Für mich gibt es nur einen Grand-Prix-Sieg, nämlich, 80 Jahre alt zu werden!
Geschrieben von Alexander Trimmel   

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Der Rennfahrer Curd Bardi-Barry wäre heuer 80 Jahre alt geworden.

Der heurige Opernball ist bereits Geschichte. Die Journaille wusste von Mörtl-Begleitung, Damen- und Herren-Dekolletés und tonnenschweren Kristallroben zu berichten. Ganz anders die Schlagzeile der Morgenausgabe des Express vom 8. Februar 1964: „Vom Opernball in den Tod! Rennfahrer-As Kurt Barry verunglückte mit seinem Freund auf der Heimfahrt.“ Die errungene österreichische Vierer-Bob-Silbermedaille bei den Olympischen Winterspielen von Innsbruck spielte am Cover eine nur nebensächliche Rolle. Was war passiert?

Nach langer Ballnacht und anschließendem Besuch der Eden-Bar fuhr der erst 25-jährige Curd Barry mit seinem besten Motorsport- und Industriellen-Freund Georg Ehrenreiter, beide aus Wien-Währing, zu einer Hochzeitseinladung nach Gumpoldskirchen. Bei der Rückfahrt nach Wien geriet er mit seinem neuen Heckflossen-220er auf der Triester Straße, Höhe Einmündung Troststraße, um 12:16 Uhr auf die Gegenfahrbahn und stieß gegen einen entgegenkommenden LKW. Beide Insassen des schwarzen Mercedes starben im Frack. Später wurde festgestellt, dass Barry am Steuer eine Herzattacke erlitten hatte. Er galt als vorbildlicher Verkehrsteilnehmer im Straßenverkehr und hatte noch nie eine Polizeistrafe wegen Schnellfahrens erhalten. „In der Stadt fahre ich ganz langsam, nur überland bewege ich meinen Porsche recht flott“, meinte er in einem Interview 1962, mit folgendem Nachsatz: „Austoben kann ich mich auf der Piste, dort ist es auch sicherer!“ Die österreichische Motorsportgeschichte schien wieder bei Stunde Null angekommen zu sein.

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Kindheit und Jugendalter


Als Sohn einer sehr wohlhabenden österreichisch-italienischen Familie verbrachte der in Wien geborene Curd Bardi-Barry seine Kindheit vornehmlich in Italien. Schon mit 13 Jahren träumte er davon, einmal so virtuos am Lenkrad drehen zu können, wie Giuseppe Farina oder Alberto Ascari. Um dieses Vorhaben schon früh in die Realität umsetzen zu können, erwarb der autobegeisterte Bursche den italienischen Führerschein bereits im Alter von 16 Jahren und stellte seine ersten Fahrkünste im elterlichen 52er-Hudson unter Beweis. Mit dem Autovirus dürfte ihn Mutter Lilly Barry angesteckt haben, eine hervorragende und rasante Autofahrerin, die auch zuweilen an Bewerben teilnahm. Schon in früher Kindheit schraubte er sein Technik-Interesse hoch, indem er den Mechanikern in der Werkstätte des väterlichen Busunternehmens auf den Schraubenschlüssel schaute. Mit 18 hatte er auch den österreichischen Führerschein in der Tasche und vom Papa einen Fiat 600 geschenkt bekommen. Während Curd der Mutter von Ausflügen und Wochenend-Partys berichtete, bewegte er den Fiat ausgiebig driftend unter Pseudonym bei Wertungsfahrten. Selbstverständlich „auffrisiert“ mit einer 750er-Abarth-Maschine. Bald war aber Schluss mit dem Pseudonym-Schmäh, als die Frau Mama den Schwindel entdeckte, und Curd – mit „C“ bitte, wie er immer betonte – 1958 auf ein schnelleres Kaliber, einen MGA umsattelte. Nach einigen Bewerben, zum Teil in charmanter Begleitung am Co-Piloten-Sitz, war für die 1959er-Saison ein roter „Double-Bubble“-Abarth 750 GT Zagato angeschafft worden. Bei der dritten Auflage der Semperit-Rallye, die 1.609 Kilometer quer durch Österreich führte, war er damit am Start. Auch Schauspieler und Herrenfahrer Gunther Philipp auf Mercedes 300 SL und Rolf Markl, der 1957 mit dem Rennsport auf Porsche begann, waren mit von der Partie. Favorit Philipp errang den fünften Platz, Markl wurde Vierter, Barrys kleiner Abarth „streckte die Potschn“. Somit lag auf der Hand: Für die zweite Saisonhälfte 1959 musste ein stärkeres Sportgerät her, ein Porsche 356A 1600 Super D, mit Drauz-Karosserie. Von nun an arbeitete sich der noch sehr junge, gebildete und weltoffene Europäer Barry, sehr konsequent an den Zenit seiner Rennfahrkünste heran. Regelmäßig lernte er das „Driften“ und den „Le-Mans-Start“ bei Fahrerlehrgängen in Kottingbrunn. Nach den anfänglichen Wertungsfahrten ging es jetzt auf die Rundstrecke. Der 1957 neu gegründete ÖASC sowie der steirische Motorsportclub veranstalteten Flugplatzrennen, die den österreichischen Motorsportinteressierten ein neues Betätigungsfeld eröffneten. Es waren hauptsächlich Sportwagen- und Tourenwagenrennen für Herrenfahrer, die nur „aus Spaß aun der Freid“ Motorsport betrieben und „Gasslhatzer-Fangios“, die mit ihrem Alltagsauto schnell Autofahren wollten. Rennwagenrennen mit Monopostos waren eher die Seltenheit.

