Niki Laudas Gipfelbuch 1968
Geschrieben von Günter Sandler   

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Die Bergrennen von Niki Lauda. Christian Sandler über das erste Jahr einer großen Karriere …

Die Laudas waren wer in der gehobenen Geschäftswelt des 20. Jahrhunderts Opa und Vater von Andreas Nikolaus Lauda waren als Aufsichtsratsvorsitzende und Präsidenten verschiedener Banken und Industriebetriebe in den Wirtschaftsblättern stets präsent. Zu deren Besitzungen zählten die Villa in Pötzleinsdorf, ein Haus am Schubertring, Ländereien in Reichenau an der Rax und ein Domizil in St. Moritz.

Beste Voraussetzungen also für Klein-Niki, dem wohlerzogenen Jungen, dem auf seinen Lebensweg die besten Manieren mitgegeben wurden.

Das Leben in der Finanzwelt war für ihn vorprogrammiert, aber der Jungspund hatte nur Autos im Kopf. So kam es, dass er sehr zum Leid-wesen seiner Familie zuerst eine Mechaniker-Lehrebegann. „Ein Lauda macht sich die Finger dreckig …“, soll der Patriarch Dr. Hans von Lauda mokiert geäußert haben.

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Dann schlug Niki doch noch den intellektuellen Weg ein und machte die Matura in Abendkursen. Angeblich hat er mit dem Zeugnis etwas „getrickst“, aber 15.000 Schilling Maturaprämie waren eine tolle Sache. Mit dem Geld ging sich gerade noch ein gebrauchter, etwas lahmer, VW Käfer aus.

Peter Draxler, ein Schulfreund Nikis, zeigte ihm eines Tages den neuen Cooper S seines Vaters und Niki kam sofort ins Schwärmen. Draxler hatte noch keinen „Schein“ und so wurde Lauda als Fahrer diverser Spritztouren auserkoren. Höhenstraße rauf und runter aber irgendwann gegen 4 Uhr früh ging dem Hobbyrennfahrer die Straße aus. Der Mini war ziemlich ramponiert und Niki musste der Familie Draxler den Schrott abkaufen; die 38.000 Schilling kamen von der Oma.

Jetzt standen in der Garage der elterlichen Villa ein müder Käfer und ein zerbeulter Mini. Der Käfer wurde veräußert, der Erlös floss in die Ersatzteile für den Mini. Die begonnene Lehre als Mechaniker kam ihm dabei zugute.


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Zu jener Zeit gab es in Österreich Fritz Baumgartner, eine große Nummer im Tourenwagensport. Er annoncierte in der Autorevue seinen dunkelblauen Renn-Mini ohne Motor. Also runter nach Baden. Der Deal sah in etwa so aus: Renn-Mini gegen reparierten Straßen-Mini plus 20.000 Schilling Bares, die der angehende Rennfahrer jedoch nicht hatte. Nikis Vater hat irgendwann auf Baumgartners Druck die Schulden bezahlt.

Im Kaufpreis waren auch einige Testrunden in Kottingbrunn inkludiert. Daheim in der Pötzleinsdorfer Straße wurde mit Baumgartners Hilfe ein Rennmotor eingebaut. Die Laudas waren „not amused“, der Bub wird doch nicht eine Karriere als Rennfahrer anstreben, jetzt wo er Matura hat soll er doch …!

Im Frühjahr 1968 stand der Mini fertig und einsam in der Villengarage, ohne Schleppfahrzeug, ohne Hänger und ohne Bargeld. Der Mini war hauptsächlich für Bergrennen geeignet – eine durchaus taugliche Disziplin, um sich auf größeres vorzubereiten. Niki borgte sich von einem Onkel einen BMW V8 samt Anhänger und trat damit am 15.April 1968 die Reise zu seinem ersten Autorennen nach Bad Mühllacken, im oberösterreichischen Mühlviertel, an. Im Schlepptau war natürlich Fritz Baumgartner, um gute Ratschläge zu geben. Ob Freundin Ursula Pischinger auch dabei war, ist nicht überliefert.

15.000 Fans pilgerten bei prächtigem Wetter am Ostersonntag zur Strecke – bei 12.000 Eintritten jedoch sind dem Veranstalter die Karten ausgegangen. Lauda trat in der Klasse der Tourenwagen bis 1.300 ccm an und hielt sich im ersten Lauf an eine Empfehlung von Baumgartner, nicht über 8.000 zu drehen und wurde Dritter. In Lauf 2 durfte er an die 8.500 drehen und gewann somit diesen Lauf. Er war damals schon außergewöhnlich diszipliniert. In Addition beider Läufe wurde er zweiter hinter Herbert Grünsteidl, ebenfalls auf Cooper. Im offiziellen Rennprogramm war er unter A. N. Lauder geführt.


