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Freitag, 26. April 2024
Paul Haenlein und sein Luftschiff "Aeoius" Drucken E-Mail
Geschrieben von Adolf Ezsöl   

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Vom Scheitern eines Genies, der mit seinen Erfindungen die Entwicklung der Luftschifffahrt bedeutend beeinflusste.

Text & Photos: Adolf Ezsöl

ImageHerkunft und Jugendjahre Haenleins. Paul Haenlein wurde am 17. Oktober 1835 als Sohn des Schiffskapitäns Johann Baptist Haenlein in Mainz geboren, wo die Familie Haenlein seit 1764 ein Fisch-Export-Geschäft besaß und zeitweise eine zusätzliche Lachsfischerei am Rhein betrieb.1 Nach dem Besuch der Grund- und Realschule, wo er sich besonders in Mathematik auszeichnete, begann er eine Lehre als Modelltischler, die er jedoch nach einem Jahr abbrach. Anschließend trat er in die Firma des Mainzer Maschinenbauers Rupp ein. Nachdem er seine Lehrzeit abgeschlossen hatte, ging er nach Karlsruhe, um an der dortigen Technischen Hochschule ein Studium für Maschinenbau zu absolvieren. Drei Jahre später erwarb Haenlein sein Diplom als Ingenieur und übersiedelte anschließend in die Maschinenfabrik Köln-Bayenthal, wo er bis 1861 arbeitete. Zu dieser Zeit beschäftigte er sich zum ersten Mal mit Entwürfen für ein lenkbares Luftschiff. Von Köln übersiedelte er in die schwedische Hauptstadt Stockholm, wo er drei Jahre als Maschinenbauingenieur tätig war.
1864 nahm er schließlich eine Stelle als Maschinenkonstrukteur in London an. Noch in seiner Londoner Zeit erhielt er am 1. April 1865 ein Patent auf ein Luftschiff, das mit einem Gasmotor betrieben werden sollte, der den Kraftstoff direkt aus der Ballonhülle entnahm.2

Erste Pläne zum Bau eines Luftschiffes. 1868 kehrte Ing. Haenlein wieder nach Mainz zurück. Er hatte zu diesem Zeitpunkt bereits die Pläne für sein erstes Luftschiff fertig und baute danach mit dem damaligen preußischen Hofmechaniker Bayerer ein zehn Meter langes Modell, mit einem Durchmesser von über zwei Metern.
Bei den ersten Fahrversuchen, die am 5. Oktober 1871 in der Mainzer Fruchthalle stattfanden, zeigte sich das durch einen Uhrwerkfedernmotor betriebene Modell durchaus fahr- und lenktauglich. Die Vorführung beeindruckte die finanzkräftigen Gäste, die erhoffte Unterstützung für die weitere Entwicklung seines Luftschiffes blieb aber aus.
Um die finanziellen Mittel zum Bau eines großen Luftschiffes zu erlangen, wandte sich der Konstrukteur an das Preußische Kriegsministerium, legte seine Pläne vor und wies im Besonderen darauf hin, dass sein Luftschiff unter gewissen Bedingungen für militärische Zwecke geeignet währe. Das Ministerium lehnte sein Pläne aber ab. Daraufhin verließ Haenlein seine Vaterstadt Mainz und übersiedelte nach Wien, wo er wieder als Maschinenbauingenieur arbeitete.

