Heft bestellen - Ich rolle - seit 80 Jahren Hannes G. Unterberger und Wolfgang M. Buchta werfen einen Blick auf eine schwedische Erfolgsstory von 1927-2007. Text + Fotos: Hannes G. Unterberger + Wolfgang M. Buchta
Dass Volvo heuer sein 80-Jahr-Jubiläum feiert, ist eigentlich wieder ein Beweis für die Seriosität dieser Qualitätsautomarke, erst mit Produktionsbeginn zu zählen anzufangen, denn, wenn man es als akribischer Historiker betrachtet, ist die Firma eigentlich älter... Am Anfang war das Kugellager. Am 22. Juni 1915 gründete die Svenska Kullagerfabriken (SKF) die Tochtergesellschaft "Volvo", ausgestattet mit einem Grundkapital von 200.000 Kronen. Der Name "Volvo" wurde als Warenzeichen eingetragen für "Lager, speziell Kugel- und Rollenlager, Werkzeugmaschinen, Kraftübertragungen, Automobile, Fahrräder, Schienenfahrzeuge, Transportausrüstung und -systeme aller Typen, in Verbindung von Teilen für diese Art von Produkten". Die Produktion von "Volvo"-Rillenkugellagern begann zwar schon 1915, lässt sich aber in der Literatur (SKF-Katalog 1918) erst später nachweisen, und endet 1919 schon wieder, als SKFGeneraldirektor Björn Prytz beschloss, dass alle Kugellager unter der Marke SKF verkauft werden sollen. "Volvo" blieb also von 1919 bis 1926 nur als leere Firmenhülle bestehen. Doch der lateinische Ausdruck "Volvo" ("ich rolle") würde natürlich ideal zum neuen Produkt Automobil passen, dachten sich die Herren Assar Gabrielsson, SKF-Verkaufsleiter und Gustaf Larson, von 1917 bis 1920 bei SKF als Ingenieur tätig, schon im August 1924. Die Gründungsurkunde von Volvo ist die "Överenkommelse" (Übereinkommen) von Assar Gabrielsson und Gustaf Larson vom 16. Dezember 1925: Deren erster Paragraph lautet auf Deutsch "Ich, Gabrielsson, habe beschlossen, in Schweden Automobile herzustellen und biete G. Larson an, bei diesem Unternehmen als Ingenieur mitzuarbeiten. Ich, Larson, nehme dieses Angebot an." Damit wäre der 16. Dezember 1925 der Geburtstag der Automobilfirma Volvo ... Inzwischen reiften die Pläne für das erste Automobil. Am 19. August 1926 trafen sich Larson und Gabrielsson mit dem SKF-Vorstand und keine zwei Tage später wurde ein Vertrag unterzeichnet: SKF holt quasi die "AB. Volvo" aus der Schublade, stattet sie mit 2.000.000 Kronen Kapital aus und setzt Gabrielsson zum Generaldirektor ein. Weitere Anteile wurden von privaten Anlegern gezeichnet. Am 27. Oktober 1926 bezog Volvo die leer stehenden SKF-Gebäude auf Hisingen, liebevoll als "Nordkulan" bezeichnet. Schon im Sommer 1926 wurden die ersten Prototypen bei Galco in Stockholm produziert und sorgten für Aufsehen, als drei davon "auf Achse" in das neue Volvo-Werk überführt wurden. Ein Cabrio für den schwedischen Winter. Die Karosserie des neuen Autos wurde vom bekannten schwedischen Landschaftsmaler Helmer MasOlle entworfen. Auch das Volvo-Logo stammt von ihm: Das alte schwedische Symbol für Eisen wurde in die Kühlermaske integriert. Alle zehn Prototypen - neun davon vom Type ÖV 4 ("öppen vagn, fyrcylindrig" - offener Wagen mit vier Zylindern) und einer vom Type PV 4 ("person vagn, fyrcylindrig" - geschlossener Wagen mit vier Zylindern) - hatten die unterschiedlichsten Spitznamen (Meerjungfrau oder Kobold) und waren im Sommer 1926 fahrfertig. Der schwarz lackierte Namensgeber