Heft bestellen - Der "Englische Patient" oder der "Vater des Sandes" und seine Wüstenfahrten. Teil 2, erzählt von Hans Jachim. LADISLAUS EDUARD V. ALMÁSY Quer durch Ostafrika: die Prinz Liechtenstein-Expedition 1929 Teilnehmer: Prinz Ferdinand von Liechtenstein, Ladislaus v. Almásy und der Kameramann Rudi Mayer Die Fahrzeuge: zwei serienmäßige Steyr Pkw Typ XX mit geändertem offenen Aufbau ("Pick-Up") Text: Hans Jachim Bildnachweis: Archiv Berger-Kuefstein, Haymon-Verlag, Europamotor AAZ-Wr. Ausgabe, Archiv Jachim
Almásy trug seit der ersten Afrikaexpedition offenbar an der "Schmach", die Wüstenstrecke Assuan - Wadi Halfa mit dem Nildampfer bewältigt zu haben. Wir erinnern uns: die Court-Treatt-Expedition hatte dazu sechs Tage benötigt und sich auf der Strecke östlich des Nils mühsam durchgeschleppt, Almásy wollte jedoch eine Erstbefahrung der westlich des Nils gelegenen Libyschen Wüste vornehmen. Man würde damit zur Oase Selima und näher an die sagenhafte "Messingstadt" gelangen ... Zur Realisierung dieses Vorhabens fand sich der Prinz Ferdinand v. Liechtenstein (1901-1981), ein junger Sportsmann, der sich sofort für die Planung einer weiteren Jagdsafari begeisterte.14 Die österreichischen Steyr-Werke hatten gerade den Typ XX herausgebracht und um die Serienmäßigkeit der Fahrzeuge zu betonen, wurden sie nach einem Zufallsprinzip aus dem laufenden Produktionsband ausgewählt. Die einzigen Änderungen gegenüber der Serie waren größere Räder und ein größerer Benzintank. Die Karosserie wurde mit einem etwas verkürzten Pritschenaufbau versehen. Auch bei der Wahl der Reifen bevorzugte man auf ausdrücklichen Rat Almásys wieder österreichische Reithoffer- Reifen. Ursprünglich war die Afrika-Durchquerung Kapstadt - Kairo geplant. Tatsächlich war diese Strecke 1929 erst von drei Expeditionen bewältigt worden. Neben der bereits erwähnten Court-Treatt- Gruppe von einer Chevrolet-Expedition 1928 und einer weiteren Chrysler-Expedition. Letztere hatte aber wieder den Sudan nicht per Achse sondern auf dem Schiff durchquert. Trotzdem entschloss sich Liechtenstein, die Reise nicht in Kapstadt sondern in Mombassa zu beginnen, "da von Kapstadt bis Nairobi Straßen führen, die zwar nicht gut sein mögen - mehr als die Hälfte ist ausgezeichnet - aber jedenfalls heute schon von Automobilen in großer Anzahl dauernd befahren werden." (Zitat) Die Reise begann unter widrigen Umständen: am 28. Jänner 1929 musste man von Tarvis bei einer Schneehöhe bis zu drei Metern in zwei Fahrtagen das Schiff in Marseille erreichen, es herrschte bittere Kälte von minus 20 Grad und die Ausrüstung der Afrikafahrer mit leichten Gummimänteln war dafür nicht unbedingt optimal. Nach ruhiger Schiffsreise erreichte die Gruppe Liechtenstein-Almásy-Mayer Mombassa und es folgte zuerst eine Jagdsafari auf Großwild in Kenia, Lake Natron, amVictoria-See und auf dem Gebiet des ehemaligen Deutsch-Ostafrika, bei relativ guter Straßenbeschaffenheit. Der Kameramann Rudi Mayer drehte dabei hier und auf den späteren Streckenabschnitten mit einer Debrie-Kurbelkamera einen Film, der später von seinem Sohn neu geschnitten und veröffentlicht wird. Almásy schickte regelmäßig seine technischen Berichte an die Steyr- Werke. Es muss nicht ausdrücklich betont werden, dass unsere Patrioten auf der Jagd mit den berühmten Mannlicher-Schönauer Gewehren aus der Produktion der Steyr Waffenfabrik ausgerüstet waren. Wie immer man zur Großwildjagd stehen mag, sie war gelegentlich ein echtes Abenteuer. Almásy schoss im späteren Verlauf seiner Reisen einmal einen Löwen, den er aber mit dem ersten Schuss nur verletzte. Darauf ging das Tier mit gewaltigem Gebrüll zum