Chevrolet Corvette
Geschrieben von Wolfgang M. Buchta   

Heft bestellen - Chevrolet Corvette - Leichter Kreuzer

Corvetten sind - so weiß Wikipedia - kleine, schnelle Kriegsschiffe mit geringem Tiefgang. Als kostengünstigere Alternative ist ihre Größe geringer als die der Fregatte. Unsere geneigten Leserinnen und Leser werden beim Wort "Corvette" wohl eher nicht an Schiffe denken ... Wolfgang M. Buchta durfte bei Franz Wittner Corvetten fahren (und darf jetzt darüber schreiben) und Ulli Buchta hat photographiert.

 

ImageIm Gefolge des Zweiten Weltkriegs kamen tausende "G.I. Joes", wie die amerikanischen Soldaten umgangssprachlich genannt wurden, nach Europa und lernten dort neben den Schrecken des Krieges auch völlige neu Aspekte von Kulinarik, Lebensstil, Liebesleben und nicht zuletzt Automobilen kennen.
Natürlich kannten die Amerikaner Autos, schließlich waren ja auf den Straßen der US A viel mehr Autos unterwegs als in Europa. aber die Autos in Amerika waren mehr oder weniger luxuriöse und tonnenschwere Limousinen und "Station Wagons" mit robuster Technik zu günstigen Preis - ideal zum Transport der Familie aber mit limitierten Fahrvergnügen.
In Europa gab es beispielsweise den MG TC, der ein überarbeiteter TB der Vorkriegszeit war und bereits 1945 wieder auf den Markt kam. Angetrieben wurde er von einem "winzigen" Vierzylindermotor mit gerade einmal 1.250 ccm (oder in den in Amerika üblichen Cubic Inches gar nur 76 CID) und 54 PS Leistung. Aber es war ein Zweisitzer, ein offener Wagen mit direkter Lenkung und einem Gewicht von 838 kg - rund einem Drittel des typischen amerikanischen "Straßenkreuzers".
Wenige Jahre später kamen aus England der Jaguar XK 120, der Austin-Healey 100 und der Triumph TR 2, aus Gmünd (und später aus Stuttgart) der Porsche 356 und aus Mailand die Alfa Romeo Giulietta. Und wer beides - einen Amerikaner dieser Zeit und einen der kleinen, europäischen Nachkriegssportwagen schon einmal gefahren ist, kann in etwa ermessen, welchen Kulturschock die Amerikaner wohl erlebt haben mögen ...
Und die Amerikaner hatten Geld, und die europäischen Autohersteller brauchten Geld ("Export or Die!") und so wechselten viele Wagen den Besitzer - entweder hier in Europa und die Soldaten nahmen ihr neues Spielzeug oft mit nach Hause oder direkt als Import durch kluge Geschäftsleute wie etwa den legendären Max Hoffman. Eine "gewaltige Welle" von europäischen (Sport)-Wagen brandeten an die Küste der Vereinigten Staaten - manche Modelle wurden zu 80% über den Atlantik geliefert.
Nicht dass die großen, amerikanischen Autohersteller jetzt sofort vor Angst zu schlottern beginnen mussten. 1952 wurden beispielsweise mehr als vier Millionen Automobile in den US A zugelassen und darunter waren exakt 11.199 Sportwagen. Das waren rund 0,25 Prozent oder 2,5 Promille des Gesamtmarkts und einige davon stammten von (kleine und kleinste) amerikanische Hersteller - Namen wie Kurtis-Kraft, Crosley, Kaiser-Darrin, Cunningham, Woodhill Wildfire oder Glasspar sind heute In Europa praktisch unbekannt - die Sportwagen in minimaler Stückzahl bauten.
ImageEinige dieser "Hersteller" beschränkten sich überhaupt darauf, auf das gekürzte Chassis eines Großserienwagens eine schicke, zweisitzige Kunststoffkarosserie zu setzte - ein Konzept, dem wir bald wieder begegnen werden ....
General Motors wäre wohl nicht zur mächtigsten Firma der US A und zum größten Automobilhersteller der Welt geworden, wenn man den Konkurrenten beim Ausfüllen von Marktnischen nur zugesehen hätte.
Da gab es einen gewissen Harley Earl, seines Zeichens "Head of Design", also Chef der Designabteilung, bei General Motors, und Mr. Earl war oft lange Zeit in Europa, besuchte Hersteller und Autorennen und war vom XK 120 und anderen europäischen Sportwagen ebenso begeistert, wie die Soldaten. Außerdem war Earl mit dem Rennfahrer Briggs Cunningham befreundet, der 1950 mit zwei Cadillacs beim 24 Stunden Rennen von Le Mans am Start war, und dieser Freund war auch einer der "sportwagenbauenden Zwerge" und konnte stolz im Sommer 1950 sein erstes Modell, den Cunningham C-1 präsentieren. Und bei jedem Treffen, fragte Briggs seinen Freund Harley, warum den General Motors nicht imstande sein, einen Sportwagen zu bauen ...
