Ybbstalbahn
Geschrieben von Eva Vielhaber   

Heft bestellen - Ybbstalbahn - Schofkas-Express

Das Wahrzeichen des Ybbstales

Text: Eva Vielhaber
Photos: Thomas Vielhaber, Peter und Paul Wachauer

 

Jahrhunderte lang führten alte Handelsrouten zwischen dem steirischen Erzberg und der Donau, die heute als "Eisenstraßen" bekannt sind.  Entlang dieser Straßen und aufgrund der Wasserkraft der Ybbs, entstand auch im im Ybbstal, im niederösterreichischen Mostviertel, eine Kleineisen-Industrie, die der Region zu einem gewissen Wohlstand und den Namen "Eisenwurzen" verhalf.
Mit der Industriellen Revolution im 19. Jahrhundert geriet das Ybbstal wirtschaftlich ins Hintertreffen, was auch auf das Fehlen einer Bahnverbindung zurückgeführt wurde.

ImageDie Geschichte der Ybbstalbahn "Dem Wahrzeichen des Ybbstales", auch liebevoll "Schofkas - oder Schafkäs-Express" 1) genannt, begann in dieser Zeit.
Trotz dem Wiener Börsenkrach im Jahre 1873 und zahlreichen anderen Problemen, strebten dennoch wichtige Vertreter des Ybbstales, ihnen allen voran der Waidhofner Industrielle, Landtags- und Reichsratsabgeordnete Gottfried Jax (1844 - 1902), den geplanten Bau dieser Bahnverbindung zunächst in Normalspur, später in Schmalspur an. Die Vorteile einer Schmalspurbahn in "bosnischer Spurbreite" (="Bosnaspur" = 760 mm)) waren damals, außer den bedeutend geringeren Baukosten, auch die bessere Anpassung an die natürlichen Gegebenheiten, dies ergab wiederum eine Kostenreduktion, da man sich vielerorts Tunnels, größere Brücken etc.  ersparte.
Das wichtigste und entscheidende Kriterium war aber, dass zu jener Zeit bei sämtlichen Schmalspurbahnen in den Ländern der Donaumonarchie, diese Spurbreite vorgeschriebener Standard war. Denn im Falle eines Krieges sollten jederzeit passende Schienenfahrzeuge für die k.k. Heeresfeldbahnen zur Verfügung stehen.
Im Ybbstal erhofften sich die Menschen vom Bau dieser Bahn vor allem eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse. Aber auch für den neuen Wirtschaftszweig, den Fremdenverkehr, sollte das Ybbstal leichter zugänglich gemacht werden. Da die Bahn sowohl in Waidhofen an die Kronprinz-Rudolf Bahn (Amstetten - Kleinreifling) und bei Kienberg-Gaming an die Bahn nach Pöchlarn anschloss, sollte die Anreise für die "Sommerfrischler", vor allem aus Wien, besser möglich sein.

ImageEine Bahn belebt das Ybbstal.
Um den Bahnbau voran zu treiben, wurde 1882 von den Bahnbau-Befürwortern ein "Ybbstal Comité" gegründet und mit einer "Petition", die an das Abgeordnetenhaus des Reichsrates gerichtet war, wurde auf die schlechte wirtschaftliche Lage in dieser Region mit Nachdruck hingewiesen. Im Vordergrund stand für den beabsichtigten Bahnbau der volkswirtschaftliche Aspekt, nie! Gewinn und Rentabilität!
Nach zähen Verhandlungen und regem Schriftverkehr wurde am 26. Dezember 1893 das "Gesetz betreffend die Herstellung der Ybbstalbahn" verabschiedet.
Am 1. Juni 1895 war es dann so weit. Es wurde mit dem Bau des ersten Streckenabschnittes Waidhofen - Groß Hollenstein begonnen, der bereits am 15. Juli 1896 fertig gestellt wurde.  Nach nur drei Jahren Bauzeit kam es am 15. Mai 1898 zur Eröffnung des zweiten Teilabschnittes von Groß Hollenstein bis Lunz am See und am 12. November 1898 dem bautechnisch schwierigstem dritten Teilstück von Lunz am See nach Kienberg-Gaming. Anstelle der ursprünglich geplanten Stichstrecke von Lunz nach Langau wurde schließlich eine Zweigstrecke von Gstadt nach Ybbsitz errichtet und am 9. März 1899 eröffnet; somit war das Ybbstal für die Öffentlichkeit zugänglich 2).
Entlang dieser Strecken sollten zu dieser Zeit zahlreiche Bauwerke entstehen, die allesamt Meisterleistungen der damaligen Konstrukteure und Erbauer waren und mittlerweile denkmalgeschützt sind.
So zum Beispiel: das "Schwarzbachviadukt" in Waidhofen an der Ybbs, das 1945 in den Wirren der letzten Kriegstage nur knapp einer geplanten Sprengung entgangen ist. Das Viadukt und die Eisenbrücke bei Gstadt, die Brücken über den Wetterbach- und Hühnernestgraben zwischen Pfaffenschlag und Gaming. Diese Brücken in "Trestlework-Bauweise", wurden nach amerikanischen Brücken-Vorbildern der Pionierzeit des "Wilden Westen" konstruiert.
Nicht zu vergessen, der unter Denkmalschutz stehende Lokalbahnhof in Waidhofen an der Ybbs und das Aufnahmegebäude in Ybbsitz mit der Remise.

