Rolls-Royce Corniche |
Geschrieben von Christian Van | |
Heft bestellen - Rolls-Royce Corniche - Der Weg ist das Ziel - die Corniches! Diese Geschichte ist dem Rolls-Royce-Modell mit der längsten Produktionszeit gewidmet - dem ein Vierteljahrhundert hergestellten Corniche. Das Modell ist zugleich auch eines der letzten, das noch bei Karosseriebauern gefertigt wurde, was ebenfalls einen Rückblick auf diese Zunft wert ist. Der französische Modellname lässt auch eine kleine Reflexion zu den Verbindungen zwischen England und Südfrankreich passend erscheinen.Text & Photos: Christian Van
![]() Am Cap d’Antibes, wo das "Hotel du Cap" nach dem Ersten Weltkrieg für Rekonvaleszente und Krankenschwestern auch einen Sommerbetrieb unterhielt, liegen die Wurzeln für die Sommersaison, die ab den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts einen steilen Aufstieg nehmen sollte. Monaco war 1850 der ärmste Landstrich der Region, um nicht zu sagen in Europa. Das in Frankreich verbotene Glücksspiel sollte die entscheidende Wende bringen. Francois Blanc, der bereits in Bad Homburg erfolgreich eine Casinometropole etabliert hatte, erhielt von Fürst Charles III . die Erlaubnis für ein Dacapo in Monaco. Die neue Spielmetropole wurde zu Ehren des Fürsten Monte Carlo benannt und nahm am Aufschwung der gesamten Region maßgeblich Teil. Auch hier gibt es britische Verbindungen, die nicht auf den ersten Blick offensichtlich sind. Als ein aufgeregter Kellner im "Cafe de Paris" am Place du Casino beim Servieren der Nachspeise für ein ungeplantes Feuerwerk sorgte, nahm dies der Gast gleichermaßen mit Gleichmut und Schlagfertigkeit hin. Dass "Crêpes Suzette" bis heute die Speisekarte bereichern, verdanken wir der Namensgebung durch den Prince of Wales und seiner damaligen Begleitung. ![]() Die am 23. 12. 1904 in Manchester etablierte Partnerschaft von Charles Stuart Rolls und Henry Royce hatte genau jene Kundschaft im Auge, die sich den Zweitwohnsitz in Südfrankreich leisten konnte. In der Folge auftretende regionale oder nominale Verbindungen sind daher kein Zufall. 1910 sollte zum Schicksalsjahr für das noch junge Unternehmen werden. Der begeisterte Flieger Charles Stuart Rolls kam als erster Engländer bei einem Flugzeugabsturz ums Leben und Henry Royce musste seinem unermüdlichen Arbeitstrieb im selben Jahr Tribut zollen und sich aus gesundheitlichen Gründen aus dem Tagesgeschäft des Unternehmens zurück ziehen und übersiedelte von Derby in eine Sommervilla in St. Margarets-at-Cliffe nahe Dover. Der Mann, der für den Fortgang der Geschäfte sorgte, war Claude Goodman Johnson. Johnson hatte Südfrankreich als Winterquartier bereits entdeckt und nahm den schwer kranken Henry Royce kurzerhand mit nach Le Canadel in seine "Villa Jaune". Henry Royce war so angetan, dass er das Nachbargrundstück erwarb, auf dem für ihn 1912-1913 eine Villa errichtet werden sollte. 1913 bezog Henry Royce seine "Villa Mimosa" zusammen mit Ethel Aubin, die Hausdame und Krankenschwester in Personalunion war und einem Chauffeur. Zwei weitere Villen, "Le Bureau" und "Le Rossignol", wurden in unmittelbarer Nähe für Designer, Zeichner, Ingenieure sowie eine kleine Werkstatt eingerichtet. Drei Modelle vom Typ 40/50HP, volkstümlich als "Silver Ghost" bekannt, waren auch in Frankreich stationiert. Der Erste Weltkrieg zwang Henry Royce zur temporären Aufgabe beider Residenzen, die weniger invasionsgefährdete Ortschaft West-Wittering in Sussex wurde zum neuen Domizil, ehe er wieder die grundsätzlichen Entscheidungen des Unternehmens