Slot Racing – die Rennbahn in der guten Stube
Geschrieben von Martin Winterle   

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Modellautos wie andere auch, und doch unterschieden sie sich grundlegend von allen anderen Autos. Auch von den ferngesteuerten und jenen mit Schwungradantrieb. Sie fuhren nämlich tatsächlich und zwar auf geschlitzten Schienen, waren mit diesen durch einen Führungsstift verbunden, hatten Stromabnehmer aus Kupfer, welche die elektrische Energie lieferte, beschleunigt wurde mit Handreglern.

 

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Die 60er- und 70er-Jahre


waren die hohe Zeit dieser spannenden Unterhaltung für Jung und Alt. Die Größen der Miniracer reichten von Winzlingen in 1:160 bis zu Boliden in 1:24. Faller beispielsweise lieferte Autobahnen im N – H0 – 1:32- und 1:24er-Maßstab. War auch die normale zweispurige Acht oder ein geschwungenes Oval im Wohnzimmer Austragungsort der Familienwettkämpfe, so gab es in kommerziellen Rennzentren und Clubbahnen, auch bei uns, acht- und mehrspurige Supertracks mit einer Länge von mehr als 100 Metern. Auf diesen Anlagen ging es um Meisterschaften im Modellsport, über deren Resultate die Fachzeitschriften berichteten.

Die normalen Rennbahnsets bestanden aus einem Trafo, zwei Rennwagen, zwei Handregler und gebogenen sowie geraden, zweispurigen Fahrbahnteilen und waren seinerzeit ein Hit in allen Spielzeugläden. Die gängigste Wohnzimmergröße war der Maßstab 1:32. Dieses Spielzeug, mehr für den Vater als die Söhne, fehlte kaum in einem Haushalt. Für eine gute Basisanlage mussten um 1970 herum zwischen 300,– und 700,– Schilling bezahlt werden. Erweiterungen durch Zukauf von Schienen, Autos und Ausstattung war jederzeit möglich. Gerade billig war ein Qualitätsprodukt sicher nicht. Reklame in allen Medien machte bei uns aus einer Heimrennbahn eine Carrera-Bahn. Denn nur der Marktführer zählte bei den Knaben wirklich, selbst wenn eine Märklin vielleicht qualitativ besser war. Die Carrera-Bahn war eine Erfindung der Firma Josef Neuhierl, Fürth um 1963 und löste bei dieser renommierten Spielzeugfirma die Herstellung von Blechspielwaren ab.


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Die ersten Rennbahnen kamen 1957 von Scalextric in England. Wirklich populär wurden das „Slot Racing“ in den USA und kam von dort nach Europa zurück. Man schätzt Mitte der 1960er-Jahre den wirtschaftlichen Nutzen in den USA auf 150 Millionen Dollar im Jahr, was zu dieser Zeit den Sieg über die Modelleisenbahn bedeutete. Mehr als 60 Produzenten mit Namen versuchten weltweit ein Stück vom Kuchen zu erhaschen, billige Nachahmer gar nicht gerechnet.

Auch hierzulande lieferte der Spielwarenhandel Carrera, Märklin, Faller, Scalextric, Arnold, Gama, Fleischmann, Stabo und wie sie alle hießen. Der Zubehörhandel lieferte Figuren, Boxen, Fahnen, Tribünen, Rundenzähler und vieles mehr.

Es gab Firmen, die sich nur auf Fahrzeuge oder Zurüstteile für diese spezialisierten. Galt es doch, diese immer leichter und damit schneller zu machen. Das ging so weit, dass letztlich Fantasiekarossen verwendet wurden, die kaum noch einen Bezug zur Realität hatten. Profibastler leisteten genauso ganze Arbeit, wie die wirklichen Tuner in 1:1.


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In Sammlungen der 1:32- und 1:24-Liga sind solche klassischen Rennwagen anzutreffen, auch heute noch. Etwas komisch mutet ihre Schräglage im Stand an, welche durch den Führungsstift bedingt ist. Sie wirken, so komisch es klingen mag, wie echte Autos unter Modellen. Haben sie doch in der Tat Meter gemacht, manche sogar erstaunlich viele. In alten, besonders englischen Modellzeitungen jener Jahre, nehmen die Slot Car Racer, die mit ihnen ausgetragenen Rennen und die Szene allgemein, sehr viel Raum ein. Da verschwinden sogar die Matchbox-Neuerscheinungen in eine Randspalte.

