Sportflieger Alfred Reiter
Geschrieben von Alfred Reiter   

Heft bestellen - Sportflieger Alfred Reiter - Ein Maximum an Minimum

Den Flugschein im Österreich der 1950er Jahre zu machen war ein echtes Abenteuer - Alfred Reiter bestand 1957 die Prüfung zur Lizenz für einmotorige Sportmaschinen und erinnert sich an die damit verbundenen Erlebnisse ...

Text & Photos: Alfred Reiter
  ImageJe älter ich werde desto mehr Respekt empfinde ich für die Leistung von Charles Lindbergh der 1927 alleine den Atlantik überquert hat.  Alleine - ohne Sicht nach vorne, ein Motor, ein Propeller, sonst nichts! Ein Maximum an Nichts.  1933 wurde ich geboren. Nach der Hauptschule und einer Handwerkslehre war ich im Beruf einigermaßen erfolgreich und so konnte ich einen Plan in die Realität umsetzen: 1957 hatte ich den Flugschein in der Tasche!
Am 18. August 1957 war mein erster Alleinflug.  Mein Fluglehrer Josef Kaufmann hatte mit mir einige Stunden Starts und Landungen geübt. Das machten wir mit einer Piper PA 18 in welcher der Lehrer vor dem Schüler sitzt, der Schüler befindet sich im Schwerpunkt des Flugzeuges. Der Rumpf der Piper PA 18 bestand aus dünnwandigen Edelstahlrohren und war mit Stoff bespannt.  Am Bug findet sich ein 4-Zylinder-Boxermotor verschraubt, die vier Zylinderköpfe ragen keck aus dem Rumpf, Kupplung und Getriebe gibt es nicht. Auch keine Batterie, keine Lichtmaschine und - vor allem - keinen Elektrostarter.
Die Funken in den Zylindern werden von Magnetzündern erzeugt. Zum Starten muss immer von außen Hand angelegt werden - wenn ein Zylinder seinen Funken hat, folgt - plapper, plapper - der nächste Zylinder und so fort ... Das kann man sich also sehr leicht vorstellen wie es auch ohne Bordnetz funktioniert.  Dann schiebt der Pilot den Gashebel ganz langsam nach vorne, der Motor läuft! Jetzt steigt der Pilot fest auf die Bremspedale unter ihm und beobachtet den Drehzahlmesser: Mit etwa 90% der Höchstdrehzahl wird an den Start gerollt.  Im Handbereich des Piloten ist ein Rohr - der Steuerknüppel. Dieser leitet Drehungen um die Längs- und Querachse ein - Ziehen und Drücken des Steuerknüppels hebt und senkt die Nase der Piper. Knüppel und Klappen ("Flaps") sind mit Seilzügen und Rollen verbunden. Es gibt keine Landeklappen. Um Höhe und Geschwindigkeit wegzunehmen muss der Pilot den Rumpf verdrehen, in der Fliegersprache "slippen".  Türen hatte die PA 18 nicht, zwei Klappen ermöglichten den bequemen Ein- und Ausstieg.
Image Nach etwa drei solcher Übungsstunden stieg also mein Fluglehrer aus und betete noch mal die Prozedur vor: Start - Höhe gewinnen - Linkskurve - Downwind - Linkskurve - Vergaservorwärmung ziehen - im Finale sinken ... Ich mache das alles und bin schnell wieder unten. Jetzt bleiben noch ca. 30 Stunden bis zur Pilotenprüfung. Ich lerne noch Steilkurven, Looping, Kunstflugprogramme. Einen Höhenflug bekomme ich auch verordnet. Der Barograph wird plombiert und der Streifen wird nach dem Flug meinem Prüfungsakt beigelegt.
"Bleib über Aspern und flieg hinauf so lange der Propeller zieht" lautet meine Anweisung. Der Instruktor flog beim Höhenflug nicht mit. Es war der Jagdflieger Oberstleutnant Wilfried von Müller-Rienzburg. Ich bin ihm für seine ruhige und umsichtige Art, Wissen über Gefahren zu vermitteln für immer dankbar. Er ist für mich auch außerhalb des Cockpits immer Vorbild gewesen.  Später fliege ich dann auch nach Graz, Linz und Salzburg und übe auch noch Notlandungen.  Im Oktober 1957 fliege ich also meine Prüfung über Aspern, werde traditionsgemäß "versalzen" und meine schöne Seidenkrawatte wird mir abgeschnitten und in der Kantine an die Wand genagelt!