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Nächster Auftritt, zwei Wochen später, war am Dobratsch. Am Morgen des 28. April strömten 9.000 Fans zur Villacher Alpenstraße. Die Sensation auf dieser fahrerisch sehr ansprechenden Strecke war perfekt und Lauda gewann sein erstes Rennen. In dieser heiß umkämpften Klasse, wo jeder jeden schlagen kann, gewann er mit knappem Vorsprung vor Lambert (Lammy)Hofer. Gesamtsieger wurde übrigens Rudi Lins im Porsche 906. Niki fuhr erst am Montag nach dem Rennen nach Hause, wo in schon sein Vater mit dem aufgeschlagenen Sportteil der „Presse“ empfing und dem Bub ordentlich zurecht stutzte.

Jetzt ging es Schlag auf Schlag, am 5. Mai stand das Alpl-Bergrennen in Peter Roseggers Waldheimat am Kalender. Niki Lauda nahm dem Zweitplatzierten in der 1.300er-Klasse, Hans Himmetsberger, auf der 6,5 km langen Strecke gleich volle 11 Sekunden ab. Tagessieger wurde wieder ein Porsche 906, diesmal gefahren von Richard Gerin.

Am 26. Mai kehrte Lauda rennfahrerisch wieder nach Oberösterreich zurück. In Engelhartszell ist der nächste Gipfelsturm angesagt. Stark-regen dominierte den Rennsonntag, auch für Niki eine neue Situation. Unter solchen Bedingungen trennt sich normalerweise die Spreu vom Weizen. Wieder schlug der Neuling zu und gewann beide Läufe souverän vor Lambert Hofer. Axel Höfer schrieb damals in der Autorevue: „Als großartiger Regenfahrer entpuppte sich Nicki Lauda und errang einen weiteren Klassensieg.“ In der Zeitschrift Austro-Motor schrieb der unvergessene Ritchie Riegler folgendes: „… er hat sich Baumgartners Mini angeschafft, kein Mensch hatte diese Siege erwartet, auf einem für Fritz zurechtgeschneiderten Wagen, Nicki ist die personifizierte Sensation“. Anmerkung: in den zeitgenössischen Printmedien stand am Anfang seiner Karriere immer „Nicki“ statt „Niki“.

Nun fühlte er sich reif genug, um eine sportliche Sprosse höher zu steigen. Mitten in der Saison wurde der Mini an Helmut Koinigg verkauft, dafür besorgte er sich den Porsche 911 von Peter Peter.

Dieser Deal war, wie die vorangegangenen,natürlich wieder ein finanzielles Husarenstück. Aber Lauda glaubte an Lauda. Bei Gerhard Mitter wurde der 11er mit ein paar Zusatz-PS ausgestattet, die Bezahlung erfolgte später. Lambert Hofer, ebenfalls Mitglied der Wiener Jeunesse dorée, war damals über Laudas Reife, Fahrkönnen und Disziplin extrem begeistert.

Beflügelt mit diesem neuen Gerät reiste er zwei Wochen nach Engelhartszell wieder ins Donautal, in Kasten-Viechtenstein fand der nächste Aufstieg statt. Abermals bahnt sich eine Regenschlacht an, dennoch war er Zweitschnellster im ersten Lauf. Im zweiten Durchgang wollte er es dann genau wissen, rutschte von der Strecke und beschädigte sich dabei den Benzintank. Weiterfahren unmöglich, es war der erste kleine Dämpfer in seiner jungen Karriere.


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Nächster Auftritt am 23. Juni beim Koralpe Bergrennen in Kärnten. Tagessieger wurde Richard Gerin auf Porsche 906. Niki war wieder einmal als bester Tourenwagenfahrer nicht zu biegen, wurde mit einer Fabelzeit gesamt Fünfter und sammelte dabei wichtige Zähler für die Staatsmeisterschaft.

Das Rennen am 4. August von Bad Mitterndorf auf die Tauplitz war der nächste Berglauf gegen die Uhr. Während das Training unter Schlechtwetterverhältnissen stattfand, zeigte sich der Wettergott für den Renntag gnädig und es herrschte bestes Bergwetter. Diese anfangs tolle- Stimmung trübte der Todessturz von Kary Seitz. Seitz kam mit seinem Porsche RSK von der Strecke ab, er wurde dabei aus dem Wagen geschleudert. Die Verletzungen waren so groß, dass er in der folgenden Nacht im Krankenhaus seinen letzten Kampf verlor.

