Bertha Benz Fahrt 2011
Geschrieben von Manfred Loy   

Heft bestellen - Bertha Benz und die Österreicher

Sie strahlten um die Wette, Andreas Melkus auf Oldsmobile Curved Dash 1902 mit der Start Nr. 4 und Alois Muhr, Rover 8 HP 1906 Start Nr. 6, als sich "Auf den Planken", Mannheims Rennomier-Meile die Startflagge zur Bertha Benz Fahrt 2011 für Sie hob. Für Startnummer 4 und 6 ging es ab jetzt um alles! 

Text & Photos: Manfred Loy

 

ImageFür mich war es bereits die dritte Teilnahme an der BB Fahrt und so ging ich es diesesmal mit einem etwas jüngeren Modell, meinen im letzten Oktober erstandenen Steyr XII 1929 mit der Startnummer 63 etwas gelassener an. Vierter Österreicher im Bund war Rudolf Nagl mit Mercedes Benz 200 Typ Stuttgart 1929. Am Vorabend versammelten sich die Teilnehmer der Bertha Benz Fahrt und der 56. Deutschen Schnauferl-Rallye des Allgemeinen Schnauferl Club Deutschland (ASC) zu einem Willkommensabend im Schloß zu Schwetzingen.
Im Rahmen des "AUTOMOBILSOMMER 2011" bilden diese beiden Oldtimerfahrten zwischen Schwetzingen und Pforzheim das Kernstück der rollenden Automobilgeschichte im Jubileumsjahr "125 Jahre Patentanmeldung Carl Benz Wagen".
"Eine dufte Sache" versprach uns Winfried A.  Seidel, Ehrenpräsident MVC und Inhaber des Automuseums Dr. Carl Benz. Allerdings konnten wir zu diesem Zeitpunkt seine Meinung nicht teilen, da wir nach 6 Stunden Anreise auf schmalen Bierbänken seit 45 Minuten auf Getränke warteten.
Zurück an den Start, am Freitag vormittag bevölkerten Tausende die "Planken", der Strassenbahnfahrplan wurde dahingehend geändert, daß es keinen Betrieb gab.
Die stolze Anzahl von 86 Bewerbswagen, gebaut zwischen 1898 und 1930 warteten auf ihren Start und wurden anschließend von der Polizei in Zehnergruppen aus der Stadt gelotst.
Mit der Startnummer 63 sind wir jetzt dran, Winfried A. Seidel stellt unseren Steyr XII aus Österreich mit dem Produktionsort Graz vor.  Das war allerdings neu für mich und ich konnte mir eine Korrektur mittels Zwischenruf nicht verkneifen. Ein Stich ins Herz aller aufrechten Österreicher, ST EYR in Graz produziert!  Abfahrt für uns in der nächsten Zehnergruppe mit Polizeibegleitung, das erinnerte mich an ein gewisses Mille-Miglia-Feeling, neben einem Polizisten mit seiner BMW Maschine überfuhren wir rote Ampeln und Stopp-Tafeln in Mannheims-City.
So begaben wir uns also auf die 108 km lange Bertha Benz Traditionstrecke: Ladenburg-Wiesloch-Bruchsal-Pforzheim.
Der erste Halt mit hervorragendem Brunch war im Ladenburger Automobilmuseum Dr. Carl Benz. Seidel hat diese ehemalige Benzfabrik im Jahr 2004 von der Familie Benz erwerben können und mit Unterstützung von Mercedes Benz Stuttgart wurde das Gebäude renoviert und stellt heute ein Kleinod für Mercedes und Benz Wagen dar. Viele persönliche Gegenstände aus dem Fundus Carl Benz geben dem Museum seine besondere Note.
ImageVor dem Museum parkten inzwischen ein Großteil der Veteranen, einige Ford T Modelle fallen mir ins Auge: Reiner Wilhelm hat einen besonderen Ford T mitgebracht, den Wagen mit originalem Holzaufsatz hat Reiner mit Äpfeln, Orangen, Avocado, Ananas, Kürbis und Gurken vollgepackt. Eine originale Gemüsewaage befindet sich zum Spontanverkauf auch an Bord. Ein Schild "Hamburg-Mannheim auf Achse zu Ehren Bertha Benz" ziert ein T-Touring-Model aus dem Jahr 1914 und daß Damen das T Model sehr gut beherrschen, lehrt uns Francine Luyckx indem Sie mit Ihrem Modell 1912 Model flott die Ecke zur Einfahrt ins Carl Benz Museum nimmt.
Wir sind spät dran, weiter geht die "Wilde Fahrt" durch den Großraum Heidelberg, stark nervend die vielen Ampeln sowie Stop and Go Verkehrsbedingungen. Ob Bertha während Ihrer Fahrt damals etwas davon geahnt hätte?  Richtung Bruchsal wird der Verkehrsfluß auf dem freien Land besser, der damals sehr fortschrittlich gebaute XII -Steyr-6-Zylindermotor mit seiner obenliegenden Nockenwelle und der kugelgelagerten Kurbelwelle läuft jetzt im 4.  Gang um die 80 km/h und gibt dabei sein typisch fein singendes Motorgeräusch ab. Es erinnert mich an das Gedicht "Singende Steyr Wägen", das Bert Brecht geschrieben hat und dafür einen Steyr geschenkt bekam.
