Schlumpf Sonderausstellung Kassel
Geschrieben von Erich & Claudia Hein   

Heft bestellen - Schlumpf Sonderausstellung Kassel - Schlafende Schönheiten

Vom 1. Mai bis 31.Juli 2013 findet ein Oldtimer-Event der Superlative im Unternehmenspark in Kassel statt. Oldtimer-Ausstellungen gibt es natürlich genug, aber was es in Kassel zu sehen gibt, sucht seines Gleichen in ganz Europa.

Text & Photos: Erich & Claudia Hein

 

ImageEine Charmeoffensive, die jeden Besucher in seinen Bahn ziehen wird, denn die 40 Automobilraritäten, die nach Kassel kommen, wurden noch niemals öffentlich einem breiten Publikum offeriert.
Zu verdanken haben wir dieses außergewöhnliche und wertvolle Geschenk "Fritz Schlumpf".  Geboren wurde Fritz Schlumpf 1906 in der Nähe von Mailand.
Mit seinem zwei Jahre älteren Bruder "Hans" zog die Familie 1908 in den Elsass nach Mülhausen.  Den Brüdern Schlumpf gelang es zwischen den 1930er und 1970er Jahren ein Monopol für gekämmte Garne zu erlangen. Mit drei Fabriken im Elsass und einer in Nordfrankreich beherrschten sie den damaligen Markt.
Schon seit seiner Kindheit interessierte sich Fritz Schlumpf für den Automobilsport, vor allem für Bugatti-Automobile, die im Elsässer Molsheim hergestellt wurden. Sein erster Bugatti war ein 35 B mit dem er an verschiedenen Bergrennen, vorwiegend in den Vogesen teilnahm.
Als man 1957 die Molsheimer Bugatti-Fabrik auflöste beschloss Fritz Schlumpf das Erbe Bugatti zu retten und kaufte nicht nur die Produktionsreste, sondern begann mit seinem Bruder Bugatti aus aller Welt wieder in den Elsass zu holen. Gekauft wurde alles was in einem halbwegs soliden Zustand war, unter anderem auch zwei von nur sechs gebauten "Bugatti Royales", darunter das Coupe "Napoleon", eines der wertvollsten Autos der Welt gebaut 1926. Sein Besitzer Ettore Bugatti fuhr dieses Schmuckstück bis zu seinem Tod im Jahr 1947.
Die Liebe zum Bugatti ging so weit, dass man sogar unterschriebene Blank- Schecks an Besitzer von Bugatti weltweit sendete, die nicht verkaufen wollten. Aus seiner anfänglichen Sammelleidenschaft entwickelte sich schnell ein verhängnisvoller Sammelwahn.
ImageMit seinem Bruder Hans trug in den nächsten 20 Jahren eine gewaltige Sammlung von rund 500 klassischen Automobilen zusammen, darunter Maybach, Horch, Benz, Peugeot, Renault, Ferrari, Lotus, Bentley, Panhard Levassor und Rolls Royce.
Prachtstücke der Sammlung sind ca. 80 einzigartige Meisterwerke, vorwiegend aus den 30er Jahre, darunter der wohl eleganteste Rolls Royce "Silver Ghost" Baujahr 1924, dessen Besitzer kein Geringerer als Charlie Chaplin war. Zu Gesicht bekam diese Sammlung niemand, er versteckte diese in seinem privaten Automobilmuseum.  So mancher Zeitgenosse behaupte noch heute, dass Fritz Schlumpf zur Finanzierung seines Hobbys das Familienunternehmen derart belastete, so dass dieses 1977 zahlungsunfähig wurde.
Richtig? oder war es eher die weltweite Krise der Textilindustrie die auch das Unternehmen Schlumpf heimsuchte.  Anfangs sträubte man sich noch gegen Entlassungen, musste jedoch mit der harten Wirklichkeit konfrontiert, 1977 Konkurs anmelden.  Rund 2000 Arbeitnehmer verloren ihren Arbeitsplatz.  Die bis zu diesem Zeitpunkt der Öffentlichkeit nicht bekannte Automobilsammlung wurde im Rahmen eines Streiks von den Arbeitern entdeckt.
Schlagartig kamen Gerüchte über den immensen Reichtum der Gebrüder Schlumpf auf. Fast zwei Jahre lang besetzten die Arbeiter die Sammlung "als Pfand für die verlorenen Arbeitsplätze".  In den Geschäfts- und Privaträumen sammelte man zentnerweise Belastungsmaterial, das man an die Staatsanwaltschaft Mülhausen weiterleitete.
Daraufhin folgte die Anklage wegen betrügerischem Konkurs und er Veruntreuung von Betriebsvermögen, sowie der Haftbefehl. Eine Gefängnisstrafe wurde jedoch wegen hohen Alters bedingt, erlassen.
Zur Sicherstellung der Gläubigerforderungen wurden die Fahrzeuge beschlagnahmt und der Konkursmasse zugeführt. Vor allem durch die Intervention der französischen Regierung unter Francois Mitterrand konnte die grandiose Sammlung erhalten werden. 1978 erklärte man die "Collection Schlumpf" zum Kulturgut erster Güte, stellte sie unter Denkmalschutz; somit wurden alle Exponate unverkäuflich.
ImageEine öffentlich-rechtliche Gesellschaft mit Beteiligung der Stadt Mülhausen, des Departements und des Autoindustriellen Panhard brachte den Kaufpreis in Höhe der Gläubigerforderungen auf und führt heute die Sammlung Schlumpf als öffentliches, nationales Automobilmuseum mit dem Namen "Nationale Cite`de l`Automobile".
Die Gebrüder setzten sich während des Konkurses nach Basel ins freiwillige Exil ab. Ihr Ziel, die Rückgabe ihrer Sammlung konnten sie jedoch trotz hartnäckigen Einsatzes nicht erreichten.  Das Streben und Wirken des letzten unumschränkten Patrons der elsässischen Textilgeschichte ist als widersprüchlich zu bewerten.  Trotz allem, hinterließen sie der Nachwelt einen der größten und faszinierenden Schätze der Automobilgeschichte.
Rund 400 Automobile stehen heute aufgearbeitet und im Glanz vergangener Zeiten in den ehemaligen geräumigen Werkshallen der Textilfabrik in Mülhausen, die auf eine bezaubernde Art ausgestattet sind. In den Hallen der Reserve, wie das Museum sie nennt, schlummern seit mehr als 80 Jahren noch rund 150 bis 200 Automobile, die meisten davon in einem desolaten Zustand.