des ÖV 4 wurde am 25. Juli 1926, dem Jakobstag, montiert und wurde folgerichtig "Jakob" genannt. Am Gründonnerstag, den 14. April 1927, rollte der erste Serien ÖV 4 (laut der Legende mit falsch montiertem Differential, er hatte drei Rückwärtsgänge und nur einen Vorwärtsgang) vom Band: Der Vierzylindermotor hatte einen Hubraum von 1.940 ccm, war nur 4,9:1 verdichtet und leistete 28 PS bei 2.800 U/min. Dies verhalf dem Jakob zu einer Spitzengeschwindigkeit von 90 km/h. Die Reisegeschwindigkeit des offenen Fünfsitzers lag bei 60 km/h. ÖV 4 und die, infolge des doch nicht so cabriotauglichen Klimas Schwedens folgerichtig nachgeschobene, geschlossene Limousine PV 4 verkauften sich ganz gut. In den Jahren 1927 bis 1929 wurden 302 ÖV 4 und 694 PV 4 hergestellt und auch verkauft. Trotzdem schrieb Volvo nach wie vor rote Zahlen und die Verantwortlichen bei SKF fragten sich, ob mit dem Automobilbau jemals Gewinne zu machen seien. Björn Prytz nahm Kontakt mit dem amerikanischen Industriellen Charles Nash auf und die Verhandlungen waren schon weit fortgeschritten, als Gabrielsson anbot, sein gesamtes bisher verdientes Geld, 220.000 Kronen, zu investieren, um Volvos Unabhängigkeit zu retten. Wie wir wissen ging Pryx auf den Vorschlag ein und im September 1929 erzielte Volvo erstmals einen Überschuss von 1.579 Kronen. 1929 kam auch der erste Luxus-Wagen der jungen Marke auf den Markt - der PV 651 hatte einen 3.010 ccm großen Reihensechszylinder, der 55 PS leistete. In verschiedenen Versionen bis 1934 auf dem Markt, war der große Volvo auch als Taxi (Type TRS - Stadttaxi - und TRL - Überlandtaxi) ein Erfolg. Unter der Typenbezeichnung PV 650 wurde das Fahrgestell für den Bau von leichten Lieferwagen angeboten. Während der PV 651 noch über mittlerweile veraltete mechanische Bremsen hatte, kam 1930 der PV 652 mit hydraulischen Bremsen auf den Markt. Auch die Karosserie wurde bei diesem Modellwechsel modifiziert. Der PV 652 wurde auch wieder erfolgreich als Taxi eingesetzt. Die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg brachte noch so manch interessantes Fahrzeug von Volvo hervor. Ein "highlight" war der 1935 vorgestellte, nach einem lateinamerikanischen Modetanz "Carioca" genannte PV 36. Modernste Stromlinienform, luxuriöse Innenausstattung, Einzelradaufhängung der Vorderräder etc. machten ihn zu einem gar teuren Automobil, von dem nur 501 Stück verkauft wurden: 500 Limousinen und ein (verschollenes) Nordbergs- Cabriolet. Heute ist dieser Sechszylinder (3.670 ccm und 85 PS) einer der meist gesuchten Volvo- Vorkriegsklassiker, im vorigen Jahr wurde ein Exemplar in Zustand 3-4 um 490.000 Kronen (rund 52.000 EUR) verkauft... Im Laufe der Jahre hatte SKF mehrmals das Kapital von Volvo erhöht, so dass 1935 das Grundkapital schließlich 13 Millionen Kronen betrug. Jetzt schien die Zeit gekommen, Volvo an die Börse zu bringen. Den SKF-Aktionären wurde die Aktie angeboten, die rasch zur "Volksaktie" wurde. Mit der gleichen Mechanik wie der "Carioca" entstand die kleinere (und daher preisgünstigere) Baureihe PV 51 (Standardmodell) resp. PV 52 (Luxusausführung). Da der Wagen kleiner und leichter als der PV 36 war, bot der 1936 erstmals präsentierte Wagen ansprechende Fahrleistungen. Die Baureihe wurde bis 1945 (Modell PV 57) weiterentwickelt.