Angriff über und erst der zweite Schuss tötete es aus einer Entfernung von 15 Schritt. Der Ernst der Reise begann dann auf dem Abschnitt Mongalla-Bor. Das Vorhandensein von Telegrafenmasten auf diesem Streckenstück hatte unsere Gruppe zu der Annahme veranlasst, man könne diese Strecke bequem befahren. Trotz dringenden Abratens des englischen Gouverneurs hatte man diese 150 Kilometer Sumpflandschaft schließlich in vier Fahrtagen bewältigt. Der Kameramann musste bereits vorher mit schwerer Malaria in einem Eingeborenenspital bleiben, ein eingeborener Begleiter war an Schwarzwasserfieber gestorben, der Rest der Gruppe lediglich von Moskitos zerstochen. Es blieb für das "Buch der Rekorde" die Erstbefahrung dieser Strecke mit einem Kraftfahrzeug und noch heute ist dieses Sumpfgebiet von der Größe Englands, der "Sudd" nur mit wirklich geländegängigen Fahrzeugen und bester Ausrüstung zu empfehlen. Die Ankunft in Malakal zeigt die Kontraste der damaligen Spätkolonialzeit: "Zu Mittag speisten wir schon herrlich nach den überstandenen Strapazen in einem eleganten europäischen Haus, tranken eisgekühlte Getränke und genossen elektrische Fächerkühlung bei Freunden in Malakal." Die Weiterfahrt über Malakal, Tonga, Talodi, El Obeid nach Khartum war eine Mischung von Strassen, die damals bereits durch Kleinkriege von sechsachsigen Militärfahrzeugen in halbmetertiefe Sumpfgruben verwandelt worden waren, bessere und "kaum befahrbare Wege", um die Klassifizierung Liechtensteins zu verwenden. Dort stieß dann auch wieder der Kameramann Rudi Mayer zu der Gruppe. Erst in Khartum dürfte der endgültige Beschluss gefasst worden sein, den Rest der Strecke bis Kairo per Achse zu bewältigen und dabei abseits der ursprünglich geplanten Route die Erstbefahrung der Libyschen Wüste anzuhängen. Es liegt die Vermutung nahe, dass Almásy mit dieser Absicht bereits angetreten war und seinem Expeditionsleiter und Finanzier Liechtenstein dann diese Idee in Khartum eingepflanzt hatte. "Von Chartum aus, wo sich der blaue und weiße Nil vereinigen, fließt der Nil in einer großen S-Schleife nach Wadi Halfa, der Grenzstation zwischen dem Sudan und Ägypten; die Bahn folgt wohl der östlichen Richtung, schneidet aber in 500 km schnurgerader Wüstenfahrt den westlichen Bogen ab. Von Wadi Halfa bis Assuan, an die 500 km weiter nördlich in Ägypten, fließt der Nil in einer Schlucht, in der bis heute die englischen Ingenieure nicht imstande waren, eine Bahnlinie zu bauen, obwohl die Notwendigkeit einer solchen zwischen Ägypten und Chartum auf der Hand liegt. Straße gibt es natürlich auch keine, auch nicht die Möglichkeit, die Automobile durch diese Steinschlucht durchzubringen, es sei denn unter Benützung des Dampfers, und das wollten wir eben nicht." (Zitat) Westlich des Nils erstreckt sich die Libysche Wüste, das eigentliche Ziel Almásys. Von der Oase Selima an führt aus dem westlichen Sudan kommend die Jahrtausende alte Karawanenstrasse "Darb El Arbeìn" (Strasse der vierzig Tage). Diese Strasse ist eine viele Kilometer breite Ansammlung von Kamelskeletten, ausgehöhlten Trittwegen auf felsigem Grund, ab und zu ein von Menschenhand als Richtungspfeil ausgerichteter Steinhaufen. Seit pharaonischer Zeit ist diese Karawanenstrasse bekannt und diente bis ins 20. Jahrhundert dem Transport von Sklaven, die von arabischen Sklavenhändlern meist von Darfur aus nach Norden verschleppt und auf dem Sklavenmarkt von Assiut verkauft wurden. Als einziger Europäer hatte bis dato der Engländer William George Brown im 18. Jahrhundert mit einer der großen Sklavenkarawanen diese Strasse bereist und Gordon Pascha, der Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Sklavenhandel