El Caballo Volador - Der kurze Flug des Pegasus
Geschrieben von Wolfgang M. Buchta   

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In Spanien soll es, so die Legende, fliegende Pferde auf vier Rädern geben - Ulli und Wolfgang Buchta sind der Geschichte der raren Spezies nachgegangen.

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Von Karl V. bis Francisco Franco

Als Christoph Kolumbus - nach der üblichen Geschichtsschreibung - am 12. Oktober 1492 Amerika entdeckt, war Kolumbus zwar ein Genuese, der lange Zeit auf Porto Santo bei Madeira gelebt hatte, aber seine Entdeckungsfahrten unternahm er im Auftrag der spanischen Krone, so war es nur logisch, dass Spanien der Hauptnutznießer der Länder der „Neuen Welt“ werden sollte - erinnern wir uns nur an Kaiser Karl V., in dessen Reich „die Sonne niemals unterging“.


450 Jahre später, so in der Mitte des letzten Jahrhunderts, hatte Spanien vor allem eine große Vergangenheit - die Gegenwart des bettelarmen Agrarlandes war weniger rosig. So ist es wenig überraschend, dass die Geschichte der Frühzeit der Automobilindustrie Spaniens eine eher bescheidene ist. Wirklichen Spezialisten fallen dazu vielleicht Namen wie „Abadal“ (1912 bis 1930), „Diaz y Frillo“ (1915 bis 1922) oder auch „La Cuadra“ - die eine Handvoll PKW und Nutzfahrzeuge zwischen 1898 und 1901 bauten - und die Nachfolgefirma von „La Cuadra“, „J. Castro“, wo zwischen 1901 und 1904 acht Autos von drei verschiedenen Bauarten entstanden, ehe Castro 1904 Konkurs anmelden musste.


„La Cuadra“ und „J. Castro“ - beide mit Sitz in Barcelona - blieben zwar „Fußnoten“ der Automobilgeschichte, sollten aber 1904 die Keimzelle eines der größten Namen der Vorkriegszeit werden: Hispano-Suiza!


Die 1904 gegründete Nachfolgefirma „Fabrica la Hispano-Suiza de Automobiles“ leitete ihren Namen von den beiden Ländern Spanien, woher die Geldgeber kamen, und Schweiz, woher mit Marc Birkigt der geniale Chefkonstrukteur und Mitgesellschafter kam. Der automobilbegeisterte König von Spanien, Alfonso XIII., unterstütze die junge Marke und gab ihr so etwas wie royalen Glanz.

Vorerst lief es für Hispano-Suiza gut. Mit dem Typ Alfonso XIII. - natürlich nach dem königlichen Förderer benannt - dessen Höchstgeschwindigkeit 1910 bei 130 km/h lag, zeichnete Birkigt für eines der ersten „Super Cars“ der Automobilgeschichte verantwortlich.
1911 wurde ein Zweigwerk bei Paris gegründet, und im Ersten Weltkrieg boomte das Geschäft mit Flugmotoren. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurden die bis heute legendären großen Luxuswagen von Hispano-Suiza in Bois-Colombes bei Paris gefertigt und in Spanien wurden nur die kleinen Vierzylinder bis 1924 weiter gebaut - aber die vollständige Geschichte von Hispano-Suiza wollen wir ein anderes Mal erzählen ...
Ab 1936 - Stichwort Spanischer Bürgerkrieg - musste Hispano-Suiza im spanischen Werk die Automobilproduktion zu Gunsten von Kriegswaffen einstellen und 1944 ließ Franco das Unternehmen verstaatlichen, womit ein großes Kapitel Automobilgeschichte, mit zumindest etwas spanischer Beteiligung endgültig abgeschlossen war.

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Am Ende des Ersten Weltkriegs war das neutrale Spanien unter der faschistischen Regierung von „El Caudillo“ Francisco Paulino Hermenegildo Teódulo Franco y Bahamonde Salgado Pardo, besser bekannt als General Francisco Franco, ob seiner gegenüber Deutschland „wohlwollenden Neutralität“ zunächst ein isoliertes, armes Agrar-land - heute würden wir von einem „Schwellenland“ sprechen - und so wie die heutigen Schwellenländer sich und der Welt die eigene Größe durch hohe Gebäude, superluxuriöse Hotels oder die Veranstaltung von Olympiaden und Weltmeisterschaften beweisen, so pflegte man es auch damals.
    

