Panhard nach 1945 |
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Geschrieben von Martin Strubreiter | |
Heft bestellen - Panhard nach 1945 Erinnerungen an die Zukunft: Panhard revolutionierte die Automobilgeschichte mit der ersten selbsttragenden Alukarosserie und galt als älteste Autofabrik, als 1967 der neue Eigentümer Citroën die Produktion einstellte. Text: Martin Strubreiter Davor war Panhard in der Oberklasse daheim, nach 1945 kam die Marke über den Motor eines Kleinwagens nicht hinaus. Auch Revolutionen halfen nicht für die Ewigkeit: Der Dyna Z war 1953 das erste Serienauto mit selbsttragender Aluminiumkarosserie, sein cw-Wert von 0,26 wird noch heute kaum von Anderen erreicht, er bot sechs Personen Platz und ließ sich sechs Liter Benzin auf 100 km nachschenken. Auch er konnte die Marke nicht auf lange Sicht retten. Früher Ruhm Am Anfang standen Maschinen zur Holzbearbeitung: 1867 beteiligte sich René Panhard an einer Firma, die solche Maschinen fertigte, 1872 kam Emile Levassor dazu, ab 1875 wurden auch Ottomotoren in Lizenz erzeugt. Als Louis Périn, Gründer der Fabrik, starb, wurde das Unternehmen 1886 in Panhard & Levassor umbenannt, ein Name, der sich in die Automobilgeschichte einschreiben sollte. 1890 rollte das erste Auto aus dem Panhard & Levassor-Werk in der Avenue d’Ivry in Paris, der Motor war eine Daimler-Lizenzproduktion. Ein Jahr später begann Panhard & Levassor als erste Firma mit der Serienfertigung von Automobilen, die Maschinen zur Holzbearbeitung mussten derlei einsehen, schon 1910 spielten sie nur mehr fünf bis sieben Prozent des Ertrages bei Panhard & Levassor ein, auf Sparflamme durfte die Produktion trotzdem bis in die 50er Jahre weiterköcheln. Autos standen ab sofort im Vordergrund, nach dem Ersten Weltkrieg rollte Panhard Busse und mehr als ein Dutzend Lkw- Modelle auf die Straße, daneben entstanden Motoren für Lokomotiven und Flugzeuge, Holzvergaser- Anlagen und Militärfahrzeuge. Und Personenwagen für jene, die sich Exklusives leisten wollten: Panhard parkte in der Oberklasse, auch wenn die Drehschieber-Motoren („sans soupapes”, also ohne Ventile) ihren Besitzern Leidensfähigkeit abnötigten: Waren die Fertigungstoleranzen zu groß, dann rauchten die Motoren höllisch. Waren die Toleranzen zu gering, dann blieben die Drehschieber stecken. Man ahnt, dass das Werk hier eine Menge Geld versenkte, die Verkaufszahlen jubilierten dennoch nicht: Der prächtige Panhard Dynamic, Stromlinie der letzten Vorkriegsjahre mit hinter Gittern liegenden Scheinwerfern, stand auf Halde. Vielleicht war die Idee, den Fahrer vorne in der Mitte zu platzieren, doch eine Spur zu weit von der Realität entfernt. Militäraufträge hielten die Firma über Wasser, die strukturellen Probleme waren Ende der 30er Jahre aber unübersehbar, schon die Werkshallen in Paris legten sich als Korsett um alle Zukunftspläne: In den engen und verschistelten Hallen produzierte Panhard & Levassor unter schwierigen, aufwändigen Bedingungen, ein Großteil der Maschinen war veraltet. Die handelnden Personen damals: Firmenchef Paul Panhard (1891–1969), Designer Louis Bionier (1898 –1972), seit 1915 bei Panhard, und Konstrukteur Louis Delagarde (1898–1990), 1921 dazugekommen. Seit 1937 war auch Jean Panhard, Jahrgang 1913, und heute wacher Verwalter der Familiengeschichte, als Technischer Direktor bei Panhard tätig. An dieser Konstellation sollte sich bis zum Ende der Pkw-Produktion 1967 nichts ändern. Jean Panhard erinnert sich 1, dass die Firma 1000 Halbkettenfahrzeuge für Borgward hätte fertigen sollen, am Ende des Krieges war aber gerade ein Prototyp entstanden. Das finanzielle Überleben war durch Vorauszahlungen