Harley Earl war kein Träumer, und ihm war klar, dass der typischen amerikanischen Kunden einen MG-Jaguar-Porsche zwar "cute", also herzig findet, aber um nichts in der Welt kaufen würde.  Ein in Amerika wirklich erfolgreicher Sportwagen durfte sicherlich nicht so puristisch wie ein MG TC sein.
Harley Earl gab seinen Designern die Anweisung auf die Mechanik eines normalen GMProdukts eine schicke, zweisitzige Karosserie zu setzte, und damit er nicht viel erklären musste, stellte es einen Jaguar ins Studio.
Da Chevrolet dank einer veralteten Modellpalette massive Absatzprobleme hatte - von 1950 bis 1952 war der Absatz um fast 40% gesunken - landete das Sportwagenprojekt bei Chevrolet, wohl auch weil sich alle anderen Marken im Konzern desinteressiert zeigten. Earl träumte von einem "Volkssportwagen", den Chevrolet um 1.800 Dollar - der Jaguar kostete 3.345 Dollar - anbieten könnte und von einem V-8 Motor, den gab es allerdings nur bei Cadillac und Oldsmobile, die eifersüchtig auf ihrer neuen Errungenschaft saßen, und ihre neuen Motore um nichts in der Welt in einem Chevrolet sehen wollten.
ImageSo musste sich der neue Sportwagen mit einem Sechszylinder aus dem Chevrolet-Regal begnügen.  Karosseriemäßig gab es wenig auszusetzen, diese folgte dem damals gängigen Schönheitsideal für zweisitzige Sportwagen - lange Motorhaube, knapper Innenraum und kurzes Heck - und war doch etwas größer und geräumiger als der XK 120, der als Vorbild gedient hatte.
Interessant an der Karosserie war das verwendete Material - Kunststoff, genauer gesagt Fiberglas resp. GRP (= glass-fiber reinforced plastic).  Dieser Kunststoff hatte sich bereits bei einigen Kleinstserienfahrzeugen in den US A und in Großbritannien (sowie im Bootsbau) bewährt und hatte zwei große Vorteile. Einerseits war es bei kleiner Stückzahl wesentlich billiger, Formen für eine Fiberglas-Karosserie zu bauen als Pressformen für eine herkömmliche Stahlkarosserie, und apropos Stahl: Dieser war durch den 1950 ausgebrochenen Koreakrieg und Streiks der Stahlarbeiter reichlich knapp.
So ergab es sich also, dass die Menschenmassen, die am 17. Jänner 1953 in die "Motorama" in New York drängten einen kleinen, offenen, weißen Sportwagen bewundern durften. Der "kleine, weiße Wagen" hatte einen "Blue Flame Six" Motor, dessen Ahnenreihe 1941 in den schweren LKWs von GM begonnen hat und schließlich zum Standardantrieb aller PKW geworden war.
Zum Zeitpunkt der Präsentation des "kleine, weiße Wagen", der mittlerweile auf den klingenden Namen Corvette hören durfte, lag der Hubraum bei 235 CID (3.859 ccm) und die Leistung bei 136 PS, die über eine Powerglide Zweigang-Automatik auf die Hinterachse wirkten.  Der Rahmen war speziell für die Corvette entwickelt worden, die Vorderachse stammte von einem 1949er Chevrolet und die Hinterachse war als Starrachse ausgeführt. Die Bremsen waren natürlich rundum Trommelbremsen, die lediglich mittels größerem Hauptbremszylinder "getunt" worden waren. Auch die Lenkung stammte aus den Limousinen, war allerdings etwas direkter übersetzt.
ImageWas aus heutiger Sicht vielleicht als Sportwagen nicht allzu verlockend klingt schaffte es aber, Chevrolet wieder in die Schlagzeilen zu bringen und ab 30. Juni 1953 entstanden 300 handgebaute Corvette, die lediglich in der Farbe "polo white" und mit roten Interieur erhältlich waren.  Wenig überraschend zählen Exemplare dieser ersten Generation zu den gesuchtesten Modellen der letzten 60 Jahre überhaupt.