ImageDie "kleine Bahn" als Helfer in der Not. Bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges florierte die Sommerfrische und somit konnten Einkommensausfälle aus dem Niedergang der Kleinindustrie entlang der Ybbs kompensiert werden, die kleine Bahn der Ybbstaler war wieder einmal "Helfer in der Not!"
Im 1. Weltkrieg hatten die bestehenden Lokalbahnen schwer mit der veränderten wirtschaftlichen Lage zu kämpfen. Nicht nur die Abhängigkeit von Kohleimporten, sondern auch das Militär, das von seinem Recht Gebrauch machte, im Bedarfsfall Fahrzeuge für den Fronteinsatz zu requirieren, setzten auch der Ybbstalbahn massiv zu.
Durch die einhergehende, immer stärker werdende Konkurrenz des Straßenverkehrs in Österreich, kam schließendlich der Bau von Eisenbahnen in dieser Zeit fast endgültig zum Erliegen.  1930 erfolgte die Verstaatlichung der Ybbstalbahn, die Bundesbahnen Österreichs (BBÖ) waren Rechtsnachfolger der k.k.St.B. (kaiserlich - königliche Staats Bahnen).
Zu dieser Zeit setzte man bereits die erste Lokomotive mit Verbrennungsmotor ein. Diese Lokomotive mit benzinelektrischer Kraftübertragung nach dem Prinzip GEBUS erhielt die Nummer 2021/s. Diese und die vierachsige diesel-elektrische 2070/s kamen im Ybbstal zum Einsatz, blieben aber Einzelstücke. Beide sind heute noch als betriebsfähige Museumsstücke in Obergrafendorf bzw. Kienberg/Gaming zu bewundern. Die Firma GEBUS (GEBUS = Namens-Abkürzung der Firmeninhaber: GElinek, BUchleitner und Strizek) wurde ursprünglich 1923 in Salzburg gegründet. Gelinek entwickelte das GEBUS -System, eine Art benzin- bzw.  diesel-elektrischer Antrieb von Eisenbahnfahrzeugen.
Gelinek wird zu Recht als Pionier, was den Antrieb von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren betrifft, bezeichnet. 1926 wurde dieses von ihm entwickelte System patentiert und in weiterer Folge folgte die Vergabe zahlreicher Lizenzen.  Während des 2. Weltkrieges und in der anschließenden Besatzungszeit durch die russischen Alliierten blieb die Ybbstalbahn glücklicherweise von nennenswerten Schäden verschont.
Seit Beginn der 1960er Jahre waren erstmals Lokomotiven der neuen Dieselbaureihe 2095 in Betrieb. Somit wurden die Dampflokomotiven, die auf der Bergstrecke nach Kienberg-Gaming bis dato noch unentbehrlich waren, gänzlich abgelöst.

ImageClub 598 wird aktiv. Der "Club 598" mit seinem Obmann Ing. Siegfried Nykodem wurde 1973 im 75. Jahre des Bestehens der Ybbstalbahn gegründet, um die bereits damalige Absicht, die Bahn "sterben zu lassen", zu verhindern.
Zwei schrottreife "Ybbstaler Verbundlokomotiven", Baujahr 1896, des genialen Lokomotiven-Konstrukteurs Karl Gölsdorf 3) der Reihe Yv., (Y = Ybbstalbahn, v = Verbundantrieb), wurden vom Club 598 erworben. Aus Lokalpatriotismus entschloss man sich, eine dieser Loks, die Yv.2, ehrenamtlich zu restaurieren. Seit 1979 steht die Yv.2 für Dampf-Nostalgiefahrten zur Verfügung.  Die 3. dieser Lokomotiven (Yv.1) steht als Denkmal, fernab vom Ybbstal und jeder Schmalspurbahn, in Eichgraben bei Wien. Der Name "Club 598" deshalb, da diese Lokomotiven Anfang der 1950er Jahre durch die ÖBB die Nummer "598" als Zusatzbezeichnung bekamen.  Die wirtschaftliche Bedeutung dieser wunderschönen Schmalspurbahn war für das Ybbstal bis in die 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts sehr groß. Vor allem der Holztransport hatte einen hohen Stellenwert eingenommen. Erwähnenswert ist, dass die Ybbstalbahn als einzige Schmalspurbahn Österreichs bis zur Streckenunterbrechung 2009 für diese Gütertransporte genutzt wurde!
Da im Jahre 1988 die Teilstrecke zwischen Lunz und Kienberg-Gaming stillgelegt wurde, gründeten die Ybbstaler Eisenbahner 1991 einen Verein ("Pro Ybbstalbahnen"), um die bestehende Reststrecke zu erhalten, zu bewerben und attraktiver zu machen. Zwei der Waggons wurden zu Bar-Wagen umgebaut und "Themenzüge" entstanden, wie: Weihnachtszüge, Westernzüge mit Cowboy-Überfällen, ...

