Matchless G 50
Geschrieben von Hannes Denzel   

Heft bestellen - Men's Racer: Matchless G 50

Am Anfang stand das Wort, und das besagte: "Es mögen wieder Rennmaschinen gebaut werden mit dem Name Matchless am Tank" - und so geschah es im Hause AMC.

Text & Photos: Hannes Denzel

 

 

ImageAMC steht für Associated Motor Cycles, und unter deren Obhut befinden sich in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg die Marken AJS und eben Matchless (Sunbeam gehörte früher auch dazu, wurde aber 1941 an BSA abgetreten), später sollten noch James, Francis Barnett und vor allem Norton hinzukommen. Gründer von AMC waren die Brüder Collier. Sie, Harry, Charles und Bert, begannen schon 1899 damit, französische De Dion Bouton Motoren in Rahmen einzubauen, die in der Fahrradfabrik ihres Vaters H. H. (Collier & Sons) gefertigt wurden.  Später kamen sie mit J. A. Prestwich in Kontakt, dessen Motorenfabrik ebenfalls in London beheimatet war. Die JAP befeuerten Matchless Motorräder der Collier Brüder waren in dieser Frühzeit des englischen Motorsports das Mass aller Dinge: Charles gewann das allererste ausgetragene Tourist Trophy Rennen 1907 auf der Isle of Man und war dabei mit seiner Einzylinder Matchless schneller als der Sieger der Zweizylinderklasse Rem Fowler auf Norton (damals kannte man noch keine Hubraumeinteilung). Im Jahr darauf wurde Charly zweiter, 1909 erster, 1910 wieder zweiter, und zwar hinter seinem Bruder Harry, natürlich auch auf einer Matchless, mit der dieser 1911 als zweiter wieder auf dem Stockerl stand. Der dritte Bruder Bert fuhr zwar auch Rennen, allerdings mit weniger Erfolg, dafür war er ein begnadeter Ingenieur, dessen Motorenkonstruktionen dazu führten, dass die Colliers nach dem ersten Weltkrieg darauf verzichten konnten, fremde Motoren zuzukaufen.  Allerdings waren Berts Motoren weniger sportlich ausgelegt, so dass Matchless sich mehr und mehr aus dem Renngeschehen zurückzog.  Um die sportliche Tradition zu wahren, hatten die Colliers ja 1931 die Konkurrenzmarke AJS aufgeschnupft, die weiterhin heiße Eisen im Rennfeuer hatten.
Zu Beginn der 50er Jahre sollte es jetzt aber wieder käufliche Rennmotorräder mit dem großen geflügelten "M" am Tank geben, und zwar für die Königsklasse, die 500er. Mit der AJS 7R Boy Racer (einer Weiterentwicklung des Nockenwellenmotors R7 aus der Vorkriegszeit) hatte AMC einen Winnertyp für die Juniorklasse parat, zwar langsamer als die Norton Manx, aber gut genug, um der das Leben schwer machen zu können.  Auch die 500er sollte in Konkurrenz zur großen Manx antreten, mit dem Anspruch, leistbarer und billiger im Unterhalt zu sein. Dazu wurde der Motor des Sportmodells G9 heißgemacht, ein Zweizylinderaggegat mit dreifach gelagerter Kurbelwelle und zwei obenliegenden Nockenwellen im leicht modifizierten Rahmen der Boy Racer mit einer Teledraulic Vorderradgabel.  In den Händen des Werksfahrers Robin Sherry reichte es für den Prototypen der G 45 zu einem Sieg beim Manx Grand Prix (der eigentlich als Veranstaltung speziell für Privatfahrer gedacht war), die ausgelieferten Production Racer erwiesen sich aber als Rohrkrepierer: zu kurzfristig, schluddrig war die Entwicklung der G 45 abgelaufen, dementsprechend anfällig war sie für Kinderkrankheiten. Vergaserprobleme, speziell in Kurvenlage, Ölverlust, und außerdem war sie viel zu schwer um konkurrenzfähig zu sein.  Schon nach wenigen Jahren wurde die Produktion wieder eingestellt.