Für das Modelljahr 1954 wurde die Leistung des Blue Flame Six auf stolze 150 PS gebracht, und die Produktion nach St. Louis verlegt. Die Corvette wurde jetzt in blau, rot und schwarz angeboten und in Summe wurden in diesem Modelljahr 3.640 Stück gebaut, allerdings angeblich nur 2.780 davon verkauft. Experten erkennen Modelle des Jahres 1954 nicht nur an den neuen Farben sondern auch an verlängerten Auspuffrohren.
Das in Serie gegangene Dream Car wurde selbst zur Basis für ein Dream Car - auf der GM Motorama 1954 war der Chevrolet Nomad zu bewundern, ein zweitüriger Kombi auf Basis der Corvette.
1955 stand das Schicksal der Corvette "auf Messers Schneide", denn auch die amerikanischen Kunden hatten erkannt, dass die Corvette alles nur kein Sportwagen in europäischem Sinn war, und auch der Preis verfehlte den "Volkssportwagen" weit - mit 3.513 Dollar war die Corvette um knapp 200 Dollar teurer als der Jaguar.
Nach nur sieben in diesem Jahr gebauten Sechszylindermodelle fand die Corvette zu ihrer bis heute gültigen Motorisierung - einen V-8- Motor, vorest einmal von 231 CID (3,8 Liter) Hubraum und 195 PS. Eine Dreigangautomatik ersetzte das gar wenig sportliche Zweiganggetriebe.
Die Verkaufszahlen fielen 1955 gegenüber dem Vorjahr um rund 80% auf ganze 700 Stück - "Amerikas Sportwagen" stand vor dem Aus, bevor er noch so richtig gestartet war.  Jetzt schlug die Stunde eines russisch-deutschen Ingenieurs namens Zora Arkus-Duntov, der nicht nur Ingenieur und Automobilenthusiast, sondern auch Hobbyrennfahrer war. Arkus-Duntov war gleichzeitig - 1953 - mit der Corvette zu Chevrolet gekommen und sein Name sollte für die nächsten Jahrzehnte mit dem ImageKunststoffsportwagen verbunden bleiben.
Arkus-Duntov wendete all seine Tuningerfahrung auf die Corvette an, um ihr halbwegs sportwagen-ähnliches Fahrverhalten beizubringen und "jagte" den Boulevard-Sportwagen auf die Rennstrecken Amerikas. Gleichzeitig wurde die Produktion in St. Louis auf 16 Stück pro Tag heruntergefahren und die Manager überlegten sich schon ein halbwegs ehrenvolles Exit-Szenario ...
Mit den sich zögerlich einstellenden Erfolgen auf der Rennstrecke verbesserte sich der Ruf der Corvette ein wenig, aber der Thunderbird von Erzrivalen Ford verkaufte sich um Zehnerpotenzen besser, 1955 waren es stolze 16.155 Exemplare.  Damit, und mit ein paar Achtungserfolgen des Thunderbird auf der Rennstrecke, sollte Ford unfreiwilliger Weise die Corvette retten, denn Alfred P. Sloan, Chairman von GM, sah die Erfolge des "Sport-Ford" und war dadurch nur darin bestärkt, aus der Corvette ein ähnliches Erfolgsmodell zu machen.
Vorerst bekam der Sportwagen einmal eine Gnadenfrist von zwei Jahren, d.h. für 1956 und 1957 war die Produktion gesichert. Für große Neuerungen waren weder Zeit noch Geld vorhanden, so mussten sich das Team um Tom Keating damit begnügen, die Karosserie zu überarbeiten - eine neue Frontpartie, Einbuchtungen an dem Flanken, die gerne in einer anderen Farbe abgesetzt waren, und ein geringfügig aufgeräumteres Heck - fertig war das Modelljahr 1956.
Natürlich konnte das neue Modell auch mit Detailverbesserungen, wie ein bedienungsfreundlicheres Dach und Kurbelscheiben aufwarten, aber die wirklich interessante Neuerung kam Mitte 1957 - der V-8 Motor mit mittlerweile 283 CID (4,64 Liter) wurde optional mit Benzineinspritzung angeboten, wodurch die Corvette auf die magische Leistungsausbeute von 1 PS pro Cubic Inch, also 283 PS, kam. Der "small block V-8" war der erste Serienmotor mit dieser Literleistung.
Verstärkte Bremsen und Aufhängung, ein Viergang-Schaltgetriebe und eine Fülle von RPO-Teilen (Regular Production Option), also Tuningteile vom Hersteller direkt, sollten die "street cred", also die "Glaubwürdigkeit" der Corvette auf der Strasse gewaltig steigern.
ImageFür 1958 waren die Diskussion über eine Produktionseinstellung verstummt und die Corvette bekam wieder eine leichte Auffrischung, die vor allem an der verlängerten Front mit Doppelscheinwerfern erkennbar ist. In dieser Form sollte die Corvette, abgesehen von laufend stärkeren Motoren, bis 1960 unverändert bleiben.