Von Hispano-Suiza zu ENASA

1946 bekam der enteignete Schweizer Marc Birkigt auch als Chefkonstrukteur einen Nachfolger, wobei die staatlichen Eigentümer, I.N.I., das „Instituto Nacional de Industria“, keine schlechte Wahl getroffen hatten: Wifredo Ricart war der wohl bedeutendste spanische Automobilkonstrukteur - siehe Kasten - der zuletzt für Alfa Romeo - auch keine schlechte Referenz - gearbeitet hatte.


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Die Reste der Automobiltradition von Hispano-Suiza wurden per 24. Oktober 1946 zu ENASA (Empresa Nacional de Autocamiones S.A.), die sich der wirtschaftlichen und politischen Situation entsprechend auf die Entwicklung und den Bau von Nutzfahrzeugen - Lastwagen, Busse und Militärfahrzeuge - konzentrieren sollte. Vorerst gab es für die geplanten Produkte noch keinen Namen, bis irgendjemand auf den Handelsnamen „Pegaso“ kam - das mythologische Pferd Pegasus sollte Stärke, Agilität und Eleganz symbolisieren.


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Der in den Jahren 1946/47 gebaute „Pegaso I“, von dem aus Gründen der Materialknappheit nur wenige Exemplare - 1946 waren es ganze 38 Stück - gebaut wurden, war ein leicht modifizierter Hispano-Suiza 66G, dem letzten (LKW-)Modell des Traditionsunternehmens.

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Bereits 1947 kam mit dem Pegaso II alias Z-203 ein Nachfolger für acht Tonnen Nutzlast auf den Markt, der unverändert von einem Benzinmotor angetrieben wurde und auf ein paar hundert Stück kam, ehe 1949 mit dem Pegaso Z-202 endlich ein zeitgemäßer Diesel im Angebot war. Durch den Dieselmotor konnte der Verbrauch von rund 45 l/100 km auf 29 l/100 km gesenkt werden.

Rasch wurde der Z-202 als „El camión español“ zum Erfolgsmodell am spanischen Nutzfahrzeugmarkt - was nicht so schwer war, wie es vielleicht klingt, denn LKWs waren in der Nachkriegszeit in ganz Europa gesuchte Mangelware - und in verschiedensten Versionen - als Sattelschlepperzugmaschine (Z-701) oder als Bus - gebaut.


Zumindest ein Prototyp des „El Mofletes“ (= Pausbacke, wegen des rundlichen Fahrerhauses) wurde 1952 mit französischen Akkumulatoren und einem Elektromotor versehen. 6 Tonnen Nutzlast, eine Spitze von 28 km/h und eine Reichweite von 75 km waren die Eckdaten des Z-601 genannten Experiments, das offenbar nicht weiter verfolgt wurde.


Ein anderes Projekt des jungen Herstellers war der Raupentraktor Pegaso Z DC 1 mit 4-Zylinder-Dieselmotor von 60 PS und einer Straßengeschwindigkeit von 9 km/h, der 1947 auf der Messe in Barcelona präsentiert wurde, und sich gleichermaßen an die Landwirtschaft und die Armee richtete. Die Produktion des Z DC 1 / Z DC 2 beschränkte sich auf drei Prototypen. Über den Grund des frühen Produktionsendes wird bis heute spekuliert, aber es gibt das Gerücht, dass sich Fiat durch den Pegaso-Traktor in seinen Patenten verletzt sah.

Don Wifredos Traum wird Wirklichkeit

Irgendwie war abzusehen gewesen, dass ein Ingenieur wie Wifredo Ricart, der vor dem Krieg bei Alfa Romeo auch für Rennwagen verantwortlich war, mit dem Bau nützlicher und zuverlässiger aber biederer Lastwagen nicht vollständig ausgefüllt sein würde. Und Ricart stieß mit seinen Ideen bei seinen Vorgesetzten nicht auf ganz taube Ohren.

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Irgendwo zwischen General Franco und der I.N.I. hielt man es für durchaus wünschenswert, mit einem spektakulären Projekt der Welt die überragenden technischen Fähigkeiten Spaniens zu demonstrieren und so neue Märkte für spanische Produkte zu erschließen.