ImageAMC machte jetzt das, was sie nach Meinung von Experten schon von Anfang an hätten machen sollen: sie bohrten den Motor der Boy Racer auf. Es entstand unter Entwicklungsingenieur Jack Williams ein wuchtiger Einzylinder mit einer obenliegenden Nockenwelle, die mittels einer Kette angesteuert wird (das bronzeschimmernde Kettengehäuse gibt diesem Motor sein unverkennbares Aussehen). Der Kurzhuber ( 90 x 78) sitzt in einem Doppelschleifenrahmen mit einer Hinterradschwinge, die sich über Girling Federbeine abstützt, vorne eine Teledraulic Teleskopgabel. Zur Unterscheidung gegenüber der Boy Racer war der Tank der G 50 in leuchtendem Maron-Rot lackiert, natürlich mit dem silbernen, geflügelten "M" darauf.
Die knapp über 50 PS starke G 50 entsprach den Ansprüchen der Kunden, schnell, kostengünstig, wartungsarm, wendig und allemal imstande, die Norton Manx, die über 20 Kg. schwerer waren, speziell auf kurvenreichen Rundkursen und Bergstrecken mehr als nur zu ärgern. Ab 1959 konnte man sie kaufen, und sie wurde gekauft!  Insgesamt 170 Stück verließen das Werk im Londoner Stadtteil Plumpstead. Viele davon lieferten die Basis für Umbauten , durchgeführt von Spezialisten wie zB. Metisse, Seeley oder den Arter Brothers. Auf einer Spezialausführung von Tom Arter gelang es Peter Williams, Sohn des AMC Ingenieurs Jack, mehrmals bei der TT aufs Podest zu fahren: 1967, ‘70, ‘71 und ’73 wurde er jeweils zweiter, seine Rekordrunde mit 165 Km/h ist die schnellste einer Einzylindermaschine ever. Zu diesem Zeitpunkt gab es den Markennamen Matchless schon nicht mehr, aufgrund städtebaulicher Maßnahmen wurde das Werk von London weg in den Süden Englands verlegt, AMC konzentrierte sich auf die Marke Norton.
Auch nach Österreich gelangten einige G 50, ein paar treten heute noch bei Oldtimerrennen an. Gleich zwei der schnellen Einzylinder standen uns als Fotomodelle zur Verfügung. Alter vor Schönheit, also zuerst zum 1960er Modell des Welser Ex-Rennfahrers Hans Braumandl, der heuer im Februar seinen 70ten Geburtstag feierte: 1960 wurde sie vom Deutschen Karl Hoppe direkt ab Werk gekauft. Hoppe, bekannt als "der rasende Bürgermeister" (der Gemeinde Diekholzen) war 1958 schon deutscher Meister der 350er Klasse (auf AJS), wollte aber seinen Einsatzbereich erweitern. Von seinen insgesamt 8 Titeln gelangen ihm drei in der Halbliterklasse (1965, ‘66 und ’69), alle mit dieser Matchless.  Auch bei Weltmeisterschaftsläufen beteiligte er sich mit durchaus achtbarem Erfolg, dort setzte er aber neben der 350er AJS Helmut Faths 500er Metisse mit dem Vierzylinder URS Motor ein, weshalb Hans Braumandl aus Wels ihm die Matchless abkaufen und nach Österreich bringen konnte.