Schluss machen sollte - was ihm nicht restlos gelang - berichtet, dass von etwa 80.000 bis 100.000 Menschen, die in Darfur als Sklaven gefangen genommen worden waren, nur etwa 8.000 den furchtbaren Fußmarsch nach Assiut lebend überstanden. Wer nicht mehr weiter konnte, wurde liegen gelassen. Der nördlichste Teil dieser Strecke wird heute durch den Assuan-Nasser-Stausee auf einer Länge von 500 km und einer Breite von 80 km bestimmt. Der "moderne" Tourist kann sehr leicht eine Vorstellung von den damaligen Pistenverhältnissen gewinnen, wenn er an einer der geführten Bustouren auf der neuen Asphaltstrasse von Assuan nach Abu Simbel teilnimmt und sich dabei die Strasse wegdenkt. Mehr war nicht. Wir stehen hier vor den blutigen Wurzeln der Geschichte vieler Amerikaner aber auch Europäer mit schwarzafrikanischer Abstammung. Vor Antritt der Wüstenreise musste dem britischen Generalgouverneur eine schriftliche Verzichtserklärung auf jede Hilfestellung abgegeben werden und auch mit Unterstützung des britischen Luftgeschwaders durfte im Falle einer Panne nicht gerechnet werden. Rudi Mayer wurde weiter nach Kairo geschickt; für ihn war die Reise beendet. Almásy und Liechtenstein traten mit drei Eingeborenen und den beiden Steyr XX die Fahrt ins Ungewisse an. Vierzig Kilometer vor Selima hatte sich bei einem der Wagen ein Nockenwellenlager durch eingedrungenen Sand festgefressen. Was tun? Eine Aufgabe des Fahrzeugs kam nicht in Frage. Der nachfolgende Ablauf, den wir hier straff darstellen, zeigt deutlich welche logistischen Probleme bei Wüstenreisen bestehen und wie Almásy dies in bereits perfekter Art und Weise organisatorisch gelöst hatte. Dies sollte auch später bei ähnlichen Aktionen immer wieder markant auffallen und auch die Bewunderung der Karawanenführer und seinen Ehrentitel "Abu Ramla", also "Vater des Sandes" von den Einheimischen eingetragen haben. Also: 2 Eingeborene bleiben mit dem restlichen Wasser bei dem defekten Wagen: Auftrag: bis 5. Juni (den 3. Tag) mittags warten, bei Nichterscheinen 40 km Fußmarsch zur Oase Selima. Almásy und Liechtenstein fahren zur - unbewohnten - Oase Selima. Liechtenstein bleibt in Selima, Almásy kehrt mit frischem Wasservorrat - auch in umfunktionierten leeren Benzinkanistern - nach Halfa zurück und nimmt den defekten Zylinderkopf und die wartenden Begleiter mit. In Halfa gibt es eine Eisenbahnwerkstatt zur Reparatur. Zur eigenen Sicherung legt er dabei alle 20 km ein Wasserdepot an. Falls Almásys Wagen innerhalb von 150 km von Selima entfernt gleichfalls irreparabel wäre, würde er unter Ausnutzung der Wasserdepots zu Fuß nach Selima marschieren, andernfalls nach Halfa. Falls alles gut geht, wäre Almásy am 5. Juni in Halfa und könnte am 7.Juni wieder in Selima sein. Liechtenstein soll aber jedenfalls bis 10. Juni in Selima warten und im schlimmsten Fall dann auf kürzestem Wege die 130 Kilometer zum Niltal marschieren, ohne Gepäck, mit 12 Liter Wasser und 3 kg Konserven. Liechtenstein und sein eingeborener Begleiter nützten die Zeit in Selima, mit einer eintreffenden Karawane 70 km Richtung Kharga mitzureiten und dort ein Benzindepot sowie im Abstand von 20 km Wasserdepots anzulegen, um dann wieder nach Selima zurückzumarschieren. Der Ausgang dieses risikobehafteten Abenteuers ist am Besten als Zitat aus dem Bericht Liechtensteins in der "Allgemeinen Automobilzeitung" wiederzugeben: "Am 8., gegen 10 Uhr, erschien, von mir fast nicht erwartet, Almásy. Ich hatte es mir fest eingeredet, daß er, wegen weiß Gott was, - denn es geschieht doch immer etwas, was man nicht voraussehen konnte oder nicht vorausgesehen hat - nicht