DAF Automobile
Geschrieben von Wolfgang M. Buchta   

Heft bestellen - DAF Automobile - Narzissen aus Eindhoven

Was fällt euch beim Stichwort Holland spontan ein? Tulpen? Klompen, wie die traditionellen Holzschuhe genannt werden?  Oder doch Edamer Käse?  Automobile werden wohl nicht ganz oben auf der Liste stehen ... Wolfgang M. Buchta durfte holländische Automobile fahren und Ulli Buchta hat diese historischen Ereignisse photographisch dokumentiert.

  ImageDie Auswahl an Marken ist durchaus überschaubar: Spyker baute in der Frühzeit des Automobils - bis etwa 1926 - rund 2.000 meist sportliche Fahrzeuge, und 1999 wurde der Name mit Supersportwagen, die von Motoren aus dem Hause Audi angetrieben werden, wieder belebt.  Joop Donkervoort war der Lotus Seven zu eng und so baut er seit 1978 Sportwagen, die ihre Inspiration nicht verleugnen können.
Die Huet Brüder basteln, pardon bauen, nostalgische Sportwagen auf Basis des Triumph TR 6.  Und dann gibt es resp. gab es noch einen ernsthaften holländischen Automobilhersteller ...
Es wurden einmal - so beginnen ja viele Märchen - zwei Brüder in America geboren - nein, nicht in "Amerika" sondern in America, einem kleinen Ort in Holland, östlich von Eindhoven gelegen.
Joseph Josephus Hubert "Hub" van Doorne, der ältere, war Zeit seines Lebens so alt wie das 20.  Jahrhundert, denn er wurde am 1. Jänner 1900 geboren, und sein Bruder Willem "Wim" van Doorne war sechs Jahre später dran.
Vater van Doorne war Schmied und schon in jungen Jahren liebte Hub es, in der Werkstatt mitzuhelfen. Unglücklicherweise verstarb Martin van Doorne bereits 1912 und die Werkstätte musste an einen anderen Schmied verpachtet werden, bei dem Hub eine Lehre begann.
Mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs wurde der Schmiedemeister eingezogen und Hub versuchte die Firma weiter zu betreiben, aber irgendwie waren die Kunden nicht allzu enthusiastisch beim Gedanken, die Arbeiten einem 14-jährigen Jungen anzuvertrauen, und nach sechs Monaten musste Hub die Schmiede mangels Kundschaft schließen.
Aber er fand eine neue Lehrstelle bei der Maschinenfabrik Jos Mandigers in Eindhoven. Der Lehre folgten einige Stellen als Chauffeur und in einer Brauerei und eine Zeit der Selbstständigkeit, eher er für drei Jahre als Vorarbeiter zu Mandigers zurückkehrte.
ImageIn dieser Zeit trug sich eine Begebenheit zu, die trefflich in die Legende der Firma und ihres Gründers passt. Ein lokaler Brauer namens Huenges fuhr einen Wagen mit Knight-Schiebermotor, der eines Tages ein Problem hatte, das die lokalen Mechaniker nicht beheben konnten. Der junge Hub van Doorne bot seine Hilfe an - und "heilte" den Wagen. Herr Huenges war hoch erfreut und bot Hub an, ihn - sollte er sich einmal selbstständig machen wollen - gerne finanziell unterstützen wollen ...
Die beiden Brüder zögerten nicht lange, ergriffen die Chance und am 1. April 1928 wurde die "Hub van Doorne‘s Machinefabriek" ins Handelsregister eingetragen. Die Hauptkunden des metallverarbeitenden Betriebs waren die Stadt Eindhoven und die dort ansässige Firma Philips.  Ende des Jahres hatte die junge Firma bereits 60 Mitarbeiter, aber im darauffolgenden Jahr setzte die Weltwirtschaftskrise auch in den Niederlanden voll ein, und zahlreiche Kunden mussten ihre Aufträge stornieren.
Die beiden Brüder fanden die richtige Antwort auf diese Herausforderung und diversifizierten - Anhänger hieß das Zauberwort, ein Produkt das trotz Krise gefragt war und rasch wurden die Anhänger zum Hauptprodukt, was sich 1932 auch im neuen Firmenwortlaut - Van Doorne‘s Aanhangwagenfabriek NV, kurz DAF - niederschlagen sollte.