1957 konnte Dr. Dick Thompson, Zahnarzt von Beruf und Rennfahrer von Berufung in Sebring mit einer Serien-Corvette seine Klasse beim 12-Stunden-Rennen gewinnen und sollte damit auch die SCCA Meisterschaft (Sports Car Club of America) für Serienautos in den Jahren 1956, 1957, 1960, 1961 und 1962 gewinnen.
Nach dem schweren Unfall in Le Mans im Jahre 1955 war der Motorsport auch in den US A in Verruf geraten und Anfang 1957 trafen die amerikanischen Hersteller ein Übereinkommen, sich vom Rennsport zurück zu ziehen. Daraufhin wurde sämtliche Werksbeteiligung - nein, nicht eingestellt, sondern besser getarnt, und sogenannte Privatteams mussten - natürlich mit massiver Werksunterstützung - die "Kastanien aus dem Feuer holen". Die schlägt sich auch in den Zahlen nieder: 1957 verkaufte Chevrolet 51 Corvettes mit "RPO 684" und 1958 sogar 144 Stück, und wer im Zubehörkatalog blättert - verstärkte Federn und Stoßdämpfer, metallene Bremsleitungen, verrippte Bremsen, div, Kühlzuleitungen - der sieht eine reinrassige Rennversion der Corvette - im Ersatzteilkatalog des freundlichen, lokalen Chevrolet-Händlers...
1960 war kein geringerer als Briggs Conningham mit einem Team von drei Corvettes mit fix montiertem Hardtop beim 24 Stunden Rennen von Le Mans am Start. Der schnellste Wagen des Trio kam auf der Mulsanne-Geraden auf 243 km/h und die Platzierung konnte sich auch sehen lassen: Startnummer 3 mit John Fitch und Bob Grossman am Steuer kamen auf den viel beachteten 8. Platz und gewannen ihre Klasse. Mr.  Cunningham fiel in der 28. Runde aus ...
ImageAuch die normalen Kunden honorierten die Bemühungen: 1957 - 6.339 Stück, 1958 9.168 Stück und 1959 9.670 Exemplare.  Für die Jahre 1961 und 1962 bekam die Corvette ein neues "Hinterteil", den sogenannten "duck tail", der uns auch in den folgenden Modelljahren noch begleiten sollte. Die stärkste Motorvariante war übrigens ein auf 327 CID (5,36 Liter) vergrößerter "small block" V-8 mit 340 PS Leistung.
Alle Modelle bis inklusive 1962 werden als C1 oder erste Generation bezeichnet. Mit dem Modelljahr 1963 betrat die C2 Corvette die Straße.  Optisch war einmal nur die vordere Hälfte erneuert - das Heck mit den vier Rücklichtern kam dem Betrachter schon bekannt vor, denn der "duck tail" hatte ja schon in den beiden Jahren zuvor Dienst getan.
Die vordere Hälfte war auch schon bekannt, allerdings nur von einer Styling Studie, die Bill Mitchell 1959 hatte bauen lassen, die daher gewöhnlich als "Mitchell Stingray" bezeichnet wird. Der nach dem Stachelrochen benannte Prototyp spendierte dem Serienmodell nicht nur die kantige Front mit Klappscheinwerfern sondern auch den Namen - die zweite Generation - 1963 bis 1967 - wird allgemein als "Sting Ray" bezeichnet.
Die "Sting Ray" - im Gegensatz zum Concept Car von 1959 jetzt in zwei Worten geschrieben - wurde als Coupe und als Roadster angeboten, von denen vor allem das Coupe von 1963 Kultstatus hat. Warum? Nur im ersten Jahr hatte das Coupe eine geteilte Heckscheibe, die gleichermaßen anachronistisch wie sichtbehindernd ist und keinerlei technische Notwendigkeit hat.
Zwischen Duntov (Technik) und Bill Mitchell (Styling) entbrannte ein veritabler Streit um die "Rückenflosse", ein Streit den vorerst einmal der allmächtige Styling-Chef - gutes Aussehen vs.  gute Sicht - für sich entschied.