gesichert, Rückendeckung nach außen kam von einem Borgward-Ingenieur, der als Kommissionär bei Panhard ein ruhiges Leben führen wollte, und alles deutet darauf hin, dass ihm das ziemlich gut gelungen sein dürfte. Mit Aluminium zurück ins Leben Schon während des Krieges zeichnete sich ab, was sich später zur Gewissheit verdichten sollte: Luxuslimousinen waren in noch weitere Ferne gerückt, zur Motorisierung einer geschundenen Nation waren kleine, greifbare Autos mit lesbaren Preiszetterln gefragt. Besonders Jean Panhard wandte sich gegen den Plan einiger Panhard-Ingenieure, für die Zeit nach dem Krieg auf den Bau von Luxusautos abzuzielen. Heimlich begann schon 1941 die Entwicklung eines voiture poulaire (VP), anfangs mit 3,10 Metern Länge und 250 bis 300 ccm Hubraum ultrakompakt geplant. Diese Maße waren nicht mehr haltbar, als das Lastenheft um den Eintrag „vier Türen, vier Plätze” erweitert wurde, fixiert waren allerdings schon Frontantrieb, Luftkühlung des Zweizylinder- Boxers und vor der Vorderachse montierter Motor, eine hübsche Parallele zum Citroën 2CV, der die ganz breite Basis des kargen Lebens übernehmen sollte. Parallel zu Panhard begann ein Team um Jean-Albert Gregoire an einem Kleinwagen zu tüfteln. Schirmherr des Projekts war Aluminium Francaise, folglich sollte ein üppiger Teil des AFG (Aluminium Francaise Gregoire) aus diesem Leichtmetall bestehen, was nicht nur Gewicht und damit Treibstoff sparen helfen sollte: Stahl war rar in Kriegszeiten, Aluminium sollte den Realisierungschancen des Projekts unter die Arme greifen. Der erste Prototyp war im Sommer 1942 fertig: Die Cabriolimousine trug einen 600 ccm-Boxer vor der Vorderachse, Frontantrieb war für Jean-Albert Gregoire selbstverständlich, der konsequente Leichtbau mit einem Alu-Gerippe als Trägerstruktur drückte das Gewicht unter 400 kg. Das große Echo der französischen Autohersteller allerdings blieb aus, obwohl das Auto zum Testen freigegeben wurde. Im Juni 1943 kam der Wagen zu Panhard, und die Gemeinsamkeiten mit dem eigenen VP waren verblüffend. Wie vertraglich vereinbart konnte Panhard den Gregoire-Prototypen bis Anfang 1944 weiter entwickeln, danach wurde eine Reihe von Verträgen unterschrieben, die auf eine Serienfertigung zielte, die Vichy-Regierung sagte finanzielle Unterstützung zu. Nach der Befreiung Frankreichs hätte das Projekt dennoch beinahe ein frühes Ende gefunden: Die Regierung sah vor, die französische Autoindustrie frisch und übersichtlich zu strukturieren - für Panhard sollte laut Kommissär Marcel Pons lediglich die Produktion von Lastwagen bleiben, gemeinsam mit Willème und Somua. Besonders Jean Panhard war gegen diese Beschränkung, und die Lösung lag im Aluminium Francaise-Wagen selbst: der hohe Anteil an Aluminium, die Fertigung des Autos würde also nur wenig Stahl aus wichtigen Bereichen abziehen. Schließlich war die Produktionserlaubnis für Panhard ausverhandelt, unter der schlanken Bedingung, dass das Auto aus Aluminium bestehen müsse. Und es bestand: Neben einer Alu-Struktur als Fahrgastzelle wurde ein guter Teil der Beplankung anfangs aus Alublech hergestellt, das Chassis allerdings bestand aus Stahl. Vom AFG inspiriert waren die Vorderachse mit zwei Querblattfedern, die Zahnstangenlenkung und natürlich der Frontantrieb, von Panhard kamen Delagardes Zweizylinder- Boxermotor mit 610 ccm, das Viergang-Getriebe und die Hinterradaufhängung. Ein Vorserienmodell dieses Dyna X wurde am Pariser Salon 1946 erstmals präsentiert, und Panhard hatte vor lauter Stolz auf den neuen Wagen jeden Hinweis auf Gregoire und den AFG einfach unterlassen. Gregoires Klage wegen unlauteren Wettbewerbs kam prompt, erst 1950 