Alles Werbung! …und viel Vergnügen!
Geschrieben von Martin Winterle   

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Dass Chromodent keine Chrompflege und Cola kein Rostlöser ist, wissen wir aus der Werbung. Auch wo wir wann, was superbillig, wenn nicht fast kostenlos erstehen können, darüber informiert sie uns, gewollt oder  ungewollt, gleich mit. Aber Reklame kann auch ein faszinierendes Sammelthema sein – ganz ehrlich!

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Nehmen wir nur einmal unsere Automobile. Seit es Autos gibt, wird für sie geworben. Zeitungsinserate, Reklametafeln und Litfasssäulenplakate bildeten den Auftakt. Seit mehr als 90 Jahren rühren aber  auch kleine Autos die Werbe-trommel für ihre lebensgroßen Brüder. Und das kam so:

Der genial André Zu den Autokonstrukteuren mit Mehrfachbegabung zählt sicher André -Citroën. Er erkannte die Notwendigkeit, durch einprägsame Werbung für steigenden Absatz seiner Fahrzeuge zu sorgen. Angefangen, mit dem, ihm patentierten Zahnrad in Doppelwinkelform, als sig-ni-fikantes Markenzeichen, bis hin zum bereits 1925 weithin leuch-tenden Firmen-Riesenschriftzug am Eiffelturm.
Zu Monsieur Citroën pilgerte 1922 ein gewisser Fernand Migault, seines Zeichens Maître der Compagnie Industrielle du Jouet, kurz CIJ, mit einem perfekten Modell des gerade aktuellen Citroën Typ B2, unter dem Arm. André Citroën, immer auf der Suche nach originellen Werbemitteln, schloss prompt einen Exklusivvertrag mit der CIJ ab. Diese Zusammenarbeit dauerte bis zum Konkurs von Citroën im Jahre 1934. Wie fruchtbar diese Partnerschaft für beide gewesen sein muss, lässt sich einerseits aus dem Anwachsen der CIJ-Belegschaft von weniger als 10 Personen im Jahre 1922 auf etwa 200 Beschäftigte, 12 Jahre später und aus den kolportierten Stückzahlen an produzierten Modellen, von sage und schreibe 3,5 Millionen Einheiten, in eben dieser Zeit, herauslesen.


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Neben kleinen Gussmodellen wurden Verkleinerungen des B2 Torpedo in 1:10 in Holz/Blechbauweise angeboten. Revolutionär war ein, auf 1:2 verkleinertes Tretauto, welches auch mit Elektroantrieb, inkl. Beleuchtung und Betriebshandbuch unter der Bezeichnung Citronette verkauft wurde. André Citroën hielt diese drei Begriffe, für die wesentlichsten, welche ein Kleinkind kennen sollte: „Mama, Papa und Citroën“. (Ich persönlich halte „Oma, Opa und Matchbox“ für erheblich wichtiger.) Citroën- kann daher als der erste Automobilproduzent gelten, der den Modellen die Aufgabe als Werbe-träger im großen Stil übertrug. Er prägte auch die beiden, heute noch gültigen, wichtigsten Unterscheidungsmerkmale eines Werbe-modelles im Gegensatz zu Spielzeug- und Modellautos: Erstens - das Werbemodell macht ausschließlich Reklame für die aktuellen Originale. Und Zweitens - die Herstellung und der Vertrieb dieser Miniaturen erfolgt einzig für und über den jeweiligen Automobilhersteller.
Neben effizienter Werbewirksamkeit, verdiente Citroën mit dem Verkauf der kleinen Autos auch gutes Geld. Die heute üblich erscheinenden, rigorosen Überwachungen von Namens- und Musterrechten, sind kein Kind unserer Zeit. Citroën verbot bereits in den 1920er Jahren seinem Lieferanten CIJ, nicht nur den Verkauf kleiner Citronen auf eigene Rechnung, sondern darüber hinaus selbst noch die Werbung mit dem Hinweis, für Citroën liefern zu dürfen.
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Die Kinder des Monsieur André Die Werbung mit kleinen Modellen machte in den 1930er Jahren in der ganzen Branche Schule. Hier zwei Beispiele: Nach dem Auslaufen des Citroën-Vertrages, arbeitete CIJ für Renault. Zur gleichen Zeit belieferte in Amerika Tootsie Toys die Firmen Graham und La Salle mit in etwa 1:48 großen, einfachen Gussminiaturen. Seit den 50er Jahren nehmen zwar die Automarken ab, die Werbemodelle aber zu.
Zu den seltenen Spezies, gehören die Borgward Isabella und ihre schicke Coupé-Schwester von Novapax. Die Berliner Spritzgussfirma lieferte an den Bremer Autobauer als Zulieferbetrieb Kunststoffteile. Um 1960 bot Novapax Borgward an, diese beiden Modelle, aus Plastik in Wiking-Manier in 1:40 als Werbemodelle, in verschiedenen Farben zu liefern. Die Modelle wären theoretisch sogar zerlegbar. Der Firmenzusammenbruch von Borgward vereitelte dieses Vorhaben. Alle namhaften japanischen Autobauer, Mitsubishi, Toyota, Honda, Isuzu, Mazda, Datsun, ließen von 1965 bis 1990 ihre Industriemodelle in 1:40 aus Zinkdruckguss bei Yonezawa Diapet herstellen. Die in unseren Breiten seltenen Miniaturen waren gefedert, hatten zu öffnende Türen und Hauben, Originallackierung, aber nur mäßige Fertigungsqualität.