Kriegsproduktion und ein Bestseller. Die schwedischen Streitkräfte orderten eine Anzahl der Wagen (in elegantem Grau oder in Tarnbemalung) und schwedische Karosseriebauer schufen eine Reihe von Sonderkarosserien. Über die Kriegsjahre 1939 bis 45 setze Volvo einerseits die Produktion ziviler PKW und LKW fort (Schweden war ja im Zweiten Weltkrieg neutral), aber beschäftigte sich natürlich auch mit der Produktion militärischer Spezialfahrzeuge für die schwedische Armee. 1941 übernahm Volvo die "Svenska Flygmotor" und stieg so in den lukrativen Markt für Flugmotoren ein. Als im Laufe des Krieges ein alliiertes Flugzeug in Schweden notlanden musste, wurde dessen Pratt & Whitney Twin Wasp-Motor gewissenhaft untersucht und "abgekupfert". Nach Kriegsende "übersahen" die Amerikaner diesen Verstoß gegen das internationale Patenrecht und der "STW C3" genannte Motor trieb zahlreiche Flugzeuge der königlich schwedischen Luftwaffe an. Ein Expertengutachten soll der schwedischen Kopie bessere Qualität als dem Original bestätigt haben... Den Durchbruch zum Automobilhersteller von internationalem Format brachte der 1944 vorgestellte PV 444. Der PV 444 war eine konventionelle Konstruktion - vorne der Reihenmotor, hinten der Antrieb und dazwischen ein Dreiganggetriebe mit unsynchronisiertem ersten Gang. Die Typenbezeichnung stand übrigens für "4 Zylinder - 4 Personen - 40 PS". Große Aufmerksamkeit erregte der Umstand, dass der Kleinwagen (zumindest verglichen mit den Vorkriegsmodellen) zu exakt dem selben Preis wie einst der ÖV 4 angekündigt wurde: 4.800 Kronen. Bei der Präsentation von 1. bis 10. September 1944 unterschrieben gleich 2.300 Kunden einen Kaufvertrag - ein gutes Geschäft wie sich zeigen sollte, denn als der Wagen zweieinhalb Jahre später ausgeliefert wurde betrug der Preis für Neukunden 6.050 Kronen. Am 25. August 1949 wurde der 100.000 Volvo produziert, ein (natürlich) schwarzer PV 444, und im Herbst 1950 wurde der PV 444 B enthüllt, der einige Detailverbesserungen erfahren hatte. Der leistungsgesteigerte Motor (44 PS) war zwar bereits bei den letzten alten PV 444 eingeführt worden, aber ein neues Getriebe senkte den Geräuschpegel deutlich. Äußerlich ist der PV 444 B an der dreigeteilten Stoßstange und der abgesenkten hinteren Nummerntafel zu erkennen. Der Fahrtrichtungsanzeiger befand sich am Dach und wurde als "Fixlight" bezeichnet. Dieses unpraktische Kuriosum - das Dach wurde häufig undicht und die Montage eines Dachträgers war unmöglich - verschwand mit dem bereits im Juni 1951 präsentierten PV 444 C wieder. Dieser war äußerlich an größeren Rädern (16 Zoll statt 15 Zoll) mit nunmehr fünf Radbolzen und kleineren vorderen Ausstellfenstern zu erkennen. Bereits ein Jahr später (August 1952) bekam der PV 444 D eine Heizung (als Extra) sowie eine verbesserte elektrische Anlage. Bisher war der PV 444 nur in Schwarz (Standardmodell) sowie Grau (Special) erhältlich. Ab 1953 war der "Special" auch in Braun