Opel Speedster – der Kompromisslose
Geschrieben von Michael Wiedmaier   

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Automobilhistorisch betrachtet wird den Modellen der Marke Opel eher das Image nachhaltiger Zuverlässigkeit als aufregender Sportlichkeit zugeschrieben.

Allerdings sorgte der Opel GT (1968–1973) mit seinem nach zeitgenössischem Verständnis spektakulären Auftritt für Aufmerksamkeit. Indessen bleibt er als Designikone eine Ausnahmeerscheinung in sportivem Gewand auf bürgerlich konservativer Technikbasis. Bodengruppe und Fahrwerk basieren auf dem Opel Kadett B. Den 1,9-Liter-CIH-Motor mit 90 DIN-PS spendete der Opel Rekord C.

In erster Linie gehört zur Realisierung von Außergewöhnlichem im Serienautomobilbau ein Quantum Experimentierbereitschaft, technische Entschlossenheit sowie auch ein Quantum an ingeniöser und monetärer Freiheit. Letztendlich ist allen Verantwortlichen, die dafür sorgten, dass der Opel Speedster tatsächlich als Kaufobjekt in die Schaufenster von 300 ausgesuchten Opel-Händlern gelangen konnte und ab Herbst des Jahres 2000 im freien Handel zugänglich war, eine Anerkennung zuzusprechen. Ohne Kreativität und Enthusiasmus überzeugter Visio-näre würde niemals Fortschritt stattfinden.


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Bei diesem Sportwagen der Marke Opel wurden erstmals bevorzugt die Werkstoffe Aluminium und Kunststoff als Materialien für Chassis und Karosserie eingesetzt.

Die offene Karosseriebauform eines zweisitzigen Sportwagens, der weder über ein festes Dach noch ein klappbares Faltverdeck verfügt, im Bedarfsfall aber mit einfachem Zubehör geschlossen werden kann, wird traditionell als Roadster bezeichnet.

Fahrspaß steht hierbei im Vordergrund! Zum Zweck der Gewichtsersparnis ist jedweder Komfort obsolet und findet einfach nicht statt! Die Bezeichnung „Speedster“ zielt haargenau in diese Marktlücke.


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Als bis dato motorisch leistungsfähigster und fahrdynamisch attraktivster zivil nutzbarer Opel aller Zeiten, der selbst gegen leistungsstarke Motorräder wettbewerbsfähig ist (eigene Erfahrungen auf dem Furkapass) spricht der Speedster Puristen an, die für maximale Fahrfreude bewusst auf Komfort verzichten, andererseits aber auch Enthusiasten, die sich für ein dynamisches und funktionales Design begeistern können.

Als puristische Fahrmaschine definiert dieser Zweisitzer eine Nische innerhalb der Nische der Roadster, welche schon von den erzielbaren Stückzahlen her exklusiv bleiben musste.  


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Als ich dem Speedster das erste Mal anlässlich einer Automobilausstellung in meiner Heimatstadt Freilassing/Obb. von Auge zu Scheinwerferpaar gegenüberstand, hat er mich begeistert und mich nicht mehr revidierbar für sich gewonnen – als der in keiner Weise prätentiöse Sportwagen überhaupt – für mich als begeistertem Sportwagenfahrer, das „Schlüsselerlebnis“!
 
Die Opelaner können doch, wenn sie nur wollen!

Im Fall des Speedsters ist es den Gestaltern gelungen, aerodynamische Notwendigkeiten unglaublich gut aussehen zu lassen, denn die Einflüsse von Licht und Schatten beeinflussen das Erscheinungsbild dieses Sportwagens im Stillstand ebenso wie während der Fahrt. Der Eindruck seines Erscheinungsbildes verleiht ihm jene einprägsame Symbolik, welche ein hohes Leistungsvermögen suggeriert und für einen prominenten Erkennungsfaktor sorgt.
 