Bei der Namensgebung haben die Brüder vielleicht schon geahnt, dass das "A" in DAF gleichermaßen für "Aanhangwagen" und "Automobiel" stehen könnte ...
Aber noch waren sie nicht so weit und "begnügten" sich vorerst mit innovativen Anhängern und einem neuartigen Containersystem - die heute üblichen ISO -Normcontainer gibt es erst seit Anfang der 1970er Jahre - die einfach von Bahn auf LKWs umgeladen werden konnten.  Bis zur Einführung der ISO -Container war das Daflosser-System nicht nur in den Beneluxstaaten, sondern auch in Frankreich und Deutschland verbreitet.
ImageEin weiterer Schritt in Richtung Automobilbau waren die "Trado"-Umbausätze, mit denen Fahrzeuge auf Allradantrieb umgebaut werden konnten, eine Neuerung, die mit dem aufziehenden Zweiten Weltkrieg vor allem für die Armee von Interesse war, und Ende der 1930er baute DAF die ersten kompletten Kraftfahrzeuge, darunter interessante Konstruktionen wie einen Schwimmwagen mit Mittelmotor oder einen Panzerwagen mit selbsttragender Karosserie.
Als die deutsche Wehrmacht 1940 die Niederlande besetzten, setzte DAF den Fahrzeugbau für die Besetzungsmacht fort, eine Entscheidung die den Brüdern nach Kriegsende schwere Vorwürfe eintrug ...
In diese schwere Zeit fiel auch der erste PKW von DAF, wenn diese Bezeichnung erlaubt ist.
In den Jahren 1941/42 konstruierte Hub van Doorne den "Rijden Regenjas", also den "Fahrenden Regenmantel", ein minimalistischer, aber geschlossener und damit wettergeschützter Einsitzer, der notfalls auch im Vorzimmer geparkt werden konnte. Der "Regenmantel" hatte drei Räder und wurde von einem 125 ccm Motor angetrieben. Die Spitze sollte bei 55 km/h liegen, aber es dürfte niemand die Limitationen des Gefährts ausgetestet haben.
Zu einer Zeit wo die Holländer mit einem Fahrrad mit Holzreifen glücklich sein mussten, wäre der "Rijden Regenjas" natürlich ein unerfüllbarer Traum. Da einzige Exemplar landete im Zirkus als Fahrzeug des Clowns ehe es viele Jahre später zurückgekauft wurde und heute im DAFMuseum in Eindhoven zu bewundern ist.
Nach Kriegsende war Holland wie der Rest Europas verwüstet, und die Behebung der Kriegsschäden bescherte den Nutzfahrzeugherstellern volle Auftragsbücher. Auf Wunsch der Regierung, die keine wertvollen Devisen an ausländische Hersteller "verschwenden" wollte, begann DAF 1948 mit der Fertigung von Lastkraftwagen.
ImageBekanntlich sind die Niederlande sehr flach und nur wenige Meter über dem Meeresspiegel, und als bei der großen Sturmflut von 1953 2.000 Menschen ums Leben kamen, begann das Land unter dem Namen "Deltawerken" mit den Arbeiten an einem gewaltigen Dammsystem, das von der "American Society of Civil Engineers" zu den sieben modernen Weltwundern* zählte.
Gewaltige Dämme klingen nach gewaltigen Erdbewegungen, für die man gewaltig viele LKWs benötigt - von denen viele aus Eindhoven, der Heimatstadt von DAF kamen und den ehemaligen "metallverarbeitenden Betrieb" zu einem der größten Nutzfahrzeughersteller Europas machten, Mit steigendem Wohlstand waren im Nachkriegseuropa nicht nur Nutzfahrzeuge, sondern zunehmend auch Personenkraftwagen gefragt, die aus Italien, England, Frankreich und Deutschland kamen - da wollte sich DAF auch ein Stück des Kuchen abschneiden, und präsentierte im Februar 1958 auf der Amsterdam RAI Motor Show den DAF 600.
Hub van Doorne selbst fuhr einen Buick Hydramatic, ein Auto das für den "normalen" Holländer und Europäer außerhalb jeder finanziellen Reichweite war, und Hub war vor allem von der Automatik seines Amerikaners angetan - so einfach in der Handhabung sollte auch ein für den Durchschnittsbürger erschwingliches Automobil sein ...