lieferbar. Beim im April 1953 vorgestellten PV 444 E war die Heizung jetzt serienmäßig, die Stoßstangen wurden neuerlich überarbeitet und das Grau des "Special" war heller geworden. Die erste große Änderung erfuhr die Baureihe mit dem PV 444 H (die Buchstaben F und G wurden übersprungen), der ab 1954 eine deutlich vergrößerte Frontscheibe, eine ungeteilte Heckscheibe sowie einen größeren Kofferraum hatte. Diese Form wurde im Wesentlichen beibehalten bis 1958 der letzte PV 444 L gefertigt wurde. Die Motorleistung war (in der Sportversion) auf mittlerweile 85 PS gestiegen. Der "Ur-Buckelvolvo", später PV 444 A genannt, wurde von 1944 bis 1950 in 11.804 Exemplaren gebaut. Der PV 444, in all seinen Modellvarianten wurde auch in namhaften Stückzahlen, vor allem in die USA, exportiert, und war Volvos erster Bestseller. In Summe wurden von allen Baureihen 196.004 Exemplare gebaut. Ein Riesenflop hingegen war der auf der Basis des PV 444 entwickelte Sportwagen mit Kunststoffkarosserie, der P 1900. Nur 67 Autos wurden in den Jahren 1956 und 1957 gebaut und fanden meist als Gewinn in der schwedischen Lotterie einen neuen Besitzer. Ein P 1900 war so schlecht verarbeitet, dass man die Türen während der Fahrt festhalten musste, damit sie nicht aufgehen. Ist dies nicht der Fall, dann ist das Auto nicht originalgetreu restauriert worden... Mit dem PV 444 konnte Volvo zahlreiche Kunden dazu gewinnen, aber der Wagen war doch deutlich kompakter als die Vorkriegsmodelle. Um die angestammte Klientel nicht zu verlieren wurde gleichzeitig mit dem "neuen Kleinen" im September 1944 das Modell PV 60 präsentiert. In einer amerikanisch anmutenden Karosserie steckte im Wesentlichen die Mechanik der PV 650 Baureihe. Sechszylindermotor mit 3,6 Liter Hubraum und 90 PS, Dreiganggetriebe mit Lenkradschaltung und - als wichtigste technische Neuerung - Einzelradaufhängung vorne ergaben ein "würdiges", aber wenig aufregendes Fahrzeug. Bemerkenswert vielleicht, dass unter der Typenbezeichnung PV 61 das Chassis ohne Aufbau erhältlich war. 1946 begann die Produktion, die aber nach nur vier Jahren und nach rund 3.000 gebauten PV 60 (sowie rund 500 PV 61 Chassis) bereits wieder endete. Unverändert erfolgreich war hingegen die Weiterentwicklung der PV 444, der PV 544, der von 1958 bis 1965 in 243.996 Exemplaren gebaut wurde. Nicht nur ein Exportschlager in aller Welt, war der PV 544 auch ein überaus erfolgreiches Sportgerät, mit dem zahlreiche Rallyes gewonnen wurden. Der PV 544 war mit der letzten Baureihe des PV 444 fast identisch, hatte aber eine durchgehende Frontscheibe und ist so auf den ersten Blick unterscheidbar. Auch der Innenraum wurde leicht überarbeitet und bot jetzt fünf Personen Platz. Der letzte PV 544 rollte am 20. Oktober 1965 vom Band. Seit 1953 wurde der "Buckel-Volvo" auch als Kombi, der "Duett" genannte PV 445, geliefert, der 1960 vom modernisierten P 210 abgelöst wurde. Die Produktion wurde erst 1969 endgültig eingestellt.