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Mit Lineal und Zollstock Ein gravierender Unterschied zwischen Spielzeugauto und Werbe-modell, seltener auch als Industriemodell bezeichnet, war bis in die 1980er Jahre, der Maßstab. Werbemodelle als anschauliche Verkleinerung automobiler Ingenieurskunst, folgten geraden Linien. In 1:100, 1:55, 1:50 wurden Lastwagen und Autobusse hergestellt. PKWs hauptsächlich in 1:40 und 1:35.
Spielzeugautos dagegen wurden und werden häufig den Modelleisenbahngrößen angepasst. Das hat eine alte, aus England und Amerika stammende Tradition. Seit Mitte der 1980er Jahre, glichen sich die Werbemodelle größenmäßig den aufkommenden Sammlermodellen an. Das eigentliche Spielzeugauto war da bereits im Aussterben begriffen. Computer gesteuerte, fernöstliche Fertigung, ermöglichte eine bisher nie dagewesene Detailtreue zu günstigeren Stückkosten. Die mit jedem Modellwechsel auszumusternden kleinen Ebenbilder werden teils von den Automobilvertretungen selbst abverkauft, landen aber auch nicht selten körbeweise auf Fachbörsen bzw. im Internethandel. Die heutige Bandbreite von 98% aller Werbemodelle decken die folgenden vier Baugrößen ab: 1:87, 1:43, 1:24 und 1:18.
Ein deutliches Merkmal echter Werbemodelle, ist deren Verpackung. Seit den 1960er Jahren verlangen die Autohersteller neben vorgegebenen Werbeaufdrucken, speziellem Form- u. Farbdesign, auch Artikelnummerncodierung durch Aufdruck bzw. Aufkleber. Für den Sammler ein sicheres Indiz, tatsächlich ein echtes Präsentationsmodell vor sich zu haben.
Nicht zu den echten Werbemodellen zählen, auch wenn sie den Anschein erwecken:
1. Modelle, zu denen das Originalfahrzeug bei Produktionsbeginn bereits nicht mehr im Lieferprogramm ist bzw. war.
2. Sogenannte Museumsmodelle, die zwar im Auftrag eines Autoherstellers entstanden, aber historische Modelle aus der Firmengeschichte darstellen.
3. Miniaturen, die durch nostalgische oder aktuelle Beschriftungen, Aufkleber, Sonderaufbauten etc. Reklame für eine Ware oder Dienstleistung machen, nicht aber im Auftrag der Automobil-industrie hergestellt wurden. Beispiele dazu gibt es tausende, in allen Größen. Sie werden häufig als Werbemodelle angeboten, sind aber den Sammlermodellen zuzuordnen.
Neben den Originalprospekten werden Präsentationsmodelle der favorisierten Marke vor allem von Eignern echter Oldtimer weit verbreitet gesammelt. Besonders ältere Baureihen sind sehr gesucht, da ihr Bestand durch spielende Juniorchefs von jeher stark dezimiert wurde und die Auflagen weit geringer waren als bei Spielzeugautos.