wurde ein Vergleich geschlossen. Und in Verbindung mit der Vorderachse gut für eine Straßenlage, die revolutionär war für ein kleines Auto. Trotz seiner 22 PS lief der Dyna dank Leichtbau 100 km/h, was ihm prompt die Bezeichnung Dyna 100 einbrachte. Dementsprechend kompetent war auch die Bremsanlage: Die Trommeln bestanden aus Aluminium und standen im Fahrtwind, die Felgen waren als dünner Kranz lediglich an die Bremstrommeln angeschraubt. Weniger revolutionär als die Technik war das Aussehen des Panhard Dyna X, wegen seines barocken Stylings auch „Ludwig XV.” genannt. Schnörkel gab's tatsächlich genug, der Kühlergrill zitierte eine Turbine, die Blinker zitierten den Kühlergrill, das gesamte Auto war bauchig und knubbelig und in seiner Formensprache nahe bei einem Stofftier. Panhard war damit in neue Dimensionen vorgestoßen, was die Stückzahlen betraf, aber noch immer waren die Werkshallen in der Pariser Avenue d'Ivry nicht gewachsen. Der Bau der Karosserien musste außer Haus erfolgen und wurde schließlich bei Facel (richtig, DIE Firma Facel, wo auch die edlen Coupés auf die Straße gerollt wurden) in Auftrag gegeben. Dennoch erfolgte die Endmontage des Dyna unter akrobatischen Bedingungen, praktisch in drei Ebenen und damit kostenintensiv. Die Dyna-Modellfamilie wuchs, schon am Pariser Salon 1947 wurden eine Krankenwagen-Version und ein Lieferwagen vorgestellt, später folgten ein Kombi mit hinterer Sitzbank, ein Cabrio und ein Coupé. Auch die Technik legte zu, der Dyna 110 kam dank 28 PS mit um 10 km/h gesteigerter Höchstgeschwindigkeit, für den Dyna 120 wurde der Hubraum auf 750 ccm angehoben, was 32, später 35 und in der Version Sprint sogar 38 PS einbrachte. Damit war der Weg geebnet für eine Hubraumvergrößerung auf 850 ccm, bis zum Ende der Pkw-Produktion bei Panhard sollte sich an diesem Wert nichts mehr ändern. Gesteigert wurde nur mehr die Leistung, beim Dyna X war der Zenith bei 42 PS erreicht. Mit 130 km/h versägte der kleine Dyna wesentlich größere Autos, das Fahrwerk war noch lange nicht überfordert, die Qualität bisweilen doch: Heimlich, damit sein Vater nichts bemerkte, versuchte Jean Panhard, die Arbeiter für mehr Sorgfalt zu sensibilisieren. Immerhin siedelte der Preis des kleinen Panhard in einer deutlich höheren Kategorie: Der Kombi mit zwei Sitzreihen kostete 776.000 alte Francs, ein Peugeot 203 Kombi kam um 16.000 Francs günstiger aus dem Schaufenster. Ganz besonders teuer war das Cabrio, weite Verbreitung wurde somit verhindert. Ein günstiges Cabrio war also gefragt, und Panhard gab beim Karossier Di Rosa ein Exemplar in Auftrag. Das Ergebnis war Einfachheit auf vier Rädern, und das Serienmodell war noch einfacher. Fast könnte man von Ähnlichkeit zu einer Seifenkiste sprechen, was auch kein Zufall war: Der Dyna Junior wurde im Zweigwerk in Orleans gefertigt, ebenfalls unter notorischen Platzproblemen laborierend. Nur eine simple Karosserie konnte von simplen Pressen geformt werden. Vom Dyna Junior wurden 4.700 Stück gefertigt, der Dyna X kam bis 1953 auf 42.131 Exemplare. Die Revolution So wenig der Dyna X mit Aerodynamik zu tun hatte, so sehr wurde an diesem Thema bei Panhard getüftelt. Schon 1948 entstand die Studie Dynavia, quasi ein Tropfen auf Rädern und damit ohne Chance auf Serienfertigung. Gleichzeitig war bei Panhard klar, dass auf den Dyna X Größeres folgen sollte. Ein Vorschlag von Facel zur Überarbeitung des bisherigen Modells wurde also abgelehnt, obwohl sich inzwischen deutlich abzeichnete, dass Panhards Probleme nach wie vor ungelöst waren: Die Firma war der fünftgrößte Autohersteller Frankreichs und damit zwischen den Welten: Zu groß für eine wohlige Nische, aber