Aber genau diese waren das erklärte Ziel des ehrgeizigen und zielorientierten 20-Jährigen, der laut Schulzeugnissen und Passeintrag eigentlich „Corrado Bardi“ hieß.

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1960 Das Poggi-Jahr

Gemeinsam mit Dr. Philipp und Rolf Markl gründete er eine Renngemeinschaft, die „Ecurie Vienne“, und bestellte in Italien zwei PM-Poggi-Rennwagen von Ingegnere Massimino, um an internationalen Formel Junior-Rennen teilzunehmen. Für Sportwagenrennen stand Philipps 300 SL zur Verfügung, der sich staturbedingt im beengten Formel-Cockpit nicht so recht wohl fühlte. Die von Graf Lurani 1958 initiierte Rennformel sollte ein günstiges Sprungbrett zur Formel 1 darstellen: Monopostos, deren Motorblock und Getriebegehäuse von einem Serienfahrzeug stammen musste, obenliegende Nockenwelle war verboten, der Hubraum mit 1000 (360 kg Fahrzeuggewicht) bzw. 1100 ccm (400 kg) begrenzt. Das Bremssystem musste mit dem Motorhersteller korrelieren, Sperrdifferential war verboten.

Die bestellten Poggis ähnelten den bis dato sehr erfolgreichen Stanguellinis mit Leiterrahmen aus zwei Rundrohren, Aluminiumkarosserie und Fiat-1100-Frontmotor. Dr. Gunther Philipp war skeptisch ob des Kaufs, und er sollte Recht behalten. Die Briten, vor allem Lotus und Cooper, entwickelten Mittelmotor-Juniors, die vom Formel 1-Chassis abgeleitet waren. Sie sollten sich als das Maß der Dinge erweisen. Als das Triumvirat die Autos für das Rennen in Cesinatico bei Rimini abholen wollten, standen sie vor Halbfertigprodukten. Sie reisten trotzdem zum Rennen, das sie mit größtem Interesse als Zuschauer verfolgten. Am 8.5.1960 war es dann soweit. Barry und Markl trainierten ausgiebig mit den blauen Flundern und starteten am Flugplatz Kottingbrunn. Am Hockenheimring wurde Barry Fünfter, beim Flugplatzrennen Linz gelang ihm das erste große Erfolgserlebnis: Barry kam als Zweiter hinter Kurt Ahrens Jr. auf Stanguellini ins Ziel, Markl wurde als Neunter abgewunken. Die weitere Saison verlief ziemlich enttäuschend und war von technischen Defekten geprägt. Nur am Grazer Flugplatz konnte Barry noch einen zweiten Platz hinter Ahrens heimfahren. Für das Innsbrucker Flugplatzrennen lieh sich Barry einen Lola des Fitzwilliam-Racing-Teams aus und wurde damit Vierter. Am nächsten Tag startete er beim Eifelpokal-Rennen am Nürburgring mit seinem Poggi und fiel prompt damit aus, während die Lolas des Fitzwilliam-Racing-Teams mit Richard Prior vor Peter Ashdown einen Doppelsieg feiern konnten.