von Südfrankreich aus lenken konnte. Dazu gehörte auch, dass Prototypen zur Begutachtung nach Frankreich überstellt wurden. Dabei kamen Rolls-Royce-Modelle zweifellos mit den prächtigen Corniches in Berührung. Die Anwesen "Villa Jaune" von Claude Johnson und "Villa Mimosa" wo Henry Royce und sein Stab von 1911-1931 wirkten, sind noch heute erhalten. Henry Royce, dem die Ärzte 1911 nur noch wenige Monate zu leben gaben, sollte seinen Retter Claude Johnson gar um 7 Jahre überleben, ehe 1933 auch sein erfülltes Leben zu einem Ende kam. ![]() Rolls-Royce hatte bereits 1931 die Gelegenheit genutzt, den insolventen Rivalen Bentley zu übernehmen. Walter Owen Bentley hatte sein Unternehmen zu höchstem sportlichen Ruhm geführt, wovon fünf Siege in Le Mans zwischen 1924 und 1930 zeugen. Dabei hat er aber zweifellos kommerzielle Aspekte hintangestellt, wofür ihm die Banken schließlich die Rechnung präsentierten. Rolls-Royce dachte nicht daran, Bentley in der bisherigen Form, orientiert an sportlichen Spitzenleistungen, weiter zu führen. "The silent sportscar", ein luxuriöser, laufruhiger Tourer war die neue vorgegebene Stilrichtung. Damit wollte sich aber zumindest ein Kunde nicht abfinden. Der in Paris ansässige Grieche Nicolas Embiricos wollte wieder einen sportlichen Bentley verwirklichen und beauftragte den französischen Designer Louis Paulin, eine stromlinienförmige Karosserie für einen Bentley zu entwerfen. Das schließlich von der Karosseriebaufirma Van Vooren in Paris gefertigte Modell schaffte 190 km/h auf der Rennstrecke von Montlhéry. Dies blieb nicht ohne Eindruck auf Rolls-Royce, wo man gerade damit beschäftigt war, den neuen Bentley Mk.V zu schaffen. So wurde ein stromlinienförmiger Mk.V-Prototyp vom Vorstand bei Van Vooren in Auftrag gegeben und unter dem Projektnamen "Corniche" noch im Sommer 1939 ausgiebigen Tests in Frankreich unterzogen. Der elegante pilarless Saloon im aerodynamischen Styling wurde jedoch im kurz danach hereingebrochenen Krieg in Frankreich ein Opfer deutscher Bomben noch ehe er in Dieppe auf ein Schiff Richtung England verladen werde konnte. Das nächste Mal tauchte der Name als "Corniche II " im August 1951 erneut für einen Prototypen auf. Diesmal war das erklärte Ziel einen besonders sportlichen Bentley Mk.VI zu schaffen, der durch Leichtbau und aerodynamische Karosserie 120 mph erreichen sollte. Das Ziel wurde von Corniche II erreicht und das Modell ging 1952 als der berühmte Bentley R-Type "Continental" in Produktion. ![]() Im konservativen Management von Rolls-Royce griff man gerne auf Namen der Vergangenheit zurück, wovon bis zum Jahre 1971 nicht nur sechs Modelle mit der Bezeichnung Phantom zeugten, sondern auch der Silver Wraith, der dem Vorkriegsmodell Wraith gefolgt war. Vor diesem Hintergrund kann der Rückgriff auf den bereits gefundenen Namen Corniche nicht überraschen. Die Karosseriebauer. An dieser Stelle ist ein kleiner Rückblick auf die Geschichte von Karosseriebauern mit einem Naheverhältnis zu Rolls- Royce angebracht. William MacDonald Park und Charles W. Ward hatten bereits einige Zeit bei der Londoner Niederlassung der französischen Firma Sizaire-Berwick zusammen gearbeitet, ehe sie sich 1919 entschlossen, ihr eigenes Unternehmen im Londoner Vorort Willesden zu gründen. Sie erwarben von der Londoner General Omnibus Company die nicht mehr benötigten riesigen Stallungen und begannen hier Karosserien für luxuriöse Automobile zu entwerfen und zu fertigen. Bereits 1920 hatten sie ihren ersten Rolls-Royce fertig gestellt und