Waldreichser Schnauzen
Geschrieben von Harry Steindl   

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In Waldreichs – eine Katastralgemeinde der Stadt Gr. Siegharts – treffen wir zwei Vertreter der Kategorie mittelschwere LKW, einen STEYR 480zk und einen MERCEDES LAF 922 B/32.

Text und Bilder von Harry Steindl

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Der STEYR 480 (4-Zylinder Dieselmotor, 95 PS)1 ist im Grunde eine Weiterentwicklung der im 2. Weltkrieg in großer Stückzahl gebauten Type STEYR 1500A (V8-Benzinmotor, 80 PS). Der STEYR-Dieselmotor der Baureihe 13 wurde als Gebot der Stunde in den späten Vierziger-Jahren des vergangenen Jahrtausends entwickelt, um nach dem Krieg ein wirtschaftliches Antriebsaggregat für dringend benötigte Traktoren und LKWs zur Verfügung zu haben. Konstruktiv wurde der Motor über der Vorderachse, jedoch zur Gänze vor der Fahrerkabine angeordnet. Fahrer und Beifahrer waren somit einigermaßen von den Einwirkungen des Motorlärms und dessen Abwärme geschützt. Eine Haube und separate Seitenverkleidungen, welche den Motor komplett abdeckten, sorgten bei Wartungs- und Reparaturarbeiten für leichte Zugänglichkeit zum Antriebsaggregat. Die Fahrerkabine, welche durch eine eigene Baugruppe dargestellt wurde, lag somit eigenständig zwischen Motorhaube und jenem Bereich, der für den Lastenaufbau (Pritsche, Kasten etc.) genutzt werden konnte. Mit Sicht auf die zur Verfügung stehende Fahrzeugbaulänge wurde zu Ungunsten der Ladelänge relativ viel Platz für die Motorhaube und Kabine benötigt. Frontlenkerfahrzeuge, welche es bereits in der Zeit vor dem 2. Weltkrieg gab, waren bei den Frächtern wegen des unzureichenden Schutzes vor dem Lärm und der Abwärme des Motors nicht sehr beliebt. Sie waren aber für den Lenker übersichtlicher und boten bei gleicher Fahrzeuglänge bedeutend mehr nutzbare Ladelänge als klassische Schnauzer. Einen gangbaren und kommerziell sehr erfolgreichen Kompromiss stellten, die von MAN (1956) und DAIMLER-BENZ (1959) auf den Markt gebrachten mittelschweren Kurzhauber (ca. 6 – 11 t Fahrzeuggesamtmasse) dar. Für ein Mehr an Ladelänge, wurde Motorhaube und Kabine als konstruktive Einheit ausgebildet, wobei ein Teil des Motors baulich in die Kabine ragte. Die österreichischen Nutzfahrzeughersteller (STEYR-DAIMLER PUCH  - kurz SDP, SAURER – seit 1959 im Besitz von SDP und ÖAF) boten ab 1959 neben ihren Schnauzern gleich Frontlenker (z. B. Steyr 680) an.


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Nach diesem kleinen Exkurs in die Entwicklung im LKW-Bereich erzählen die beiden Fahrzeuge von ihrer Entstehung und wie sie nach Waldreichs kamen.

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STEYR 480 zk Als echter österreichischer Lastwagen wurde ich am 10. Okt. 1963 bei STEYR-DAIMLER-PUCH in Steyr fertiggestellt. Die Buchstaben „zk“ hinter meiner Typenbezeichnung sagen aus, dass ich mit 95 PS als Kipper mehr als 6 t Nutzlast vertrage. Für meinen ersten Besitzer, Herr Josef Heegmann – Transportunternehmer aus Herzogenburg – wurde ich am 4. Dez. 1963 mit dem Kennzeichen N 77.301 zugelassen. Bis 31. Juni 1991 fuhr ich für Herrn und Frau Heegmann. Danach hatte ich in meiner Garage viel Zeit zum Nachdenken und Ausruhen. 2007 entdeckte mich die Lebensgefährtin meines heutigen Besitzers in Vitis und kaufte mich vom Platz als Geschenk für ihren Lebensgefährten. Damit bin ich endgültig dem Schicksal vieler Brüder entgangen, die zum Einachskipper mit landwirtschaftlicher Verwendung umgebaut wurden. Andreas Paschinger restaurierte mich und ließ mich am 9. Juli 2010 als historischen LKW neu typisieren. Heute trage ich stolz das Kennzeichen WT – 941 AX. Die Oldtimer-Messe in Tulln habe ich 2013 als Aktiver besucht.



