Patrick Depailler |
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Geschrieben von Stefan Schmidt | |
Heft bestellen - Patrick Depailler Der letzte Gentleman Driver der Formel 1 Text und Photos: Stefan Schmidt ![]() Viele Trauergäste wundern sich, dass die halbe Stadt rund um die Kathedrale von Clermont versammelt ist, und bei Michelin, dem ortsansässigen Reifenhersteller die Arbeit niedergelegt wurde, um den Arbeitern die Möglichkeit zu geben, dabei zu sein. Wer war also Patrick André Eugène Joseph Depailler, der zwar nur zwei Formel 1 Rennen gewonnen hatte, aber lange Zeit als der populärste französische Rennfahrer galt. Kurz nach der Landung der Alliierten Truppen in der Normandie kam im August 1944 in Clermont Ferrand Patrick Depailler zur Welt. Sein Vater war ein stadtbekannter Architekt, dessen Bauwerke später meist anders genutzt wurden, als geplant. So kam es, dass eine seiner Schulen später zu einem Gefängnis umgebaut wurde, weil sie als Schule in ihrer ursprünglichen Form unbrauchbar schien. Sein Sohn Patrick entdeckte zu Beginn der 50er Jahre, dass ihn Kraftfahrzeuge, besonders Motorräder, magisch anzogen. Als er eine Ausgabe der Motorrad Zeitschrift "Moto Revue" geschenkt bekam, las er sie wieder und wieder, bis er sie schließlich auswendig kannte. Jahrzehnte später konnte er Journalisten noch immer damit verblüffen, dass er sogar die Texte der Werbeeinschaltungen aus jenem Heft noch im Kopf hatte. Für den kleinen Patrick war alles schön und gut, wenn es nur einen Motor hatte und laut war. Später entdeckten Ärzte, dass er einen Augenfehler hatte und manche Farben nicht richtig erkennen konnte. Ein schwerer Schock für den Teenager, der wie sein großes Idol Jean Behra Motorradrennfahrer werden wollte. ![]() Es wäre wohl aus Geldmangel nichts weiter mit der Karriere des Patrick Depailler geworden, hätte sein Gönner Beltoise, der inzwischen sehr erfolgreich Autorennen fuhr, nicht in Reims während des 12 Stunden Rennens einen bösen Unfall gehabt, nach dem sein linker Arm steif blieb. Noch im Krankenhaus überredete Beltoise die Bultaco Leute, Depailler mit seiner Werksmaschine fahren zu lassen. Dies blieb nicht ohne Folgen. Depailler wurde französischer Motorradmeister 1963 (50ccm) und 1964 (250ccm), jeweils auf Bultaco. Später verschaffte Beltoise Depailler die Möglichkeit, an einem Autorennen teilzunehmen, was Depailler zunächst nicht sonderlich begeisterte, da sein Herz den Motorrädern gehörte. Es muss so um 1966 gewesen sein, als Depailler einen Rennfahrerfilm sah und sich kurzerhand entschloss, nur noch Autorennen zu fahren. Anfangs fuhr er lokale Rennen für Matra und Alpine, später ab 1968 auch gelegentlich Rallyes, bei denen er zum ersten Mal auf Jean Todt traf. Todt war selbst Rallyefahrer, wurde dann bei Depailler Co-Pilot und schließlich sein Manager. Diese Verbindung sollte bis Ende 1973 halten, als Jean Todt einige Monaco 1978. Rallye Werksteams betreute und somit keine Zeit mehr hatte. ![]() Um wenigstens die Marken-Weltmeisterschaft zu sichern, holte sich Ken Tyrrell den jungen Franzosen ins Team, der in Clermont-Ferrand Stewart ersetzen, und dem Team zu Punkten verhelfen sollte. Man kann sich vorstellen, dass es angenehmere Strecken gibt, um seinen ersten Formel 1 Grand Prix zu bestreiten. Depailler jedenfalls nutze seine Chance und fuhr an der Seite von den Stammfahrern Cevert und Stewart, der sich kurzfristig entschlossen hatte, doch am Rennen teilzunehmen, den dritten Tyrrell. Es war kein leichtes Rennen für Depailler, der sich mit Reifenproblemen herumschlug und schlussendlich nur den 20. Platz belegte. Anders ging es ihm bei seinem zweiten Rennen für Tyrrell. Beim Finallauf in Watkins Glen wurde Depailler Siebter; nachdem er