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1961 Das erste Cooper-Jahr

 

 Barry musste einsehen, dass die Ära der Frontmotorautos auch in der Formel Junior vorbei war. Seinem weltmännischen Intellekt folgend war ihm klar, dass der Weg zum Erfolg nur über Großbritannien führen konnte. Die Chassishersteller Lola, Lotus und Cooper bauten die besten Wagen, Cosworth und Superspeed die stärksten Anglia-Kent-Motoren, Hewland die Zahnradsätze für VW-, Jack Knight für Citroen-Getriebe, Girling und Lockheed die Bremsen, Dunlop die schnellsten Reifen. Der wohlerzogene Jüngling aus gutem Haus reiste im Maßanzug mit Hut und Krawatte nach Surbiton zu John Cooper, um ebendort zwei neue Cooper-Rennwagen vom Typ T56 mit Ford Superspeed-Motoren für sich selbst und Rolf Markl zu ordern. Um für 1961 bestens gerüstet zu sein, nahm Barry erneut an vielen internationalen Rennfahrerlehrgängen teil. Er wollte nichts dem Zufall überlassen und bestens vorbereitet sein. Das körperliche Training bestand aus mindestens acht Stunden Schlaf, Tischtennisspielen und regelmäßigen Saunabesuchen. Die Arbeit im väterlichen Betrieb, einem Reisebüro und Autobusunternehmen, nebst Cafeteria am Kärntner Ring 18, betrachtete er als Entspannung. Die Vorbereitung der Wagen fand in der Barry-Garage am Modena-Park im dritten Wiener Gemeindebezirk statt. Rennmechaniker war Josef „Joschi“ Borka, der schon Hofjuwelier Gotfrid Köcherts Ferraris mit Liebe und Fachwissen betreute.

Zum Auftakt der Saison wagte man gleich den Start in der Höhle der Löwen, in Goodwood beim Chichester Cup. Gegen die britische Werksfahrer-Phalanx wie Maggs, Arundell, Asdown, Rees, Parkes, und so weiter. Nur neun Fahrer erreichten das Ziel, Barry und Markl schienen unter ihnen nicht auf.

Als nächste Station stand das Heimspiel am Flughafen Wien-Aspern am Programm. Direktor Willy Löwinger schaffte es, die Formel 1 mit den neuen 1,5-Liter-Wagen nach Wien zu locken, indem er, entgegen seiner sonstigen Gewohnheiten, seine Geldbörse öffnete. Star der Veranstaltung war Stirling Moss auf dem blauen Rob-Walker-Lotus 18 mit der Nummer 7. Er galt als Barrys großes Vorbild, ob der Fähigkeit der Fahrzeugbeherrschung im Grenzbereich, und die „Sieben“ war auch immer Curds Lieblingsstartnummer, die ihm Glück bringen sollte. Moss spielte mit den acht angereisten Gegnern Katz und Maus. Auf seinen leichten Sieg folgte ein Spießrutenlauf durch hunderte sportbegeisterte Zuschauer, die über die Startbahn ins Fahrerlager zum Sieger stürmten. Dieser rettete sich vor der fanatischen Menge mit einem gekonnten „Hechtler“ aus dem Lotus in den Renntransporter.