zu klein, um auf Dauer ohne Allianz überleben zu können. Das neue Modell sollte also nicht mehr und nicht weniger als die Marke retten, allerdings war die Finanzdecke noch immer zu dünn, um sich mit dem neuen Entwurf allzu weit aus dem Fenster zu lehnen. Die Technik musste also praktisch unverändert aus dem Dyna X übernommen werden, drumherum sollte ein deutlich größeres Auto entstehen, das fürderhin in der Mittelklasse parken sollte. Die Lösung lag in Leichtbau und Aerodynamik, das neue Modell fuhr unter dem Codenamen VLL (voiture large et legère, also großer und leichter Wagen) der Serienreife entgegen. So wurde der Dyna Z im Juli 1953 der Presse als weltweit erstes Auto mit selbsttragender Aluminiumkarosserie vorgestellt (Sorry, liebe Audi- Leute, das war Jahrzehnte vor eurem A8). Aus Stahl bestand lediglich der Träger der Vorderachse und des Motors, der mit den unteren Enden der A-Säule verschraubt war, die Rohkarosserie alleine war mit allen Türen, Hauben und Stoßstangen 98 kg leicht, das komplette Auto wog 650 kg. Und das bei 4,57 Metern Länge, womit der Dyna Z eindeutig in die Mittelklasse beschleunigt hatte. So bot er sechs Passagieren Platz, zumindest in Prospekt. Für die Praxis blieb ein 4+2-Sitzer, also mit 4 echten +2 Notsitzen, wobei die Platzverhältnisse vorne enorm waren. Hinten war die Kniefreiheit etwas knapper, sonst passte der Dyna Z1 auch im Fond in allen Dimensionen. Als cw-Wert nannte Panhard 0,26, daran kiefelt die Autoindustrie mehrheitlich noch heute. Im ersten Test des L’Auto Journal vom 15. April 1954 wurde ein cw von 0,275 berechnet, auch das noch ein Spitzenwert nach heutigen Maßstäben. So reichten 42 PS für 130 km/h, der Verbrauch lag bei 6 l/100 km. In der Revue de l’Aluminium vom Oktober 1953 wurde exakt vorgerechnet, dass eine 1200-kg-Limousine für die gleiche Höchstgeschwindigkeit 60 PS aufbieten muss. Vorbildlich war auch der Fahrerplatz gestaltet, noch bevor der Begriff Ergonomie erfunden war: Alle Bedienelemente waren hinter dem Lenkrad gruppiert. Punkto Haltbarkeit allerdings lag Panhard noch immer hinter der Konkurrenz, da war es ein schwacher Trost, dass sich der Vorderwagen abschrauben ließ und Klappen in der Spritzwand den Zugriff auf die Rückseite der Armaturen erleichterten. Zusehends zeigten sich die Grenzen des Leichtbaus, alle Komponenten waren an der Haltbarkeitsgrenze dimensioniert, das Getriebe beispielsweise war deutlich kleiner und leichter als jenes des Citroën 2CV. Auch die Platzprobleme in der Fabrik waren nicht gelöst, weshalb die Karosserien beim Bushersteller Chausson im Pariser Vorort Gennevilliers gefertigt und dann in die Avenue d’Ivry gebracht wurden. Und besonders ungelöst waren die finanziellen Probleme der Firma. Jean Panhard erinnert sich, dass Aluminium als Rohstoff extrem teuer war, zumal Aluminium Francaise die Abfälle nicht zum erhofften Preis zurücknahm - so wurde der Dyna praktisch ohne Gewinn verkauft, rasches Handeln war angesagt, und es kostete den Dyna Z seine Vorreiterrolle: Ab Herbst 1955 wurden die Rohkarosserien aus banalem Stahlblech gefertigt, ab Herbst 1956 auch die Türen und Hauben. Damit war der Panhard mit einem Schlag um 140 kg schwerer, ein großes Auto mit einem zu kleinen Motor. An dem wurde sowieso ständig im Detail getüftelt, ab Mai 1955 beispielsweise waren die Silentblöcke am Auspuffkrümmer (!) montiert, ab Juli 1958 kam statt einem klassischen Kühlerventilator eine Kühlturbine an den ab sofort mit Luftleitblechen verkleideten Motor. Damit dauerte ein Keilriemenwechsel statt zehn Minuten rund einen Arbeitstag. Ab März 1959 gab’s wahlweise eine Tigre-Version des Dyna, dank geänderter Nockenwelle 50 PS stark, bei noch immer sensationell niedrigem Verbrauch. 