Die Rückkehr des großen Volvo. Seit der Produktionseinstellung des PV 60 im Jahre 1948 war Volvo nur in der Klasse der kleinen Wagen vertreten. Das sollte sich ändern. 1956 wurde der Volvo Amazon vorgestellt: Ein schönes, gut entworfenes Automobil mit stimmigen Proportionen, im Gegensatz zum "Buckel-Volvo" ein vollwertiger Viertürer, der bis 1967 in 234.209 Stück produziert werden sollte. Zunächst war der P 120 ausschließlich als Viertürer erhältlich. Angetrieben wurde der Wagen vom neu entwickelten B16A-Motor (nun ja, neu entwickelt ist vielleicht ein großes Wort für die aufgebohrte Version des B4), der im Standardmodell 60 PS und in der Sportversion dank Doppelvergaser sogar 85 PS leistete. Der Plan, den Amazon für den amerikanischen Markt mit einem kleinen V-8-Motor (2,5 Liter Hubraum) zu versehen, wurde nicht realisiert. Schon 1961 wurde dem viertürigen P 120 der sportliche Zweitürer P 130 zur Seite gestellt. Bis 1970 gebaut, wurden 359.917 an den Mann/die Frau gebracht. Auch der 1-millionste Volvo war ein Amazon - im September 1964 wurde das 1-millionste Getriebe aus dem Werk Köping in den 1-millionsten Wagen, einen schwarzen Zweitürer, eingebaut. Sportlichstes und damit heute wohl reizvollstes Modell ist der 123 GT, der von 1966 bis 1969 (123 GT-B20) hergestellt wurde. 1962 bis 1969 wurde der Amazon als P 220 Kombiwagen gebaut, der es auf 73.196 Auflage brachte.
...und ein Sportwagen. Nach dem Misserfolg P 1900 war der zweite Volvo-Sportwagen umso erfolgreicher. Der P 1800 fand bis 1972 immerhin 39.777 Käufer. Entworfen wurde das Coupe vom italienischen Designer Pietro Frua und das 2+2-sitzige Coupe hatte die verkürzte Bodengruppe des Amazon. Der B 18-Motor leistete bereits in der ersten Version 100 PS und sollte bald auch seinen Weg in den Amazon und PV 544 finden. Mit dem Vierganggetriebe mit Overdrive war der P 1800 ein komfortabler und schneller Reisewagen. Vorgestellt war der P 1800 bereits 1959 worden, aber da die Nachfrage nach den anderen Modellen die Kapazität überstieg wurden die ersten Exemplare erst 1961 ausgeliefert. Und die wurden nicht von Volvo sondern von Jensen in England gefertigt. Die Qualitätsprobleme wurden erst behoben, als die Produktion nach Schweden übersiedelte. Im Laufe der Jahre wurde die Motorleistung zuerst auf 108 PS und später (dank mechanischer Benzineinspritzung) sogar auf 135 PS gesteigert. Berühmt wurde der P 1800 nicht zuletzt durch Roger Moore, der als Simon Templar (alias "The Saint") einen weißen P 1800 in der gleichnamigen Fernsehserie fuhr. Vom 1971 vorgestellten P 1800 ES Sportkombi, auch "Schneewittchensarg" genannt, wurde 8.078 Stück produziert.
Sicherheit, groß geschrieben. Seit. Mitte 1950er beschäftigte sich Volvo mit Sicherheitsfragen und bereits am 1957 wurden Sicherheitsgurten als Sonderausstattung, beim PV 544 Sport und beim Amazon sogar in Serie, angeboten. 1959 hatten alle Volvos serienmäßige Dreipunktgurten - eine weltweite Novität. Kein Wunder, dass Volvo bis heute den Ruf hat, eines der sichersten Autos der Welt zu sein. Zum Inbegriff des sicheren Automobils wurde die Baureihe P 140. Von 1966 bis 1974 gebaut, war der P 140 eine konservativ-kantige, aber komfortable Familienlimousine mit Vierzylindermotor. Der 1966 präsentierte Volvo 144 hatte vier Scheibenbremsen, etwas was Mitte der 1960-er meist Rennsportwagen vorbehalten war, die über zwei unabhängige Bremskreise betätigt wurden. Mit 75 PS (Einvergaserversion) resp. 100 PS (Zweivergaserversion) war der 144 nicht untermotorisiert, aber der Schwerpunkt hatte sich von Sportlichkeit zu Sicherheit und Komfort gewandt. Nach oben wurden die neuen Modelle vom P 164 ergänzt, der von 1969 bis 1975 im Verkaufsprogramm war. Mit dem 3-Liter-Sechszylinder und mit 130 PS (später mit Benzineinspritzung sogar 160 PS), dem gediegenen Kühlergrill und der luxuriösen Ausstattung sprach Volvo eine gehobene Käuferschicht an. Im Herbst 1970 wurde der 2-millionste PKW gebaut, ein gelber Volvo 144, der laut verschiedener Quellen an das Rote Kreuz oder vielleicht auch an eine karitative Organisation in England übergeben wurde.