Eine Sonderform dieser elektrischen Autos war die Faller AMS-Bahn, die ihre Geburtshilfe durch die amerikanische Aurora-Bahn nicht verleugnen konnte.


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Natürlich konnte sie als Rennbahn benützt werden, aber eben nicht nur. Schienenteile wie Kreuzungen, Abzweigungen, Anschlussstücke an H0-Schienen, beschrankte Bahnübergänge bildeten eine geradezu ideale Kombination mit der Modelleisenbahn, speziell jener von Märklin. Dazu kam ergänzend und die Szene ungemein belebend, der perfekte Geländebau mit allem was die Spielwarenindustrie zu bieten hatte, bis hin zu Preiser-Figuren. Auch der von Faller angebotene Fuhrpark war sehr zivil gestaltet, bot mit je einem Lastwagen mit Anhänger, Kranwagen und Tankfahrzeug weit mehr Fahrschulcharakter, als ein Formel 1-Fahrerlehrgang. Faller bot dieses weit verbreitete Spielzeug ab 1963 an.

Heute sieht man zwar manche Billigmarke noch in den Kaufhäusern, aber außer Carrera gibt es keinen echten Anbieter mehr. Letztlich hat der spielerische Wert der Modellrennbahn mit jenem der Modelleisenbahn in unseren Breiten nie gleichziehen können. Es mag sein, dass das Basteln an der Anlage, die ganze Szenerie der Eisenbahn einfach mehr Möglichkeiten bot. Daran änderten auch skurrile Teile wie einzubauende Loopings nichts daran. In wie vielen Dachböden liegen etwa noch kartonweise Bauteile unter dicken Staubschichten, die einst die Faszination von Vätern und Söhnen waren?

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Modellauto-Sport


Wir Modellautosammler unterteilen uns in zahlreiche Gruppen. Hauptsächlich in Sammler, Modellbauer, Restauratoren und Historiker. Aber Modellautos als Sport? So richtig mit Rennen austragen? Fighten um jeden Zentimeter, jede hundertstel Sekunde?

Ja, das gibt es sehr wohl. Zudem schon sehr lange, also eine alte Sportart. Im Gegensatz zu Deutschland, wo die Szene boomt, herrscht bei uns in Österreich eher Bescheidenheit vor.

Deswegen möchte ich einen der erfolgreichsten und innovativsten Clubs hierzulande als gegenteiliges Beispiel näher beschreiben.


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Den Modellauto-Slotcarclub Pasching – kurz SCC Pasching. Gegründet und geleitet von einem jugendlichen Enthusiasten mit mehr als einem halben Jahrhundert Slot Racing-Erfahrung. Ungezählte Siege und Meisterehren auf verschiedensten Tourenwagen, Sportwagen und Formelrennern konnte GR Helmut Hofstadler in seiner langen Rennfahrer-Karriere bisher erringen.

Einmal selbst einen, im Verhältnis bis zu 400 km/h schnellen, dem Original täuschend ähnlichen Boliden fehlerfrei zu pilotieren, sieht einfach aus. Ist es auch, solange der Clubchef den Regler in der Hand hält und die Fliehkraft der Kurvenfahrt gekonnt ausgleicht.

 In dem, von den Vereinsmitgliedern selbst adaptierten, freundlich hellen Kellerraum herrscht seit sechs Jahren Rennstreckenatmosphäre pur. Die vierspurige, fast vierzig Meter lange Anlage hat kein direktes Original-Vorbild. Sie ist nicht nur optisch eine Augenweide, sondern spielt auch technisch alle jene Stücklein, die ein anspruchsvoller Modellrennfahrer erwartet. So misst die elektronische Tankstelle in der Boxengasse das imaginär getankte Volumen und bestimmt damit die theoretisch maximale Reichweite. Spuren gewechselt wird über Kreuzungen und mechanisch rückstellbare Spurwechselstücke, ähnlich den Weichen bei der Modelleisenbahn.