Lauda befuhr die 9,8 km lange Mautstraße mit einer Zeit von 5:59,6 Minuten, gewann damit seine Klasse und wurde insgesamt Siebenter.

Zwischen Koralpe und Tauplitz fuhr Niki sein erstes Rennen auf einer geschlossenen Renn---strecke – Ausfall mit Motorschaden in Langenlebarn. Am 11. August reisten die Gipfelstürmer ins Schilcherland nach Stainz. Alle gegen Jochen Rindt, war das freundlich gemeinte Motto. Es war dies das einzige Duell Laudas gegen Rindt auf der Rennstrecke (s. Austro Classic 1/2017).Gewonnen hat das Rennen unser damaliger Nationalheld mit den markanten und unvergesslichen Gesichtszügen auf Brabham Formel 2.

Lauda driftete den 911er in gekonnter Manier durch die Weingärten und gewann wieder einmal seine Klasse. Er belegte den neunten Gesamt-rang und platzierte sich damit zwischen Franz Alberts Ford GT 40 und Dr. Helmut Markos Kaimann Mk III.

Weil es immer so schön war in Oberösterreich, fuhr Niki am 15. August gleich zum vierten Mal zu einem Bergrennen ins Land ob der Enns: „Walding – Gramastetten“ lautete die Parole. Die ganze heimische Elite war wieder angetreten: Franz Albert, Gerhard Krammer, Sepp Manhalter, Peter Peter, Richard Moser, Klaus Sterzinger … also Spannung pur.

Dieses Rennen, vom MSC Rottenegg durchgeführt, zählte nicht zur Meisterschaft, sondern zum „Goldenen Band“ der OSK. Peter Peter beherrschte nicht nur im Training, sondern auch im Rennen den Berg. Bestzeit, sowohl im ersten (trockenen) als auch im zweiten (verregneten) Durchgang. Lauda heimste wieder einmal den Klassensieg ein und erreichte dabei den sechsten Gesamtrang mit seinem von „Bali Kaffee“ gesponserten Porsche.

Langsam aber sicher wuchs seine Fangemeinde und der rote Porsche mit dem amtlichen Nummerntaferl W 2.879 schlich sich unaufhaltsam ins Gedächtnis ein.

Der Herbst des Jahres 1968 gehörte aus Niki Laudas Sicht den Flugplatzkursen: Zeltweg,Aspern und Innsbruck waren die Austragungsorte. Meistens im bekannten 911er, aber auch sein Debüt in Kurt Bergmanns Kaimann fiel in diese Zeitspanne.

Niki Laudas Gipfeleintrag der Saison 1968 endete mit dem Bergpreis am 27. Oktober von Königstetten auf die Dopplerhütte, geführt als Kary-Seitz-Gedächtnisrennen.

Bei schönem Spätherbstwetter verfolgten beachtliche Zuschauermassen die letzte Berg-wertung des Jahres. Es waren wieder alle großen Namen des heimischen Motorsports vertreten. Platz 1 und 2 gingen an die „Plastikbomber“ aus Zuffenhausen, Rudi Lins gewann auf 910 vor Peter Peter auf 906. Lauda übte sich erstmals als Doppelstarter. Platz acht erreichte er mit dem Porsche 911 und Platz neun, 3 Zehntel langsamer, mit dem Kaimann Mk III aus der Rennwagen-schmiede von „Masta“ Kurt Bergmann. Unmittelbar vor Niki platzierte sich Stefan Sklenar mit dem interessanten Ferrari 250 LM, mit dieser Art Fahrzeug gewann Rindt die spannenden 24 Stunden von Le Mans 1965.

Niki Laudas Premierensaison brachte bei zehn Bergrennen insgesamt acht Klassensiege unde inen zweiten Platz, einmal schied er durch Unfall aus.

1969 fuhr Niki nur noch ein Bergrennen, für das Team Kaimann am Rossfeld, dann war Schluss mit den Bergtouren. Diese Erfolge legten den Grundstein für seinen unaufhaltsamen Aufstieg von Klasse zu Klasse, bis hin zu seinen drei Weltmeistertiteln der Formel 1.

Lauda, ein Name der mit Mozart, Klammer und Schwarzenegger auf der ganzen Welt in einem Atemzug genannt wird. Und alles hat vor 50 Jahren, am 15. April 1968, in Bad Mühllacken beim Bergrennen begonnen.

Anmerkung vom Verfasser dieser Zeilen: Sollte jemand über den Verbleib des Renn-Mini Bescheid wissen, bitte um Nachricht an die Redaktion!

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