So fielen Ricarts technische Ambitionen bei der „hohen Politik“ auf fruchtbaren Boden - Don Wifredo soll ein einflussreicher und eloquenter Mann gewesen sein - und der Herr Chefkonstrukteur durfte im armen Spanien sein Prestigeprojekt beginnen.


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Das ursprüngliche Projekt mit dem Code Z-101, einer vier- bis fünfsitzigen Luxuslimousine mit V-12-Motor wurde nicht weiter verfolgt, aber unter der unscheinbaren Typennummer Z-102 begann 1950 die Arbeit an einem Sportwagen, der lupenreine Rennwagen-Technologie für die Straße bieten sollte.
Beginnen wir mit dem Motor: Der Pegaso Z-102 wurde natürlich nicht von einem 4- oder 6-Zylinder-Motor angetrieben, sondern von einem V-8, aber keinem banalen V-8, wie sie in den USA in Massen gebaut wurden, sondern einem V-8 mit vier oben liegenden Nockenwellen und halbkugelige Brennräume - also feinste Renntechnologie, wie beispielsweise beim Mercedes W 165, mit dem Mercedes beim Grand Prix von Tripolis im Jahre 1939 - gegen Alfa Romeo und Maserati - einen Doppelsieg eingefahren hatte.


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Aber damit nicht genug! Der Block des V-8 von anfangs 2,5 Liter Hubraum - was wohl nicht ganz zufällig der Formel der Grand Prix Rennwagen der Zeit entsprach - und einer Leistung von 165 PS, bestand aus Aluminium, wie auch die geschmiedeten Alu-Kolben, was dem ganzen Motor ohne Kupplung ein Gewicht von nicht einmal 200 kg gab. Magnetzündung, Trockensumpfschmierung, natriumgekühlte Auslassventile, ... rundeten die exotische Hightech-Spezifikation ab.


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Der Alumotor, der kurze Radstand von 234 cm und eine typische Gesamtlänge von etwas über 4 Meter gaben dem Wagen ein Gewicht von 1.060 kg für das Standardmodell und 990 kg für die Sportausführung.


Im Laufe der wenigen Jahre der Produktion sollte der Motor - bei gleichbleibendem Hub und vergrößerter Bohrung - über 2,8 Liter Hubraum auf schließlich 3,2 Liter vergrößert werden. Zur weiteren Leistungssteigerung verbaute Pegaso fallweise auch ein- oder zweistufige Kompressoren.
In der Literatur ist fallweise davon die Rede, dass die stolzen Spanier - OK, Barcelona ist die Hauptstadt Kataloniens - ihren Ehrgeiz daran setzten, möglichst viele Komponenten selbst anzufertigen, aber das ist nur teilweise zutreffend.


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Stimmt, Pegaso fertigte zahlreiche Teile bis zu den Türschnallen, Stoßdämpfern und sogar Schrauben selbst, aber nicht oder nicht primär aus Stolz, sondern vielfach aus Not - die spanische Zulieferindustrie existierte praktisch nicht und Einkäufe im Ausland kosteten wertvolle Devisen, allerdings nur dann, wenn „das Ausland“ bereit war, an das faschistische Spanien zu liefern. Heute müssen die Besitzer und Restoratoren bei der Ersatzteilsuche dafür büßen ...
Eine große Ausnahme waren die Vergaser, die aus Italien kamen, und natürlich das Beste von der „Fabbrica Italiana Carburatori Weber“ waren, das man für Geld bekommen konnte.


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Die technische Extravaganz setzte sich beim Getriebe fort. „Normale“ Autos hatten das Getriebe an den Motor angeflanscht, exklusive Sportwagen hatten (vielleicht) ein Transaxlegetriebe, d. h. das Getriebe liegt unmittelbar vor der Hinterachse, aber Ricart ging natürlich einen Schritt weiter und positionierte das Fünfgang-Getriebe hinter die Hinterachse. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Gewichtsverteilung wird weiter optimiert und im Fahrgastraum wird etwas zusätzlicher Platz geschaffen. Dafür ging der Platz im Kofferaum, wo sich bereits Tank, Reserverad, die innen liegenden, hinteren Bremstrommeln und die De Dion-Hinterachse - von gleicher Konstruktion wie im Alfa Romeo Tipo 512 Grand-Prix-Wagen - breit machten, gegen Null. Banale Praktikabilität stand offenbar nicht hoch auf der Prioritätenliste des genialen Konstrukteurs. Scheibenbremsen? Servolenkung? Synchronisiertes Getriebe? Lauter Fehlanzeigen! Firlefanz, den „echte Rennfahrer“ genauso wenig brauchen, wie einen Kofferraum.
    