Kleine Volvos aus Holland. 1974 übernahm Volvo die "Van Doorne's Automobielfabriek NV", besser bekannt unter dem Namen Daf. Spitzenmodell der Niederländer war der seit 1972 produzierte Daf 66, der als Volvo 66 die Modellpalette von Volvo nach unten hin ergänzte. An der Karosserie änderten sich, außer den Aufschriften, nur wenige Details, aber Volvo verpasste dem Kleinwagen die in Schweden mittlerweile üblichen Sicherheitsstandards: massivere Stoßstangen, Verbundglaswindschutzscheibe, verformbare Lenksäule, Kopfstützen und gepolstertes Lenkrad und Armaturenbrett. Verbesserte Heizung und Rostschutz ergänzten das Paket. Bis Ende 1980 wurden vom Volvo 66 77.637 Zweitürer sowie 28.500 Kombis gebaut. Der Volvo 66 wurde, wie sein Vorgänger von Daf, im holländischen Werk gefertigt, wo auch sein größerer Bruder und Nachfolger, der Volvo 340 produziert wurde. Im Herbst 1976 wurde nicht nur der 3-millionste Volvo, sondern auch der erste Volvo 343 gebaut. Dieser Volvo 343, der noch als Typ 77 zusammen mit Daf entwickelt worden wurde, war ein kompakter Zweitürer mit Heckklappe, der von einem 1,4 Liter Vierzylinder aus dem Hause Renault angetrieben wurde. Mit 70 PS und Variomatic-Getriebe war der rund 1.000 kg schwere Wagen 146 km/h schnell. Ab 1978 wurde auch ein Viergang-Schaltgetriebe angeboten, das geringfügig leichter war und ebenso geringfügig bessere Fahrleistungen bot. In Summer wurden von den Typen 343 und 345 bis 1982 373.824 Stück gebaut. Bereits 1974 wurden die Baureihen P 140 (4- Zylinder) und P 163 (6-Zylinder) durch die Serien P 240 und P 263 abgelöst. Äußerlich unterschied sich der Volvo 240 vor allem durch eine wuchtigere Stoßstange, die den neuen Normen in den USA entsprach, aber unter der Motorhaube arbeitete der brandneue B 21 Motor, ein Vierzylinder mit Zylinderkopf aus Aluminium, obenliegender Nockenwelle, Zahnriemen und (als B 21 E) später auch mit Benzineinspritzung. Wie sein Vorgänger war der Volvo 240 als zwei- und viertürige Limousine und als Kombi erhältlich. 1979 wurde erstmals ein Dieselmotor in einen 240 eingebaut und im Herbst 1980 überraschte Volvo die Kunden mit dem 240 Turbo. Schwarz lackierte "Chrom"-Teile, 155 PS und eine Spitze von 190 km/h waren, zumindest in der Mittelklasse, Anfang der 1980-er Jahre nicht die Norm. Der von 1974 bis 1985 gebaute P 260 war der logische Nachfolger des P 164. Der Sechszylinder mit 2,7 Liter Hubraum war jetzt ein V-6, der "Euro- Motor" aus der Kooperation von Volvo, Renault und Peugeot. Als P 264 wurde diese Baureihe auch in gestreckte Form als sechs- und siebensitzige Limousinen und als Volvo 262 aus als Coupe gebaut. Der Volvo 262 hatte die zweitürige Karosserie des 264 mit einer sehr flachen Dachlinie. Selbst die Freunde der Marke gestehen diesem Modell einen gewissen Mangel an Proportionen zu. Sowohl die überlangen Limousinen als auch die Coupes wurden bei Bertone gefertigt, von den Coupes exakt 6.622 Stück. In Holland waren zwischenzeitlich (1983) Volvo 343 / 345 durch die Modell 340 und 360 abgelöst worden. Leistungsgesteigert (2 Liter, 117 PS im Topmodell GLT) und in zahlreichen Details verbessert, unterschieden sich die neuen Modelle nicht wesentlich von ihren Vorgängern. Die Variomatic war übrigens noch immer optional erhältlich. Bis 1989 sollten über 1 Million Exemplare verkauft werden. 