich so das Eintrittsgeld, wodurch unter dem Strich die Kassiere einen Abgang von über öS 100.000,- (damals enorm viel Geld) verzeichnen mussten.  Dieses Defizit trug zwar der ÖAMTC, aber im Ländle wagte man sich nicht mehr an eine Wiederholung einer so großen Veranstaltung.