Der König der Formel 2 zwischen den Strohballen
Geschrieben von Christian Sandler   

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Es war dies die Zeit im Motorsport, wo sich die Helden unserer Jugend jedes Wochenende irgendwo auf einer Rennstrecke trafen. Mal trugen sie ihre Gefechte in der Formel 1 aus, am darauffolgenden Wochenende wurde im Tourenwagen Gas gegeben und eine Woche später war die Formel 2 an der Reihe. Wenn dann mal zwischendurch etwas Zeit blieb, kamen noch die Langstreckenrennen und Bergrennen dazu.

So war auch dieses Formel 2-Rennen zwischen zwei Formel 1-Läufen eingebettet. Am 7. Juli gab es den französischen Grand Prix und am 21. Juli den britischen GP.

1968 war eigentlich eine sehr traurige Saison im Motorsport. Beim Formel 2-Eröffnungsrennen am Hockenheimring verlor „everybody’s darling“ Jim Clark sein Leben, im veralteten Lotus, auf der einsamen Waldgeraden. Beim Rossfeldrennen bezahlte Ludovico Scarfiotti im Porsche Leichtbaubomber mit seinem Leben. Für Mike Spence wurde das „Indy 500“ eine Reise ohne Wiederkehr und Jo Schlesser verbrannte eine Woche vor LALE in seinem Honda beim Formel 1 GP in Rouen.


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Die Formel 2-Saison 1968 glich der des Vorjahres, Jochen Rindt war der uneingeschränkte König in dieser Disziplin und konnte bisher vier Rennen gewinnen. Jackie Stewart gewann zweimal, war aber wegen einer Verletzung in Österreich nicht am Start. Jean-Pierre Beltoise im französischen Nationalrennwagen siegte ebenso zweimal. Die Briten Chris Irwin und Jonathan Williams siegten je einmal. Unser Jochen Rindt fuhr für das britische Team von Roy Winkelmann, zusammen mit seinem Teamkollegen Alen Rees einen Brabham BT27, angetrieben von einem 2 Liter Ford-Cosworth-Aggregat. Betreut wurden die beiden Boliden, mit den in die Mode gekommenen, aber fragilen und gefährlichen Flügelkonstruktionen, vom Neuseeländer Peter Kerr.


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Beim samstäglichen Training brannte Rindt, vor 10.000 Zuschauern, mit 1´03´´27 eine sagenhafte Bestzeit, trotz feuchter Piste, in den niederösterreichischen Asphalt, um eine Sekunde schneller als Doppelweltmeister Clark im Vorjahr. Chris Amon im Ferrari Dino V6 wurde mit 1´03´´70 zweiter vor Jean-Pierre Beltoise (Matra) mit 1´04´´20. Der Brite Piers Courage (Brabham) vervollständigte als vierter die erste Startreihe. Henri Pescarolo (Matra), Alan Rees (Brabham) und Robin Widdows bildeten die zweite Startreihe. Reihe drei bildeten Jackie Oliver (Lotus), Kurt Ahrens (Brabham), Silvio Moser (Tecno) und Derek Bell im Ferrari. In Reihe vier fand man klingende Namen wie Ernesto Brambilla, Chris Lambert und Brian Hart, alle auf Brabham. Graham Hill stellte den nicht konkurrenzfähigen Lotus in die vorletzte Startreihe neben Frank Gardener, Mike Beckwith und Corrado Manfredini. Formel V-Europameister Günther Huber borgte sich von Xavier Perrot einen Brabham BT23 und stellte diesen auf den 19. und letzten Startplatz.


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Am Renntag säumten 30.000 begeisterte Zuschauer, nur teilweise geschützt durch Strohballen, die topfebene Start- und Landebahn mit ihren Rollwegen des Militärflugplatzes. Es galt die 2,8 km lange Piste zweimal 35 Runden zu je 98 Kilometer abzuspulen.

Der Start zum ersten Lauf verlief etwas turbulent, da der Veranstalter einfach die vorgeschriebene Einführungsrunde ausließ. Rennleiterlegende Martin Pfundner damals im Originalton: „Hamma nie gehabt, also machen wir keine.“


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Beltoise und vor allem Rindt boten dem begeisterten Publikum vom Beginn an ein elektrisierendes Duell, das letzten Endes ein gekonntes Katz-und-Maus-Spiel war. Fast jede Runde wechselte die Führung zwischen den beiden. Rindt drehte in der elften Runde mit 1´03´´20 eine Rekordrunde, die sogar schneller war als seine eigene Pole, Schnitt 162,9 km/h. Aber in Runde 22 wurde es Jochen zu bunt und er begann in seinem typischen Räuberstil den Franzosen davonzufahren.