1993 kam das Aus für die Baureihe 240, aber bereits im Jahr zuvor war ein neuer "großer" Volvo, der Typ 760 präsentiert worden. Da es um Volvo Ende der 1970-er Jahre finanziell schlecht stand, kam diesem Modell große Bedeutung zu. Glücklicherweise kam seine kantige Form beim (vor allem amerikanischen) Publikum äußerst gut an, und Volvo war gerettet. Zwei Jahre später wurde die optisch fast identische Baureihe 740 präsentiert, die zwischen den alte P 240 und den neuen 760 positioniert war. Die beiden Modelle (sowie das davon abgeleitete Coupe 780) sollten bis Anfang der 1990-er die Fahnen von Volvo hoch halten. Den Erfolg, vor allem den in Amerika, kann man auch an den Hollywood- Filmen dieser Zeit ablesen. Sympathische Individualisten waren meist mit einem Volvo (oder vielleicht auch einem Saab) unterwegs.
Der erste Volvo mit Frontantrieb. Bereits das Jahr 1986 läutete das Ende der Ära der heckgetriebenen Modelle bei Volvo ein. Der Type 480 war Volvos erstes Auto mit Vorderradantrieb. In deutlicher Anlehnung an den "Schneewittchensarg" hatte der Wagen eine großzügig verglaste Heckpartie, Klappscheinwerfer (sieht gut aus und entspricht amerikanischen Sicherheitsnormen) und Karosserieteile aus Kunststoff (z.B. die Motorhaube). Im 480 ES war ein Vierzylinder (wieder in Zusammenarbeit mit Renault entwickelt) mit 1.800 ccm und 109 PS für 185 km/h gut. Mit Turbo waren es aus dem gleichen Hubraum 122 PS und 200 km/h. Mit Katalysator, der zu dieser Zeit ja Schritt für Schritt in den verschiedenen Ländern einführt wurde, waren es jeweils ein paar PS resp. km/h weniger. In geringer Stückzahl wurde der 480-er auch als Cabrio gefertigt. Zwischen 1986 und 1995 wurden 76.375 Stück aller Varianten gebaut. Der Volvo 480 wurde übrigens auch in den Niederlanden gefertigt. Dort entstanden auch ab 1987 die Mittelklassemodelle 440 (Heckklappe) und 460 (Stufenheck). Technisch waren die beiden Baureihen mit dem Volvo 480 identisch, also Frontantrieb mit Motoren aus der Kooperation mit Renault, die je nach Version 79 bis 120 PS leiteten. Ende 1990 schrieb Volvo erstmals seit 1929 rote Zahlen und präsentierte einen neuen "großen" Volvo, die Baureihen 940 und 960. Mit Vier- und Sechszylindermotoren (auch mit Dieselmotor) ausgestattet war sowohl eine viertürige Limousine als auch ein Kombi im Programm. 1996 wurde der 10-millionste Volvo PKW gebaut und die große Reihe wurde den neuen Modellnamen der kleineren Modelle angepasst: Der Viertürer hieß jetzt S90 und der Kombi V90. Ende 1998 lief die Produktion der letzten Hecktriebler bei Volvo aus. Denn die 1991 präsentierte neue Mittelklasse, die Baureihe 850, hatte einen vorne, quer eingebauten Fünfzylinder-Motor, der die Vorderräder antrieb. Der 1993 neu präsentierte Kombi vereinigte alle klassischen "schwedischen" Tugenden der Marke, wie Sicherheit, Zuverlässigkeit und geräumig war er auch noch, und brachte es so zu beachtlichen Lieferfristen. Eine Sensation war der Volvo 850 T5, der mit 225 PS der bis dahin stärkste Serien-Volvo aller Zeiten war. Meist in auffälligem Gelb und mit einer