Am 26. April 1967 flog ich gemeinsam mit meiner Frau Edeltraude nach Venedig. Wir nahmen nur die Zahnbürsten mit - es waren mechanische, denn elektrische gab es damals noch nicht! Der Flug hatte die Nummer 213, die Maschine das Kennzeichen OE-AEH. Es war eine Piper PA18.  Das Wetter war nicht sehr einladend aber das Fliegen war möglich. Wir brummten über den Wechsel, Graz-Thalerhof, zur Grenze, das Funkfeuer St. Ill konnten wir nur an der rot-weißen Färbung der Peilantenne erkennen, da wir keine elektronischen Geräte und schon gar keinen Radiokompass an Bord hatten!
ImageWir flogen in Jugoslawien ein. Südkurs bis Celje ist geplant. Es war böig geworden, die Situation war nicht leicht für unser klappriges Fluggerät.  Da fällt mir die Karte aus der Hand und ich konnte sie nicht mehr aufheben: sie verzwickte sich in den Pedalen und war weg! In der Balgerei mit der Karte und den Böen hatte ich einen Halbkreis geflogen und war jetzt nach Süd-Ost unterwegs. Inzwischen hat es auch noch zu regnen begonnen. Ich drehte um und fand die Save.  Nach Celje muss es eine Abzweigung zum Meer geben, sind wir da schon vorbei!? Jetzt wird der Regen zur Katastrophe, man sieht nichts mehr.
Über uns eine schwarze Stratusdecke. Die Saveschlucht ist bis zum Wasser hinunter bewaldet und schwarz. Die Stratusdecke ist noch tiefer gesunken, wir fliegen jetzt zwischen Leintuch und Tuchent. Soll ich in die Save? Schwimmen da Baumstämme? Altes Kriegsgerät? Der Regen prasselt auf die Scheibe. Ich habe so was noch nicht erlebt. Doch umdrehen? Dann radieren wir entweder das eine oder das andere Save-Ufer.  Plötzlich sehen wir abgestellte Flugzeuge unter uns: Antonov und Mig-Jäger - ein jugoslawischer Feldflugplatz! Ich lasse ihn nicht mehr aus den Augen, und gehe runter. Wir steigen aus.
Traude muss dringend. Ein VW-Kübelwagen, russische Stahlhelme ... mit freundlichen Bewegungen der "Puschka" werden wir eingeladen mitzukommen. Traude muss noch dringender, man eilt mit Besen und Puschka zur Latrine.  Für die Leser, die noch nie einen Oldtimer flogen: Man kann Hindernisse nicht einfach umfliegen wenn man zu wenig weit sieht! Da die Maschine keine Enteisung hat kann man bei Schlechtwetter das Hindernis auch nicht so leicht überfliegen (kleine Maschinen haben das übrigens auch 2014 noch nicht!). In einer unterkühlten Wolke wird der Flieger dann zum Eisbrocken - keine Ruderklappe bewegt sich mehr! Manchmal ist das Auto doch besser als alles andere ...
ImageInzwischen war Traudes Verlangen gestillt. Im Verhör der beiden kühnen Österreicher hatte sich herausgestellt, dass es sich um zwei flugunerfahrene Depperln handelte, die ihre beiden kindergartenpflichtigen Töchter bei der Omi gelassen haben und jetzt das Leben genießen. Unterwegs ohne Batterie, ohne Starter, Radiokompass und solches Zeugs, man sollte diesem Schwachsinnigen die Lizenz wegnehmen und den Piper, dieses Graffelwerk, in einer Kiste nach Aspern zurückschicken ... Solches in schönstem Partisanendeutsch samt anderen Ratschlägen. Dann kam die Sonne durch die Wolken. Wir flogen über Laibach - Annabichl nach Hause.  Das mit dem "nach-Venedig-mit-einer-Piper-Fliegen" erschien uns fragwürdig. Aber nach Calvi/Korsika mit einer 160-PS-Norecrin der Sudaviation und dann 14 Tage Urlaub machen haben wir als nächstes angepackt. Auch die schnelle Norecrin hatte keine Batterie oder Starter.
Sie musste angekurbelt werden. Dann wird das mit 30.000 U/Min. angedrehte Schwungrad in die Propellerwelle gekuppelt und p, p, pp, pp, ... dann lief das Ding! Siehe Hardy Krüger in "Der Flug des Phönix". Unser Flug jedenfalls führte uns in ein Gewitter, der Sprit ging aus, wir fanden den Flugplatz nicht, aber landeten auf einem Platz der Fremdenlegion, wo Traude sofort ein Stipendium zum Französisch lernen angeboten erhielt ... Aber das ist - wie so vieles - eine andere Geschichte.