Zurück nach Kassel: Heinz W. Jordan und Dr.  Dietrich Krahn, die Macher der Ausstellung und selbst begeisterte Oldtimerfahrer, erreichten durch umfangreiche Verhandlungen mit dem Museum "Nationale Cite`de l`Automobile" das Privileg, 40 Ausstellungstücke, die nach Kassel kommen, selbst auszusuchen.
ImageBeim Besuch in den Katakomben des Museums, begab sich Heinz W. Jordan im wahrsten Sinne des Wortes in eine andere Welt. Oldtimer von einem unschätzbaren Wert stehen versteckt und abgedeckt in den Hallen; sie tragen Namen wie: Hispano-Suiza, Delahaye, Th. Schneider Berliet, Darracq, Bugatti, Horch usw. Automobile, die bereits vor Jahrzehnten aus unserem Blickfeld verschwunden sind.
Bei der Auswahl achteten Jordan und Krahn darauf, dass die Fahrzeuge in verschiedenen Zerfallstadien zu sehen sind. Keine hochglanzpolierten auf neu getrimmten Oldtimer, sondern rostige Raritäten. Der einst so glänzende Lack ist stumpf. Rost, wo hin man schaut, der sich in die edel geschwungenen Linien gefressen hat, Staub und Spinnweben bedecken die marode Innenausstattung und zerfetzte Reifen hängen an einzelnen Stangen, so dass man mein, diese fallen gleich ab.
Mit dabei sind etliche Ersatzteile, wie original Bugattigetriebe, Motorblöcke der Typen 51 und 57, Maybach und Horch 6 und 12 Zylinder, Schrauben, Federn usw.  Zu bestaunen wird unter anderem auch ein Mercedes Silberpfeil von 1939 sein, mit dem schon Manfred von Brauchitsch seine Runden drehte.  Außerdem dabei: Exklusive Marken wie Daimler, Maybach, oder Maserati. Das älteste Ausstellungsstück das in Kassel zu sehen ist: Ein Peugeot 16 von 1898.
So mancher Besucher wird mit Tränen in den Augen vor den "Schlafenden Schönheiten" stehen, versunken in Gedanken, wie traumhaft schön sie einst waren und welch eine Geschichte sie erzählen würden, wenn sie dies könnten.
Mit dieser Ausstellung werden mit Sicherheit auch Fragen über die Zukunft der "Schlumpf Sammlung" aufkommen. Soll man diese Raritäten als Kunstobjekt oder automobiles Kulturgut so belassen, darf oder muss man sie restaurieren, oder soll man sie konservieren? Man wird sehen was mit dem letzten zu hebenden Schatz der Automobilgeschichte geschieht.