bald auch die Aufmerksamkeit des Werks in Crewe gewonnen, das die Kooperation mit dem noch jungen Unternehmen suchte und 1933 auch eine finanzielle Beteiligung einging. Park Ward entwickelte sich in der Folge zur ersten Adresse für Aufbauten auf Fahrgestelle von Bentley - über 1.000 Karosserien sollten hier für Bentley entstehen, soviel wie von keinem anderen Karosseriebauer. Park Ward erwies sich überdies als innovativ und ging 1936 - früher als andere - von Holzrahmen auf Stahlgerüste mit Aluminiumaufbau über. Zudem wurde in diesem Jahr die Herstellung der Kotflügel durch spezielle Formen wesentlich vereinfacht und kostengünstiger gestaltet. Dennoch war das Unternehmen Ende der dreißiger Jahre in einer prekären Situation, was Rolls-Royce nutzte, um 1939 auch die restlichen Anteile zu übernehmen und sich auf diese Weise sowohl Know-how als auch Fertigungskapazitäten zu sichern. Diesem Umstand ist zu verdanken, dass Rolls-Royce nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr nur Fahrgestelle, sondern auch ganze Automobile anbieten konnte, beginnend mit den Modellen Bentley Mk.VI und Rolls-Royce Silver Wraith. Park Ward mit Charles Ward als Geschäftsführer blieb bis 1952 gestalterisch unabhängig, ehe Rolls-Royce begann, den Stil für das Tochterunternehmen vorzugeben. ![]() Die Zusammenarbeit mit Rolls-Royce war hervorragend, das erfolgreichste gemeinsame Projekt war zweifellos der berühmte Bentley Continental zwischen 1952 und 1959. Weiters war H. J. Mulliner für einen überzeugenden offenen Zweitürer auf Basis des Silver Cloud verantwortlich. Auch wenn rund 90% der Kundschaft mit den von Rolls-Royce nach dem Zweiten Weltkrieg angebotenen Standard-Saloon Karosserien für die Typen Silver Dawn und Silver Cloud zufrieden waren, die potentesten Kunden wählten nach wie vor eine nach ihren Sonderwünschen gestaltete bzw. modifizierte Karosserie. Während beim Silver Dawn Park Ward mit 26 Drop Head Coupés an der Spitze der Sonderaufbauten stand, sollte H. J. Mulliner bei offenen Silver Clouds stilprägend werden. ![]() Als der Phantom VI 1991 aus dem Programm genommen wurde, war mit der verbleibenden Corniche freilich nicht mehr die Mindestanzahl an Fahrzeugen gewährleistet, die einen eigenen Fertigungsstandort rechtfertigte. Anfang 1992 wurde daher die Produktion in Willesden eingestellt und fortan der Corniche direkt im Werk in Crewe produziert. Mulliner Park Ward wurde damals von einem Tochterunternehmen zu einer Abteilung von Rolls-Royce, die in Crewe auch die Fertigung der Silver Spur Limousine sowie von Spezialeinbauten wie Panzerungen, schusssicherem Glas, Fernsehapparaten und speziellen Accessoires übernahm. ![]() Als Ende des vorigen Jahrhunderts Bentley und Rolls-Royce zwischen den neuen Eigentümern Volkswagen und BMW aufgeteilt wurden, wurde auch Mulliner Park Ward wieder geteilt. Bentley Kleinserien durften sich fortan mit dem Zusatz Mulliner schmücken, während Park Ward Rolls-Royce vorbehalten blieb. Vor diesem Hintergrund sollte es noch zwei Rolls-Royce-Modelle geben, die nach dem ehemaligen Karosseriebauer benannt waren. Der Rolls-Royce Park Ward I von 1995-1998 war ein Silver Spirit mit deutlich verlängertem Radstand sowie leicht erhöhtem Dach und hatte noch den in Crewe entwickelten V8-Turbomotor, während der Rolls-Royce Park Ward II von 2000-2002 ein fast unmerklich verlängerter Seraph war und bereits das von BMW zugekaufte V12-Aggregat hatte. ![]() Das neue Modell konnte vieles besser als seine Vorgänger, allein es wirkte lang nicht mehr so glamourös. Auch