die Ferraris von Andretti und Ickx nach großartiger Fahrt niedergerungen hatte. Parallel zu den Formel 1 Rennen fuhr Depailler in der Formel 2 für das englische March Team, für das er 1973 einige beachtliche Erfolge einfahren konnte und 1974 sogar Formel 2 Europameister wurde. Während der Saison 1973 wandte sich Stewart an Ken Tyrrell, um ihm mitzuteilen, dass er gegen Ende der Saison aufhören würde, sodass Tyrrell gezwungen war, einen neuen Fahrer zu suchen. Ganz sicher war er sich nicht, ob Depailler die richtige Wahl wäre, denn sonst hätte er nicht darauf bestanden, dass Patrick die beiden letzten Rennen der Saison 1973 den dritten Tyrrell fahren sollte. Für Patrick Depailler spielten schwere Motorräder noch immer eine große Rolle und so kam es, dass der Kandidat für die Stewart Nachfolge eine Woche vor seiner dritten Formel 1 Chance beschloss, seine 6-Zylinder Benelli auszufahren. In jenen September Tagen stand nicht nur der bevorstehende Tyrrell Einsatz ins Haus, sondern auch die baldige Geburt seines Sohnes Loic. Seine Frau hatte gerade den Kreissaal verlassen, als man ihr sagte, dass Patrick gerade eingetroffen sei. Michelle Depailler meinte, dass er sie jetzt besuchen könne. Da lächelte die Krankenschwester ein wenig unsicher und erwiderte, dass er nicht freiwillig das Krankenhaus aufgesucht hätte, sondern sich mit seinem Motorrad einen komplizierten Beinbruch zugezogen hat und sie ihn zwei Etagen tiefer besuchen könnte... ![]() Patrick war bis Dezember 1973 noch im Streckverband gelegen und bemühte sich, wieder auf die Beine zu kommen, da das erste Rennen der neuen Saison bereits im Jänner in Argentinien gefahren werden sollte. Depailler und Scheckter waren die neuen Piloten im Tyrrell Rennstall und das nächste Problem stand vor der Tür. Auch wenn Stewart und Cevert 1973 von einem Sieg zum nächsten gefahren waren, konnten die beiden neuen Fahrer Scheckter und Depailler nichts mit dem alten kurzen Tyrrell 006 anfangen. Der Konstrukteur baute einen neuen Wagen, der den beiden besser lag. Trotzdem konnten sie nicht an die Leistungen von Stewart und Cevert anknüpfen. Depailler schaffte es allerdings in Anderstorp, sein Team in mehrfacher Hinsicht zu verblüffen. Ken Tyrrell, der kurz vor Beginn des Qualifyings in den Team Tyrrell Wohnwagen kletterte, traute seinen Augen nicht, als sein Fahrer mit Freunden zu Tisch saß und ein Glas Rotwein in der Hand hielt. Für "Uncle Ken", wie ihn Depailler liebevoll nannte, war Alkohol ein absolutes Tabu für jeden seiner Fahrer. Also brüllte er Depailler an, was ihm einfalle und wie er nun gedenke eine saubere Runde hinzulegen. Der stets unbekümmerte Franzose erwiderte nur, dass alles schon irgendwie gut gehen würde. ![]() Für 1975 erweiterte Ken Tyrrell den Vertrag seines Fahrers um zwei Klauseln. Striktes Motorrad- und Alkoholverbot an Grand Prix Wochenenden. Vielleicht hätte er auch noch die Klausel mit aufnehmen sollen, dass Depailler künftig fit genug sein sollte, um eine GP-Distanz durchzuhalten. Dann wäre es wahrscheinlich nicht zu jener Peinlichkeit gekommen wie sie 1974 beim Österreichischen Grand Prix in Zeltweg passierte. Man sollte vielleicht noch erwähnen, dass Patrick Depailler stets Pech auf österreichischen Strecken hatte. Beim Eröffnungsrennen am Salzburgring 1970 crashte er in der gefürchteten Fahrerlagerkurve so, dass der Wagen Feuer fing und er mit schweren Verbrennungen in das Salzburger Landeskrankenhaus eingeliefert wurde. 