vor dem 9. Juni eintreffen würde und hatte mir daher vorgenommen, überhaupt nicht über seine Rückkehr nachzudenken. Um 10 Uhr also vernahm ich, erst weit entfernt, dann rasch näher kommend, das liebe altvertraute Gurgeln von Steyr-Motoren .... Während ich, posiert langsam und gleichgültig zu Almásys Wagen ging, rollte auch mein braver C 548 über den Dünenabhang. Dann allerdings gab ich jede Pose auf und brüllte einmal fünf Minuten laut vor Freude; hierauf redete ich ebensolange, ohne mich durch irgend etwas unterbrechen zu lassen, englisch und deutsch, um zu sehen, ob ich es in den fünf Tagen erzwungener Schweigsamkeit ... noch nicht verlernt hätte. Um 1/4 12 starteten wir nordwärts, fanden meine Wasserdepots erst bei Nr. 4, aber das Benzindepot ohne Schwierigkeiten." (Zitat) Nach dem Kompass, dem inneren Gefühl, gelegentlichen Spuren und Kamelskeletten wurden die Oasen Kassaba, Bir Mur und zuletzt mit "Hilfe" eines Schmetterlings die Oase Kharga erreicht. Der Rest der Reise war nur mehr Routine. Man hatte die alte Karawanenstrasse - wieder - entdeckt und erstmals mit einem Kraftfahrzeug über mehr als 800 km die Libysche Wüste durchquert. Zurück in Wien wurde am 28. Juni 1929 den dreien Liechtenstein-Almásy-Mayer von den leitenden Herren des "Österreichischen Automobil-Clubs" und Vertretern der Industrie ein großer Empfang bereitet und es war nicht genug des Lobes auch für die Fahrzeuge und Reifen. Objektiv muss man aber auch bei dieser Expedition die Zuverlässigkeit der Fahrzeuge hervorheben. Bis auf den durch einen Sandsturm hervorgerufenen Nockenwellenschaden und eine verbogene Hinterachse (Sturz in ein 1- Meter-Loch) gab es keine wesentlichen technischen Defekte auf dieser 12.000 Kilometer langen Reise. Almasy fertigte in Khartum ein neues Achsrohr aus irgendeinem Rohrstück an, das er der städtischen Wasserversorgung entwendet und diese damit kurzfristig lahmgelegt hatte. Dabei hatten die beiden Steyr XX, die auf eine Nutzlast von 600 kg ausgelegt waren, auf weiten Strecken bis zu 1000 kg zu tragen. Auch von den 17 mitgenommenen Reifen ging nur einer durch die Belastung der Reise kaputt, drei weitere Reifen durch Feuer und Diebstahl. Nach der Liechtenstein-Expedition erreichte die Wirtschaftskrise mit explodierenden Arbeitslosenzahlen in Österreich einen Höhepunkt und auch die Verkaufszahlen der Automobilindustrie sanken ins Bodenlose. Die Steyr-Werke produzierten 1930 nur mehr 12 (zwölf !) Personenkraftwagen, im Jahr zuvor waren es 4.986 PKW gewesen. Viele, darunter auch Almásy verloren ihre Beschäftigung bei den Steyr- Werken und dies war vorerst auch das Ende einer Ära von Wüstenexpeditionen mit österreichischen Kraftwagen. Tausendundeine Nacht: Die Suche nach der Oase "Zarzura", 1932 und 1933 Almásy brachte sich recht und schlecht über die Runden, im Auftrag der sudanesischen Regierung verschiedene Autotypen für den fahrplanmässigen Einsatz auf bestimmten Wüstenstrecken zu erproben. Die getesteten Fahrzeuge entsprachen übrigens nicht den an sie gestellten Anforderungen. Die Krise hatte aber auch den Vorteil, dass Almásy Muße fand, sich intensiv mit Geologie, prähistorischen Studien, Literatur arabischer Texte zu befassen: er wandelte sich vom Techniker zum Forscher. Dabei galt sein gesamtes Streben jenem Gebiet der libyschen Wüste, das sein späterer Weggefährte Dr. Richard Bermann - den wir später noch genau kennen lernen werden - so beschrieb: "Auf der Karte der Libyschen Wüste gibt es ... eine vollkommen leere, unbezeichnete, unbekannte Stelle. Die fiktiven Grenzen Ägyptens, des Sudans und der italienischen Tripoliskolonie stoßen in der Theorie dort rechtwinkelig