Die k.u.k. Luftfahrtruppen - Österreich-Ungarns „Luftakrobaten“
Geschrieben von Walter Blasi / Edition Winkler-Hermaden   

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Am 23. Oktober 1909 sahen etwa 300.000 Wiener, unter ihnen auch Kaiser Franz Joseph, sowie zahlreiche Mitglieder des Herrscherhauses und viele hohe Militärs, zum ersten Mal einen Menschen, und zwar den Franzosen Louis Blériot, in einem Flugzeug fliegen.

Bei seinen beiden Aufstiegen über der Simmeringer Heide, die zusammen fast 40 Minuten dauerten, demonstrierte Blériot, der übrigens mit der gleichen Maschine flog, mit der er am 25. Juli des gleichen Jahres als erster den Ärmelkanal überflogen hatte, was und wie viel die Donaumonarchie auf diesem Gebiet bisher versäumt hatte. Er verhalf damit auch der Motorluftfahrt in Österreich-Ungarn zum Durchbruch.

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In der Folge beschafften sich einige vom Motorflug begeisterte Offiziere aus eigenen Mitteln Flugzeuge oder entwickelten selbst Neukonstruktionen. Einer davon war der gelernte Artillerist und spätere Oberst Emanuel Quoika. Als Ballonfahrer vom „Fliegervirus“ befallen, machte er sein ganzes Vermögen flüssig und lernte auf eigene Kosten bei Blériot in Paris „pilotieren“. Er kaufte sich auch gleich ein Flugzeug und brachte die Maschine einschließlich des französischen Mechanikers Mitte November 1909 nach Wien. Am 27. November des gleichen Jahres stürzte er bei einem Flug kurz nach dem Start ab. Er blieb unverletzt und es wurde lediglich die Maschine stark beschädigt. Wenige Tage später wurde Quoika zum Generalstabschef des II. Korps zitiert und von diesem mit den Worten empfangen: „… wollen sie Luftakrobat werden oder Artilleriehauptmann bleiben?“ Quoika erwiderte, dass der „Aeroplan“ auch für militärische Zwecke eine Zukunft haben dürfte, was auf scharfe Ablehnung durch den Generalstäbler stieß. Dagegen hatte in richtiger vorausschauender Erkenntnis der Bedeutung der Militärluftfahrt der Chef des Generalstabes, Franz Conrad von Hötzendorf, seit 1907 auf einen schnellen Auf- und Ausbau der österreichisch-ungarischen Aviatik gedrängt. Die Heeresverwaltung hatte jedoch bisher nur eine beobachtende Haltung eingenommen – trotz der Mahnungen Conrad von Hötzendorf.


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Wenn auch das Heer zunächst mit Lenkballonen „experimentiert“ hatte, die Zukunft sollte dem Flächenflugzeug gehören. Conrad von Hötzendorf schwebten übrigens 200 Flugzeuge und die Heranbildung von 400 Militärpiloten vor. Dem gelernten Österreicher wird es nicht wundern, dass so schnell nichts daraus wurde – noch waren die Zweifler an hohen Stellen über die Verwendung der Aviatik für militärische Zwecke in der Überzahl. 1911 bzw. 1912 schlug dann endlich die Geburtsstunde der österreichisch-ungarischen Militärluftfahrt – die ersten Maschinen (Etrich-Tauben und Lohner-Pfeilflieger) wurden angeschafft.
 
Auch eine Luftfahrtindustrie begann sich herauszubilden. Die erste Flugzeugfabrik auf dem Boden der Doppelmonarchie war die „Igo Etrich Aeroplan Construktionswerkstätte“. Sie bezog 1909/1910 einen Doppelhangar auf dem Wiener Neustädter Steinfeld. Als leistungsfähigste Flugzeugfabrik sollten sich in weiterer Folge die Lohnerwerke etablieren.

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Obwohl die Donaumonarchie vor dem Ersten Weltkrieg zu den führenden Staaten in der Luftfahrt gehörte, war es bei Kriegsausbruch im Jahre 1914 nur unter größten Schwierigkeiten möglich, die Fliegerkompanien ins Feld zu schicken. Mit deutschen Flugzeuglieferungen konnten weitere Einheiten aufgestellt werden. Große Bedeutung erlangte das Flugzeug in der Aufklärung und als fliegender Artilleriebeobachtungsstand („Radioschießen“). Eine große Herausforderung für die k.u.k. Feldpiloten waren die schwierigen Platzverhältnisse und Wetterbedingungen in den engen Alpentälern an der Südwestfront und im zerklüfteten Karst am Balkan. Vor allem ab 1917 stemmte man sich gegen die einsetzende Überlegenheit des Gegners in der Luft, die immer drückender wurde und bis Kriegsende bestimmend blieb.

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Aber auch die k.u.k. Kriegsmarine verfügte über Flugzeuge. Die Seeflugzeuge wurden vor allem als Aufklärungsmittel eingesetzt. Die Beobachtung aus der Luft sollte die zahlenmäßig schwache Torpedoboot-Flottille entlasten. Auf Grund der höheren Seetüchtigkeit hatte man sich für ein Flugboot und gegen ein „seetüchtig“ gemachtes Landflugzeug entschieden. Die österreichischen Flugboote waren bis 1916 den italienischen weit überlegen, was zu einer Vernachlässigung der Weiterentwicklung führte. Schließlich ging die Luftüberlegenheit der Österreicher verloren und das Kräfteverhältnis verschob sich immer mehr zugunsten der Alliierten. Die Überlegenheit des Gegners war gegen Kriegsende so groß, dass einzelne k.u.k. Seeflieger von bis zu 15 Flugzeugen angegriffen wurden. Übrigens der einzige Pilot, der mit dem Ritterkreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens ausgezeichnet wurde, war ein Marineflieger, nämlich Gottfried Freiherr von Banfield.

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Während des Ersten Weltkriegs blieb die Leistungsfähigkeit der heimischen Luftfahrtindustrie hinter jener der anderen Staaten zurück. Mangelte es zunächst an den industriellen Kapazitäten und an qualifizierten Arbeitskräften, so brachte eine stetig steigende Materialknappheit im weiteren Kriegsverlauf alle Ausbaupläne zum Scheitern. Immerhin sollte die Donaumonarchie zehn Flugzeugfabriken und zwei Flugmotorfabriken hervorbringen. Die Geschichte des Flugzeugbaus in Österreich-Ungarn hingegen ist untrennbar mit einer Person verbunden und zwar mit Camillo Castiglioni, einem Finanzjongleur und Spekulanten, der zur beherrschenden Figur aufsteigen konnte und nach dem Krieg – fast – alles wieder verlieren sollte.

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