Aber Automatikgetriebe waren einst für Kleinwagen ein völlig undenkbarer Luxus - zu teuer in der Produktion und zu verschwenderisch mit der ohnedies geringen Motorleistung. Angeregt durch die Transmissionsriemen in seiner Fabrik konstruierte van Doorne eine stufenlose, mit Keilriemen betriebene Automatik, die unter dem Namen "Variomatic" zum bestimmenden Merkmal aller DAF-PKW werden sollte. Das Variomaticgetriebe war übrigens nicht beim Motor sondern hinten untergebracht, was dem DAF ein Transaxlegetriebe mit besserer Gewichtsverteilung gab, lange bevor der Begriff modern wurde.
ImageAbhängig von der Geschwindigkeit schob die Zentrifugalkraft die konischen Riemenscheiben auseinander resp. zusammen, wodurch sich die Übersetzung stufenlos änderte, ein Feature, das viel später als CVT-Getriebe (Continuously Variable Transmission) von anderen Herstellern wieder "entdeckt" wurde.
Unterstützt wird dabei die Fliehkraft durch den Unterdruck im Ansaugtrakt des Zweizylinder-Motors. Diese Konstruktion erlaubte einen Trick zur Erhöhung der Höchstgeschwindigkeit: Jedes andere Automobil wird, wenn man nach dem Erreichen der Höchstgeschwindigkeit das Gaspedal langsam loslässt, langsamer - no, na werdet ihr jetzt wohl sagen. Nicht so der kleine DAF: Geht der Fahrer hier, sobald die Höchstgeschwindigkeit von 96 km/h erreicht ist, langsam vom Gas, so erhöht sich der Unterdruck und dieser drückt die Riemenscheiben noch ein Stück auseinander - und das Wunderfahrzeug wird - zumindest mit genügend Anlauf und auf ebener Straße, aber davon gibt es ja in Holland genügend - schneller. Angeblich lassen sich mit diesem Trick Geschwindigkeiten bis zu 112 km/h erreichen ... Gewöhnungsbedürftig - im durchaus positiven Sinn - ist die Schaltung: Hebel nach vorne, Gas geben und der Wagen fährt vorwärts, Hebel nach hinten, Gas geben und der Wagen fährt rückwärts - natürlich gleich schnell wie nach vorne, was den DAF zum haushohen Favoriten bei allen "Rückwärts-Rennen" machte ...
Aber auch abgesehen vom Getriebe, war der kleine Wagen ein cleveres Auto: Auf einer Länge von 3,61 m war der DAF 600 auch für großgewachsene Holländer ein vollwertiger Viersitzer und praktisch wartungsfrei. Im Gegenatz zur Gepflogenheit der Zeit - wir schreiben 1958 - gab es am DAF keinen einzigen Schmiernippel.  Ab und zu ein Ölwechsel für den luftgekühlten Zweizylinder-Viertakter-Boxermotor mit nur 590 ccm und die Wartungsarbeiten waren mehr oder weniger abgeschlossen.
ImageDie luftige Karosserie mit schlanken Stehern - in Fachkreisen als A-Type bezeichnet - stammte von Van Den Brink, der seine Vergangenheit als Luftfahrtingenieur nicht verleugnen konnte, und verglichen mit seinen Zeitgenossen, bot der DAF 600 ausgezeichnete Rundsicht. Die Vorderradaufhängung basierte auf einer querliegenden Blattfeder und die Kardanwelle, die Kraft zu den Hinterrädern beförderte, war - Stichwort: Leichtbau! - aus Aluminium.
Optisch war der Neuling mit bunten Farben im Inneren und Äußeren und oft mit Zweifarbenlackierung eine willkommene Abwechslung zum grau-braunen Einheitsbrei bei manchen anderen Herstellern dieser Zeit.
Mit 22 PS war der DAF 600, formulieren wir es höflich, nicht gerade übermotorisiert und die Spitzengeschwindigkeit lag bei etwa 95 km/h.  Dies war allerdings von den Erbauern durchaus beabsichtigt, da diese nicht abschätzen konnten, welche Leistungen die Variomatic übertragen könnte. Auf Grund der Geheimhaltung waren ausgiebige Testfahrten in die Berge unterblieben, was allerdings jetzt von kompetenter - und österreichischer - Stelle nachgeholt wurde: Aus Gründen, die sich heute nicht mehr eruieren lassen, erwarb der Motorradrennfahrer Rudi Hunger einen DAF 600 und hatte damit nicht besseres zu tun, als 1960 die Winterwertungsfahrt zu bestreiten - und zu gewinnen!