Auf den Solo-Auftritt des Weltmeisterschaftsaspiranten folgte das spannendste Rennen des Tages, der Formel Junior. Natürlich wollte Barry mit dem Cooper vor seinem Heimpublikum brillieren und lieferte sich von Anfang an ein erbarmungsloses Duell mit Gerhard Mitter auf dessen Lotus DKW. Barry setzte Mitter derart unter Druck, dass dieser das Letzte aus seinem Wagen herausholen musste. Oft trennten die beiden nur wenige Meter, sie teilten sich die schnellste Runde, ehe der Motor an Barrys Auto zu stottern begann und er eine Runde vor Schluss aus dem überhitzten Cooper sprang. Weinend stand er neben dem rauchenden Wagen. Von Freunden überredet, schob er den Wagen über den weißen Zielstrich und wurde noch als Siebenter gewertet.

Die weiteren internationalen Auftritte verliefen durchwachsen, obwohl Barry vom Speed her mit der Elite mithalten konnte. Eher präziser Taktiker als Draufgänger, so konnte man seinen Fahrstil einordnen, stets in einer Gruppe mit Werksfahrern kämpfend. Nach einem siebenten Platz am Nürburgring und verpasstem Finale im mondänen Monaco gab es einen mageren 18. Platz in Monza zu verzeichnen, danach noch Ausfälle auf der Solitude und in Sizilien, ehe der Junior-Tross wieder in Österreich Halt machte. Ein Ausfall am Zeltweger Flugplatz war rasch vergessen, als Barry beim Preis von Tirol einen souveränen Sieg mit 25 Sekunden Vorsprung auf Mitter heimfuhr. Rolf Markl wurde Dritter. Innsbruck war das beste Saison-Ergebnis für die „Ecurie Vienne“. Barry hat sich in die Spitze der Formel-Junior-Stars gehievt und seinen zweiten österreichischen Staatsmeistertitel nach 1960 errungen. Im Gobelin-Saal des Hotels Imperial nahm Barry den von Ford-Austria gestifteten Pokal entgegen. Helmut Zwickl schrieb im Sportfunk: „ Curd Barry ist zur Zeit sicher unser größtes Talent im Automobilrennsport!“

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1962 Der neue Cooper T59


Für 1962 hat sich Curd Barry wieder einen neuen Cooper bestellt, den Typ 59 mit der Fahrgestellnummer FJ/6/62, ein denkwürdiges Auto, wie sich im weiteren Verlauf noch weisen sollte. Das Auto war gegenüber dem Vorgängermodell von viel schlankerer Statur, schmäler und niedriger, und besaß nach einer Reglementänderung rundum Lockheed-Scheibenbremsen. 28 Stück hat John Cooper davon weltweit verkaufen können, für wohlfeile 1.600,- British Pounds per Stück.

Gleich der erste Start mit dem neuen T59 verlief in Vallelunga hervorragend. Mechaniker Borka und Betreuer Hans-Peter Fürst hatten das Auto prächtig in Schwung gebracht. Schon im Training unterbot Barry den bestehenden Rundenrekord von Vorbild Moss um 4 Zehntelsekunden. Er gewann seinen Vorlauf souverän und siegte im Finale mit der schnellsten gefahrenen Runde vor Natali auf De Sanctis und „Geki“ (Giacomo Russo) auf Lotus 18.

Mit viel Selbstvertrauen kam er als Mitfavorit nach Aspern, stand in der ersten Startreihe und übernahm im Rennen sogleich die Führung, die er in der 13. Runde an den Schweizer Seppi Siffert im Lotus 22 abgeben musste. Nach 23 Runden folgte das Aus mit kochendem Motor, wieder Pech beim Heimrennen.

Eine Woche später, am Ostermontag, verunglückte Idol Stirling Moss in Goodwood so schwer, dass er nach 194 Renn- und 14 Grand-Prix-Siegen den Helm an den Nagel hängen musste.