Spitze von 240 km/h war er, vor allem als Kombi, nichts für schüchterne Fahrer. In der Saison 1994 setzte TWR (Tom Walkinshaw Racing) zwei 850 T5 mit einigem Erfolg in der BTCC (British Touring Car Championship) ein - natürlich als Kombi, der soll angeblich die bessere Aerodynamik gehabt gaben... Ehe die 850-er Serie 1997 ans Ende ihres Produktionslebens kam, kam Volvos erster Allrad- PKW, der 850 AWD, auf den Markt. Auch Sicherheit - SIPS (Side Impact Protection System = Seitenairbags) - und Umwelt - Bi-Fuel (= Erdgas oder Benzin) - wurden nicht vernachlässigt. In überarbeiteter Form sollte der 850-er Reihe als S70 und V70 bis heute weiter in Produktion bleiben. Im Herbst 1995 stellte Volvo in Frankfurt die Nachfolger der Baureihen 440 und 460 vor. Mit fast identischen Abmessungen stammen S40 und V40 aus dem holländischen Ned-Car Werk in Born, einem Joint-Venture zwischen Volvo und Mitsubishi. Dass das Schwestermodell des Mitsubishi Carisma ein "echter" Volvo sein soll, bereitete vielen Freunden der Marke anfangs Probleme. Seit 1996 verschönert der C70 das Straßenbild. Im Kinofilm "The Saint" spielt nicht ganz zufällig ein C70 eine tragende Rolle. Diesmal haben die Produzenten den Wagen wohl nicht mehr kaufen müssen ... Den technischen Unterbau spendierte die Baureihe S70 (ehemals 850-er Reihe). War der erste C70 ein Coupe, so folgte bald (1997) ein Cabrio mit elektrischem Stoffdach und später (2006) ein Cabrio mit versenkbarem Blechdach.
Neue Zeiten, neuer Eigentümer. Ende der 1990-er schien Volvo (wir sprechen hier von der PKW Produktion) zu klein, um am Weltmarkt bestehen zu können. In den Verhandlungen mit Renault und Ford erhielt schließlich Ford um 6,5 Milliarden Dollar 1999 den Zuschlag, die die Neuerwerbung in die PAG (Premier Automotive Group = Lincoln, Jaguar, Aston Martin, Land Rover) eingliederten. 1998 löste der S80 den alternden S90 ab und profilierte sich einmal mehr mit Sicherheits- und Komfortfunktionen - Klimaanlage mit Aktivfilter, Kopf-Schulter-Airbags und WHIPS (Whiplash Protection System), gegen das Schleudertrauma. Als Lohn für die Bemühungen bekam der S80 den Titel "sicherste Limousine der Welt" verliehen. 2000 folgte der S60 dem S70 nach. Der S60 steht auf der gleichen Plattform wie S80 und V70 und ist als R-Modell bis zu 300 PS stark. Im gleichen Jahr stieg Volvo, spät aber doch, mit dem XC 70 in den Allrad-Massenmarkt ein. Ein Jahr später folgte der größere, vor allem für den amerikanischen Markt gedacht, XC 90. Seit 2003 teilt die 2. Generation des S40 die Plattform mit den Konzerngeschwistern Ford Focus und Mazda 3. Der zugehörige Kombi heißt, vermutlich um zukünftige Historiker zu verwirren, V50. Auf der gleichen Plattform steht auch das "Nesthäkchen", der 2006 präsentierte C30. Mit dem hinreißend gestylten Heck soll der Dreitürer die Tradition kompakter, sportlicher Kombis im Stile des "Schneewittchensarg" und des 480-er fortsetzen. Mittlerweile ist Konzernmutter Ford in finanzielle Turbulenzen geraten. Von Aston Martin hat sich Ford bereits getrennt, andere Marken stehen, wie man so schön sagt, zur Disposition, in unserer bewegte Geschichte wird vielleicht demnächst das nächste Kapitel geschrieben. |