zusammen, tatsächlich grenzt dort nichts an nichts, es ist einer der ganz wenigen Punkte der Menschenerde, die der Mensch, mindestens der weiße, noch immer nicht kennt. Man hat gerade in den letzten Jahren eine Anzahl Oasen in der Libyschen Wüste neu entdeckt; aber im innersten Inneren des Sandmeeres gibt es ein ungeheures Geviert, etwa fünfhundert Kilometer zum Quadrat, das zu groß ist, als daß es eine Kamelkarawane durchqueren könnte; und man weiß nichts Sicheres von einem Brunnen. Dennoch spricht an seinem Lagerfeuer der Beduine von einer wunderbaren Oase, die in der Mitte dieses unentdeckten Wüstenvierecks liegen soll. Seit vielen Jahrhunderten geht diese Sage von Mund zu Mund. Man weiß sogar den Namen dieser Oase: Zarzura." Es gibt unzählige Geschichten über dieses kaum von Menschen betretene Gebiet und immer wieder wird von menschlichen Ansiedlungen aus grauer Vorzeit berichtet. Es gibt in den Erzählungen aus "Tausend - und Einer - Nacht" die Geschichte von der geheimnisvollen Messingstadt, einer Stadt in der Wüste, aber auch Berichte von Herodot über geheimnisvolle Beduinen, die in Raubkarawanen aus der unbewohnbaren Wüste auftauchten und wieder dorthin verschwanden. Und es gibt den gleichfalls nach Herodot historisch gesicherten Untergang der Armee des Perserkönigs Kambyses. Das Heer war von Theben aufgebrochen, um die Orakelstadt des Jupiter Ammon (die heutige Oase Siwa) zu erobern. Etwa auf der Hälfte des Weges wurde die Armee in den Dünen der Großen Sandsee von einem "großen und heftigen Südwind" überrascht und mit ihren Rüstungen und Waffen, mit Mann und Maus begraben. Man hat seitdem keine Spur von diesen 40.000 (sic!) Kriegern gefunden, sie müssen heute noch am Rande der "Grossen Sandsee" und der "Quattara- Senke" vom ewigen Sand der Sahara bedeckt sein. Ein einziges Mal berichtet Almásy über eine Situation, in der er knapp dem Tod durch Dehydrierung entgangen war: durch ein Missverständnis mit den eingeborenen Fahrern des Begleitfahrzeuges irren sein Freund und er in einem Nebental mehr als 12 Stunden ohne Wasseraufnahme umher. Bereits nach einem Fußmarsch von etwa vier Stunden ohne Wasseraufnahme können sich die beiden nur mehr durch Schriftzeichen im Sand verständigen, da Lippen und Zunge zu sehr angeschwollen sind, um Worte zu artikulieren. Als Almásy nach 12 Stunden von der Suchmannschaft gefunden wird, stürzt er sich wie rasend auf die Feldflasche mit Wasser, wird aber von dem erfahrenen Eingeborenen mit Gewalt daran gehindert, zu trinken. Erst ein Faustschlag auf den Kopf bringt ihn zur Besinnung und er erkennt das Problem. Man wäscht ihm vorerst Kehle und Handgelenke mit Wasser und legt ihm einen feuchten Turbanfetzen als Kompresse auf die Lippen. Er erinnert sich: "Wenn jemand in überdurstetem Zustand aufgefunden wird, so darf man ihm nicht sofort Wasser zu trinken geben, weil sonst die ausgedorrten Mund- und Rachenschleimhäute anschwellen und den sofortigen Erstickungstod herbeiführen würden." "Du wirst eine Felsenburg finden, Herr, deren Mauern aus Onyx und deren Dach aus Lapislazuli gebaut sind. Ihre Fenster schimmern wie Opal, die Sonne funkelt auf den goldenen Geschmeiden der Einwohner, und schwer ist die Luft ihrer Gärten vom Duft der Rosen. ... Die Straße zu der ummauerten Festung führt unter Palmen durch Weingärten und an Brunnen vorbei. Es ist eine weiße Stadt, wie eine Taube. Über dem Tor wirst du einen Vogel sehen, in Stein gehauen. Strecke deine Hand aus und nimm aus seinem Schnabel den Schlüssel. Öffne das Tor und betritt die Stadt. Du wirst viel Reichtum finden, und im Palast schlafen der König und seine Königin den Schlaf der Verzauberten. Gehe nicht