ein zeitgleich vom Karosseriebauer James Young vorgestelltes Fixed Head Coupé wirkte hausbacken, weil es jeglichen Schwung in der Seitenlinie vermissen ließ. James Young, der auch schweren Phantom VModellen ab Anfang der 60er-Jahre fast sportliches Aussehen verlieh, hatte hier sein Waterloo erlebt und sollte es zu nicht mehr als 50 Aufträgen für einen Rolls-Royce oder Bentley in dieser Form bringen. Im März 1966 kam mit dem Genfer Automobilsalon aber eine überzeugende Alternative auf den Markt, für dessen Linie die verbundenen Karosseriebauer H. J. Mulliner und Park Ward verantwortlich zeichneten, die das Silver Shadow Fixed Head Coupé auch gesondert vom Saloon fertigten. Das Silver Shadow Fixed Head Coupé von 1966 war die erste gemeinsame Creation. Es stach den Entwurf von James Young um Welten aus, obwohl der entscheidende Unterschied nur in ein paar Rundungen bestand - aber die hatten "das gewisse Etwas"! Ein sexy Hüftschwung in der Seitenlinie war das entscheidende Stilmittel. Dieser Kunstgriff milderte die Kantigkeit des Silver Shadow Saloon drastisch und gab dem Wagen eine Linie, wie man sie von den Vorgängern kannte. Die Kotflügel waren im Laufe der Zeit immer weniger hervorgehoben worden. Es war gerade James Young, der bei einem Silver Wraith 1953 oder einem Silver Dawn 1954 jene Linie prägte, die 1955 für den Silver Cloud vom Werk gewählt wurde. Dabei waren die Kotflügel nur mehr angedeutet. Während sie zuvor vom höchsten Punkt über dem Rad oft langgezogen bis zur Karosserieunterkante ausliefen, beschränkte sich die neue Linie auf Akzente knapp unterhalb der Fensterlinie. Mulliner Park Ward machte das Silver Shadow Coupé mit dieser Akzentuierung zu einem optisch perfekten Übergang zwischen Silver Cloud III und Silver Shadow. ![]() Die Produktion bei Mulliner Park Ward war zwar von der äußeren Form nicht über das Grundmodell individualisiert, aber sonst so aufwändig wie einst. Die in Willesden bei London geschaffenen Rohkarosserien wurden ins 240 km entfernte Crewe transportiert, um dort ihre mechanische Ausstattung zu erhalten. Zurück bei Mulliner Park Ward wurden die Fahrzeuge lackiert und erhielten ihre sehr individuelle Innenausstattung. Man sagt, dass kein einziges Modell wie das andere war, was glaubhaft ist, waren doch Flottenbestellungen wie von Harrods oder dem Peninsula Hotel auf Saloons beschränkt. Der beschriebene Prozess beanspruchte 6 Monate pro Fahrzeug, was den markant höheren Preis zu einem Großteil erklärt. Die für das Cabriolet erforderlichen Versteifungen machten es auch deutlich schwerer als den Saloon. Um diese abgehobene Stellung der Zweitürer besser vermarkten zu können, entschied man sich, ab 1971 sowohl das Fixed Head Coupé als auch das Drop Head Coupe neu zu bezeichnen. Die Wahl des Namens war ein Novum, erhielt doch erstmals ein Rolls-Royce keinen englischen Namen wie Phantom, Wraith, Dawn, Cloud oder Shadow, sondern einen französischen: Corniche! Nicht überraschend erfolgte die Markteinführung auch an der Cote d’Azur. 1971 war ein Schicksalsjahr in der Firmengeschichte, denn als Folge der am 4. Februar eröffneten Insolvenz, die aus der kostspieligen Triebwerksentwicklung herrührte, wurden Automobilbau und Triebwerksherstellung in zwei Gesellschaften getrennt. Die Rechte am Namen Rolls-Royce gingen dabei an die RR -aero engines, ein wichtiger Umstand, der offenbar im one pager fehlte, mit dem Herr Piech auf sein Kaufangebot ein Vierteljahrhundert später vorbereitet wurde. Im März 1971 erwarteten am Flughafen von Nizza neun