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Der Opel Speedster ist in all seinen Dimensionen ein kompaktes Auto, wirkt aber völlig anders als ein kleiner Wagen. Mit seiner Höhe von 1.117 Millimetern ist er besonders flach, was optisch durch die Breite ohne Außenspiegel von 1.708 Millimetern sowie seine Spurweite von 1.450 Millimetern vorn und 1.488 Millimetern hinten noch betont wird. Der für Mittelmotor-Sportwagen typisch kurze Radstand beträgt 2.330 Millimeter. Indessen entspricht die Länge von 3.786 Millimetern fast jener des zeitgenössischen Kleinwagens Opel Corsa. Der rudimentäre Kofferraum hinter dem Motor erweist sich größer als von außen zu vermuten gewesen wäre und mit 206 Litern nach VDA-Norm passt problemlos so viel Gepäck für zwei Personen hinein, um durchaus auch länger als ein Wochenende zu zweit unterwegs sein zu können.

Realisiert worden ist ein ebenso markant wie ästhetisch wirkendes Renngerät von avantgardistischer Symbolik.

Maskulin wirkt die kraftvolle Heckpartie, elegant geschwungen die Flanken und dynamisch progressiv tritt der Frontbereich auf.


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Aus jedem Blickwinkel betrachtet werden Effekte erzeugt, die mit einer dynamischen Symbolik besetzt sind. Nach Ansicht vieler Betrachter hat der Opel Speedster durchaus Voraussetzung dafür, eine der ersten automobilen „Design-Ikonen“ des neuen Jahrhunderts zu werden.

Technische Meilensteine im Automobilbau setzte der Speedster bereits bei seinem Start. Er ist der erste Serien-Opel mit einem Chassis aus Aluminium und einer Karosserie aus Kunststoff.

Reminiszenzen an den Rennsport sind sowohl der schwarze Starterknopf wie das direkt vor dem Fahrer platzierte Kombiinstrument, das unter einer kompakten runden Abdeckung vor störendem Sonnenlicht geschützt ist. Dessen Zeiger setzen den Fahrer mittels schwarzer Ziffern auf weißem Grund über Motordrehzahl und Geschwindigkeit in Kenntnis. Erst bei Bedarf werden alle anderen Anzeigen in ein LCD-Fenster unterhalb des Drehzahlmessers eingeblendet. Die wichtigsten Bedienelemente suggerieren pure Sportlichkeit. Das gilt für die Pedale, den Schaltknauf und den Handbremshebel aus Aluminium ebenso wie für das spezielle Lederlenkrad des renommierten italienischen Herstellers Momo.


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Als klug entwickeltes Detail folgt das leichte Stoffdach der Philosophie der puristischen Fahrmaschine. Es lässt sich einfach und innerhalb kürzester Zeit öffnen oder schließen. Die Lösung in Form des wasserdichten Stoffes, der links und rechts an zwei mobilen Dachholmen befestigt ist und im aufgezogenen Zustand mittels einsteckbarer, federleichter Kunststoffstreben gespannt wird, ist genial einfach und absolut wirksam. Mit diesem Faltdach ist wohl der schnellste Wechsel vom geschlossenen in einen offenen Zustand bei einem Seriensportwagen möglich. Das Schönste dabei ist, dass das Stoffdach, temporär außer Dienst gestellt, fast keinen Speicherplatz beansprucht, indem es einfach hinter dem Fahrersitz verstaut wird.

 In der Liste der verfügbaren Extras für den Speedster stand auch eine edel wirkende Lederausstattung, die in den Farben Schwarz, Blau, Rot oder Beige erhältlich war. Frei nach Wunsch konnte die Lederfarbe aus diesem Angebot mit den vier serienmäßigen und fünf Aufpreis pflichtigen Außenlackierungen sowie zwei zur Auswahl stehenden Farben für das Stoffdach kombiniert werden.