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Die Flitzer driften in den engen Radien der Kurven wie ihre originalen Vorbilder. Technisch selbstverständlich möglich ist das Hintereinanderfahren von zwei Fahrzeugen in derselben Spur. Modernste Steuerungstechnik ermöglicht die Regulierung der Anfahrtsspannung, die Steilheit des Spannungsanstieges, das Drosseln der Spannung so wie die Bremskraft von jedem einzelnen Rennwagen. Das alles bei einem Modellauto bitte – nicht beim Original!

Die in der Clubanlage verbauten Carrera Zweileiter-Schienen in 1:24 können von allen anderen Fabrikaten genauso befahren werden. Solange ein Zweileiter-Abnehmer montiert ist, spielen Alter und Hersteller keine Rolle. Technisch gesehen können alle Dreileiter-Fahrzeuge unschwer auf Zweileiter umgebaut, und so auf digitalen neuen Systemen verwendet werden.


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Mittels Knopfdruck ist die hochmoderne Anlage von digitalem auf analogen Betrieb umstellbar, somit in beiden Richtungen befahrbar.

Neben den wöchentlichen Trainings im Zuge der Vereinsabende finden zahlreiche Clubmeisterschaften statt. Für die unterschiedlichen Rennserien gibt es einen Rennkalender wie im Jahreslauf echter Rennveranstaltungen. Gäste sind genauso herzlich willkommen, wie dem Obmann Helmut Hofstadler die Nachwuchsförderung ein besonderes Anliegen ist. Im Rahmen von Ferienaktionen für Kinder dürfen diese das konzentrierte Rennerlebnis kennen lernen. Sicher eine interessante Möglichkeit, unserem Modellautohobby-Nachwuchs zu sichern.


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Die Fahrzeuge entsprechen den Sammlergrößen 1:32 und 1:24. Die Rennfahrer unterteilen sich interessenmäßig in drei Gruppen: Die reinen Fahrer, ohne großem Interesse an Schrauben und Technik; die Elektronik-Freaks, die Hightech in Geschwindigkeit verwandeln und die Bastler und Schrauber – sie stellen die Basis des Clubs dar.

Letztere sind es auch, die einen Fuhrpark ihr Eigen nennen, der nicht nur den verschiedensten Renneinsätzen gewachsen ist. Solche Sammlungen umfassen nicht selten hunderte von Modellen aus verschiedenen Epochen, beginnend in den 1950er-Jahren. Somit zählen sie zu den Modellauto-Sammlern wie ein Wiking- oder Matchbox-Liebhaber auch.


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Wir Restauratoren unter den Sammlern sind stolz auf unseren Fundus. Ohne einen gut sortierten Schatz an Glitzerscheinwerfern, Decals, Verglasungen, Türen, Hauben, Felgen und Reifen würden wir jeder Ruine hilflos gegenüber stehen. Ungleich umfangreicher ist das Ersatzteillager, welches einem passionierten Profi-Modell-Rennfahrer zur Verfügung steht. Primär vorherrschend ist bei diesen Fahrzeugen ja die Technik, nicht die Optik. Angefangen von kompletten Motoren bis hin zu einer unglaublichen Vielzahl von unterschiedlichsten Felgen und Bereifungen. Alleine letztere entstehen aus den Materialien Gummi, Moosgummi, Silikon und Polyurethane. Welche Dimensionen, Härten, Profile zu welchem Fahrzeug und Einsatzzweck verwendet werden, ist keine Kenntnis, sondern eine Wissenschaft mit einem Schuss Alchemie, umgeben vom geheimnisvollen Nebel des eigenen Erfahrungsschatzes.

Seit jeher bauen Bastler auf Rennchassis Bausatzmodelle von Revell, Tamiya und anderen auf. So entstehen Unikate, die bekanntlich das Salz jeder Sammlung ausmachen.

Einen echt coolen Satz habe ich mir im Clublokal abgeschrieben. Er passt zu uns Modellautosammler genauso gut, wie er für Philatelisten und Numismatiker adaptierbar und anwendbar wäre: Ich hoffe, meine Frau verkauft niemals meine Modellauto-Sammlung zu den Preisen, die ich ihr genannt habe.

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