Aber die holländischen Kunden wollten mit dem DAF ihre Wohnwagen durch die Alpen schleppen und so vergrößerte DAF den Zweizylinder auf 746 ccm und 1961 kam der "große und starke Bruder", der DAF 750 mit 30 PS auf den Markt, und im gleichen Jahr auch der "schöne Bruder", das DAF Daffodil 30 mit luxuriöserer Ausstattung und leicht überarbeiteter Karosserie.
Im Holländischen war der Name Daffodil ein naheliegendes Wortspiel aus "DAF" und "Krokodil", was auch im Holländischen das Reptil bezeichnet, an das die Front des DAF ein wenig erinnert. Im Englischen allerdings, steht das Wort Daffodil für die Blume Narzisse, und tatsächlich ziert eine stilisierte Narzisse die Mitte des Lenkrads, wo bei vielen anderen Autos der Hupenknopf ist (beim DAF wird die Hupe über einen Hebel hinter dem Lenkrad betätigt).
ImageBis 1963 wurden 30.563 DAF 600, 16.767 DAF 750 und 23.045 Daffodil 30 - alles in allem höchst respektable Stückzahlen, wenn man den limitierten Inlandsmarkt und die zahlreiche Konkurrenz betrachtet, aber nach mehr als 70.000 Exemplaren wurde die Karosserie überarbeitet und mit dem Daffodil 31, ab jetzt hießen alle Modelle Daffodil, bekam einen neuen Grill, eine kantigere Dachlinie und größere Fenster. In dieser Form wurde der Wagen bis 1965 gebaut, während die Firma professionelle Hilfe suchte.
Kein geringerer als Meister Giovanni Michelotti nahm sich des kleinen Holländers an. Aus Kostengründen ließ er den Mittelteil inklusive Dach unverändert und hob Motorhaube und Kofferaumdeckel etwas an - bereits 1966 - nach 56.200 Stück des Daffodil 31 - konnte DAF das "Daffodil 32" präsentieren.
In nur zwei Jahren fand das Daffodil 32 53.674 glückliche Kunden, und darüber hinaus konnten zusätzliche 500 Exemplare des "Daffodil 32 S" mit auf 36 PS gesteigerter Leistung und nur im Jahre 1966 angeboten - an anspruchsvolle Sportfahrer verkauft werden.
Nach sieben Jahren PKW-Produktion, genauer gesagt im September 1966, präsentierte DAF ein komplett neues Modell, das die Firma im Wesentlichen für die nächsten Jahre begleiten sollte.
Die als "B-Type" bezeichnete Karosserie entstammte nun zur Gänze der Feder von Meister Michelotti und war noch immer klar als DAF erkennbar, hatte aber - je nach Betrachtungsweise - wenige optische Skurrilitäten resp. weniger Charakter.
Der DAF 44 war ein sauber geformter, moderner Kleinwagen, der unverändert vom Zweizylinder-Motor und der Variomatic angetrieben wurde.  Da der Wagen um rund 25 cm in der Länge gewachsen war und entsprechend schwerer war, wurden auch der Hubraum auf 844 ccm und die Leistung auf 40 PS angehoben - ausreichend für eine Spitze von 123 km/h.
ImageUm den Kofferaum dem geräumigeren Innenraum anzugleichen - die Variomatic verbrauchte relativ viel Platz - wurde einerseits die Linie des Hecks angehoben und andererseits wanderte das Reserverad aus dem Koffer- in den Motorraum, wo der kleine Zweizylinder genügend Raum übrig ließ.
Mit dem DAF 44, so könnte man sagen, hatte DAF mehr oder weniger seine endgültige Form gefunden, und der Wagen wurde als Limousine, Limousine Luxe, Kombi und Kastenwagen angeboten und bis 1974 mit geringen Retuschen gebaut. Der Lohn der Mühe: 167.902 verkaufte Exemplare. Vor allem der Kombi bot, obwohl noch immer ein Zweitürer, ein Platzangebot wie nie zuvor, vor allem wenn die Rücksitzlehnen umgeklappt wurden ...