Während der XII die Strecke vorwärts stürmt, kommen mir so typisch österreichische Gedanken in den Kopf, wie war das damals mit Siegried Marcus, hatte der nicht 1865 den ersten Marcus Wagen mit Zweitakt-Benzin-Motor und 1871/72 den zweiten Marcus Wagen gebaut.  Hatte Herrn Marcus vielleicht eine resolute Frau gefehlt, eine Fahrt von Wien bis zum Semmering hätte vielleicht geholfen ...
Die Ortseingangstafel von Wiesloch bremsen meine Gedanken, wir fahren laut Fahrtbeschreibung zur Apotheke mitten in den Ort. Hier hatte Bertha während Ihrer ersten Fernfahrt einst den Kraftstoffbehälter mit Ligroin aufgefüllt.  Wir bekommen "Ligroin innerlich" 38% / 20cl für Fahrer und Beifahrer.
Am Schloß Bruchsal mit Durchgangskontrolle vorbei, geht es weiter Richtung Pforzheim. Einige Berge mit langen Steigungen warten vor den Toren Pforzheim‘s, alle Einzylinder dürften die Steigungen anstandlos geschafft haben, da wir keinen Einzigen am Strassenrand erblicken.  Großer Bahnhof in Pforzheim, der Geburtstadt von Bertha Ringer.
Mit dem Titel "Motorissimo" - Das Fest des Automobils 2011 feiert die Stadt den125jährigen Geburtstag des Automobiles. ASC-Schnauferl-Fahrer starteten morgens gleichzeitig, jedoch im Kurpark des Schlosses Schwetzingen, um in einer größeren Schleife abends auch in Pforzheim gemeinsam mit den Equipen der Bertha Benz Fahrer einzutreffen.
ImageBertha-Benz-Leute und ASC-Schnauferl-Bewerber trafen sich abends zur Vesper im Stadtsaal der Goldstadt Pforzheim, in dem alle Teilnehmer unter anderem mit Badischen Weinen und einer hervorragenden Auswahl von Schwäbischen "Maultaschen" in vielen Varianten versorgt wurden.
An diesem Abend war die Stimmung bereits näher am versprochenen "Dufte".
Der zweite Fahrtag begann mit einer grandiosen Aufstellung der Bewerbswagen in der Friedrichstrasse, der östliche und westliche Teil der Friedrichstrasse war dicht gedrängt mit interessanten Modellen der Automobilgeschichte. Im Eiltempo wurde gestartet, es galt rund 160 Auto zügig auf die wieder verschiedenen Routen zu schicken.
Die Traditionsstrecke war wiederum der Berta Benz Fahrt vorbehalten, über Bauschlott mit seinen malerischen Fachwerkhäusern ging es nach Bretten, kurze Mittagsrast im weltweit ältesten Mercedes Benz Händlerbetrieb, dem ersten Vertriebpartner von Carl Benz.
Nach einem weiterer Stopp in Gondelsheim, Josefine die Mutter von Carl Benz lebte hier, ging es wiederum in etwas zügiger Fahrt durchs Schwetzinger Spargelland, Hockenheim wurde passiert, ins Ziel nach Mannheim. Im Ehrenhof des Schlosses Mannheim wurden alle Teilnehmer mit Ihren Autos noch einmal kurz vorgestellt, Bertha Benz Medaillen wurden an alle, die sich an die beschriebene Fahrtroute gehalten haben, verteilt. Sonderprüfungen sind bei der Bertha Benz Fahrt verpönt, es sollte der reine Genuß des Fahrens mit den uralt Automobilen im Vordergrund stehen.
So gesehen waren alle Teilnehmer würdige Sieger und der Festabend konnte ohne Diskussionen über Platzierungen beginnen.
Der Festabend 125 Jahre Automobil, zu dem sich wiederum alle Teilnehmer der Bertha Benz Fahrt und der ASC Schnauferl Rallye trafen, konnte in den Zirkel Sälen im Schloß zu Schwetzingen genossen werden.
Exquisit war der gereichte "Deutsche Stangenspargel" mit Holländischer Sauce, zerlassener Butter, dazu verschiedene Schinken.
ImageDie Bombe platze dann zu den Dessert's, eine "Beleuchtete Eisbombe Schloss Schwetzingen" wurde angekündigt, wobei die Beleuchtung durch ein grandioses Feuerwerk dargestellt wurde.  Sonntag morgens, ein letzter Blick auf all die seltenen Preziosen, Petigars Prat Carabin 1898, Cudell Vis-a-vis 1901, Leon Buat 1903, Mercedes Simplex 1903, Berliet Targa Florio 1906, Clement-Bayard 1910, Benz 8/20 1912, Renault CC Edwardian Tourer 1912, Delage B1Tourer 1914, Metallurgique Sport 1921, Delahaye Typ 97 1925 und weitere insgesamt 160 andere seltene automobile Raritäten, die alle aufzuzählen, hier den Rahmen sprengen würde.
Letztendlich hat Winfried A. Seidel doch recht behalten, es war "eine Dufte Sache".  Nachtrag: Zu Hause angekommen, ein kurzer Blick in die ersten News der elektronischen Medien, es wurde von 160 Teilnehmerwagen aus Deutschland, Frankreich, Belgien und den Niederlanden berichtet.
Vier österreichische Teilnehmer wurden nicht erwähnt, bleibt für mich die Frage offen, ob Siegfried Marcus vor rund 140 Jahren ein ähnliches Schicksal widerfahren ist.