in ihre Nähe, sondern nimm nur den Schatz." (Arabische Überlieferungen, berichtet von R. Bermann) "Uwenat ist von jeher bewohnt gewesen. Ja, die Ginn (Dschinn) und die Afarit (beides Geisterwesen) haben sogar Bilder auf die Felsen geschrieben, wie sie kein menschliches Wesen schreiben könnte. Der ganze Berg ist voll von Bildern, die Geister geschrieben haben." (Karawanenführer des Hassanein Bey) "Die Erfahrungen meiner Zarzura-Fahrten hatten mich gelehrt, daß die Erzählungen Eingeborener stets einen wahren Kern enthalten.” (Lásló v. Almásy) Zur Forschungsgeschichte dieses Gebietes: Der Königlich-Preußische Hofrat Gerhard Rohlfs erforschte um 1870 als erster Europäer mit einer Karawane von 100 Kamelen unterstützt vom ägyptischen Khediven das Sandmeer. An einem der von ihm kartographisch erfassten Plätze tritt ein eigenartiges Phänomen auf: Es fallen schwere Regentropfen und dieser Platz wird fortan unter dem Namen "Rohlfs Regenfeld" in die offiziellen Karten aufgenommen. Als Almásy später Rohlfs Regenfeld erreicht, geschieht das Unglaubliche: große Regentropfen fallen aus dem Nachthimmel. Der ägyptische Prinz Kemal El Din Hussein, ein europäisch gebildeter, an der wissenschaftlichen Erforschung seiner Heimat interessierter Spross der ägyptischen Königsdynastie stellte 1923 eine erste Expedition mit 3 Citroen Raupenfahrzeuge und mehreren Fordwagen vom Typ "A" zusammen, die allerdings kläglich scheiterte; die defekten Raupenfahrzeuge wurde nach und nach mit Hilfe der Ford-Autos aus der Wüste zurückgeschafft. Erst 1924 konnte er diese Expedition wiederholen, nachdem ihm Citroen den Cheftechniker Pénaud beigestellt hatte. Kemal el Din "entdeckte" nach einem halben Jahrhundert wieder Rohlfs "Regenfeld" sowie das seit dem Krieg bekannte Wasserdepot "Abu Ballas", eine Ansammlung von zum Teil prähistorischen Wasserkrügen, die offenbar als Stützpunkt auf der gesuchten Strasse nach "Zarzura" angelegt waren. Es mag unbedeutend erscheinen, was Kemal El Din hier vollbracht hatte, doch muss man bedenken, dass zu seiner Zeit nur etwa zwei Drittel der Fläche Ägyptens bekannt waren, der Rest war Niemandsland, das nur von Sagen umwoben war. Der Prinz gab Almásy wertvolle Hinweise auf den Verlauf der Karawanenstrasse, die Rohlfs vergeblich gesucht hatte. Doch nun zur Tat. Unser László erinnert sich an seine Zeiten als Fliegerheld im Krieg und kommt zu der richtigen Erkenntnis, dass nur eine Kombination Flugzeug - Auto zur Aufklärung dieses Gebietes beitragen könne. Er erwirbt trotz Geldsorgen in England eine "De Havilland Gipsy Moth I" und fliegt mit der alten "Motte" und einem Freund nach Ägypten. Die Absicht schlägt fehl, in Syrien geraten die beiden in einen Orkan, stürzen ab, bleiben zum Glück unverletzt, doch die "Motte" ist Schrott. Doch Almásy gibt nicht auf. Er findet in dem Briten Sir Robert Clayton-East, der als Inspektor des angloägyptischen Vermessungsdienstes tätig ist, einen Gleichgesinnten. Die Clayton-Penderel-Almásy- Expedition 1932 Teilnehmer: Sir Robert Clayton-East, Hubert G. Penderel, Patrick A. Clayton als Topograph, Almásy, drei einheimische Fahrer und ein Koch. Fahrzeuge: 3 gemietete (!) Ford Wagen der Type "A" sowie wieder ein "De Havilland" Sportflugzeug. Aus Geldmangel keine Funkstation! Die Frühjahrsexpedition 1932 entdeckte einen Weg zur Oase Kufra und beim Überfliegen ein Hochtal, das von Einheimischen als "Wadi Abd el Melik" bezeichnet wurde. War dies schon Zarzura? Eine weitere Herbstexpedition sollte dies klären doch dann traten zwei Katastrophen ein. Zuerst verstarb Prinz Kemal unerwartet. Er hatte die weitere Finanzierung und Unterstützung der Suche nach Zarzura