1974 verlor er ebenfalls am Salzburgring den Heckflügel seines Formel 2, woraufhin er erneut in der Fahrerlagerkurve schwer stürzte. ![]() Es musste also was bahnbrechend Neues her. Der Konstrukteur von Tyrrell, Derek Gardner, hatte die brillante Idee des Tyrrell P34 mit 6 Rädern. Patrick, der in den Augen von Tyrrell der bessere Techniker war, fuhr alle Tests und durfte schließlich auch alleine entscheiden, ob der Sechsrad-Tyrrell gleich ins Museum käme oder doch auf den Rennstrecken dieser Welt zum Einsatz kommen würde. Er entschied sich dafür, musste jedoch noch über ein halbes Jahr auf die Feuertaufe warten, da einige Komponenten noch nicht ausgereift waren. Als man im Sommer 1975 zum Nürburgring kam, fuhr man den alten konventionellen Tyrrell 007. Dieser lief vor allem durch Depaillers enormen Einsatz gar nicht so schlecht, und als Niki Lauda seinen Ferrari auf eine Zeit von unter sieben Minuten knüppelte, waren Depaillers Zeiten nur unwesentlich schlechter. Im Rennen folgte er Lauda wie ein Schatten. Nach nur drei Runden fuhren beide quasi ohne Abstand über die Ziellinie. Foto Nr 17 Lauda meinte nach dem Rennen, dass er sich nicht sicher war, ob er den Franzosen über die ganze Distanz auf Abstand halten hätte können. Leider brach Depailler die Vorderradaufhängung und Lauda platzte ein Vorderreifen, so dass keiner von beiden gewann. ![]() 1976 war dann das Jahr des 6-Radlers, der erstmals in Jarama in einem Rennen fuhr. Einige Rennen zu Beginn der Saison 1976 fuhr man noch mit dem alten Tyrrell 007. So auch das Rennen in Long Beach in dem sich Depailler und Hunt in der Anfangsphase des Rennens einen verbissenen Kampf lieferten, der damit endete, dass Depailler beim Anbremsen einer Haarnadelkurve Hunt leicht touchierte und dieser geradewegs in einer durch Reifenstapel geschützten Mauer landete. Hunt stand bis zum Ende des Rennens an derselben Stelle und sprang bei jeder Durchfahrt von Depailler auf die Straße um ihm die Faust oder anderes zu zeigen. Zurück zur Weltpremiere des Tyrrell P34 in Jarama. Depailler fuhr lange Zeit auf Platz drei, ehe ihn seine Bremsen im Stich ließen. Es folgten weitere gute Rennen mit dem neuen Tyrrell. In Anderstorp gewann Scheckter vor Depailler, der in dieser Saison noch weitere zweite Plätze herausfahren konnte. Eine bemerkenswerte Leistung konnte er in Mosport, beim Kanadischen Grand Prix abgeben. Depailler fuhr von der ersten bis zur letzten Runde hinter dem McLaren des späteren Weltmeisters James Hunt. Er hetzte ihn über die volle Renndistanz. Gegen Rennmitte bemerkte Depailler, dass eine durch das Cockpit führende Benzinleitung undicht wurde und ihm bei jeder Vollgaspassage einen Spray entgegen spritze. Nach einigen Runden spürte er starke Schmerzen im Gesicht, da der feuerfeste Kopfüberzug bereits benzingetränkt war. Depailler nach dem Rennen: "Mein Gesicht brannte wie Feuer, mir wurde schwindlig von den Dämpfen, die ich eingeatmet habe, dazu kam noch die Angst, dass mir der Sprit ausgehen könnte. Ich fuhr also hinter Hunt her, wusste aber nicht wie viel Runden noch zu fahren waren". Als das Rennen zu Ende war, bemerkte es Depailler gar nicht. Er überholte Hunt und fuhr noch eine Runde ehe er während der Fahrt kollabierte, und seinen Tyrrell in die Leitplanken setzte. In Fuji gelang es Patrick erneut in einem Regenrennen seinen Teamchef zu verblüffen, als er innerhalb von vier Runden 12 seiner Gegner überholte. Lauda gab auf, Depailler wurde zweiter hinter Andretti und James Hunt konnte sich mit Platz drei den Weltmeistertitel sichern. ![]() Es war wohl zu jener Zeit, als sich eine Wende in Depaillers Privatleben abzeichnete. Seine Frau Michele drängte ihren Ehemann, mit dem Motorsport Schluss zu machen. Man sollte erwähnen, dass Depailler nicht nur Formel 1 Rennen fuhr, sondern auch Langstreckenrennen für Matra und Renault sowie Can Am Rennen für Paul Newman und wenn er noch Zeit hatte, dann fuhr er zum Spaß die Formel 2 Meisterschaft für ein Team, das sich gerade angeboten hatte. Kurzum, Depailler