ImageDie Schicksalsjahre. 2006 und 2007 wurde die Trasse entlang der Ybbs vom Hochwasser an mehreren Stellen beschädigt. Dies hatte zur Folge, dass ein Schienenersatzverkehr eingerichtet wurde. Die Reparatur-Arbeiten gingen schleppend voran, wurden nur an manchen Stellen vorgenommen, und somit konnten einige Bereiche der Strecke nur noch in geringer Geschwindigkeit befahren werden. Folglich kam es zu massiven Fahrzeitverlängerungen.
Der Schülerverkehr, der bis dahin für den Betrieb der Ybbstalbahn die Haupteinnahmequelle und die Garantie ihres Fortbestehens war, wurde teilweise auf Busse verlagert.  War das der Beginn der "Passiven Sterbehilfe" für das Ybbstaler Wahrzeichen?
Ab 2008 folgten Studien von Verkehrsplanern, dann die Empfehlung zur vollständigen Einstellung der Ybbstalbahn. Der Busverkehr parallel zur Strecke (Gründung der "Mostviertel-Linie") wurde verstärkt und die Idee eines Radweges auf der Trasse mit kompletter Entfernung der Schienenkörper wurde geboren.
Schon seit Jahren wurde das touristische Konzept des Radtourismus in Kombination "Bahn und Rad" auf der Ybbstalbahn äußerst erfolgreich praktiziert, doch darauf wurde scheinbar bei den o. g. Plänen einfach "vergessen".
2010 wurde die Übernahme etlicher (teilweise auch eingestellter) Nebenbahnen, darunter auch die Ybbstalbahn, durch das Land Niederösterreich angekündigt!
Seitens der BOB (Bayerische Oberlandbahn), wurde Interesse an der Übernahme der Ybbstal - Strecke bekundet, dies wurde aber vom Land Niederösterreich abgelehnt.
Seit Dezember 2010 gibt es nur noch zwischen Waidhofen an der Ybbs und Gstadt die Kurzstrecke der "Citybahn".  Die Abschnitte Gstadt - Ybbsitz und die wunderschöne Strecke Gstadt - Lunz am See wurden komplett eingestellt, nur von Lunz bis nach Göstling wurde eine Reaktivierung als Museumsbahn in Anschluss an die Bergstrecke Kienberg-Gaming - Lunz angekündigt, die 2013 erfolgen soll.

ImageBefürworter und Fürsprecher.
Mag. Wolfgang Sobotka, damals Bürgermeister von Waidhofen/Ybbs und derzeit Niederösterreichischer LHStellvertreter, schreibt in der Festschrift der ÖBB von 1998 "100 Jahre Ybbstalbahn": "...  als amtierender Bürgermeister darf ich anlässlich des 100jährigen Jubiläums die freudige Aussage machen, dass die Ybbstalbahn, aufgrund des Nahverkehrsvertrages zwischen Bund und Land, vertreten durch den Minister a. D. Dr. Rudolf Scholten und LH Dr.  Erwin Pröll, auch noch in den nächsten 25 Jahren in einer der schönsten und reizvollsten Landschaften unseres Landes fahren wird ..."
Sowohl der Verein "Pro Ybbstalbahn", der "Club 598" und die "YEG" (Ybbstalbahn-Entwicklungs- Gemeinschaft) kämpfen seit Jahren mit viel Engagement und Herzblut für die Erhaltung dieser zur Legende gewordenen kleinen Bahn, der man es NIE leicht gemacht hat.
Sie hat eine Region erschlossen, diese lebenswert gemacht und somit das wirtschaftliche Überleben der Ybbstaler gesichert. Sie hat beide Weltkriege überstanden, das Wirtschaftswachstum mitgetragen, Güter, Sommerfrischler, Wanderer, Bahnliebhaber, aber auch Radfahrer transportiert.  Gänzlich ohne Stau, doch mit einem Unterhaltungswert, der unbeschreiblich war!

Quo vadis Ybbstalbahn? Thomas Vielhaber, der Obmann des 1991 gegründeten Vereins "Pro Ybbstalbahn" über die derzeitige Lage: "Zahlreiche Freiwillige und Ehrenamtliche dieser Vereine haben immer wieder bewiesen, wie wichtig ihnen und auch vor allem uns "Ybbstalern" unsere Bahn ist. Es gibt Studien, Konzepte u.v.a.m., die immer wieder belegen, dass die Erhaltung der Bahn machbar und möglich ist. Eine Belebung der touristischen Strecke entlang der Ybbs, vorbei an den Ortschaften, die über Jahrhunderte Geschichte geschrieben haben, wäre so wichtig, um ein lebenswertes Überleben dieser Region und dem Ybbstaler Wahrzeichen auch für die nächsten Jahrzehnte zu sichern. Das Alleinstellungsmerkmal dieser wunderschönen, romantischen Schmalspurbahn als mobiles Kulturgut wäre vor allem in unserer schnelllebigen Zeit für den "sanften Tourismus" auch in Zukunft ein MUSS!"