zugesagt. Kurz danach folgte ihm Sir Clayton-East in den Tod, er verschied an einer Infektion, ausgelöst durch eine Wüstenspinne. Irgendwie schaffte es Almásy aber doch, innerhalb eines Jahres eine neue Mannschaft zusammenzustellen und die Finanzierung der Expedition zu sichern. Die Zarzura- Expedition 1933 Teilnehmer: Almásy, Dr. Richard A. Bermann als Chronist, H.G. Penderel, Dr. László Kadar als Geodät, Hans Casparius als Fotograf und die bisherige einheimische Mannschaft. Die Suche nach Zarzura stand unter unglücklichem Stern: P. A. Clayton und Penderel hatten inzwischen bereits ihren Fuß in zwei der bisher unbetretenen Täler im Gilf Kebir gesetzt und das als Zarzura vermutete Wadi Abd el Melik hatte sich als eine mit Büschen und Bäumen bewachsene "Hochalm" ohne Quelle herausgestellt. Darüber hinaus führte die umtriebige Witwe von Sir Clayton, Lady Dorothy Clayton mit Patrick Clayton eine eigene Expedition an und kreuzte beständig den Weg unserer Forscher, ohne mit diesen jedoch Kontakt aufzunehmen. Jedenfalls kartografierte unser Team eifrig und erkundete das Hochplateau des Gilf Kebir, der Gebirge Arkenu und Uwenat mit Flugzeug, Automobil und zu Fuß. Immerhin handelt es sich dabei um Hochplateaus von 1.000 bis 1.500 Meter Höhe, die von Tälern durchzogen werden und größtenteils nur zu Fuß zu durchwandern sind. Im Gilf Kebir erkundete man die drei Täler Wadi Hamra, Wadi Talh und das bereits erwähnte Wadi Abd el Melik - Zarzura (?). In letzterem fanden sich auch kleine tote Vögel - arabisch "Zarazir", man hatte offenbar die "Oase der kleinen Vögel" gefunden, nicht jedoch die "weiße Stadt". Zwei Entdeckungen sind für diese Expedition und die darauf wiederholten späteren Erkundungsfahrten Almásys in dieses Gebiet von Bedeutung: Erstens die Erkenntnis, dass sich der Wirkungsbereich der tropischen Sommerregen Afrikas im Inneren der Libyschen Wüste bis über den 24. Breitengrad nach Norden erstreckt und so in mehrjährigen Abständen in diesem Gebiet für eine gewisse Fruchtbarkeit sorgt. Bisher hatte man angenommen, dass gelegentliche winterliche Regenschauer aus dem Mittelmeergebiet über die Große Sandsee Feuchtigkeit gebracht hätten. Zweitens fand die Almásy-Expedition im Uwenat- Gebirge im Herzen der Wüste oberhalb einer Quelle an verschiedenen Stellen Höhlenmalereien von unwahrscheinlicher Ausdruckskraft und in unglaublich gutem Erhaltungszustand. Sie stellen Abbildungen von Wildtieren, Rindern, Antilopen und Menschen dar, einzeln und in Jagdszenen mit Pfeil und Bogen, mehr als 800 Abbildungen. Aber das unglaublichste Detail sind die Darstellungen von Menschen, die schwimmen! Die "Schwimmer in der Wüste." Diese beiden Entdeckungen unterstreichen die These Almásys, dass die Wiege der altägyptischen Kultur nicht - wie bisher angenommen - in Mesopotamien allein gelegen ist, sondern - auch - aus der heutigen Libyschen Wüste stammt. Es gibt Anzeichen eines dramatischen Klimawandels, vor dem vor 8.000 bis 10.000 Jahren die Libysche Wüste nach tropischen Regenfällen gute Lebensbedingungen aufwies während das Niltal vermutlich noch zu niederschlagsreich, sumpfig, feucht und nebelig war. Dieser These Almásys wurde damals von wissenschaftlicher Seite heftig widersprochen, nach heutigem Wissensstand finden sich immer mehr Befürworter seiner Annahme. Das Alter einiger der in Abu Ballas gefundenen Krüge konnte mittlerweile eindeutig mit 3.500 bis 4.000 Jahren festgestellt werden und im Grab des Tutanchamun fand sich ein Schmuckstück (Skarabäus) aus einer Quarzart, deren Vorkommen bisher nur in der Libyschen Wüste nachgewiesen werden kann und die erstmals von Patrick A. Clayton 1932 unmittelbar vor