1962 hatte Barry ein sensationelles Rennjahr, mit einem zweiten Platz hinter dem geheimen Europameister Jo Siffert auf der Solitude und einem hervorragenden vierten Platz beim prestigeträchtigsten Junior-Rennen im Rahmenprogramm zum Monaco-Grand Prix, nur geschlagen von den Top-Stars Peter Arundell, Mike Spence und Bob Anderson. Ein zweiter Platz am Budapester Flughafen und der Sieg beim „Ersten Graf Berghe von Trips-Gedächtnisrennen“ auf der Nürburgring-Südschleife untermauerten seine phantastische Form, die er in seine Heimat Österreich, zum „Preis von Tirol“, mitnehmen wollte. 33 Autos (die gesamte Formel-Junior-Prominenz) standen am Start, und vorerst schien es, als sollte für Barry alles nach Plan verlaufen. Vor Mitter in Führung liegend, löste sich aber die Benzinleitung von einem Vergaser, er humpelte auf zwei Häferln in die Box, verlor eine volle Runde, beendete das Rennen mit Rundenrekord schlussendlich als Fünfter.

Die französische Sportzeitung „L’Equipe“ wählte Barry zu den zehn besten Formel-Junior-Fahrern Europas, in Österreich ehrte ihn der ÖASC zum besten österreichischen Fahrer der Saison 1962.

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1963 Mit Jochen Rindt im Team

Einer, der in Innsbruck 1961 mit einem Simca sein erstes Rennen fuhr und Barrys damaligen Sieg im Cooper genau beobachtete, war auch diesmal mit einem Alfa Giulietta am Start. Jochen Rindt! Er zeigte große Ambitionen, auf einen Monoposto umzusteigen. Die Situation schien für ihn günstig, verbreitete sich doch das Gerücht im Fahrerlager, Barry wolle 1963 einen neuen Cooper bestellen und das so erfolgreiche 62er-Auto, mit dem er eben Rundenrekord in Innsbruck fuhr, verkaufen. Zwei Menschen, je unterschiedlicher sie nur sein konnten, trafen aufeinander. „Gentleman“ und „Struwelpeter“ fanden zu einem Deal in der Barry-Garage, der nur einen kleinen Haken hatte: „Auszahlen kann ich das Auto erst, wenn ich volljährig bin!“ Rindt durfte noch nicht auf sein Vermögen aus der Gewürzmühle Klein & Rindt GmbH in Mainz zurückgreifen, somit vereinbarte man ein Zahlungsziel mit Herbst 1963. Barry flog sogleich per AUA-Vickers Viscount mit Helmut Zwickl zur Racing Car Show nach London, um sich dort mit John Cooper zu treffen und den neuen Cooper T67 zu begutachten. Als er ihn sah, wirkte er sehr enttäuscht: „Wenn ich das früher weiß, verkaufe ich den 62er-Cooper gar nicht!“ Die neuen Cooper sollten eine vom Austin 1100 abgeleitete Hydrolastic-Federung („Whisky-Soda-Suspension“) bekommen. Dieses Abenteuer wurde jedoch alsbald verworfen, und man montierte wieder die konservativen Schraubenfeder-Dämpfereinheiten rundum. Nach ei-nem Besuch beim Getriebespezialisten Jack Knight, wo es darum ging, spezielle Übersetzungen für das Sechsganggetriebe zu bekommen, die nur Cooper-Werksfahrern zur Verfügung standen, ging die Reise wieder zurück nach Wien.

Als Barry das neue Auto eine Woche vor dem Vallelunga-Rennen in Surbiton abholen wollte, war erst das Chassis fertig. Borka und Müller, die vorsorglich mitflogen, spuckten in die Hände, Curd besorgte Armstrong-Dämpfer im fernen Schottland. So konnte das Auto gerade noch rechtzeitig zusammengebaut werden. Die „Ecurie Vienne“ war mit den zwei Cooper-Rennwagen für die Saison 1963 bestens gerüstet.