Amon bekam gleich zu Beginn Ärger mit dem Getriebe und der Motor seines Ferrari lief auch nur mehr auf 5 Zylindern. Bell nahm eine Kurve zu eng, schleuderte einen Strohballen auf die Strecke, den Hill prompt aufgabelte und sich dabei die Schnauze seines alten Lotus stark beschädigte. Mit britischer Gelassenheit stieg „Pokerface“ Hill aus, beseitigte den Bremsklotz, riss die Reste der verbogenen Vorderfront ab, stieg ein und fuhr brav weiter.

Chris Lamberts Brabham stellte sich in der schnellen Nordwestkurve quer, die beiden knapp dahinter liegenden, Silvio Moser und Alan Rees, kollidierten bei deren Ausweichmanöver und rutschten in die Wiese, wobei sich Rees mit einer Begrenzungstafel verkeilte. Unverletzt entstiegen die beiden ihren beschädigten Boliden, aber an ein Weiterfahren war nicht zu denken. Wie damals üblich, bei Rennen mit Strohballen als Begrenzung, verteilte der Wind brav das Stroh und machte die Strecke ziemlich rutschig.

Zieleinlauf: Rindt – Beltoise – Pescarolo – Ahrens – Oliver – Beckwith. Huber belegte den beachtlichen elften Platz.


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Im zweiten Lauf fuhr Rindt mit Runden zwischen 1´03´´9 und 1´04´´9 dem Feld auf und davon. Nach 35 Runden und einem Schnitt von 159,2 km/h wurde Rindt erneut als Sieger abgewunken. Dahinter die üblichen Verdächtigen – Beltoise wurde erneut zweiter, Pescarolo dritter und Ahrens wieder vierter.

Jochen Rindt wurde zwar Gesamtsieger, bekam aber als A-Fahrer keine Punkte für die Europameisterschaft, die den sogenannten B-Fahrern vorbehalten war. Bei der Siegerehrung standen nun die Helden des Tages auf einem, irgendwie armselig wirkenden, selbstgezimmerten Siegespodest. Statt Champagner gab es Cola und eine typisch österreichische Lösung sah kein Podest für Pescarolo, den Drittplatzierten vor.


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Beltoise baute seinen Vorsprung in der Meisterschaft auf 36 Punkte aus. Pescarolo hält mit 16 Punkten Platz zwei, gefolgt von Ahrens mit 13 Punkten. Für die beiden Franzosen bekam nun das Abspielen der Marseillaise am 14. Juli, Frankreichs Festtag, einen ganz neuen Gesichtspunkt. Für Beltoise war dies der Sturm auf den Formel 2-Thron und nicht auf die Bastille.

Zwischen den beiden Läufen der Formel 2 fand ein, mit allen österreichischen Assen besetztes, Tourenwagenrennen statt. Die spannende Hatz über 20 Runden entschied Klaus Reisch vor Wolfi Stumpf, beide Alfa, für sich.

 Dritter und bester Porsche-Fahrer wurde Berndt Brodner vor dem exzellent fahrenden Tiroler Markus Meisinger. Sepp Manhalter driftete seinen BMW gekonnt auf Platz fünf. Niki Lauda schied mit seinem 911er aus.


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Und ein Formel V-Rennen durfte selbstverständlich auch nicht fehlen. Da ging es natürlich um das Duell zwischen den Kaimännern von Kurt Bergmann und der Austro-V-Truppe rund um Cheftuner Paul Schwarz.

Das Rennen, das ebenfalls über 20 Runden lief, war bis in die letzte Runde äußerst ereignisreich. Gewonnen hat Dr. Helmut Marko vor Günter Huber, beide Kaimann Mk III. Peter Peter wurde auf Austro-V dritter und verwies Erich Breinsberg mit seinem Kaimann Mk III auf Platz vier.

Jean Pierre Beltoise gewann in diesem Jahr die Meisterschaft der Formel 2, die nur den Fahrern ohne Formel 1-Erfahrung (B-Fahrer) vorbehalten war. Diese Formel galt eigentlich als Sprungbrett für die Königsklasse. Ab 1970 wurde der Titel auch für die A-Fahrer freigegeben. Jochen Rindt ist bis heute der Fahrer mit den meisten Siegen der Formel 2 und gilt als „König der Formel 2“, obwohl er nie den Titel als solches tragen durfte.

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