Almásy entdeckt wurde. Jüngste Studien rätseln über die Herkunft der großen Sandmengen in der Großen Sandsee. Man vermutet die Anschwemmung von Flüssen aus einer nicht allzu weit zurückliegenden feuchten Klimaphase. Der weitere Lebensweg des Ladislaus Almásy gestaltet sich nicht minder abenteuerlich und hat bereits Stoff für mehrere Biografien geliefert. Da dies aber nicht unbedingt im Zusammenhang mit unserem Expeditionsthema liegt, sei das Ende der Geschichten hier nur kurz zusammengefasst: Immer wieder bereist er das Gebiet um den Gilf Kebir, organisiert Wüstenfahrten und Jagdsafaris und ist dabei noch immer auf der Suche nach der "verlorenen Armee des Kambyses". Vor Kriegsausbruch ist unser Held Flieger und Fluglehrer in Ägypten, wo er praktisch im Alleingang den Segelflugsport begründet. Dass der Kairoer Flughafen "Al Maza" nach ihm benannt ist, wird gelegentlich glaubwürdig behauptet; dies dürfte aber nach neuesten Forschungen nicht haltbar sein. Im Krieg wird er als Offizier der ungarischen Luftstreitkräfte an das deutsche Afrika-Korps Rommels "verborgt", wo er in einem weiteren unglaublichen Husarenstück zwei deutsche Agenten über das britisch besetzte Ägypten nach Kairo bringt, wo sie mit ägyptischen Widerstandszellen gegen die Briten Kontakt aufnehmen. Was in einem kurzen Satz beschrieben ist, war eine Fahrt von sechs Wochen über 3.000 km von Libyen aus, wieder über den Gilf Kebir. Man benutzte britische Beutefahrzeuge und foppte dabei die Briten gehörig. Almásy fuhr mit seinen Leuten mitten im Krieg bis 10 km vor Assiut im Niltal, dort setzte er die beiden deutschen Agenten unentdeckt sozusagen inmitten eines britischen Militärstützpunktes ab. Die beiden Agenten sollten den nationalen ägyptischen Widerstand gegen die Besatzer unterstützen. Von den jüngeren Offizieren dieser Widerstandsgruppe sollte man zwei Namen erwähnen: Gamal Abd el Nasser und Anwar el Sadat... Dieses Husarenstück wird Almásy nach dem Krieg eine Anklage als Kollaborateur vor einem russisch- ungarischen Volksgericht einbringen. Freunde halfen ihm und nach Haft und Folter finden wir ihn gesundheitlich nun stark angeschlagen wieder in Ägypten. Eine letzte sportliche Leistung erinnert die Fachwelt wieder an den alten Haudegen: aus Paris "transportiert" er mit Hilfe eines Schweizer Piloten ein Segelflugzeug im Schleppflug (!) über 2.500 km nach Ägypten. Weltrekord. Eine rätselhafte Information finde ich in der Verkaufsliste der ersten fünfzig in Gmünd/ Kärnten produzierten Porsche: unser Freund Almásy hat am 28.10.1949 den Porsche mit der Chassis-Nr. 3, also den vierten überhaupt produzierten Porsche, wenn man den ersten Prototyp mitrechnet, über einen Schweizer Händler erworben. Kurz danach erwerben Exczellenz Mohamed Taher Pascha aus Cairo sowie S.K.H Prinz Abd El Moneim aus Heliopolis 1950 die Porsche mit Chassis-Nr. 33 und 35. Zufall? Das weitere Schicksal dieser Wagen sowie sonstige Hintergründe sind mir bis dato unbekannt. Eine neuerliche "Kambyses-Expedition" kommt nicht mehr zustande. Am 22. März 1951 stirbt László Almásy, den sie den "Vater des Sandes" genannt hatten, in Salzburg, wo er auch begraben wurde. Kurz vor seinem Tod erhält er aus Kairo die Ernennung zum Direktor des "Ägyptischen Wüsteninstitutes". Sein Freund Richard Bermann, der ihm selbst bereits 1939 im amerikanischen Exil vorangegangen war, hält sein erstes Gespräch mit Laszló Almásy fest: "Die allerneueste geographische Forschung kennt doch auch das Zarzura-Problem. Sie bejaht oder sie verneint die Existenz der Oase, es gibt zwei Parteien", meint Bermann. Ich gehöre zu keiner," sagt Almásy, "ich möchte hinfahren und nachsehen." |