Corniches die Motorjournalisten. Ein neues Modell nicht im Rahmen einer Motorshow im Heimatland zu präsentieren war für damalige Verhältnisse gewagt, doch konnte der dafür verantwortliche David Plastow den Aufwand leicht mit dem Hinweis rechtfertigen, dass die Exkursion weniger als die Hälfte dessen kostet, was man gedenkt, für eines der vorgestellten Modelle zu verlangen. Der Konvoy der Fahrzeuge auf der Promenade des Anglais erregte Aufmerksamkeit wie sonst nur das Filmfestival. Die Präsentationsfahrt führte über die Corniches nach Menton und weiter entlang der italienischen Riviera. Dann folgte eine Autobahnetappe, ehe es zurück an die Küste nach Monaco ging, wo der Tag im Vistaero-Hotel an der Grande Corniche mit Blick auf Cap Martin ausklang. ![]() Das neue Modell war so erfolgreich, dass die Produktion nicht hinreichte, die Nachfrage zu befriedigen. Das Ergebnis war, dass zwei Jahre alte Modelle um 180% des Neupreises gekauft wurden von Leuten, die nicht gewohnt waren, auf ein Auto zu warten. Um den Listenpreis des Corniche hätte man 1973 auch zwei Daimler DS 420 Limousine oder 13 Ford Escort erhalten. Angesichts dieses Erfolges der Corniche sah Rolls-Royce die Chance, sogar noch eins draufzulegen und präsentierte 1975 ein noch teureres geschlossenes Coupé, den Camargue. Der Rückgriff beim Namen auf die der Cote d’Azur benachbarte Region war hier im wahrsten Sinn des Wortes nahe liegend. Obwohl von Pininfarina gestylt, geriet der Camargue wohl zum bis dahin hässlichsten Rolls-Royce. Er war massig, plump und extrem teuer, aber er nahm die Linie vorweg, die von 1980 bis heute Rolls-Royce prägen sollte. Da sein deutlicher Mehrpreis gegenüber dem Corniche Fixed Head Coupé bei gleicher technischer Basis schwer zu erklären war, nahm Rolls-Royce den eleganteren der beiden geschlossenen Zweitürer 1982 aus dem Programm. Fortan stand der Name Corniche allein für das Drop Head Coupé, welches den unförmigen Camargue um ein Jahrzehnt überleben sollte! ![]() Überhaupt muss man angesichts unterschiedlicher Märkte Abstand nehmen von der Vorstellung ein Corniche hätte überall gleich ausgesehen. Schwarze Kunststoffstoßfänger waren für die Amerika-Modelle bereits seit 1973 aufgrund der dortigen Sicherheitsbestimmungen nötig, aus Gründen der Rationalisierung wurden sie ab 1977 schließlich auch für die Europamodelle eingeführt. Wie von Jaguar E-Type bis Maserati GT bekannt, wollen amerikanische Sicherheitsvorschriften die Augen anderer Fahrer wie von Passanten oft vor allzu viel verführerischer Schönheit schützen. Diesem Eifer haben wir seitliche Positionslichter, zusätzliche, größere Leuchteinheiten hinten und bei späteren Modellen aus dem Kofferraumdeckel herauswuchernde dritte Bremsleuchten zu verdanken. Es waren also eher durch gesetzliche Auflagen erzwungene Modifikationen, die zu kleinen Veränderungen am Jahrhundert-Entwurf führten, abgesehen davon hätte das Urkonzept keiner Anpassung bedurft. Erst nach 17 Jahren hielt Rolls-Royce es für angebracht ab 1988 von einer 2. Serie unter der Bezeichnung Corniche II zu sprechen. In den verbleibenden acht Produktionsjahren sollten gleich drei weitere folgen, die man freilich eher mit den mittlerweile branchenüblichen facelifts gleichsetzen sollte. Der Corniche II von 1988 hatte ABS serienmäßig, der bereits 1989 ausgerufene Corniche III auch den Airbag, von diesem Zeitpunkt an waren auch die Stoßfänger in Wagenfarbe lackiert. Mit dem Corniche IV hielten 1993 eine Heckscheibe aus Glas sowie elektrische Ent- und Verriegelung des Verdecks