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MERCEDES LAF 911 B/32 – TLFA 2000 Als heute 40-Jähriger bin ich entstehungsgeschichtlich ein halber Österreicher. Gebaut wurde mein Fahrgestell 1974 bei DAIMLER-BENZ im deutschen Werk WÖRTH. Meinen Feuerwehraufbau als Tanklöschfahrzeug (TLFA 2000 – 2000 Liter Wassertank, das „A“ steht für Allradantrieb) erhielt ich im selben Jahr bei der Firma Konrad Rosenbauer in Oberösterreich. Die ersten 20 Jahre im Feuerwehrdienst diente ich der FF Rabenstein/Pielach. Um auch als Rüstfahrzeug eingesetzt zu werden, ließen die Rabensteiner 1990 eine 4,5 t Seilwinde einbauen. In etwa zur gleichen Zeit machte sich die FF Waldreichs auf die Suche nach einem gebrauchten TLF, um bei Bränden sofort verfügbares Löschwasser nutzen zu können. Denn bis zu meiner Anschaffung musste die Löschwasserbereitstellung mit Hilfe einer Tragkraftspritze und eines Kleinlöschfahrzeuges im Brandfall erst entwickelt werden. Nachdem sich die Kameraden der beiden Feuerwehren über den Kaufpreis handelseinig waren, wurde ich als Aktiver in den Dienst der FF WALDREICHS nach Anmeldung am 9. Juni 1994 übernommen. Die Rabensteiner schulten meine neuen Kameraden gründlich ein, sodass ich bis heute der Feuerwehr mit der taktischen Bezeichnung „Tank Waldreichs“ zur Hilfeleistung in Notsituationen zur Verfügung stehe. Nächstes Jahr soll ich meinen Ruhestand antreten, über meinen Nachfolger wird schon nachgedacht.



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Austro Classic wünscht der FF Waldreichs unter dem Kommando von OBI Markus Langsteiner und dem Steyr-Eigner Andreas Paschinger alles Gute und verlässt mit einem Zwinkern im Auge Waldreichs.


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Die FF-Waldreichs

Am 18. Juni 1900 wurde vom niederösterreichischen Landesfeuerwehrverband das Mietgliedsdokument, wonach die FF WALDREICHS unter der Nummer 1208 im Grundbuch des Verbandes eingetragen wurde, ausgestellt. Mit diesem Verwaltungsakt war die Gründung beschlossen. Der Mannschaftsstand betrug 26 Mitglieder, das Kommando übernahm Hauptmann Wilhelm Buxbaum.
Einige Jahre vorher, wie aus der Chronik der FF-WALDREICHS zu entnehmen ist, nämlich bereits 1863 wurden erstmals Ausgaben für die Anschaffung eine Feuerwehrspritze und von Leitern getätigt. Die Waldreichser sehen daher 1863 als das inoffizielle Jahr ihrer Gründung an. Ihre Feuertaufe dürfte die Mannschaft und ihr Gerät 1865 beim Brand eines Hauses im Ortsgebiet gehabt haben. Bis 1934 wurde für die Löschwasserförderung eine von Pferden gezogene Handdruckspritze verwendet. Eine echte Innovation fand 1935 durch die Indienststellung der Motorspritze (Rosenbauer Typ R24) statt, weil für die Bedienung der Spritze nur mehr ein Mann erforderlich war und die Leistung der Pumpe nicht mehr von der körperlichen Verfassung mehrer Männer abhing. Die beiden Weltkriege und die Zwischenkriegszeit im 20. Jahrhundert erlebte die FF WALDREICHS ähnlich wie die große, weite Welt. Viele Brände wurden gelöscht und Menschen in Not wurde geholfen.
Ein Kleinlöschfahrzeug (KLF) – VW LT 35 mit einem 6-Zylinder-Ottomotor, 2, 4 l Hubraum und 90 PS Leistung – wurde bei der Firma Rosenbauer gekauft. Die bereits 1963 angekaufte Tragkraftspritze (Rosenbauer Typ VW 75 Automatic) wurde Bestandteil der Ausrüstung des KLF. Damit war die lange Zeit der gezogenen Spritzen- und Mannschaftswagen  (anfangs Pferde, später Traktoren) für die FF WALDREICHS Geschichte. Das Tanklöschfahrzeug 2000 (TLFA 2000) auf Basis Mercedes 911 – einer der beiden Protagonisten der vorliegenden AC-Story wurde 1994 in die Garage des Zeughauses gestellt. Heute teilt sich der Mercedes 911 den Platz in der Halle mit einem modernen KLF – einem Mercedes Sprinter. Zum Berichtszeitpunkt stehen 37 aktive und 5 Mitglieder der Reserve unter dem Kommando von OBI Ing. Markus Langsteiner.

Quellen:

Allinger Karl, Dimmel Josef: Ein Jahrhundert Freiwillige Feuerwehr Waldreichs, Eigenverlag, Juli 2000
Homepage der FF WALDREICHS: www.waldreichs.ffnoe.at