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Von der Motor Show auf die Rennstrecke

Seinen ersten großen öffentlichen Auftritt hatte der brandneue Pegaso Sportwagen im Oktober 1951 am Pariser Salon, wo ein zweisitziges Coupé und ein Cabrio, beides rare Werkskarosserien, die natürlich auch „in house“ gebaut worden waren.
Sowohl Ricart als auch Franco als auch alle andere Beteiligten konnten mit dem Aufsehen, die das spanische „Super Car“ in Paris verursachte, zufrieden sein.


Nach der fulminanten Präsentation begannen erst einmal die „Mühen der Ebene“ - der neue Sportwagen musste serienreif gemacht werden, Käufer galt es zu finden, was für eine neue Marke - mit einem Background als LKW-Hersteller - gegen die etablierte Konkurrenz von Alfa Romeo, Mercedes, Maserati, ... nicht so einfach war, insbesondere da der Pegaso nicht „über den Preis“ verkauft wurde.


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1954 kostete der Mercedes 300 SL den enormen Betrag von DM 29.000. Der Dollar notierte 1954 zur DM mit 4,20, d. h. am alles entscheidenden amerikanischen Markt kam der 300 SL - vergessen wir einmal Nebengeräusche wie Transport oder Zölle - auf knapp US$ 7.000. Der Pegaso Z 102 hingegen wurde bei Produktionsbeginn um US$ 9.500 und gegen Ende der kurzen Produktionszeit um US$ 15.000 angeboten. Und der 300 SL hatte alle wichtigen Sportwagenrennen gewonnen und einen Stern am Kühlergrill ...


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Für die „World Motor Sports Show“ im Februar 1953 in New York konnte Pegaso die Preise nochmals toppen: Der Pegaso Cupula, ein zum Verkauf stehendes „Concept Car“ wurde um stolze US$ 29.000 abgeboten. Für alle, die Wifredo Ricart auf die Diskrepanz seiner Autos und der wirtschaftlichen Realität in Spanien ansprachen, hatte dieser eine schlüssige Antwort parat - „Wir sind ein armes Land und daher müssen wir Juwelen für die Reichen bauen!“
Pegaso hatte also ein, vielleicht sogar zwei Probleme - das Image ließ zu wünschen über, und die Werkskarosserien, die heute ultrarar und gesucht sind - ein spanischer Enthusiast meinte, dass seien die einzigen „echten“ Pegasos - waren, um es einmal uncharmant zu formulieren, doch eher hausbacken.


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Was macht ein Sportwagenhersteller zur Verbesserung seines Images? Die nahe liegende Antwort lautet: Motorsport, oder wie die Firma Ford später so schön formulierte „Race on Sunday, Sell on Monday“ - Erfolge im Motorsport sind die beste Werbung, besonders für einen Hersteller von sportlichen Automobilen. Also begann Pegaso ein, gemessen an der Größe und Finanzkraft der Firma, ambitioniertes Rennprogramm.
Erster Renneinsatz war, oder - sollen wir eher den Konjunktiv verwenden - hätte sein sollen, beim „Gran Premio de Mónaco“ am 2. Juni 1952, einem nicht zur Weltmeisterschaft zählenden Sportwagenrennen.


Neben Ferrari, Talbot-Lago, Aston-Martin, Jaguar und anderen fanden sich auch die beiden Pegaso Z-102 von Juan Jover und Joaquin Palacio Pover in der Startliste des Rennens, das mit einem Fünffachsieg von Ferrari endete.