Einzug. Die letzte Serie des Corniche trug die Zusatzbezeichnung S, war auf 25 Stück limitiert und verfügte über durch Turbolader drastisch leistungsgesteigerte Motoren. Die zweifellos eleganteste Farbe für einen Corniche ist dunkelblau. Ein bereits 1993 unter Einrechnung des Vorgängermodells Silver Shadow Drop Head Coupé präsentiertes Jubiläumsmodell in limitierter Auflage war folglich ausschließlich in dieser Farbe mit magnoliafarbenem Leder erhältlich. Die offizielle Bezeichnung der exclusiv bei diesem Modell verwendeten Außenfabe war Ming-Blue. Beim Corniche S von 1996 konnte man zwar auch andere Farboptionen wahrnehmen, dunkelblau war jedoch erneut der Favorit, wobei Peacock-Blue damals auch für andere Rolls-Royce und Bentley-Modelle verfügbar war. ![]() Der Corniche sollte nicht nur das viertürige Schwestermodell Silver Shadow überleben, sondern auch dessen 1980 präsentierte Nachfolger Silver Spirit/Silver Spur/Silver Dawn II /Flying Spur, für dessen Design übrigens der Wiener Fritz Feller verantwortlich zeichnete. Zwar gab es Pläne, auch den Corniche diesen Modellen im Volvo-Look anzupassen, erfreulicherweise blieb es jedoch werksseitig bei einem nicht fahrfähigen 1:1 Modell eines Cabriolets mit nur minimaler Akzentuierung der Seitenlinie. Das hielt freilich die wiederauferstandene Karosseriebaufirma Hooper nicht ab, 1979 bei Rolls- Royce ein Chassis zu ordern und ein vom Spirit inspiriertes Corniche Fixed Head Coupé zu gestalten. Front, Heck und Rückfenster im Stil des Spirit wurden in 18-monatiger Arbeit mit dem traditionellen Corniche-Körper verschmolzen. Das Ergebnis war besser als der werkseigene Ansatz, das Hooper-Modell sollte aber ein Einzelstück bleiben. Den Corniche V von 2000 wird man weniger als eine neue Serie, sondern vielmehr als neues Modell qualifizieren können, das sich aber an der Urform orientierte und auch den Turbomotor des Corniche S übernahm. Die Seitenlinie war nun durchgängig abfallend, gut taten dem Erscheinungsbild die dezent gerundeten Formen abseits des unter Denkmalschutz stehenden klassischen Kühlergrills. Der Corniche V verdient freilich in anderem Zusammenhang hervorgehoben zu werden. Obwohl er in der kurzen Zeit von Volkswagen als führender operativer Gesellschaft präsentiert wurde, ist er der letzte Rolls-R oyce, dessen Design und Motor aus Crewe kommt. Optisch ein offener Seraph, jedoch nicht wie dieser bereits mit dem BMWV12-Motor, sondern noch mit dem Britischen V8-U rgestein. Er hätte sicher eine längere Produktionszeit als nur zwei Jahre verdient, aber geänderte Eigentumsverhältnisse standen dem entgegen. Was danach folgte, weckte weniger Erinnerungen an eine Riva-Yacht als an einen Panzerspähwagen und verursacht vielen Enthusiaten der Marke bis heute "Phantomschmerzen". Die Veränderungen beim Corniche innerhalb eines Vierteljahrhunderts Produktionszeit erschließen sich abgesehen von der Einführung der Kunststoff-S toßfänger erst auf den zweiten Blick. Dennoch sollte das nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Corniche unter einer zeitlosen Karosserie sehr wohl mit der Zeit gegangen ist und im Laufe der Jahre auch ABS, Airbag und adaptive Federung Einzug hielten. Damit war man vor über 15 Jahren bereits genau so weit wie heute, da sich ein Motor aus München und eine Karosserie aus Dingolfing auf Hochzeitsreise nach Goodwood begeben. ![]() Der ursprüngliche Ansatz war zweifellos dem wohlhabenden Briten, der über einen Zweitwohnsitz in Südfrankreich verfügt, zumindest beim Zweitauto das Dach über dem Kopf zu rauben. Im