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Um die Möglichkeit zu erhalten, nicht nur in der Theorie zu schweifen, sondern meine positiven Einschätzungen auch in der Praxis erfahren zu können, stellte mir die Adam Opel AG für den Zeitraum von einer Woche einen kanariengelben Speedster Turbo zur freien Verfügung.

Eines Montagmittags traf ich in Rüsselsheim ein und betrat erwartungsvoll die Pförtnerloge des Werkschutzes. Wagenpapiere und Schlüssel lagen schon bereit. Nun waren nur noch ein paar Meter zu Fuß zu gehen, um den mit Spannung erwarteten Roadster endlich in Besitz nehmen zu können.

Mit Druck auf den Knopf im schwarzen Plastikgehäuse des Schlüsselanhängers, einem bei diesem Auto unerwarteten Komfort-Gimmick, wurden die Türen per Funkfernbedienung entriegelt. Wegen der nasskalten Witterung im Oktober blieb das schwarze Stoffverdeck an Ort und Stelle. Jetzt hieß es erst mal durch die kleine offene Luke zwischen Dachholm und breitem Seitenschweller möglichst elegant auf den sehr tief angeordneten Fahrersitz zu gleiten. Das rechte Bein hatte ich bereits über die breite Seitenschwelle gehoben und mich in gebeugter Haltung mit dem Rücken an der B-Säule abstützend hinunter rutschen lassen, bis ich mit dem nach vorn geneigten Kopf unter dem Dachholm hinweg in den Innenraum tauchen konnte. „Oh je, so wird das nichts!“, hörte ich den netten Kollegen vom Werkstattteam seufzen, „ich zeig ihnen mal wie das geht!“ – und auf der Seitenschwelle zum Sitzen kam. Jetzt war es kein Problem mehr, weiter auf den Sitz zu rutschen und das linke Bein nachzuziehen. Als ich kurze Zeit später wie vorgesehen im Schalensitz Platz gefunden hatte und mit beiden Beinen ausgestreckt die Pedalerie erreichte, äußerte er nur noch leise so etwas wie „na ja, so kann man das auch machen!“ Tatsächlich hatte ich nach kurzer Zeit den Bogen raus, sodass das Aus- und Einsteigen kaum mehr Probleme machte.


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Wer die Sitzposition in traditionellen englischen Roadstern kennt, ist sogar geneigt, im Vergleich hierzu von einer annäherungsweisen Ausgewogenheit des Sitzens im Speedster zu sprechen. Die Abstände zu Pedalerie und Lenkrad sind perfekt, der Seitenhalt maximal. Der verschiebbare Fahrersitz ermöglicht ein Heranrücken an das Lenkrad, um so zu einer abgewinkelten Armhaltung zu kommen. Gleichzeitig bleiben die Beine immer noch weitestgehend ausgestreckt.

Das Verdeck war im Falle des gelben Testwagens serienmäßig schwarz und absolut dicht. Es weist dank zusätzlicher biegsamer Stützbügel, die zwischen Frontscheibenrahmen und Heckscheibenrahmen beziehungsweise dem Überrollbügel eingeklipst werden, einen perfekten straffen Sitz auf. Zwei massiv wirkende, aber tatsächlich kaum etwas wiegende haarscharf, sozusagen als obere Türholme zwischen Front und Heckscheibenrahmen rechts und links einzurastende Längsbügel bilden das seitliche Tragwerk des Verdecks. Dieses ist kinderleicht innerhalb von zwei Sekunden auszuklinken. Innerhalb weiterer drei Sekunden ist es zusammengerollt und kann bei vollgestopftem Kofferraum problemlos in dem Zwischenraum hinter der Fahrersitzlehne abgelegt werden.


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Auf gar keinen Fall kann beim Stoffdach des Opel Speedsters von einem „Fetzendach“ die Rede sein, wie man es von manchem minimalistisch konfigurierten Roadster aus britischer Fertigung kennt.