Auf Grund zahlreicher Probleme - Schaltung, Bremsen, undichte Ölleitungen - scheinen beide Pegasos in der Ergebnisliste mit „DNS“ („Did not Start“) auf.
Für das 24-Stunden-Rennen von Le Mans im Jahre 1952 nannte Pegaso zwei Werkswagen mit dem auf 2,8 Liter Hubraum vergrößerten V-8 (vom 2,5-Liter-Motor wurden nur wenige gebaut) und Weber-Vierfachvergaser. Dadurch wurde (in der Serienversion) die Leistung geringfügig auf 170 PS gesteigert, aber das Drehmoment deutlich erhöht. Von den Trommelbremsen war es zweifelhaft, ob diese 24 Stunden im Renntempo überleben würden, und so zog Pegaso die Nennung in letzter Minute zurück.


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Als kleinen Trost konnte Pegaso bei Rekordfahrten auf einem Rundkurs bei Vich, rund 70 km nördlich von Barcelona, mit einem serienmäßigen(?) Spider 218 km/h erreichen und mit einem Coupé mit einer speziell gebauten, hauchdünnen „Bisiluro“ Doppelrumpf-Karosserie einen Schnitt von 226,4 km/h erreichen, wobei zeitweise Spitzen von bis zu 250 km/h erreicht wurden.


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Für Le Mans 1953 bereiteten sich die Spanier besser vor: Zwei spezielle Rennwagen mit „Katamara Karosserie“ - der Fahrer saß auf der rechten Seite unter einer asymmetrischen Glaskuppel - und dem Motor wurde mit einem zweistufigen Kompressor weit über 200 PS Leistung eingehaucht.
Die beiden Rennmotoren wurden allerdings kurz vor dem Rennen bei einem Brand zerstört und die Teams Joaquín Palacio/Pablo Julio Reh Cardona und Paul Metternich/Juan Jover mussten mit 2,8-Liter-Motoren mit nur einstufigem Root-Kompressor ins Training gehen.


Wieder machten die Bremsen Probleme - ein Wagen musste zurückgezogen werden und der andere hatte einen Crash, als ihm im Training ein langsamer Konkurrent in den Weg kam, denn schnell waren die Rennwagen ja.


Im Herbst 1953 ging Pegaso nach Belgien auf den Autobahnabschnitt Oostende-Jabbeke, wo Jaguar am 30. Mai 1949 mit einem (fast) serien-mäßigen XK 120 unter Aufsicht des Königlich Belgischen Automobilclubs mit 132,6 mph (213,5 km/h) nicht nur die Typenbezeichnung - XK 120 für eine Spitze von 120 Meilen - deutlich unterstrich, sondern auch zum schnellsten Serienauto der Welt wurde.


Die „Herrschaft“ des Jaguar XK 120 sollte bis zum 6. Oktober 1953 dauern, denn nach einigen vergeblichen Versuchen durchfuhr der Pegaso Bisiluro mit 3,2-Liter-Doppelkompressormotor und 360 PS die fliegende Meile mit einer Geschwindigkeit von 251,5 km/h - das schnellste Serienauto der Welt - wobei man da über „Serie“- trefflich streiten kann - kam ab sofort aus Spanien!


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Für den alles entscheidenden amerikanischen Markt war die berühmte Carrera Panamericana - 1950 bis 1954 abgehalten - das wichtigste Sportwagenrennen.  1953 gab Pegaso beim italienischen Karosseriebauer Touring eine spezielle Karosserie in Auftrag, aber der „El Panamericano“ genannte Wagen wurde nicht rechtzeitig für das Rennen fertig.


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Etwas besser lief es 1954, als Palacio mit einem Roadster mit 3,2 Liter Kompressormotor, der wegen der Unterstützung durch Leonidas Trujillo, dem Präsidenten der Dominikanischen Republik, „El Dominicano“, genannt wurde, am Start war.


Der hoch frisierte Motor verlangte eine spezielle Kraftstoffmischung, die in vielen Fässern nach Mexiko geschickt wurde. Leider hatten alle Beteiligten übersehen, dass im Reglement die Verwendung serienmäßigen Kraftstoffes vorgesehen war, so mussten die unglücklichen Mechaniker vor Ort den Motor rückbauen.


In den ersten drei Etappen konnte Palacio so schlecht und recht mit der Meute der Konkurrenten mithalten, ehe er durch einen gröberen Unfall bei geschätzten 210 km/h ausfiel.