Barry fühlte sich in seinem vierten Formel-Jahr und nach seinen vielen Erfolgen als die Nummer Eins im Team und wahrte eine gewisse Distanz zum Newcomer Rindt. Während ihrer gesamten Bekanntschaft blieb es beim förmlichen „Sie“, eine innige Freundschaft wollte sich zwischen den ehrgeizigen und zielbewussten Charakteren nicht entwickeln. Curd zu Helmut Zwickl: „Wenn ich mit dem Rindt per Du bin, lässt sich der Kerl überhaupt nichts mehr sa-gen!“ Irgendwie fühlte er sich verantwortlich, der neuen Nummer 2 seine Erfahrung mit auf den Weg zu geben. Riesenüberraschung gleich beim Auftaktrennen, dem „Gran Premio Caltex“ in Autodromo Vallelunga, nahe Roms. Es schüttete im Training wie aus Schaffeln. Rindt fuhr gerne im Regen, im Gegensatz zu Barry, der nasse Fahrbahnen überhaupt nicht liebte. Rindt „tanzte“ mit dem Cooper über den Asphalt und war Trainingsschnellster, bekam jedoch Probleme mit dem Starter im Vorlauf. Barry gewann klug fahrend das Rennen, obwohl er mit der Straßenlage des neuen Wagens überhaupt nicht zufrieden war. Anschließend fuhr man zu Curds Landsitz „Comenda“ bei Vicenza, um den erfreulichen Saisonbeginn ausgiebig zu feiern. In Cesinatico knisterte es deutlich vor Spannung zwischen den beiden Fahrern. Jeder wollte der Bessere sein, Barry haderte mit dem Getriebe, landete wegen herausspringender Gänge mehrmals in den Strohballen, fuhr vom letzten Platz bis auf Rang drei, ehe die Bremsen blockierten und er zum Aufgeben gezwungen war. Das Rennen endete mit dem ersten Rindt-Sieg in einem Formel-Wagen, der, nachdem er den führenden „Geki“ Russo überholte, sich mit einer Harakiri-Aktion zwischen dem auf der Strecke befindlichen Rettungswagen und den Strohballen durchschwindelte, ganz nach dem Geschmack des vor Entzücken brüllenden Publikums. Zwei Tage später sitzen sich Helmut Zwickl und Curd Barry in dessen Büro gegenüber: „Der Cooper ist bis jetzt ein Fehlschlag. Er liegt schlechter als das Vorjahrsmodell, das Sechsganggetriebe ist schwer zu schalten, manche Gänge lassen sich mit zunehmender Renndauer gar nicht mehr einlegen …“ Dann Barry über Rindt: „Wenn es der Rindt überlebt, ist er in zwei Jahren Weltmeister!“

Barrys Vorbildwirkung begann nun bei Rindt deutlich Früchte zu tragen. Zunehmend legte er sein Lausbuben-Image ab, erschien in modischer, schicker Kleidung und auch beim Haarschnitt gab es sichtbare Fortschritte. Er kaufte sich ein rassiges Jaguar E Cabrio als Firmenwagen für die Gewürzmühle, war jetzt volljährig und verfügte über ein beträchtliches Vermögen. Barry erstand einen vornehmen silbergrauen Ferrari 250 GTE 2+2 von der Firma Denzel, den er sich mit seiner Mutter teilte, und der ihm als schnelles Transportmittel zu den Rennstrecken diente.

Beim Fahrstil lagen der Beiden Welten auseinander: Während Curd den ausgewogenen, besonnenen und präzisen Fahrstil zelebrierte, das Material äußerst schonend behandelte und nur in Ausnahmesituationen viel riskierte, war der drei Jahre jüngere Jochen der unbekümmerte Draufgänger, der weder sich, noch das Material schonte und für eine spektakuläre Drift-Show sorgte. Barry hatte sich die Fahrkunst hart erarbeiten müssen, Rindt das Naturtalent mit im Gepäck.