Laufe der Jahre haben sich die Rolls- Royce-Zielmärkte eindeutig von Europa nach US A und Asien verlagert. Über 800 Corniches sind in Californien registriert und es verwundert daher nicht, dass man dort nicht weniger als 70 Besitzer für eine Parade im Jahre 1993 gewinnen konnte. Südfrankreich mit über 150 Exemplaren kann Platz zwei vor Japan mit über 100 Corniches freilich sicher behaupten. In Asien hat sich der Corniche auch im Fuhrpark von Herrscherhäusern etabliert, wobei wir den Sultan von Brunei ausklammern, denn der ist mit seinen über 1000 Automobilen bei so gut wie jeder Marke und jedem Modell Spitzenreiter. Die Corniche als das klassische Selbstfahrer-Auto wurde kaum für offizielle Paraden genutzt, da man gekrönten Häuptern in der Regel nicht den Zugang zur Rückbank über einen nach vorne geklappten Sitz zumutet - für diese Zwecke gab es viertürige Cabriolets auf Basis des Silver Cloud oder Landauletten auf Basis von Phantom IVVI - mit getrennten Eingängen für Herrschaft und Personal. Die Hochzeit des japanischen Kronprinzen 1990 bot die wohl einmalige Gelegenheit, ein Mitglied eines Herrscherhauses am Beifahrersitz zu erleben, während seine Frau in die zweite (Sitz)Reihe verwiesen war. Vielleicht war es aber gerade asiatisches Gefühl für Ausgewogenheit, eine Frau an das Ende der Parade zu setzen, zumal eine andere bei Rolls-Royce ohnedies stets an erster Stelle steht - seit 1911. Der Corniche ist der einzige alltagstaugliche Gebrauchtwagen, um den sich Billionäre reißen, weil ein so stimmiges over-the-top-Auto heute nicht mehr erzeugt wird. Ein spezielles Kennzeichen ist bei diesem Modell wohl nie eine Frage des Geldes, sondern eher der Gelegenheit, wobei andere Nationen uns Österreicher um Gestaltungsspielraum und moderate Kosten beneiden. Irland hat anlässlich des Besuches von Papst Johannes Paul II. das Kennzeichen VIP 1 aufgelegt und anschließend weltweit versteigert. Wir können davon ausgehen, dass der russische Billionär Roman Abramovich 285.000 GBPs dafür nicht aus Wertschätzung für den Heiligen Vater locker gemacht hat. ![]() Stabilität und Verwindungssteifigkeit der Karosserie sind auch nach 41 Jahren sensationell und brauchen keinen Vergleich mit heutigen Cabrios zu scheuen. Die Erklärung dafür ist einfach - man musste nicht aus Kostengründen mit möglichst wenig und möglichst billigem Material bauen. Die Türen brauchen den Vergleich mit einer Safetür nicht zu scheuen und die Fensterrahmen sowie die Glasstärke lassen Panzerglas vermuten. Der Vergleich mit einem offenen Geldtransporter ist auch im übertragenen Sinn nicht weit hergeholt. Dieses kompromisslose "das Beste oder Nichts"-Denken gibt dem Fahrer des Corniche auch bei Fahrten über mit 7 cm Schnee bedeckten Schweizer Alpenstraßen das Gefühl, mit der HMS Queen Elizabeth den Atlantik zu durchkreuzen - stoische Ruhe von Fahrverhalten wie Geräuschkulisse auch unter widrigsten Bedingungen. Dass man mit dem Corniche über den Dingen steht, zeigt sich auch im urbanen Umfeld wie auf der Ringstraße, wo die Z3, A4 oder MX5 usw. wie Beiboote, um nicht zu sagen Plastikenten in der Badewanne des Verkehrs wirken. Der Corniche-Fahrer wird von keinen anderen PKWs überschattet und findet sich auf Augenhöhe mit Range Rover-Piloten. Die Fahrleistungen sind ausreichend, um ein halbes Dutzend hinter einem LKW hinterherzuckelnde Mittelklassewagen am Stück zu überholen - nicht für die Selbstbestätigung, aber für einen ungetrübten Blick auf die Landschaft. Geraden oder langgezogene Kurven sind dafür freilich