Die Präsentation und der Erfolg des DAF 44 bedeutete aber noch lange nicht ds Ende des "AType".  1967 wurde aus dem "Daffodil 32" mit einer auf 32 PS gesteigerten Motorleistung der DAF 33, und damit fügte er sich perfekt in die nunmehr aus zwei Modellen bestehende Modellpalette ein ...
In der Beschleunigung von 0 auf 80 km/h war der DAF 33 fast exakt doppelt so schnell wie der ursprüngliche DAF 600 - 17 Sekunden gegenüber 33 Sekunden und mit einer zarten Retusche im Jahre 1969 - geänderte Aufschriften - und 1972 - 12-Volt-Elektrik - blieb der DAF 33 als Limousine, Kombi, Kastenwagen und Pickup bis 1974 - und damit genau so lange wie sein "Nachfolger" - im Programm und war mit 131.621 Exemplaren das mit Abstand am meisten verkaufte Modell der A-Typen.  Der 1966 eingeführte - und 1969 und 1972 leicht überarbeitete - DAF 44 war zwar ein großer Schritt gegenüber seinem Vorgänger, aber ein "Kraftlackel" war auch er dank des Zweizylindermotors nach wie vor nicht, und da DAF die Investitionen in die Entwicklung eines neuen Motors wohlweislich scheute, schauten sie sich international um und wurden in Frankreich fündig - Renault hatte mit dem Cleon-Motor genau das gesuchte Triebwerk.
ImageDer "Cleon" oder "Sierra" oder "C-Type" genannte Motor war 1962 in Genf im Renault Floride S präsentiert worden und war ein Vierzylinder-Reihenmotor mit fünf Hauptlagern und vorerst einmal 956 ccm Hubraum und 48 PS - kein schlechtes Upgrade für den DAF.
Um den wassergekühlten Vierzylinder im Motorraum des DAF unterzubringen musste zwar die Vorderradaufhängung komplett umgebaut werden, und auch die Variomatic musste gründlich überarbeitet und verstärkt werden, aber äußerlich sind - bis auf die Aufschriften natürlich - DAF 44 (2 Zylinder) und DAF 55(4 Zylinder) nur für den Experten unterscheidbar. Bei Renault war der Motor mittlerweile auf 1.108 ccm gewachsen und wurde im Renault 8 Major als Heckmotor verbaut.
Als DAF den Motor in einen DAF 44 einbaute waren die Entwicklungsingenieure zunächst einmal recht erschrocken, denn der Testwagen erreichte angeblich eine Spitze von 180 km/h - deutlich mehr als man der Stammklientel zumuten wollte. Der ab 1968 erhältliche DAF 55 erhielt daher einen etwas gedrosselten Motor und beschleunigte mit 50 PS in rund 14 Sekunden auf 100 km/h und die Spitze lag bei 136 km/h - und war damit um exakt 1(!) km/h schneller als der Renault 8! Während sich der 44 mit vier Trommelbremsen begnügen mußte, bekam der 55 Zweikreisbremsen und vorne Scheibenbremsen spendiert.
Ein Jahr später wurde in Genf eine schicke Coupeversion das DAF 55 präsentiert, die sich zwar vom Marketing her an die gut situierte Dame richtete, aber auch in Sportfahrerkreisen recht beliebt war. Sportliches Spitzenmodell war der DAF 55 Marathon, der dank höherer Kompression und größerem Vergaser stolze 63 PS bei 5.600 U/min leistete und respektable 145 km/h schnell war. Um dieses "Geschoß wieder einzufangen" bekam der Marathon breitere Reifen und die von normalen 55 stammende Bremsanlage einen Bremskraftverstärker. 10.967 ambitionierte Kunden entschieden sich in den Jahren 1971 und 1972 für dieses Modell.