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Wolfsburger Werbezuckerln Alle im Auftrag von Volkswagen gefertigten und über VW verkauften Miniautos zu beschreiben und aufzulisten, wäre eine faszinierende Arbeit und würde ein wahres Meisterwerk ergeben. Hier übernehmen aus Platzgründen einige Highlights der 1:40- bzw. 1:43-Liga, aus den Jahren 1955 bis 1980, die Stellvertreterrolle.
Von 1951 bis 1967 lieferte WIKING mit der 1:40er-Serie die offiziellen Präsentationsmodelle in dieser Größe aus Plastik. Es ist es nicht vermessen zu behaupten, diese Stücke waren eines vom Besten, eben WIKING-VOLKSWAGEN! Einen erstklassigen Spiegel für Humor und Zeitgeschmack, bieten die Originalkartons. Die WIKING-Modelle wurden farblich den Originalen angepasst. Mit Ausnahme der Einsatzfahrzeuge, standen daher immer mehrere Farben zur Auswahl. Und das dürfte weltweit einmalig sein – Modifikationen bei den Originalen, wurde von WIKING ebenfalls umgesetzt! In den 1990er Jahren erlebte diese Serie eine Neuauflage als Sammlermodelle. Durch prägnante Unterscheidungsmöglichkeiten wie geänderte Farbe der Bodenplatte, neuzeitliche Blisterverpackung etc. ist die Wiederauflage einwandfrei als solche zu identifizieren. Für Sammler, die sich dieser Spezies verschreiben wollen, gilt in Anbetracht der hohen Preise vor allem – Augen auf! Von nachgemachten Schachteln, sog. Reproboxen, über restaurierte, sprich geklebte Fahrzeuge, bis hin zu, aus teilweise mit Material der 1990er Wiederauflage „veredelten“ Exemplaren ist alles am Markt.
Ab 1969 trat die Firma CURSOR die Nachfolge als Lieferant der Volkswagen-Werbemodelle in 1:40 aus Plastik an. Geliefert wurden bis etwa 1979 die Typen 411, K70L und der Bus bzw. Transporter Typ 2, letzterer in zahlreichen Ausführungen. Die Farbgebung war auch bei diesen Modellen den originalen VW-Lacken nachempfunden. Die Verpackung war mit der VW typischen 3+3+2-Codierung versehen, wie sie einen Kotflügel oder eine Luftfilterschachtel auch zierte. Der Wolfsburger Werbemitteleinkauf bediente sich aber in der 1:43 Größe auch anderswo. Märklin lieferte den 356er Porsche als Gussmodell ohne Scheiben und Einrichtung in diversen Farben von 1954 bis 1964. Im dänischen Frederikssund wurden Käfer der Modelle 1956-1960 bei Tekno geordert. Die mit Tekno Code 819 hergestellten Spielzeugautos, hatten auf der Bodenplatte neben dem VW-Logo auch den Schriftzug Tekno Denmark geprägt. Bei den Werbemodellen fehlte der Firmenname Tekno. Es ist überliefert, dass an VW gelieferte Exemplare extra handverlesen kontrolliert wurden, um jede Unregelmäßigkeit auszuschließen.