Unter der neuen Karosserie hatte sich auch technisch einiges bewegt - Einzelradaufhängung hinten, ein doppelt so steifes Chassis, gleich großer Fahrgastraum trotz geringerem Radstand, Servolenkung, Klimaanlage,... Die Motorleistung des Basismodells lag bei 250 PS und am oberen Ende des Leistungsspektrums lag ein V-8 mit Rochester Benzineinspritzung und 360 PS.  Kleiner, leichter und agiler waren die C2 Modelle ein großer Fortschritt im Fahrverhalten, und den Kunden gefiel das neue Modell. War es Duntovs Technik oder Mitchells Styling? Wie auch immer, in Summe fanden sich 21.513 Käufer - ein Plus von 50% gegenüber dem Vorjahr - die sich offenbar nicht zwischen Coupe und Roadster entscheiden konnten, die beiden Karosserieformen verkauften sich praktisch gleich gut ...
ImageInteressant ist auch der Reiz der verschiedenen Optionen auf die Kunden: Servolenkung: 12%, Klimaanlage: 1,3%, Lederausstattung: 0,25%, Viergang-Schaltgetriebe: 84%.
Für 1964 wurden die Optik bereinigt - Mr. Mitchell ließ sich offenbar doch überreden, auf "seine" geteilte Heckscheibe zu verzichten und die falschen Lufteinlässe auf der Motorhaube entfielen.  Die Leistung der Spitzenmotorisierung wurde auf 375 PS angehoben.
Presse und Kunden waren vom neuen Jahrgang gleichermaßen begeistert und mit 22.229 Exemplaren konnte knapp aber doch ein neuer Verkaufsrekord vermeldet werden. Interessant war, das vom Cabrio fast doppelt so viel Exemplare wie vom Coupe verkauft wurden.
Bereits 1962 hatten sich die Mitbewerber vom Rückzug vom Rennsport zurückgezogen, und Ford konnte mit dem "Total Performance" Programm viele Enthusiasten zum blauen Oval locken.  Chevrolet musste reagieren und Duntov und seine Mitstreiter brachten die RPO Z06 Option. ein Kürzel, das bis heute einen guten Klang hat. 1963 Stand Z06 für Bremskraftverstärker, Zweikreisbremsen mit gesinterten Bremsbelägen, Al-Fin-Bremstrommeln, dickere Stabilisatoren und stärkere Stoßdämpfer, 360 PS, 138 Liter Tank, Sperrdifferential, Felgen mit Schnellverschlüssen, Viergangschaltgetriebe,...
Das Paket kostete 1.818,45 Dollar, also fast exakt soviel, wie der ursprünglich geplante Preis der Corvette - dazu kam allerdings eine Corvette, Bj. 1963 um 4.257 Dollar (für das Coupe).  Eigentlich hatte ja Chevrolet das Sting Ray Modell nur für zwei Jahre geplant, aber da es Probleme mit der Entwicklung des Nachfolgers gab - konzernintern wurden eifrige die Vor- und Nachteile einer Corvette mit Heck- oder Mittelmotor diskutiert - sollte die Lebensdauer der zweiten Generation um drei Jahre verlängert werden. Äußerlich können nur die Experten die Modelljahre 1965 bis 1967 unterscheiden, aber unter der Kunststoffkarosserie gab es zwei bemerkenswerte Neuigkeiten zu vermelden: 1965 wurden endlich Scheibenbremsen mit Zweikreisbremssystem und für alle vier Räder eingeführt.
ImageTheoretisch konnte die Corvette auch noch mit Trommelbremsen bestellt werden, wofür es einen Preisnachlass von 64,50 Dollar gab - eine Sparvariante, die nur 316 der 23.562 Käufer wählten.
Trotz der steigenden Verkaufszahlen hatte Chevrolet mit der Corvette ein Problem: Nach Konkurrent Chrysler hatte auch Konzernschwester Pontiac das Rezept des "muscle car" entdeckt.  Man nehme ein Basismodell, beispielsweise den Pontiac Tempest, stecke einen großen Motor mit z.B. 6,4 Liter hinein, und nenne das ganze dann vielleicht Pontiac GTO.
Und, sorry Corvette, der 1964 präsentierte Pontiac GTO war das "bessere" Auto - mehr Leistung, vier Sitze und ein vergleichsweise supergünstiger Preis. Und dass das Fahrwerk direkt von einem Planwagen der Siedler übernommen war, merkte man - solange die Straße keine Biegung macht - beim "Traffic Light Grand Prix" ja nicht, ein Umstand, den die Beach Boys schon in ihrem Song "Dead Man‘s Curve" besungen haben ...