ImageKein schlechter Kauf, wie sich herausstellen sollte, denn obwohl das Bike mittlerweile 9 Jahre alt war, erwies sich die G 50 als durchaus konkurrenzfähig. Hans Braumandl erinnert sich zum Beispiel an den Großen Preis von Österreich, traditionell am 1ten Mai, der damals noch auf einem Autobahnabschnitt bei Salzburg-Liefering ausgetragen wurde. Nach einem Verbremser kam er als Vorletzter aus der ersten Runde zurück, aber es gelang, Gegner um Gegner auszutricksen. Nachdem er auch seinen Landsmann Werner Bergold, dessen McIntyre AJS als schnellste 500er auf heimischen Pisten gegolten hatte, aus dem Windschatten ganz leicht überholen konnte, war er am Ende nicht nur Achter und bester Österreicher, auch sein Motorrad hatte sich wegen ihres Speeds einen prächtigen Ruf erworben. Sehr zur Freude übrigens auch von Karl Hoppe, der noch mehrmals sein Kontrahent auf der Piste sein sollte und den er jedesmal hinter sich lassen konnte.
Sieg häufte sich auf Sieg und in seiner ersten vollen Saison mit der Matchless war er überlegen Meisterschaftsleader, als ihm beim drittletzten Rennen der Motor platzte . Obwohl er deshalb die letzten beiden Austragungen zuschauen musste, reichte es noch zum Vizemeister: ein Titel, auf den er in den nächsten Jahren abonniert war. Die Matchless musste nämlich in Pension geschickt werden, weil Braumandl einen Posten bei Rotax ergattert hatte, wo er, ein Praktiker mit viel Gespür für Technik, für die Entwicklung eines Drehschiebermotors zuständig war, dessen Kinderkrankheiten so manchen Erfolg vereitelten. Die G 50 blieb aber in Wels, in dem Zustand, in dem sie damals gerannt ist. Sie steht heute in Braumandls Sammlung, wird aber immer wieder einmal auf die Piste losgelassen, wo Hans mit seinen Rundenzeiten beweist, dass er mit fast 70 Lenzen noch lange nichts verlernt hat.
ImageEine ähnlich ruhmreiche Vergangenheit kann auch das andere Model vorweisen. Sie wurde 1962 direkt ab Werk an Otto Taiana ausgeliefert, der auf einem RS Gespann Schweizer Meister im Jahr 1966 war. "der schnelle Otto" war bekannt für seine wenig materialschonende Fahrweise, er drehte den Gasgriff gerne bis zum Anschlag. Dass die brave Matchless das überlebte, verdankt sie vielen Modifikationen, die in der Werkstatt obengenannten Tom Arters fachgerecht durchgeführt wurden. So erhielt sie ein speziell abgestimmtes 5 Gang Getriebe, einen Zahnriemenantrieb, um die Primärkettenölung zu vermeiden, überdimensional proportionierte Doppelduplexbremsen, und natürlich wurde auch ihr Innenleben kräftig aufgepimpt, was ihr zu zusätzlichen 2 Pferdestärken verhalf.
Nachdem Taiana seine Laufbahn beendet hatte, kam die G 50 in die Hände eines British-Enthusiasten.  Enthusiasmus für historisches Renngerät mit Geschichte gehört auch zu den Charaktereigenschaften des pensionierten Kfz-Mechanikermeisters und Autohändlers Hubert Furtner aus Ottensheim an der Donau, ebenso wie eine Portion Hartnäckigkeit. Er wollte unbedingt eine G 50 in seine umfangreiche Rennmaschinensammlung aufnehmen und war auf der Suche schon bei Gott und der Welt vorstellig gewesen, unter anderem auch bei Hans Braumandl. Es dauerte Jahre, bis er den Britfan weichgeklopft hatte und die Matchless in die heimische Garage überstellen durfte. Mittlerweile hat die Maschine wieder einige Einsätze bei historischen Events absolviert, unter anderen beim Rupert Hollaus Gedächtnismeeting am Salzburgring.  Dort kam es zu einem Promitreffen auf höchstem Niveau: einerseits mit Altmeister Otto Taiana, der beim Anblick seines alten Eisens ein par Tränen der Rührung auf den Tank tropfen ließ, wo sie beinahe die Schrift verwischt hätten, da Peter Williams mit seinem Namenszug gerade das alte Rassepferd noch weiter veredelt hatte.