Am Nürburgring herrschte typisches Aprilwetter. Es regnete in Strömen, der dichte Nebel ließ die Nürburg verschwinden. Rindts Kupplung verendete am Start, Barry tastete sich durch den Nebel auf den dritten Rang vor. Bei der Trofeo Vigorelli in Monza gelang Giacomo Russo („Geki“) endlich ein Sieg vor Barry, zehn Sekunden dahinter kam Jochen Rindt ins Ziel.

Nächstes Ziel der „Ecurie Vienne“ war Monte Carlo, wo die Formel Junior als Rahmenprogramm zum Formel 1-Grand Prix assistierte. Im zur „fliegenden Werkstatt“ umgebauten Borgward-Kastenwagen verzurrte man Barrys Cooper samt Ersatzteilen und Werkzeug. Am Steuer saß „Mechanikus“ Joschi Borka, Hermut Müller zog Rindts Cooper am Anhänger mit einem Opel Kapitän nach Monaco, Curd Barry flitzte mit dem Ferrari 250 GTE über die „Autostrada“ und Jochen Rindt trat seinen roten E-Type in die monegassische Wunderwelt. Barry kannte den gefährlichen Kurs bereits bestens und versuchte Rindt, auf die haarigsten Passagen hinzuweisen: „Rindt, riskieren sie hier nichts auf der Bremse!“ Rindt turnte im Training quer schlitternd auf den Gehsteigen herum, dann ein Motorschaden. Barry unwirsch zu Rindt: „So kann man in Monaco nicht fahren, Herr Rindt! Sie sind ein Trottel!“ Im Rennen bricht an Rindts Wagen, wie so oft, die Antriebswelle. Wild gestikulierend, mit hochrotem Kopf schimpfend, verließ er die Strecke, Borka behob den Schaden. Barry wurde als bester Privatfahrer Siebenter.

Nach einem Gastspiel hinter dem „Eisernen Vorhang“, in der Nähe Budapests, folgte das Heimrennen am Asperner Flughafen. Barrys Getriebe machte schon die ganze Saison über Sorgen. Er flog zu Jack Knight, neue Teile wurden gefräst, zurück in Wien baute Borka diese ins Citroen-Gehäuse ein. Barry ließ es sich nicht nehmen, die Nacht über in der Garage anwesend zu sein. Unentspannt und unausgeruht fuhr er am nächsten Tag das Training, wo eine Halbwelle brach. Freund Georg Ehrenreiter versuchte Curd mental wieder aufzurichten, dieser war aber am Ende seines körperlichen Leistungsvermögens. Vor seinem Wiener Publikum wollte er klarerweise ein gutes Rennen liefern. Rindt fiel bereits in der zweiten Runde mit Motorschaden aus, Barry lag hinter Ahrens und Troberg lange an dritter Stelle, ehe seine Kräfte nachließen und er den Finnen Lincoln passieren lassen musste. Im Ziel war er dem Kollaps nahe, Pulsschlag 120. Curd entschuldigte sich förmlich mit folgenden Worten: „Ich konnte nicht mehr … In Wien geht es immer schief!“ Erholung und Ausruhen war angesagt, 14 Tage später ging es nach Monza, wo er Dritter wurde. Am Brünner Masaryk-Ring gewann Barry vor Rindt. Und Letzterer fand lobende Worte für seinen Teamkollegen: „Sie waren heute zu schnell, ich hätte Sie nie einholen können!“