Zur Mitte des Modelljahrs 1965 hatte Chevrolet die Lösung gefunden: Irgendwie passte der Big Block V-8 doch in den Motorraum der Corvette und mit 425 PS aus 6.5 Liter Hubraum war die Hackordnung auf der Straße wieder hergestellt.  Lediglich die Liebhaber der Benzineinspritzung blieben auf der Strecke - mit 250 Doller Mehrkosten und 50 Weniger-PS verschwand diese Option bald aus den Preislisten. 1967, dem letzten Jahr der Sting Ray Modelle begnügten sich die Designer mit minimalen Retuschen, dafür wurde von Motorenseite wieder ein berühmtes Kürzel eingeführt. Mit dem L88 Motor verpflanzte Chevrolet einen (fast) reinrassigen Rennmotor in die Corvette. Der L88 verlangte nach Rennbenzin mit 103 Oktan, das es fast nirgends im Handel gab, womit die Alltagstauglichkeit dramatisch eingeschränkt war. Dafür gab es Leistung, Leistung, Leistung,... Offiziell wurde diese mit "nur" 430 PS bei 4.600 U/min angegeben, aber die überraschten (und wahrscheinlich erfreuten) Käufer, die den Wagen auf den Prüfstand stellten kamen eher auf 560 PS bei 6.400 U/min - auch im Jahre 2012 noch durchaus respektable Werte.
ImageWährend der Bauzeit der zweiten Generation hatte Chevrolet die Besucher diverser Motor Shows natürlich mit Styling Studien bei Laune gehalten. Herausragend waren das vor allem der 1962 präsentierte CERV II (= Chevrolet Engineering Research Vehicle No. 2), ein 815 kg leichter Rennsportwagen mit 4 Liter Mittelmotor-V-8 und Allradantrieb. Der CERV II war Duntovs "Lieblingsbaby" - kein Wunder bei den Fahrleistungen: 0-100 km/h in 2,5 Sekunden und eine Spitze bei 290 km/h.
1965 betrat der Mako Shark II die Bühne der Autoshows. Seinen Namen leitete er von gleichnamigen Hai her, dessen Farbgebung er trug.  Im Gegensatz zu CERV II und einigen weiteren Show Cars, hatte der Mako Shark II einen konventionellen V-8 Frontmotor.
Damit war - sowohl technisch als auch optisch - die Linie für die dritte Generation ab 1968 festgelegt. Kein Exot mit Mittelmotor, kein Wankelmotor, kein Chassis aus Aluminium, sondern bewährtes, amerikanisches Schwermetall - den Unterbau lieferte ein mehr oder wenig unverändertes Fahrgestell der C2 Baureihe, für den Antrieb sorgte eine Auswahl von V-8 Motoren ...
Interieur und die Karosserie - natürlich wieder aus Kunststoff - eine Karosserie "zum Niederknien", waren komplett neu. Für die Generation des Autors war und ist die Corvette mit dem Hüftschwung die einzige wahre Corvette und "natürlich" waren die C3 Modelle die erfolgreichste und am längsten gebaute - 1968 bis 1982 - Baureihe aller Corvettes.
Die Corvette C3 konnte im Laufe ihres langen Produktionslebens auch mit allerlei Prämieren aufwarten. Das Coupe hatte herausnehmbare Dachpan+ele und Heckscheibe, das einst so coole "T-Top Roof". Nur 1969 gab es die sagenhafte ZL1 Option mit einem 7,0 Liter Aluminium Big Block Motor (427 CID) mit 430 PS.  Bis 1976 durfte der Stachelrochen weiterhin die Corvette schmücken, allerdings jetzt in einem Wort, also "Stingray".
ImageAnfang der 1970-er Jahre ging es - nicht nur - mit der Corvette bergab. Neue Sicherheitsvorschriften, Ölkrise, 55 mpg Speed Limit und Katalysator - das waren dem Image und der Leistung eines Autos wie der Corvette nicht zuträglich.
Für 1972 wurde die Leistung nach der neuen SAE Net Spezifikation - also inklusive aller Nebenaggregate - gemessen und angegeben - und flugs waren aus 270 PS für die Basismotorisierung nur mehr 200 PS geworden, die Motorleistung war zwar identisch, aber die Magie der Zahlen hatte irgendwie gelitten. Und zwei Jahre später hatte das Basismodell gar nur mehr 165 PS, ehe es langsam wieder bergauf gehen sollte.
Aber nicht nur leistungsmäßig sondern auch optisch war Ungemach angesagt. 1974 trat das "5-mile-per-hour" Gesetz in Kraft, und auch die zarte Corvette musste einen Aufprall bis 8 km/h unbeschädigt überstehen, und ein Jahr später stellte General Motors in vorauseilendem Gehorsam - bei einem Überschlag könnte man sich ja weh tun - das Cabrio ein ...
Vielleicht war es auch nicht (nur) die geniale Karosserie, die die Corvette C3 für 15 Jahre am Leben hielt, sondern generell der "Zeitgeist", der alles mögliche, aber keine übermotorisierten, extrovertierte Zweisitzer brauchte, der mittlerweile (1975) als "a more efficient Corvette" über reduzierten Benzinverbrauch und verlängerte Serviceintervalle beworben wurde.