ImageErfolge in Wien. In Wien kam Paul Haenlein mit Fachleuten in Kontakt, deren Namen er durch ihre ständige Mitarbeit in der Zeitung "Der praktische Maschinen-Ingenieur" schon in Deutschland gekannt hatte. Diese ermöglichten ihm einen Vortrag über seine Luftschiffpläne im österreichisch-ungarischen Kriegsministerium. Auch der österreichische Kaiser, Franz Joseph I., wurde über Haenleins Vortrag informiert. Er gewährte dem Ingenieur eine Audienz, ließ sich dessen Pläne zeigen und sprach anschließend dem Projekt seine "höchste Bewunderung" aus.
Schließlich stellte der Kaiser eine ansehnliche Geldsumme für den Bau eines größeren Luftschiffmodells zur Verfügung. Haenlein baute nun sein zweites Modell mit nunmehr sieben Metern Länge und einem Durchmesser von eineinhalb Metern, das ein Gasvolumen von zehn Kubikmetern hatte.
Nach Fertigstellung des Luftschiffmodells wurde das neue Modell dem Kaiser und einer größeren Zahl von Gästen im großen Redoutensaal der Wiener Hofburg vorgeführt. Die Fahrt des Modells entsprach den Erwartungen des Erbauers und alle geplanten Experimente glückten auf Anhieb. Nachdem die Anwesenden Haenlein für sein großes Werk beglückwünscht hatten, stellte eine Gruppe von Interessenten insgesamt 30.000 Gulden für den Bau eines großen Luftschiffes zur Verfügung.
Da die Vorführung des Modells in der Presse großen Anklang gefunden hatte, wurde es im November 1871 in den Wiener "Sophiensälen" der Öffentlichkeit präsentiert. Zu Eintrittspreisen von einen bis zwei Gulden durften auch die "Kleinen Leute" die neueste technische Errungenschaft im Flugwesen bestaunen.
Kurz darauf wurde ein Konsortium gegründet, das aus Ritter von Ofenheim, Prof. Jeny, Prof. Pierre, Leon und dem Konstrukteur Haenlein bestand. Die Finanziers zeichneten zu den bereits vorhandenen 30.000 Gulden weitere 20.000, um einen Reservefond zu bilden. Dazu wurde beschlossen, dass der spätere Ertrag des Luftschiffes mit dem Erfinder zu teilen wäre und die Motoren in Österreich erzeugt werden sollten.
Ing. Haenlein unterzeichnete im Jänner 1872 einen Vertrag, in dem er sich verpflichtete, ein Luftschiff mit 50,4 Metern Länge und einem Durchmesser von 9,2 Metern zu bauen, das imstande ist einem Menschen zu tragen. Die Metallteile wurden nach den Plänen des Erfinders in der Wiener Maschinenfabrik "Paget & Cie" gebaut und die Ballonhülle von der Wiener Firma J. N. Reithoffer gefertigt.
Das Luftschiff hatte eine zylindrische Form mit abgerundeten, kegelförmigen Zuspitzungen, die der unter Wasser liegenden Kiellinie eines Schiffes nachgebildet waren. Das Sensationellste an der gesamten Konstruktion war dessen Gasmotor, der nach dem sogenannten "Lenoir´schen System" gebaut worden war. Dieser Motor wurde durch Gasentnahme aus dem Balloninneren mittels eines Verteilerrohres gespeist. Durch dieses Rohr wurde im gleichem Maße als für den Motor Gas entnommen wurde, das im Inneren des Luftschiffes befindliche Ballonett mit Pressluft aufgepumpt wurde.
Weiters wurde der durch die Entnahme entstehende Gasverlust durch die heiße Luft, die durch Verdunstung des Kühlwassers entstand und in das Ballonett gepumpt wurde, zumindest für einen kürzeren Zeitraum, weitgehend ausgeglichen.

ImageFür längere Fahrten untauglich. Für die Montage des Luftschiffes holte sich Haenlein seinen bewährten Mitarbeiter aus den 1860er Jahren, den preußischen Hofmechaniker Bayerer, der besonders bei der Montage des Lenoir´schen Gasmotors seine reichen Kenntnisse beweisen konnte. Als die Montage beendet war, wurde das Luftschiff auf dem Namen "Aeoius" getauft.
Die geplante Füllung des Luftschiffes mit Gas in der Wiener Gasfabrik konnte nicht stattfinden, da deren Einrichtungen mangelhaft und für solche Zwecke nicht geeignet waren. Dieser Umstand brachte Wien schließlich auch um die historische Chance Ort des ersten Aufstieges eines Luftschiffes in Österreich zu sein. Denn nun wurde die Hülle samt Versteifungsgerüst und Gondel nach Brünn gebracht, wo die Bedingungen für die Gasfüllung besser waren.