Die Kraftübertragung auf die Hinterräder erfolgt mit einem kurz abgestuften Fünfgang-Sportgetriebe, das perfekt mit der Charakteristik des drehmomentstarken Turbomotors harmoniert.

In Bezug auf die Elastizität glänzt der zierliche Speedster mit Bestwerten. Auf Grund des zwischen 1.950 und 5.500 U/min. konstant anliegenden maximalen Drehmoments von 250 Nm gelingen Zwischenspurts perfekt. Gerade einmal 5,1 Sekunden vergehen, bis der Speedster Turbo im vierten Gang von 80 auf 120 km/h beschleunigt und lediglich 6,7 Sekunden benötigt er für den vergleichbaren Spurtvorgang im fünften Gang.


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In jeder Situation, bereits ab 1.500 U/min, hängt der Vierzylinder gut am Gas, verdaut ohne Murren schaltfaule Fahrweise in bester Harmonie mit dem gut abgestuften Fünfganggetriebe.

Beruhigend wirkt das Wissen, dass es sich bei dem 2.0 Ecotec-Turbo-Motor um kein exaltiertes, hochgezüchtetes Rennaggregat handelt, sondern um eine kultivierte, hunderttausendfach bewährte Großserienmaschine.

Für Überraschung sorgt immer wieder der bei niedrigen und mittleren Drehzahlen tief und sonor tönende Sound des Motors, dem es gelingt, den Eindruck einer wesentlich hubraumstärkeren Maschine zu vermitteln. Erst bei höheren und hohen Drehzahlen lässt sich ein Kreischen vernehmen, das im Entfernten an das Wirken eines legendären Kompressors erinnert. Hinzu kommen das röchelnde Ansauggeräusch des Motors und das turbotypische Zischen des Wastegate-Ventils bei Gaswegnahme.

Wer schnell unterwegs sein möchte, muss im Bedarfsfall aber auch rasch anhalten können. Die Bremsen funktionieren hervorragend. Die Verzögerungstechnik einschließlich elektronisch geregeltem Antiblockiersystem, Bremskraftverstärker und innenbelüfteten Scheibenbremsen an allen Rädern reduziert sehr wirkungsvoll auch aus hohen Geschwindigkeiten und lässt sich spürbar feinfühlig dosieren. Mit ein wenig Eingewöhnung hat man nach kurzer Zeit den optimalen Pedaldruck herausgefunden. Gemäß Testergebnissen kann der Stillstand aus Tempo 100 km/h bei entsprechenden Verhältnissen der Fahrbahnoberfläche nach nur 36,8 Metern erfolgen.


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Bei eher ruhigem Dahingleiten war öfter mal das feine Pfeifen des Turboladers zu hören und beim Durchqueren von Ortschaften mit niedriger Motordrehzahl ist ein tiefes und vollmundiges Brabbeln zu hören.

Dieser wunderbare Motor ermöglicht nicht nur das sagenhafte Leistungsgewicht von 4,7 Kilogramm pro DIN-PS, sondern er ist auch noch schadstoffarm.

Ausreichend leichtgängig lässt sich der Alu-Schaltstock äußerst präzise und auf sehr kurzen Wegen knackig durch die Ebenen führen. Alle Gänge rasten spürbar mit leisem Klacken ein, was wiederum hervorragend zum puristischen Charakter des Speedsters passt.

Fazit: Der Opel Speedster ist zwar noch kein Klassiker, aber ein sehr veritabler Youngtimer oder britisch ein „modern classic“.

 Wer noch keinen hat, aber gerne mit ihm Bekanntschaft machen möchte, der sollte sich damit beeilen, nach einem zu suchen. Wegstellen, um auf Wertzuwachs zu warten, würde ihm nicht gerecht werden. Der Opel Speedster macht nur dann eine riesengroße Freude, wenn man ihn fährt! Auch anschauen ist reizvoll, aber ihn zu fahren ist noch reizvoller!

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