Erstaunlich aber wahr, dass die C3 anlässlich des 25. Geburtstags die erste Corvette war, der - 1978 - die Ehre zu Teil wurde, in Indianapolis das Pace Car geben zu dürfen. Erst im neuen Millenium sollte diese Ehre inflationär - 2002, 2004, 2005, 2006, 2007, 2008, 2012 - an die Corvette gehen.
Zu ihrem 25. Geburtstag bekam die Corvette ein "Fastback" Heckfenster, die dramatischste Neuerung im Leben der C3 Corvette. Die Corvette überlebte mit Hilfe von Sondermodelle - "Silver Anniversary Model" oder ""Indy-500 Pace Car Replica" - die "mageren Jahre", und auch die Fahrer änderten sich. Während 1968, bei der Einführung der C3 82% aller Kunden ein Schaltgetriebe spezifizierten waren es 1979 nur mehr 20%.
ImageAber siehe da, die Corvette überstand die 1970er blendend und eigentlich waren die mageren Jahre gar nicht so mager, zumindest nicht kommerziell, ganz im Gegenteil: 1979 wurde die Rekordzahl von 53.807 Corvettes produziert.  Offensichtlich hatten sich die Vorlieben der Kunden gravierend geändert.
1984 - ein 1983er Modell gibt es offiziell nicht - kam mit der C4 nach langer, langer Zeit wieder ein komplett neues Modell auf den Markt, und mit der neuen Baureihe ging es wieder bergauf - leistungsmäßig - und gleichzeitig bergab, mit den Verkaufszahlen.
Die neue Corvette war ein modernes Auto für den "Zeitgeist" der 1980er Jahre - schlank und rank, (motorisch) sauber und (relativ) sparsam, eine gläserne Heckklappe garantierte erhöhten Nutzwert - Irvin W. Rybicki, Bill Mitchells Nachfolger, war ein bescheidener und zurückhaltender Mensch, so wie die neue Corvette, zurückhaltend und bescheiden, zumindest im Vergleich zu den Vorgängern.
Bereits 1986 wurde wieder ein Cabrio angeboten, das auch prompt im gleichen Jahr als Pace Car in Indianapolis eingesetzt wurde. Am Steuer saß Chuck Yeager, der Pilot der 1947 als erster die Schallmauer durchbrochen hatte.  Aus den ursprünglichen 250 PS wurden bis 1996, dem letzten Jahr der C4 wieder stattliche 330 PS und aus der Viergangautomatik eine mit sechs Schaltstufen - ein weiter Weg von Blue Flame Six mit Zweigangautomatik und 136 PS.  Mit der ZR-1 Sonderserie konnte die Leistung noch einmal getoppt werden. 1986 hatte General Motors die englische Group Lotus erworben, und die Corvette Division - mittlerweile war "Corvette" eine eigene Marke von GM geworden - beauftragte die britische Konzernschwester mit der Konstruktion eines neuen Motors - V-8, Aluminium. vier obenliegende Nockenwellen, 32 Ventile, ... 375 PS - und bat Lotus auch, das Chassis zu überarbeiten.
ImageDas Resultat wurde auf den Namen ZR-1 getauft, kostete (im Jahre 1990) mit 58.995 Dollar doppelt so viel wie die normale Corvette und stellte 1990 sieben Langstreckenweltrekorde auf, wie etwa 6.793 km in 24 Stunden, was einem Schnitt von 283 km/h entspricht...
Und, ach ja, 6.939 Käufer fanden sich auch für die ZR-1 Corvette, die fallweise bis zu 100.000 Dollar zahlten, um ein Exemplar zu ergattern.  Während die ZR-1 Rekorde einfuhr wurde hinter den Kulissen bereits am Nachfolger gearbeitet, wobei "gearbeitet" vielleicht nicht ganz das richtige Wort ist. Im seinem Buch "All Corvettes are Red" schildert James Schefter das Drama aus Intrige, Geldmangel, Missverständnissen und schlichter Unfähigkeit gar trefflich.
Eigentlich war die Präsentation für das Modelljahr 1993 - 50 Jahre Corvette - geplant, aber unter den vorherrschenden Umständen war es ein Wunder, dass die Corvette C5 für das Modelljahr 1997 fertig wurde. Das Nachfolgemodell war von Anfang an als Cabrio entworfen wurde und daher auch in offener Form von tadellose Steifigkeit. Verantwortlich dafür war primär das komplett neu entworfene Chassis. Die Karosserie war wieder runder geworden und orientierte sich deutlich an japanischen Konkurrenten wie Mazda RX-7 oder Nissan 300 ZX.