Der erste Große Preis von Österreich, in Zeltweg, warf bereits seine Schatten voraus. Ein Formel 1-Rennen ohne WM-Status, das als Probegalopp für einen WM-Lauf im folgenden Jahr ausgetragen wurde. Für Rennleiter Martin Pfundner war es nicht nur besonders wichtig, die komplette Weltelite in die Steiermark zu bringen, er wollte auch unbedingt österreichische Teilnehmer im Feld sehen. Man verhandelte mit der „Scuderia Filipinetti“, um sich in das Cockpit des brandneuen Lotus BRM-8-Zylinder einkaufen zu können. Schlussendlich wurde man sich mit Carel Godin de Beaufort einig, der Barry seinen zweiten, drei Jahre alten orangen 4-Zylinder-Porsche anvertraute. Der korpulente Porsche wirkte neben den flachen britischen Zigarren wie ein Urzeit-Saurier. Für Rindt baute man eine Kurbelwelle mit höherem Hub in den Formel-Junior-Cooper, sodass er nun 1450 Kubikzentimeter hatte, seitlich montierte Zusatztanks erhöhten die Reichweite für die lange GP-Distanz. Der Cooper war wesentlich schneller als Barrys alter Porsche. Der Lokalmatador wollte gar nicht erst starten, weil er sich mit diesem Auto nicht einmal Chancen für das Mittelfeld ausrechnete. Pfundner sprach ein Machtwort, aber schon nach zwei Runden im Rennen rollte der Porsche stotternd zur Box. Rindt war mit dem Cooper bald Sechster, ehe sein Motor den Geist aufgab.

Beim Training zum Eifel-Pokal-Rennen auf der Südschleife des Nürburgrings landete Rindt nach Überschlag im Walddickicht und Adenauer Krankenhaus, der Cooper war hoffnungslos verbogen. Barry wurde präzise fahrend Dritter im 41 Wagen starken Feld der Weltklassepiloten.

Die Saison 1963 ging für Curd Barry mit dem „Preis von Tirol“ in Innsbruck zu Ende. Es sollte auch sein letztes Formel-Junior-Rennen sein, hat doch die FIA für 1964 ein neues Reglement für die 1000 ccm-Formel 2 und Formel 3 festgelegt und die mittlerweile sauteure Formel Junior-Klasse verbannt. Ahrens-Spence-Barry lautete der versöhnliche Zieleinlauf. Bevor aber der Cooper eingemottet wurde, beteiligte sich Barry noch an Rekordfahrten auf der Autobahn Grödig-Glanegg, nahe Salzburg, und schaffte den stehenden Kilometer in beachtlichen 25,6 Sekunden (mit 1100 ccm-Motor).

Im Dezember 1963 flog er noch einmal nach England, um sich genauer über die zukünftige Formel 2 zu informieren. Entscheidendes Thema waren die neuen 1000er-Motoren, die nicht mehr an Serienblöcken gebunden waren, die Lage und Anzahl der Nockenwellen war ebenso freigestellt, wie auch der Zylinderkopf. Cosworth entwickelte den SCA-Motor, der auf den Ford 116E-Block aufbaute, mit einer obenliegenden Nockenwelle. Abarth in Italien hatte schon große Erfahrungen mit 1000 ccm-Motoren mit zwei obenliegenden Nockenwellen und Doppelzündung. So führte Barrys nächster Weg zum Wiener Ex-Österreicher Carlo Abarth nach Turin. Dieser erklärte sich bereit, Barry Formel 2-Motoren für die Saison 1964 zur Verfügung zu stellen. Laut Prüfstandversuchen brachte es der Motor auf eine Leistung von 120 PS, ein Fabelwert, der sehr vielversprechend klang. Kein anderer Motor kam an diese Leistung heran. Barry wollte den Motor in den Cooper einpflanzen, Borka nahm gleich eine Motorattrappe von Turin mit, um diese ins Chassis einzupassen.

Dann der absurde Verkehrsunfall vom 7. Februar 1964, der alle Projekte mit einem Schlag zunichte machte. Vor 55 Jahren, als Barry eben erst 25 Jahre alt war … Heuer wäre er am 5.1.2019 80 Jahre alt geworden und hätte seinen Wunsch-Grand-Prix gewonnen …

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Post mortem


Rindt ging seinen eigenen Weg, ganz nach Vorbild Barry. Er fuhr nach England und ließ das verbogene Nürburgring-Chassis bei Cooper richten. Verkaufte den Cooper anschließend an Herbert Nosek und bestellte einen Brabham Formel 2 in Großbritannien.

Barrys 63er Cooper wurde ohne Motor an Dieter Quester verkauft.

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