Der erste Sieg des Porsche 917 |
Geschrieben von Christian Sandler | |
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2019 werden viele „runde Geburtstage“ gefeiert. Den 50er feiern heuer nicht nur die Mondlandung, die Concorde, der Jumbo Jet (747), Woodstock und schöne Frauen wie Jennifer Lopez, Catherine Zeta-Jones und Simone Stelzer.
Die FIA/CSI legte im Oktober 1967 neue Hubraumobergrenzen für die Markenweltmeisterschaft der Jahre 1968–1971 fest: Prototypen maximal 3 Liter und homologierte Sportwagen maximal 5 Liter, statt 50 zu produzierende Fahrzeuge setzte man diese Zahl auf 25 herunter. Porsche sah im Sportwagenreglement die Möglichkeit, vom David zum Goliath aufzusteigen und endlich in Le Mans zu gewinnen. Der heuer am 25. August plötzlich verstorbene Ferdinand Piëch, Enkel von Firmengründer Ferdinand Porsche und damaliger Entwicklungschef, sollte dieses Projekt stemmen, von dem er im Nachhinein sagte, es sei wohl das waghalsigste Entwicklungsprojekt seiner Karriere gewesen. Motorentwickler für den 12-Zylinder mit Luftkühlung und Mittelabtrieb war das Genie Hans Metzger, später auch für den TAG Turbo-Motor in der Formel 1 verantwortlich. Der Porschemotor mit anfangs 4494 ccm hatte eine Bohrung von 85 x 66 mm und 580 PS. Dabei handelt es sich um einen V-Motor mit einem Zylinderwinkel von 180 Grad, Alu-Zylinderköpfe und 2 Ventile pro Zylinder mit Trockensumpfschmierung. Das Getriebe besaß fünf Gänge und eine Borg & Beck-Dreischeibentrockenkupplung. Der Radstand hatte die bei Porsche üblichen 2300 mm. Die Karosserie aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) wurde mit einem Alu-Rohrrahmen verbunden. Gesamtgewicht 800 kg. Um die Kosten halbwegs in den Griff zu bekommen, bot man die Fahrzeuge im Vorfeld auch an Privatkunden an, die dazu 140.000 DM hinblättern mussten. Man druckte extra ein Verkaufsprospekt wie bei einem handelsüblichen Straßenfahrzeug. Beim Genfer Automobilsalon im März 1969 präsentierte Porsche der staunenden Weltpresse das ultimative Rennfahrzeug aus Zuffenhausen. Am 21. April standen alle 25 Rennwagen fahrbereit im Innenhof des Porsche-Werksgeländes zur technischen Abnahme durch die FIA/CSI bereit, inklusive Kofferraum und Reserverad, wie es das Reglement erfordert. So stand einer Teilnahme bei den Läufen zur Marken-WM nichts mehr im Wege. Erster Renneinsatz des 1997 von der Motorsport Weltpresse zum „Rennwagen des Jahrhunderts“ gewählten Porsche 917 war bei den 1000 km von Spa am 11. Mai 1969, wo der Wagen mit der Fahrerpaarung Mitter/Schütz schon in der ersten Runde mit Motorschaden ausfiel. Nächster Einsatz – 1000 km Nürburgring am 1. Juni 1969. Keiner der Porsche-Werksfahrer wollte das „Geschwür“ fahren, so wurden die Porsche-Strategen bei BMW fündig und heuerten das Duo Quester/Hahne an. „Zu gefährlich für meine beiden Spitzenfahrer“, sagte BMW-Rennleiter Alex von Falkenhausen und pfiff seine Mannen zurück. Porsche musste quasi über Nacht zwei geeignete Fahrer auftreiben und fand diese in der Paarung Piper/Gardner, die den Wagen letztendlich auf Platz 8 ins Ziel brachten. Am 14. und 15. Juni 1969 standen die 24 Stunden