Dank Transaxlebauweise - Motor vorne, Getriebe hinten - hatte der Wagen eine perfekte 50:50 Gewichtsverteilung und dank 345 PS Leistung passten Straßenlage und Spitzengeschwindigkeit - 290 km/h - durchaus zusammen. Im ersten Modelljahr wurde die Corvette nur als Coupe angeboten, aber schon 1998 kam das Cabrio dazu. Dank strömungsgünstiger Karosserie und neuer Motoren war der Kraftstoffverbrauch durchaus "im Rahmen".
Unter dem altbewährten Code Z06 löste 2001 eine neues Performece Modell die ZR-1 Corvette ab. Die Z06 bot zwar etwas weniger Leistung als der Vorgänger, konnte aber die ZR-1 in allen Parametern - Beschleunigung, Handling,... - außer in der Spitzengeschwindigkeit übertreffen.  In Summe wurden bis 2004 248.715 Corvette der fünften Generation gebaut, von denen etliche auch ihren Weg nach Europa finden sollten, denn die Baureihe konnte in vielem mit den europäischen Sportwagen mithalten.
ImageMit dem Modelljahr 2004 beginnt das bis heute aktuelle Kapitel unserer Geschichte, das Kapitel der Corvette C6. Optisch ist das aktuelle Modell leicht erkennbar, denn erstmals seit 1962 hat die Corvette keine Klappscheinwerfer. Die Karosserie ist komplett neu, während darunter auf Bewährtes gesetzt wurde.
Der Radstand ist etwas gewachsen, was dem Innenraum zu gute kommt, während die C6 sowohl in der Länge als auch in der Breite um knapp 3 cm geschrumpft ist. Alternativ zur Automatik wird ein Schaltgetriebe mit CAGS (Computer Aided Gear Shifting) angeboten, das bei "gemütlichem" Beschleunigen automatisch von der Ersten in die Vierte schaltet, um die Drehzahl niedrig zu halten und Sprit zu sparen.
Sprit sparen ist wohl nicht die Hauptattraktion der Performance Modelle. Die Ende 2005 präsentierte Z06 wird von einem 7,0 Liter Motor mit Trockensumpfschmierung, Titanpleuel und 505 PS angetrieben. Carbon und andere exotischen Materialien reduzieren des Gewicht. Der Verbrauch auf der Autobahn wird mit 9,8 Liter / 100 km angegeben.
Über eine noch stärkere Version wurde jahrelang in den Medien spekuliert, und General Motors dementierte die Gerüchte bestenfalls halbherzig., ehe 2009 in eine Presseaussendung "die Katze aus dem Sack gelassen wurde".  Das wieder einmal ZR1 - diesmal ohne Bindestrich - genannte Hochleistungsmodell verfügt über einen 647 PS starken 6,2 Liter Motor mit Kompressor, der seine Kraft ausschließlich über ein Sechsgangschaltgetriebe auf die Hinterachse abgibt.
Die ZR1 ist die stärkste und schnellste - 330 km/h sollen es sein - Serien-Corvette bisher.  Im Jahr 2011 bot GM seinen ZR1-Kunden erstmals die "Corvette Engine Build Experience".  Der Käufer kann im "Performance Build Center" in Wixom, Michigan mithelfen, den Motor für seine (oder ihre) Corvette zu bauen. Erstens - macht euch keine Sorge wegen der Qualität - ihr arbeitet natürlich unter der Aufsicht eines Profis, und, zweitens - macht euch keine Hoffnung auf einen Preisnachlass für die Do-It-Yourself-Corvette, ganz im Gegenteil, der Spaß kostet 5.800 Dollar.
Corvettes - vielleicht nicht unbedingt die selbstgebauten - tauchen auch wieder regelmäßig - und durchaus erfolgreich - bei Langstreckenrennen in aller Welt auf, wo sie in den GT-Klassen ernst zu nehmende Gegner für Porsche, Aston Martin & Co sind.
Kommendes Jahr, ein Jahr nach der Queen, wird die Corvette ihr Diamond Jubilee feiern, vermutlich mit Sondermodellen, der Welt größten Corvette-Parade und vielen "Stars and Stripes". Auch wenn es General Motors derzeit nicht so gut geht, um die Corvette braucht man sich wohl keine Sorgen zu machen, 2011 fand die Corvette 13.596 enthusiastische Käufer - in Summe waren es mehr als 1,3 Millionen - und angeblich schon seit 2007 wird an der C7 Baureihe entwickelt ...