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In den Jahren 1975-1990 lieferten bekannte, in Deutschland produzierende Modellautohersteller, die nun exakt in 1:43 verkleinerten VW Typen. Schuco, Conrad, Gama, Schabak sind allen VW-Modellsammlern ein Begriff. Es gab bei den VW Modellen auch zahlreiche Vertriebs-Kooperationen innerhalb dieser Firmen. Einzelne Modelle waren, zeitgleich oder nach Auslauf der Originale, im Spielwaren- bzw. Modellbauhandel käuflich.

Strahlende Sterne Die Entscheidung zu treffen, welche Epoche und welche Modelle, hier die Präsentationsmodelle von Mercedes-Benz vertreten sollen, fällt echt nicht leicht. Zu bedeutend ist die Historie, zu faszinierend die Modelle, zu lange die Tradition. Ich habe mich für eine Mischung aus Arbeitswelt und Privatvergnügen, aus der jüngeren Vergangenheit, der Zeit zwischen 1970 und 1990 entschieden. Die PKW-Typen wurden auf 1:35 verkleinert und kamen meist ohne Seitenspiegel aus. Die Lackierung entsprach jenen der Originalfahrzeuge. Türen und Hauben waren teilweise zu öffnen. Für die Lastwagenmodelle bot sich der Maßstab 1:50 an. Einem Qualitätsvergleich mit gleichaltrigen 1:43er Spielzeugautos deutscher Fertigung, hielten nicht alle Modelle stand. Spaltmaße und Lackqualität sollten Sammler daher nicht so eng sehen.

Die für diese Epoche typische Einheitsverpackung, einem silbergrauen Überseecontainer nachempfundene Kartons, liefern nur fallweise, auf den Innenlaschen, Informationen zum Hersteller des Inhaltes. Die Farbe des Inhaltsaufdruckes entsprach jener der Lackierung des eingepackten Modelles. Da anfangs nur kleine Schaumgummistücke als Transportsicherung beigepackt wurden, sind im Laufe der Zeit entstandene Lackabriebe und selbst ein gestauchter Unterfahrschutz, eher Standard als Zufall. Die damaligen Druckgussmodelle lieferten Conrad, Cursor und NZG. Die heute mit ihren erstklassig detaillierten Baumaschinen-Werbemodellen marktführende Firma Conrad im mittelfränkischen Kalchreuth, stellte neben den von Daimler-Benz standardmäßig vertriebenen, 1:50 großen Lastern, in kleinen Serien, die heute sehr wertvollen Sonderaufbauten, für Großkunden von Daimler-Benz her. Die bekanntesten sind Lastzüge und Sattelzüge für BayWa, Lueg Spedition, Messer Griesheim oder Liebherr. Für die Markteinführung des MB Trac 1000/1300 präsentierte Conrad unter dem Traditionsnamen – GESCHA – das adäquate Industriemodell.- Ebenfalls von Conrad kam 1986, zum 100. Geburtstag von Daimler-Benz, unter der Art.Nr. 1503 der Kombityp (W124)  200T/TD - 300TE/TD in 1:35 in einer ansprechenden Jubiläumsverpackung. Ein Jahr zuvor präsentierte dieselbe Manufaktur das perfekte Modell, einen Mercedes Fernreisebusses O303 RHS im großen 1:40er Maßstab.


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Industriemodell, Präsentationsmodell, Werbe-modell Egal- wie man diese Minis auch immer nennen mag, sie sind eine, mehr als berechtigt, gern gesammelte Spezies, welche sich durch ihre Eigenheiten, deutlich von Spielzeug- oder handelsüblichen Modellautos, unterscheiden. Durch sie kann Reklame sammeln tatsächlich zur Passion werden, selbst wenn die tägliche Postwurfsendung ungelesen im Altpapier landet und der Effekt der Fernsehwerbung der Stummschaltetaste zum Opfer fällt.

In diesem Sinne – „ALLES WALZER! – und viel Vergnügen“ (Entschuldigung – ALLES -WERBUNG natürlich) – aber das Vergnügen bleibt trotzdem!