1957 präsentierte Panhard auch ein Cabrio, heute ein fast unbezahlbarer Klassiker. Insgesamt entstanden rund 141.000 Dyna Z, knapp 26.000 davon mit Alukarosserie. Ob der Alu-Dyna Audi zum Bau von Aluminiumkarosserien inspiriert hat, ist nicht bekannt, fest steht allerdings, dass zwei Dynas in den späten 70ern bei Porsche zu Studienzwecken filetiert wurden. Citroën statt Perspektiven Die Probleme der Marke Panhard konnte allerdings auch der Dyna Z nicht lösen, nach nur 5 Jahren lief der Verkauf nur mehr schleppend. Panhards Suche nach einer Allianz war auch über längere Zeit erfolglos geblieben: Ford France hatte nach Gesprächen 1951/52 abgewunken, auch Peugeot war nicht interessiert. Also wurde mit Citroën verhandelt, 1955 übernahm die Marke 25 Prozent von Panhard, 1958 wurde der Anteil auf 45 % aufgestockt, 1965 Panhard völlig geschluckt. Die erhoffte Kooperation zum beidseitigen Vorteil blieb allerdings aus, auch wenn einander die Modellpaletten der beiden Marken perfekt ergänzten: Bei Citroën klaffte zwischen 2CV und DS eine anmutige Lücke, in die Panhard flutschte. Erst der Ami 6 von 1961 konkurrierte zart mit dem Panhard PL17, aber Citroën war eher an freien Produktionskapazitäten bei Panhard interessiert als an den Autos: So wurden bei Panhard auch 2CVKastenwagen und andere mechanische Komponenten montiert, für die Weiterentwicklung der Panhard- Palette blieb kaum Luft. Dennoch war die Marke erfolgreich abseits merkantiler Zahlen. Im Sport zeigten die leichten Autos und die raffiniert konstruierten Motoren ihre Stärke: Die Aufzählung aller Firmen, die sportliche Karosserien mit Panhard-Technik kombiniert zu den Kunden rollten, würde ein Buch füllen, und ein Sportcoupé pflegte Panhard selbst: Den CD, noch vor der Trennung von Rene Bonnet und Charles Deutsch entwickelt und danach Charles Deutsch zugesprochen, der das Auto mit Panhard zur Serienreife entwickelte. Nach dem zehnten Sieg beim Performance Index bei den 24 Stunden von Le Mans 1962 wurde der erfolgreiche CD auch regulär verkauft, er trug eine extrem aerodynamische und flach gestreckte Kunststoffkarosserie, der Motor wurde auf bis zu 60 PS gepusht, den cw-Wert gab Panhard mit 0,13 an, die 680 kg Leergewicht setzten der Beschleunigung wenig entgegen. Einen der rund 190 gebauten Panhard CD zu ergattern, stellt heute eine der besonderen Aufgaben für Sammler dar. Schöne Augen Ambitioniert waren Panhards Pläne für einen Nachfolger des Dyna, es entstanden Skizzen mit herrlich fließenden Karosserien mit verkleideten Scheinwerfern, mit Panoramascheiben vorne wie hinten, mit futuristischen Armaturenbrettern, aber aufgrund der noch dünneren Finanzdecke wurde der PL 17 im Jahr 1959 als heftig gelifteter Dyna präsentiert. Neu war das Gesicht mit den Aluminium- Augenbrauen, die die Motorhaube entlangströmten, das Thema wurde auch vom Kofferraumdeckel aufgegriffen. Statt der üppigen Rücklichter der späten Dynas gab’s drei kleinere Leuchten je Seite, darüber zog sich eine Aluminiumleiste nach vorne. Der Kofferraum war gewachsen und leichter zugänglich, der Innenraum allerdings war bis auf Detailänderungen (Klappen für das Handschuhfach) unverändert geblieben. Die Tigre-Version des PL 17 mit weiterhin 50 PS war vom Fleck weg im Programm zu finden, der Basismotor leistete weiterhin 42 PS. Die Modellbezeichnung PL 17 sollte gewiss an den Citroën DS 19 erinnern, auch die Zahl 17 kam nicht aus der Phantasie: Sie sollte Panhards besonders in der Werbung gerne genannte Formel (6 Sitze + 6 l/100 km + 5 Steuer-PS) im Unterbewusstsein der Autofahrer verankern. Im Herbst 1962 besann sich der PL 17 