von Le Mans am Programm, wo die beiden Werksautos gesteuert von Stommelen/Ahrens und Elford/Attwood die erste Startreihe belegten, aber im Rennen jeweils mit Kupplungsdefekt ausschieden. Trotz der nicht ganz so rühmlichen Ergebnisse sicherte sich Porsche 1969 den Titel als „Langstreckenweltmeister“ schon vor dem Saisonfinale in Zeltweg mit dem ebenso legendären Porsche 908. Die Zuffenhausener gewannen die Rennen in Brands Hatch, Monza, Targa Florio, Spa, Nürburgring und Watkins Glen. Dem gegenüber stand der Sieg eines Lola T70 in Daytona und die Siege der Ford GT40 in Sebring und Le Mans. Aus diesem Grund überließ man das Zepter für das Saisonfinale den Privatteams und stellte diesen die Werksfahrer zur Verfügung. In den Porsche-Boxen sah man aber dieselben Gesichter wie bei allen anderen Läufen zur WM: Bott, Piëch, Steinemann usw. … Es stand also einem Antreten der „Siebzehner“ bei den 1000 km von Zeltweg am 10. August 1969 nichts mehr im Wege. Österreichs erste permanente Rennstrecke wurde zwei Wochen vorher mit einem Sportwagenrennen eröffnet und war in einem tadellosen Zustand. Zum Beanstanden wäre höchstens die etwas zu schmal geratene Boxeneinfahrt gewesen, die eher an eine Hofzufahrt erinnerte. Die Sicherheitsvorkehrungen wirken heute, fünf Jahrzehnte später, ziemlich lächerlich. Man sah Streckenposten in kurzen Hosen und mit nacktem Oberkörper, auf Klappsesseln einen Meter neben der Rennstrecke sitzen. Darüber gespannt waren Sonnenschirme und es hatte etwas von einer Stimmung wie am Campingplatz. In jeder Boxe war ein Feuerlöscher und eine ausgediente Trommel aus Karton mit der Aufschrift „Omo“, gefüllt mit Ölbindemittel. Gemeldet waren folgende Porsche 917: Startnummer 29 mit Fahrer Ahrens/Attwood (Bewerber Freiherr von Wendt, Chassis 917 009) und Startnummer 30 mit Fahrer Siffert/Redman (Bewerber David Piper Racing, Chassis 917 010). Die Konkurrenz war riesengroß, sämtliche Teams wie Alfa, Matra, Gulf-Mirage, Lola T70 mit ihren Spitzenfahrern wie Ickx, Oliver, Rodriguez, Müller, Bonnier aus der Marken WM waren angetreten. Dazu waren eine Horde von Porsche 906, 907, 908, 910 und 911 am Start. Das „Who is Who“ des österreichischen Motorsports stellte sich der Herausforderung: Lauda, Quester, Lins, Peter, Stuppacher, Rieder, Gerin, Pust, Huber, Hofer … Trainingsschnellste war das Duo Ickx/Oliver auf dem von John Wyer eingesetzten Gulf-Mirage-Ford, angetrieben vom aktuellen Ford Cosworth-Formel-1-Motor, mit einer Zeit von 1.47,6 Minuten. Platz 2 ging an den Porsche 917 von Ahrens/Attwood mit 1.48,1. Achtschnellste wurde das Porsche-917- Duo Siffert/Redman mit einer Zeit von 1.49,0. Am Abend entschieden sich die Porsche-Verantwortlichen für einen Fahrertausch, Siffert sollte mit Ahrens den 917 009 fahren und Attwood mit Redman den 917 010. Am Renntag strömten etwa 35.000 Zuschauer bei herrlichem Sommerwetter zur Strecke. Das Rennen wurde auch live im österreichischen Fernsehen übertragen und lief über 170 Runden. Niemand geringerer als Juan Manuel Fangio senkte pünktlich um 12 Uhr mittags die Startflagge und schickte die 36 Wagen auf die 1000 km lange Reise, auf