war Racer durch und durch, und deshalb von Jänner bis Oktober auf Achse. Seine Frau, die ihn meistens begleitete, hatte, zu Recht, bei jedem Rennen Angst. Sie hatte zu viele Kollegen ihres Mannes sterben sehen, vor allem wusste sie auch, dass ihr Mann bei jedem Rennen mehr als 100% gab. Als Depailler von Michele vor die Wahl gestellt wurde, Formel 1 oder Frau, entschied er sich für die Formel 1. Manche munkelten damals auch, dass Michele Depailler die ewigen Affären ihres Mannes satt hatte. ![]() So kam es, dass Depailler in Monza einem Tag vor dem Unglücksrennen, bei dem Peterson verunglückte, zu Ken ging, um ihm mitzuteilen, dass er die Saison 1979 für Ligier, einer Mannschaft aus Frankreich, die erst einen GP gewonnen hatte, fahren werde. Für Tyrrell war es eine bittere Enttäuschung, für Depailler eine echte Chance. Man muss dazu sagen, dass Guy Ligier nicht nur den Fahrer Depailler unter Vertrag hatte, sondern mit Depailler auch Good Year Reifen der "ersten Klasse" bekam, die nur den Top Teams zustanden. Das Jahr 1979 begann damit, dass alle Teams den Wunder Lotus nachbauten. Gerard Ducarouge von Ligier übernahm das Konzept, verfeinerte es um einige Details sodass die Kombination Good Year, Ligier, Depailler und dessen Teamkollege Lafitte die ersten Rennen der Saison dominierte. Lafitte gewann in Argentinien und Brasilien, Depailler gewann in Spanien, und führte nach diesem Sieg erneut die Fahrerweltmeisterschaft an. Ganz Frankreich stand Kopf, als das französische Nationalteam von Erfolg zu Erfolg eilte. In Monaco konnte Depailler nach einem harten Fight gegen Reutemann und Watson trotz eines Motorplatzers in der letzten Runde noch den 5. Platz belegen. Sogar Lauda meinte damals: "Depailler wird heuer Weltmeister, wirst sehen..." ![]() Nach der Bergung musste er mittels Hubschrauber in das Krankenhaus von Clermont eingeliefert werden. Nicht nur, dass er nun die WM abschreiben konnte, nein der nächste Schock war als ihm die Ärzte mitteilten, dass man ihm wohl ein Bein abnehmen müsse. Depailler war am Boden zerstört und dachte über Selbstmord nach. Alle seine Kollegen aus der Formel 1 waren sich damals einig, dass Depailler total verrückt gewesen sein muss, während der Saison Drachenfliegen zu gehen. Ligier reagierte prompt und kündigte Depailler umgehend, ohne zu bedenken, dass Good Year nun auf Grund der Kündigung von Patrick Depailler keine Reifen "erster Klasse" mehr liefern würde. Ligier rutschte nach dem Absturz Depaillers im Mittelfeld der Formel 1 ab. Lafitte, der noch Chancen hatte Weltmeister zu werden mußte sich Scheckter und Ferrari geschlagen geben. Depailler hingegen lag im Krankenhaus und kämpfte mit sich und den Ärzten. Als er in eine Spezialklinik nach Paris verlegt wurde, hatte er bereits 9 Operationen hinter sich. Da es allen Anschein nach keine Heilungschancen mehr gab und Depailler nie mehr wieder gehen, geschweige denn Rennen fahren könnte, schien es, als würde er zu seiner Ex-Frau zurückkehren, die sich ja nur wegen des Rennfahrens von ihm getrennt hatte. Seine Gesundheit verbesserte sich im Herbst 1979 drastisch. Einer der Ärzte prognostizierte, dass er in eineinhalb bis zwei Jahren wieder gehen könne. Als Depailler die Worte "wieder gehen können" hörte, dachte er wohl, wer gehen kann, kann auch sitzen und wer sitzen kann und Beine hat, kann auch Rennen fahren. ![]() Depailler schaffte beides. Im Flugzeug saß er noch mit beiden Beinen in Gips, an der Rennstrecke angekommen, ließ er sich im Rollstuhl zum Auto fahren und hineinsetzen. Er qualifizierte sich als Letzter, mit 5 Sekunden Rückstand auf die Pole Position. Sein Teammate Giacomelli stand in der Startaufstellung knapp vor Patrick. Im Rennen kämpfte Patrick Depailler