ImageWie aber war der Marathon zu seinem Namen gekommen? Die "Rallye des Jahres 1968" war zweifellos der London-Sydney Marathon und neben den "Big Boys" wie Porsche, Ford, Meredes oder BMC waren auch zwei DAF 55 am Start.  Und die Herren Rob Slotemaker und David van Lennep schlugen sich wacker - während viele der "Big Boys" aufgeben mussten, landeten unsere beide Helden auf den Plätzen 17 (Slotemaker) und 56 (van Lennep) - und diesen Erfolg wollte und durfte DAF mit der Namensgebung der sportlichen Modelle feiern. Wie beim 44 gab es vom 55 auch einen Kombi. Von allen Versionen zusammen wurden bis 1972 164.231 von allen Baureihen gefertigt. Knapp 10% aller Käufer des 55 entschieden sich für ein Coupe.
1972 erfuhr die B-Type-Karosserie ihre letzte Evolutionsstufe, die folgerichtig als DAF 66 bezeichnet wurde. Optisch erkennt man den DAF 66 an der radikal geänderten Frontpartie und unter dem Blechkleid war vor allem die Hinterachse komplett neu, wo eine aufwendige De-Dion-Achse und eine umkonstruierte Variomatic zu erwähnen sind. Die neue Hinterachskonstruktion verbesserte die Straßenlage drastisch, was vom Hersteller auch so beabsichtigt war. In Amerika war die Öffentlichkeit seit Ralph Naders Buch "Unsafe at any Speed" und dem Debakel um den Chevrolet Corvair sensibilisiert und Autos mit Schwingachse waren praktisch unverkäuflich, und DAF träumte zu diesem Zeitpunkt von einem großen Einstieg in den amerikanischen Markt ...
Ein Jahr später bekam der DAF 66 den auf 1.300 ccm vergrößerten Renault-Motor und mutierte derart zum DAF 66 Marathon.
Neben den bereits bekannten Karosserieformen - Limousine, Coupe und Kombi, alle zweitürig - gab es den DAF 66 auch als Militärversion für die niederländische Armee. Dabei hatte man sich aber nicht auf matt-olivgrüne Lackierung beschränkt, sondern unter der Typenbezeichnung YA66 entstand ein offener Kübelwagen, der neben einem verstärkten Chassis über allerlei armeespezifische Modifikationen, wie eine 24-Volt-Elektrik und eine verstärkte Variomatic, verfügte.
ImageTrotz verstärkter Variomatic und wohl auch wegen des erhöhten Gewichts (860 kg statt 820 kg) war der YA66 den holländischen "dienstplichtigen" nicht gewachsen. Wie wohl in den Armeen aller Länder stand die pflegliche Behandlung von Heereseigentum nicht ganz oben auf der Prioritätenliste der Grundwehrdiener. Ein Strom von gestrandeten YA66 mit defekten Treibriemen war die Folge, worüber die Verantwortlichen der Armee natürlich begeistert waren.
Im Laufe des Jahres 1974 wurden daher nur 1.201 Exemplare an die "Koninklijke Landmacht", die niederländische Armee geliefert, die diese schon nach wenigen Jahren wieder ausmusterte und verkaufte. Die nunmehr zivilen Besitzer lackierten die Wagen meist in grellbunten Farben und als Hippie- und Strandmobile machte das "light truck 0,4 ton 4x2" eine deutlich bessere Figur.
Von allen Versionen des DAF 66 wurden zwischen 1972 bis 1975 101.967 gebaut, ehe dramatische (traumatische?) Ereignisse "alles ganz anders" werden ließen.  Bevor es allerdings so weit war, wurde der DAF 44 im Jahre 1974 durch den DAF 46 abgelöst.
Der Typ 46 fiel nicht nur aus der schönen Nummernsystematik heraus, sondern war auch ein seltsame Mischung aus 44 und 66. Karosserie, Optik und Zweizylindermotor stammten vom 44 und die Hinterachse war die De Dion Hinterachse aus dem 66, allerdings mit eine modifizierten sprich vereinfachten Variomatic, die nur über eine statt zwei Riemenscheiben verfügt.  Ob dies aus Gründen der Sparsamkeit geschah oder um die Reibungsverluste zur reduzieren, ist nicht ganz klar, aber es dürfte keine allzugute Idee gewesen sein, denn das Getriebe des 46 neigt fallweise zu Vibrationen.