Voraussetzung, denn enge oder gar wechselnde Kurven sind mit der komfortablen Federung und dem hohen Schwerpunkt nicht kompatibel. Der Corniche ist für Autobahnetappen mit 130 km/h ebenso geeignet wie für den City-Boulevard, am schönsten sind freilich Fahrten auf Landstraßen. Was am meisten verblüfft und ich nicht erklären kann, ist die Abwesenheit von störenden Windgeräuschen, obwohl an dem Modell absolut nichts sich am Wind orientiert - abgesehen vom Spirit of Ecstasy. Der V8 mit 6,75 l Hubraum bereitet nur beim Starten Probleme, da es heute wenig Flecken gibt, wo es so ruhig ist, dass man nicht riskiert, weiterhin den Starter zu betätigen, obwohl der Motor bereits läuft. Während der Fahrt gibt es beim Tritt aufs Gaspedal ein kurzes Fauchen, aber keine Dauerdurchsagen "Hier komme ich" an die örtliche Wohnbevölkerung wie bei V8 mit Ursprungsort Italien. Der 100-Liter-Tank reicht für den Tagesbedarf - Rolls-Royce fertigt ja bekanntlich ebenso erfolgreich Triebwerke für die Luftfahrt und dort wird in Betriebsstunden und nicht in Kilometern oder Miles gerechnet. Natürlich kann man mit diesem Auto auch 12 Stunden am Stück fahren, unterstützt von bequemen Sitzen, Automatik und Tempomat (Originalausstattung von 1971). Aber mit diesem Auto verkommen Distanz, Verbrauch, Durchschnittsgeschwindigkeit und andere Fetische heutiger trip-controls zu kleinkarierter Buchhalterei. Wer am Steuer dieses Autos sitzt, muss niemand Rechenschaft darüber ablegen, wie lange er wo war und wieviel Benzin er dafür gebraucht hat - hier fährt der Chef! Eilig sollte man es schon allein deshalb nicht haben, weil der Wagen stets von interessierten Passanten umgeben ist, die der echte Weltbürger nicht ignoriert. Arroganz und Distanz ist denen zu Eigen, die sich ihrer Sache nicht sicher sind. Wer sich von Mitmenschen abschotten möchte, findet in einem fünfsitzigen Cabriolet denkbar schlechte Voraussetzungen vor - ein silberfarbener Audi A8 mit getönten Scheiben ist für solche Leute zweifellos die bessere Wahl. Gibt es eine Alternative zum Corniche? Nein, Fahrer von Ferraris ähnlicher Präsenz sind an jeder zweiten Ampel mit Honda Civic oder Audi TDI-Fahrern konfrontiert, die ihrer weiblichen Begleitung imponieren wollen. Der Corniche, der sich nicht über Geschwindigkeit definiert, kann weder überholt noch ausgebremst werden, man ist außer Konkurrenz unterwegs, solange nicht Loireschlösser mobil werden. Tips zu Route und Rolls. Es gibt unzählige Klippenwege und Küstenstraßen zwischen Luxemburg und Tunesien mit der Bezeichnung Corniche. Mein Favorit ist die 1903 angelegte Corniche de l‘Esterel zwischen St. Raphael und La Napoule, die auch Corniche d’Or genannt wird. Wem diese Darstellungen Appetit gemacht haben, sich von der empfohlenen 5-jährigen Aufbrauchsfrist eines Neuwagens zu verabschieden, der sollte für den letzten klassischen Rolls- Royce in bestem Zustand EUR 70.000,- kalkulieren. Einsteigen kann man auch mit EUR 30.000,- und die Diskrepanz über kontinuierliche Nachbesserungen nachreichen. Mehr als EUR 70.000,- sind nur für drei Modelle nötig: eines der 25 offiziellen Jubiläumsmodelle von 1993, eines der 25 Corniche S-Exemplare von 1996 oder den Corniche V von 2000-2002. Es gibt Personen und Länder, für die der Besitz eines Rolls-Royce einen hohen Stellenwert einnimmt. Der Brite Jim Fleming, Präsident des Rolls-Royce Enthusiast Club (RR EC), relativiert das - ihm gebührt das letzte Wort: "We are not owners we are just keepers and do our best to preserve these beautiful cars for the next generation. |