mit sich und dem Auto. Eigentlich war es mehr ein Trainigsrennen bei dem das Auto immer wieder während Boxenstopps neu eingestellt und umgebaut wurde. Ihm war dies egal, auch wenn er auf Grund eines Rückstandes von 5 Runden nicht in die Wertung kam, beendete er sein Comeback-Rennen. Dieser Teilerfolg blieb auch seinen Kollegen nicht verborgen. Lauda meinte damals, dass Depaillers Leistung, gemessen an den Verletzungen die er davongetragen hatte beachtlich sei. Beachtlich war auch, dass Depailler in den darauffolgenden Rennen in Interlagos und Kyalami immer besser mit dem Auto zurecht kam, und selbst auch enorme Fortschritte machte. So konnte er schon bald den Rollstuhl gegen Krücken tauschen, und später ab Long Beach sogar ohne Krücken im Fahrerlager herumspazieren. Hier prügelte er den schwerfälligen Alfa auf Platz drei in der Startaufstellung, im Rennen fuhr er 17 Runden lang auf Platz zwei, dicht hinter dem späteren Sieger Nelson Piquet. Auch wenn er auch dieses Rennen nicht beenden konnte, verblüffte er nicht nur seine Ärzte und Kollegen, sondern auch halb Frankreich, wo alle begeistert über das Comeback waren. Einmal kam Andretti zu ihm und erklärte ihm: Was Du geschafft hast, hätte ich nie im Leben zu Stande gebracht. Hast Du jetzt eigentlich mit dem Drachenfliegen aufgehört? Darauf Depailler: "Ja, im Moment schon, aber ich mache ja jetzt den Helikopter Flugschein...". ![]() Die nächsten Rennen wurde der Alfa Romeo 179 ständig modifiziert und immer schneller. Obwohl die Resultate ausblieben, entfachten die Fahrer eine Euphorie, die das ganze Team erfasste. Depailler machte auch gesundheitlich große Fortschritte und als er im Juli 1980 nach dem Englischen Grand Prix nach London zur Versicherungsgesellschaft Lloyds fuhr, war es höchste Zeit, das zu tun, was er die ganzen letzte Jahre über versäumt hatte. Nämlich eine Versicherung abzuschließen. Bis dahin hatte er weder eine Unfall- noch Lebensversicherung, sodass er die enormen Kosten des Krankenhausaufenthaltes selbst tragen musste. Anschließend fuhr er mit seiner neuen Freundin auf die Virgin Islands um ein paar Tage Urlaub zu machen. Als er am Nachmittag des 31. Juli 1980 zurückkam, fragte er die Freundin von Didier Pironi, Agnes ob sie ihn nicht nach Hockenheim fahren könne, wo er den Alfa testen wollte. Agnes sagte sofort zu, und chauffierte Depailler zum Hockenheimring. Giacomelli, der auch vor Ort war, erinnerte sich später: "Ich weiß nicht warum, aber Patrick sah an diesem Morgen wirklich wieder fit aus. Er war zuvor sehr mager gewesen. Wir hatten stets viel Spaß zusammen und als die Autos vorbereitet wurden, rauften wir ein wenig herum, wie kleine Jungs". Kurz bevor die Motoren angelassen wurden, kam noch ein Offizieller des Hockenheimrings zu den Alfa Romeo Leuten um ihnen zu sagen, dass die Strecke teilweise noch mit Baggern bearbeitet werden würde, und man die Fangzäune in der Ostkurve noch nicht aufgestellt hatte. Ing. Chiti murrte ein wenig, weil er ja für eine Strecke Miete bezahlt hatte, die den Status "Grand Prix tauglich" haben sollte. Gegen 10:00 Uhr gingen die beiden Alfas auf die Strecke nur um festzustellen, dass man das Getriebe anders übersetzen müsse, weil man viel zu früh das Drehzahllimit erreichte. Also baute man die Getriebe um, und schickte Depailler erneut raus um das Auto zu checken. Dieser fuhr eine kleine Runde durch die Abkürzung hinter den Boxen, und kam kurz an die Box, um zu sagen, dass alles OK sein. Als er gegen Mittag erneut auf die Strecke fuhr, kam er nur noch einmal an der Box vorbei, dann liefen die Stoppuhren ins Leere ... Was war passiert? Die Mechaniker von Alfa Romeo, die mit ihren Privatautos auf die Strecke fahren wollten, wurden von der ONS daran