einer neuen Sachlichkeit, die Aluleisten über Scheinwerfern und Rücklichtern verschwanden, die Rückleuchten wurden zu einer Einheit zusammengefasst, vorne kamen üppige Blinker neben die Scheinwerfer. Gleichzeitig wurde das Armaturenbrett überarbeitet, der Tacho lag nicht mehr halbrund und die Form des Lenkrades zitierend hinter diesem, sondern er war flacher und breiter, eine Uhr war hinzugekommen, und das PL wurde aus dem Namen gestrichen. Das Cabrio war noch immer erhältlich, ebenso wie eine Lieferwagenversion mit verlängertem Radstand. Auch als Kombi wurde der Panhard 17 gebaut, das Heck war allerdings mit modischen Flossenansätzen deutlich weniger zeitlos geformt als bei der Limousine. Und besonders hier fiel die Diskrepanz zwischen riesigem Laderaum und winzigem Motor auf. Letzter Anlauf Dass längst ein neues Modell fällig war, erkannten auch Paul und Jean Panhard, allerdings waren die Rahmenbedingungen diffiziler als jemals zuvor, die Skizzen eines futuristischen Mittelklasseautos scheiterten an der Allianz mit Citroën: Kein neuer Panhard durfte mit einem Citroën konkurrieren, und Jean Panhard erinnert sich, dass es seiner Firma nicht gestattet wurde, einen anderen Motor als den 850 ccm-Zweizylinder-Boxer zu verwenden. Der wurde zwar ständig in Details verbessert, allerdings ließ sich längst nicht mehr verheimlichen, dass das Konzept an seine Grenzen gestoßen war. Die Technik war ausgereizt, jede weitere Leistungssteigerung knabberte an der ohnedies bedenklichen Haltbarkeit, auch die kleinen Getriebe waren mit der Leistung überfordert. Dennoch: Für neue Technik fehlten alle finanziellen Ressourcen, aber Panhard bekam die Erlaubnis, sich in Nischen zu verwirklichen, wo Citroën nicht vertreten war. So wurde 1963 der 24 CT präsentiert, ein Coupé, das wunderbar neben den Panhard 17 passte, mit einem Design, das dynamisch in die Zukunft wies: Doppelscheinwerfer hinter Glas, flache Linie, umlaufende Zierleiste, schlanke Dachsäulen und damit großzügige Verglasung. Die Modellbezeichnung verwies auf den Erfolg des Panhard CD bei den 24 Stunden von Le Mans. Beim Pariser Salon 1963 wurde das neue Modell vorgestellt, als 24C mit dem 42-PS-Motor, als 24CT (das T stand wieder für Tigre) mit 50 PS. Nicht nur die Motoren waren allerdings die gleichen wie schon seit Modellgenerationen, auch die Achsen wurden lediglich in Details verändert: Vorne gibt’s noch immer zwei Querblattfedern, hinten die unkonventionell geteilten Torsionsfedern. Gerade bei der sportlichen Schiene des Panhard- Programms zeigte sich allerdings das Potenzial dieser Konstruktion, die Straßenlage war auch nach den Maßstäben der frühen 60er Jahre hervorragend, aber der Motor stieß weithin auf Unverständnis. Was einst als Kleinwagenmotor konzipiert war, musste jetzt einen Sportwagen antreiben, was kurioserweise nur auf der Autobahn wirklich funktionierte. Denn der Zweizylinder schöpfte besonders in der Tigre- Ausführung seine Leistung aus der Drehzahl, nach Drehmoment von unten heraus musste gar nicht erst gefragt werden, allerdings war die Aerodynamik noch immer hervorragend. Ansehnlich präsentierte sich also die Höchstgeschwindigkeit, mit dem Tigre- Motor waren bis zu 160 km/h drin, da blieben selbst Jahre später viele leistungsmäßig überlegene Autos im Rückspiegel - ein nur geringfügig stärkerer Renault 16 lief 145 km/h, beim Peugeot 404 mit 74 PS war bei 150 km/h Schluss. Und auch der Verbrauch war bei Panhard noch immer sensationell niedrig, der 24 ließ sich bei gemäßigter Fahrweise mit 6,5 l/100 km bewegen, ein Wert, den auch mehr als 40 Jahre später nur moderne Turbodiesel schaffen. Der Innenraum des 24 war perfekt durchdacht, beim