Etwas besser lief es bei europäischen Bergrennen, vor allem in Spanien, Italien und in der Schweiz, wo Standfestigkeit weniger gefragt war. Dank hoher Leistung und des kurzen Radstandes konnten Werksfahrer und auch private Pegasos immer wieder gute Plätze erringen.
Mit dem verkaufsfördernden, sportlichen Ruhm hatte man es zumindest versucht, aber was macht man, wenn die Karosserien zu bieder ausfallen, und im LKW-Werk die Stardesigner - ohne jetzt die Leistungen von Medardo Biolino, auf dessn Reißbrett die Werkskarosserien entstanden waren - hausintern nicht so leicht zu finden sind?   


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Verschönerungsverein Die Antwort war einfach, vor allem mit Wifredo Ricarts Vorgeschichte: Ricart kontaktierte seine „alten Freunde“ in Italien, allen voran Carlo Felice Bianchi Anderloni, den Eigentümer von „Carrozzeria Touring Superleggera“.


Die ersten Früchte der Zusammenarbeit - zwei Touring Spider - waren bereits am Pariser Salon des Jahres 1952 zu bewundern.

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Die Karosserien aus dem Hause Touring waren gegenüber den „Eigenbauten“ aus Barcelona in der Optik und auch im Gewicht ein gewaltiger Fortschritt, der allerdings seinen Preis hatte: Die Anfertigung der Karosserie inklusive der „Nebengeräusche“ wie Transport und Zoll kam auf stolze US$ 7.500 - kein Wunder, dass sich der Endkundenpreis fast verdoppelte.
Ebenfalls kein Wunder, dass Pegaso sich nach Alternativen umsah resp. umsehen musste, und so entstanden auch bei Saoutchik in Frankreich Karosserien, die allerdings nicht die Ästhetik von Touring hatten.
    


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Schwanengesang Kurz vor Ende der Produktion schien es, als hätte Ricart die ideale Lösung für das Karosserieproblem gefunden. Der junge, 1926 geborene, und damals noch unbekannte Karosseriebauer Pedro Serra entstammte einer in der Automobilbranche tätigen Familie und hatte die Profession des Karosseriebauers von der Pike auf gelernt. Serra war, wie auch Pegaso in Barcelona angesiedelt und konnte durchaus elegante Karosserien - geringe Transportwege, keine Zölle und ein niedrigeres Lohnniveau - um umgerechnet US$ 1.900 liefern. Auf Grund der Produktionseinstellung sollte es leider bei sieben Fahrzeugen - Z-102 und Z-103 - bleiben.


Der Pegaso Z-103 war ein letzter Versuch Pegasos, den Sportwagen zu konkurrenzfähigen Preise anzubieten: Statt des aufwendigen V-8 mit vier Nockenwellen, wurde der Z-103 zwar auch von einem V-8-Motor, aber mit nur einer zentralen Nockenwelle, dafür wurde der Hubraum von 2,8 Liter auf bis zu 4,8 Liter vergrößert. Um die Konfusion zu vervollständigen, wurden die meisten Z-103 mit dem „alten“ Motor mit vier Nockenwellen ausgeliefert, und vielleicht nur einer mit dem neuen Motor ...


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Für die Einstellung der Sportwagenproduktion im Jahre 1958 gab es zumindest drei gute Gründe - mangelnde Nachfrage, enorme Kosten und der grundsätzlich erfreuliche Umstand, dass die boomende Wirtschaft in Spanien jeden einzelnen Lastwagen, den Pegaso produzieren konnte gierig aufnahm. Vor die Wahl gestellt defizitäre Sportwagen oder kommerziell erfolgreiche Nutzfahrzeuge zu bauen - da war die (kommerzielle) Entscheidung wohl klar.
Auf persönliche Anordnung von Diktator Franco- wurden die Produktionanlagen für den Z-102/Z-103 komplett demontiert und verschrottet und noch vorhandene Teile verschleudert oder auch verschrottet - die Sammler sind dem „Generalissimo“ dafür bis heute dankbar.
Emotionell sah es zumindest bei Wifredo Ricart, der zwar 1957 im Alter von 60 Jahren offiziell in Pension gegangen war, anders aus. Bis zumindest 1959 präsentierte er Projekte für eine Wiederbelebung der Sportwagenproduktion, zuletzt (wieder, wir erinnern uns an das Z-101-Projekt) eine sechsitzige Limousine.