ImageNach 15 Jahren durchaus erfolgreicher PKWProduktion war für DAF irgendwie die Zeit abgelaufen - der holländische Binnenmarkt war limitiert, die Exporte stagnierten, die Kunden verlangten mit wachsendem Wohlstand auch wachsende Autos und die Ölkrise der Jahre 1973/74 hatte schonungslos gezeigt, dass der DAF für einen Kleinwagen nicht besonders sparsam war ...
Bereits 1972 trennte DAF die PKW- und die Nutzfahrzeugproduktion in zwei separate Gesellschaften und Volvo stieg bei der PKW-Sparte ein und übernahm schließlich 1974 diesen Teil von DAF zur Gänze.  Ab diesen Zeitpunkt lief die Geschichte vorerst einmal in drei Strängen weiter.
Strang 1: Die Typen 46 und 66 wurden unverändert als DAF 46 und DAF 66 bis 1976 im DAF-Werk weiterproduziert. Der DAF 46 wurde 1976 eingestellt.
An 1975 bekam der DAF 66 einen Kühlergrill im Volvo-Design, ein paar neue Aufschriften, neue Sitze und ein neues Lenkrad sowie, nicht auf den ersten Blick sichtbar, ein paar technische Verbesserungen, und ...
Strang 2: ... mutierte zum Volvo 66, der angepasst an die großen Volvo-Modelle als Volvo 66 DL und Volvo 66 GL in zwei Ausstattungsvarianten angeboten wurde. In vielen Märkten hatte der DL den 1.100-ccm-Motor und der GL den 1.300-ccm-Motor; für Großkunde wurde in manchen Ländern auch eine "abgespeckte" L Version abgeboten.
Strang 3: Aber Volvo hatte das Auge nicht (nur) auf die tollen Kleinwagen und auf das Werk in Limburg, 60 km südöstlich von Eindhoven, geworfen.
ImageBereits in den 1960er Jahren waren DAF und Michelotti trotz beschränkter finanzieller Mittel nicht untätig gewesen und machten sich über die Zukunft Gedanken. Es entstanden eine Reihe von Prototypen von größeren Fahrzeugen, die einst die vorhandenen Baureihen ablösen sollten, aber allesamt nicht in Serie gingen.
So wurden im Jänner 1970 die ersten Entwürfe für das DAF-P900-Projekt präsentiert, einem schmucken Mittelklassewagen, der mechanische Komponenten des DAF 66 - darunter natürlich die Variomatic - verwendete. DAF ließ von Michelotti, Bertone und John de Vries vier Modelle - A, B, C und D - entwerfen, und die Belegschaft von DAF entschied sich in einer Abstimmung für die Ausführung D des holländischen Designers.
DAF begab sich auf Partnersuche und kontaktierte eine ganze Reihe von Herstellern - Ford, General Motors, Peugeot, VW, Volvo oder BMW - aber irgendwie kamen die potenziellen Partner nicht zusammen. Als Renault 1972 DAF die gute Nachricht kundtat, dass der bewährte Motor des DAF 66 auf 1,4 Liter Hubraum vergrößert werden konnte, war der Deal mit Volvo praktisch "in trockenen Tüchern", denn Volvo suchte einen Weg, die Modellpalette nach unten abzurunden, ohne einen komplett neuen Motor konstruieren zu müssen. Nicht zufällig hatte Volvo im September 1972 den geplanten Einstieg bei DAF verkündet und beteiligte sich 1973 vorerst einmal mit 33%. Das Projekt P900 sollte eigentlich die Modellpalette von DAF mit dem DAF 77 (2-türig) und dem DAF 88 (4-türig) nach oben erweitern, aber es sollte etwas anders kommen: Am 19. Februar 1976, die PKW-Seite von DAF war mittlerweile zur Gänze an Volvo gegangen, wurde der Presse im schwedischen Gothenburg der Volvo 343 präsentiert. Das "Publikum" sah ihn dann erstmals zwei Wochen später am Automobilsaloon in Genf. Drei Jahre später, im Jahre 1979, wurde dann auch der viertürige DAF 88, pardon Volvo 345 vorgestellt, der im Jahr darauf auch käuflich erhältlich war. Produziert wurde die 300-er Modelle von Volvo nicht in Schweden, sondern in Holland im ehemaligen DAF-Werk und zwar bis zum 13. März 1991, als mit einem weißen, fünftürigen Volvo 340-er die DAF-PKW-Story endgültig zu Ende war ...
Image