Vorklappen gaben die Sitze einen großzügigen Durchgang zum Fond frei, und sie finden danach auch wieder in ihre ursprüngliche Einstellung zurück. (Dass im Fond kaum Sitze warten, war eine andere Sache, die Panhard später lösen würde.) Besonders raffiniert war das Heizungs- und Lüftungssystem, an einem Handrad konnte die Verteilung in verschiedene Zonen des Innenraumes geleitet werden, die Warmluftkanäle für hinten liefen durch die vorderen Armlehnen, was winters durchaus zu wohliger Wärme auch für die Frontpassagiere geführt hätte, hätten die kleinen, luftgekühlten Motoren ordentlich Wärme abgegeben. Sicherungen gab’s bei Panhard noch immer nicht, sondern lediglich einen Hauptschalter am Armaturenbrett. Völlig neu im 24 CT waren allerdings die Scheibenbremsen, mit denen Panhard auf Kritik an der bisher verbauten Trommelbremsanlage entschärft. Vorne kommen sogar zwei Bremssättel pro Seite zur Anwendung, heute stellt die Scheibenbremsanlage beim Restaurieren eines 24CT allerdings eine besonders knifflige Aufgabe dar. Nach der Übernahme Panhards durch Citroën 1965 musste der Panhard 17 abtreten, der 24 stand alleine als Letzter seiner Art. Um Limousinenkunden zu halten, verlängert Panhard den 24 um einen Viertel Meter, der in einen üppigeren Fond investiert wurde und die Proportionen harmonisch streckte, es blieb allerdings bei zwei Türen. Auch die Limousine war als 24B und 24BT mit Tigre-Motor erhältlich, aber noch immer wollten die Verkaufszahlen nicht so beschleunigen wie die Erwartungen. Der als Rettung gedachte 24BA ließ die Verzweiflung Panhards erkennen: Als Magermodell mit Trommelbremsen, ohne Zierleisten, ohne Handschuhfachdeckel und Zündschloss wurde er nach 181 verkauften Exemplaren wieder eingestellt. Die geplante Erweiterung der Palette kam über ambitionierte Ideen nicht hinaus: Ein wunderschöner Kombi des 24 wurde als Modell realisiert, angedacht waren ein Viertürer, später auch ein Fünftürer, beide mit Vierzylinder-Boxermotoren. Auf die Straße kam keiner davon, am 20. Juli 1967 beendete Citroën die Produktion des Panhard 24, damit war die Geschichte der ältesten Autofabrik der Welt besiegelt. Was aus dem fünftürigen 24er mit Vierzylindermotor hätte werden können, darf heute spekuliert werden, auch wo Panhard heute wäre, hätte man die Möglichkeit gefunden, weiterhin Alukarosserien herstellen zu können. Einige Fußnoten der Marke haben immerhin überlebt, die Scheinwerfer des Citroën DS ab Herbst 1967 ähneln frappant jenen des Panhard 24, die Dyane wurde von Panhard-Technikern entwickelt, auch beim Citroën GS mit seinem Vierzylinder-Boxer ist Panhards Handschrift deutlich fühlbar. Weiterleben durfte nach 1967 immerhin die militärische Sparte, und auch Louis Delagarde war dort weiterhin als Techniker erfolgreich. Erst vor wenigen Monaten wurde der militärische Zweig von PSA an Auverland verkauft, die Markenrechte und das Firmenarchiv allerdings blieben bei Peugeot/Citroën. Eines von zwei Gebäuden in der Pariser Avenue d'Ivry steht noch, das Haus ist, wie wir Oldtimerfans sagen, im guten originalgetreuen Zustand, neben dem Eingang erinnert eine Messingtafel daran, dass hier vor 115 Jahren die industrielle Fertigung von Automobilen in die Gänge gekommen ist. Auch die Dependance in Orleans, Produktionsstätte des Dyna Junior, steht noch, die Zeit hat sich auch hier einen Zahn ausgebissen. Das Gebäude beherbergt heute eine Werkstatt für schwer vermittelbare Jugendliche, eines der Projekte war die Restaurierung eines Panhard PL 17. Er steht als Ausstellungsobjekt in der Eingangshalle. 1 in einem Interview mit Classic & Sports Car, Oktober 2004
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