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Die gebaute Stückzahl ist, das klingt bei einem so exklusiven Kleinserienfahrzeug vielleicht seltsam, nicht genau bekannt, was vor allem daran lag, dass Pegaso etliche Chassisnummern mit unterschiedlichen Karosserien zeigte und auch gelegentlich ehemalige Rennfahrzeuge mit einer neuen Karosserie als Neuwagen verkaufte.


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Die meisten Quellen sprechen von 84 Stück, manchmal liest man auch die Zahlen 82 oder 86 - dass es deutlich unter 100 waren, darin sind sich alle einig. Rund 30 Exemplare haben bis heute überlebt und sind natürlich gesuchte Sammlerstücke, deren Preise sich in 300SL-Regionen bewegen.
Mit verschiedenen Motorvarianten - 2,5 Liter, 2,8 Liter oder 3,2 Liter mit oder ohne Kompressor, und der Vielfalt an Karosserien scheint es durchaus glaubwürdig, dass es keine zwei idente Pegaso gegeben hat.


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In Automobile Quarterly 49/03 findet sich die vermutlich korrekteste Übersicht über die Stückzahlen bei den vier Karosseriebauern gefertigten Karosserievarianten:


ENASA -                             19 Autos
Berlineta                             12
Cupula                                  1
Bisiluro                                  1
Werksrennwagen                 4
Chassis ohne Karosserie     1


Touring -                             40 Autos
Berlineta                             24
Spider Tibidabo                    1
Thrill                                     1
Werksrennwagen                2
Le Mans Spider                   3
Hardtop                               1
Z-103                                  8
Saoutchik -                        18 Autos
Coupé                                14
Cabriolet                              4
Serra -                                 7
Spider                                  7
    


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Das Leben geht weiter ... Im Werk von ENASA - und ab 1953 in einem riesigen, neuen Werk in Madrid - „ging das Leben weiter“, wobei Leben in diesem Fall LKW, Autobusse und Militärfahrzeuge für die spanische Armee bedeutete.


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In den folgenden Jahren und Jahrzehnten entstand bei Pegaso, so wie auch bei anderen Nutzfahrzeugherstellern, eine verwirrende Vielfalt an Typen, von denen einige in großen Mengen gebaut wurden, während andere nur auf minimale Stückzahlen kamen oder gar Einzelstücke blieben.


1962 ging Pegaso eine Kooperation mit den britischen Hersteller Leyland ein - aus dem Leyland Comet wurde der Pegaso Comet - und 1966 übernahm Pegaso die „Vehiculos Sociedad Anonima de Industriales“ (SAVA), die auf leichte Nutzfahrzeuge bis 3,4 Liter Hubraum spezialisiert war.


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1980 übernahm Pegaso den britischen Hersteller Seddon Atkinson und Ende des Jahrzehnts stand Pegaso selber zur Übernahme bereit. Zuerst ritterten MAN, die bereits eine technische Kooperation mit Pegaso hatten, und Mercedes-Benz um den spanischen Hersteller, ehe schließlich im Jahre 1990 die italienische IVECO Gruppe den Zuschlag bekam. Eine Zeit lang wurden Pegasos weiter produziert, die mehr und mehr zu IVECO-Modellen mit Pegaso-Aufschriften wurden, ehe 1995 die Marke ganz aufgegeben wurde. Seither werden in einem Teil der Werks in Madrid IVECOs gefertigt.


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Seit der Produktionseinstellung der Sportwagen im Jahre 1958 gab es einige Versuche, die mystische Marke wieder zu beleben. Der bekannteste dieser Versuche fand 1991 unter der Mithilfe von Pedro Serra statt. Das Britschen Design Büro „IAD“ konstruierte einen recht exakten Nachbau der Z-103 SS1 Roadsters - SS steht hier nicht, wie bei Alfa Romeo für „Super Sport“ sondern für „Serra Spider“, der von einem Rover V-8-Motor angetrieben wurde. Die „Recreation“ brachte es immerhin auf 10 (oder vielleicht auch 11) Exemplare.

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