der ehemals schnellsten und schönsten Rennstrecke im Motorsportkalender. Das Startduell gewann Ickx vor Siffert knapp vor Bonnier auf Lola T70 und Gregory auf Porsche 908. In der vierten Runde kann sich Siffert an Ickxs Mirage vorbeiquetschen, dann folgten Bonnier und Gregory und am fünften Platz der zweite 917 mit Attwood am Steuer, gefolgt von Servoz-Gavin auf Matra 650. Die Meute legte ein Tempo vor, das eher an einen Formel-1-Lauf erinnert als an ein Langstreckenrennen, mit etwa 280 km/h preschten sie bei Start/Ziel vorbei. Das Tandem Siffert und Ickx fuhr einen Rundenrekord nach dem anderen und beherrschte somit das Rennen. Ickx übernahm bei der Überrundung von Piper wieder die Führung und gab sie bis zu seinem Ausscheiden in der 99. Runde durch Lenkungsdefekt nicht mehr ab. Probleme hatten die beiden 917er jeweils beim Boxenstopp. Bei den geplanten 4 Stopps pro Fahrzeug sollten sie eigentlich nur 6 Minuten brauchen, aber es wurden 10 lange Minuten daraus. Der Grund war Dampfblasenbildung in der Benzinleitung. Die Verantwortlichen bei Porsche hatten eine Lösung parat, die zwar nicht ganz der Sicherheit entsprach, aber zweckdienlich war. Man ließ beim letzten Stopp die Zündung eingeschaltet, dadurch lief die Benzinpumpe weiter und führte der Einspritzanlage Benzin unter Druck zu, so konnten sich keine Blasen mehr bilden und die Motoren sprangen sofort wieder an. Nach dem Ausscheiden von Ickx/Oliver übernahm der Matra 650 von Servoz-Gavin/Rodriguez die Führung vor Siffert/Ahrens und dem Lola von Bonnier/Müller, auf Platz vier folgte der zweite 917 mit Attwood/Redman am Steuer. Kurz darauf verunfallte der Matra und so blieb nur mehr das Duell Lola gegen Porsche, das schlussendlich Siffert/Ahrens für sich entschieden und somit für den ersten Rennerfolg eines Porsche 917 sorgten.
Die schnellste Rennrunde sicherte sich Ickx mit 1.46,7 Minuten, er war damit fast eine Sekunde schneller als im Training. Dies bedeutete einen Rundenschnitt von 199,7 km/h! Jetzt wird es kompliziert, obwohl es vom Hause Porsche eine Notiz über die Verschrottung des Wagens gibt, erwirbt der berühmte Vasek Polak, seriöser Porsche-Händler und Rennstallbesitzer in Los Angeles die 009 im Jahre 1972. Vermutlich als Unfallwagen oder Teileträger. In den 70er-Jahren wurde der Porsche 917 001 (irrtümlich) mit der Chassisplatte 009 versehen und verpasste ihm die Farbe Rot mit weißen Streifen. Man gab dem Wagen damit das Erscheinungsbild des ersten Gesamtsiegers in Le Mans, Hans Herrmann und Dick Attwood im Jahre 1970, aus dem Hause Porsche. Anfang der 2000er-Jahre stellte sich diese „Umnummerierung“ jedoch als unrichtig heraus und die 009 wurde in 001 rücknummeriert und 009 galt somit ab diesem Zeitpunkt als „verschollen“. Anno 2010 findet Dale Miller in Argentinien den Rahmen mit der Chassisplatte und lässt ihn bei Freisinger-Motorsport restaurieren. Im perfekten Zustand und im berühmten Gulfdesign ist er nun, seit 2012, Teil der Charles Nearburg Collection in den USA und wird bei so manchen Events auch im Renntempo von Nearburg persönlich gefahren.
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