gehindert. Als sich die Mechaniker zu Fuß aufmachten die Strecke nach dem Auto abzusuchen, fanden sie in der Ostkurve den Alfa Romeo Formel 1 Wagen von Patrick Depailler mit den Rädern nach oben hinter den Leitplanken. Damals gab es noch keine Streckenposten, die heutzutage selbst bei Testfahrten Pflicht sind. Und so meldeten die Mechaniker von Alfa via Streckenpostentelefon dem Tower im Start / Ziel Bereich den Unfall. Als nach 20 Minuten der Notarzt endlich eintraf, hatte das Team Depailler bereits aus dem Auto geborgen. Für Bruno Giacomelli bot sich ein Bild des Grauens, Depailler lag bewusstlos am Boden, bewegte sich aber noch, die Pupillen seiner Augen öffneten und schlossen sich ständig. Giacomelli sah den Helm Patricks auf dem Asphalt liegen, und erschrak! Aus dem Helm war ein großes Teil an der Stirnseite herausgebrochen. Als Depailler gegen 13:00 Uhr nach Heidelberg in die Uniklinik geflogen wurde, standen die Chancen für ihn schlecht. Man stellte neben mehrfachen Brüchen an Armen und Beinen einen Schädelbasisbruch und schwere innere Blutungen fest. Noch bevor die Spezialisten der Uniklinik operieren konnten, starb Patrick Depailler. Frankreich hatte einen seiner Helden verloren, der auf den Tag genau 21 Jahre nach seinem großen Idol Jean Behra starb. Was wirklich zu Depaillers Unglück geführt hatte, ist bis heute nicht geklärt. Fest stehen nur drei Dinge. Erstens war die Unfallursache mit Sicherheit ein technisches Gebrechen, wodurch der Alfa aus der Bahn geworfen wurde. Zweitens hatte die damals hoch gelobte ONS Sicherheitsstaffel kläglich versagt. Und drittens, kein Fahrer hätte in dieser Situation mit ca. 270 km/h eine Chance gehabt, das Fahrzeug abzufangen. Die von Alfa Romeo eiligst gestreuten Gerüchte, dass Depailler, der starker Raucher, und auch dem Wein nicht abgeneigt war, eventuell einem Herzschlag bekommen hätte, konnten die Ärzte sehr bald schlüssig widerlegen. Als Enzo Ferrari im Herbst 1980 einen Brief an die Mutter von Patrick Depailler schrieb, bekam er Wochen später ein Antwortschreiben in dem sie erklärte, dass ihr Sohn für den Tribut des Fortschritts sein Leben gelassen habe. Zwei Jahre nach dem Tod Depaillers, verbreitete sein alter Widersacher James Hunt, das Gerücht, dass sich Depailler womöglich umgebracht hätte. Beweisen wollte er diese These mit dem Besuch Depaillers bei Lloyds in London, wo dieser nur drei Wochen vor seinem Tod eine Lebensversicherung abgeschlossen hatte. "Alles Blödsinn", erwiderten Depaillers Ex- Kollegen, "Patrick liebte das Leben". Als ein kleiner, siebenjähriger Junge an jenem 1. August 1980 zu Hause vor dem Fernseher saß, um sich ein Kinderprogramm anzusehen, wurde dieses unterbrochen, und er erfuhr, dass sein Vater soeben gestorben war. Später studierte er Jura an der Universität von Clermont Ferrand, ehe ihm ein ehemaliger Freund seines Vaters einen Rennfahrerlehrgang in Magny Cours schenkte, den Loic Depailler, im Alter von 21 Jahren, sehr zum Leidwesen seiner besorgten Mutter, haushoch gewann. Danach wurde er Formel Renault Meister und 1996 beschloss er in Amerika sein Glück zu versuchen. 1996 knackt er als erster und bislang einziger den Formel Ford Rundenrekord von Paul Tracy in Lime Rock, danach fuhr er für Mosler den Raptor und den MT 900 in der Nordamerikanischen Straßenmeisterschaft, deren Gesamtwertung er 1998 nur knapp verpasste. Im Jahr 2000 stoppten Geldsorgen seine Karriere als Rennfahrer. Heute ist Loic Journalist des Magazins "Moto Revue", jener Zeitschrift die seinen Vater als Kind einst so sehr begeistert hatte. Es war Hans-Joachim Stuck, der vor kurzen erst sagte, dass Depailler der letzte Rennfahrer der alten Garde gewesen war. |
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