Der erste Aufstieg. Am Gelände der Brünner Militär- Reitschule wurde eine Halle errichtet, in der dann das Luftschiff mit 2408 Kubikmetern Gas gefüllt wurde. Am 13. Dezember 1872 erfolgte der ersten Aufstieg des Haenlein-Luftschiffes. Der Konstrukteur ließ sein Luftschiff auf etwa 50 bis 60 Fuß Höhe steigen (etwa 15 bis 18 Meter). Dann startete er den Motor und der Lenkballon Luftschiff kam in Fahrt. Da die (später errechnete) Geschwindigkeit fünf Meter pro Sekunde betrug, konnte die begleitende Mannschaft der Militär- Reitschule, die das Luftschiff an den Seilen hielt, kaum noch folgen. Die Fahrt beschränkte sich auf etwa 600 Meter, teils mit und teils gegen den Wind. Dennoch soll die "Jungfernfahrt" Haenleins vier Stunden gedauert haben.3
Die von Haenlein gewünschte Höhe konnte nicht erreicht werden, da das Luftschiff für das leichtere Wiener Leuchtgas berechnet worden war. Das um 11 % schwerere Gas in Brünn verringerte die Tragfähigkeit des Lenkballons, der nun um 250 Kilogramm schwerer war als vorgesehen.
Paul Haenlein wollte das Gewicht seines Luftschiffes verringern, um bei einem weiteren Versuch bessere Erfolge zu erzielen. Dazu plante er das schwere Leuchtgas durch Wasserstoffgas zu ersetzen. Außerdem sah er vor, die Schmiedeeisernen Teile des Motors durch solche aus dem leichteren Gusstahl auszutauschen. Statt den eisernen Rahmenwerk, das die Stabilität des Lenkballons gewährleisten sollte und an dem das Steuerruder befestigt war, wollte er Bambusrohr nehmen.
Das Militär stand zu diesem Zeitpunkt dem Luftschiff durchaus positiv gegenüber. "Die österreichische Militär-Zeitung" schrieb damals, Haenleins Luftschiff lasse "in seiner jetzigen Gestalt noch manches zu Wünschen übrig". Sie lobte aber das Werk und meinte weiter: "... aber für Ausnahmefälle und insbesondere für militärische Zwecke, für Rekognoszierungen, zur Übermittlung von Botschaften usw. darf man die Haenleinsche Erfindung schon in ihrer jetzigen Phase als durchaus brauchbar bezeichnen."

ImageDas Ende eines Traumes. Ende Dezember 1872 sollte das Luftschiff nach Wien überführt werden, es ging aber während des Startvorganges durch unkundige Soldaten zu Bruch.4
Das Konsortium, das die bisherigen Investitionen getätigt hatte, lehnte die geplanten, kostenträchtigen Änderungen ab. Damit war die Ära der Luftschifffahrt in Österreich vorerst beendet.
Der enttäuschte Konstrukteur Ing. Paul Haenlein verließ Österreich kurz darauf und ging nach Winterthur in der Schweiz, wo ihm in der Maschinenfabrik Sulzer eine Stelle als Maschinenkonstrukteur angeboten worden war. Nach einigen Jahre wechselte er in Maschinenfabrik Martini, im schweizerischen Frauenfeld, in der dann 20 Jahre lang arbeitete.
Im Oktober 1903 kehrte Haenlein wieder in seine Vaterstadt Mainz zurück und widmete sich nunmehr ganz dem Studium der Luftfahrt. Ein Jahr später veröffentlichte er seine Erkenntnisse beim Bau seines Luftschiffes und bisher unveröffentlichte Pläne in einer Broschüre, die im Mai 1904 im Leipziger Verlag "Grethlem & Co." erschien. Hier zeigte er auch seine Visionen über die Entwicklung der Luftschifffahrt auf.
Haenlein präsentierte unter anderem den Plan eines Luftschiffes mit drei Gondeln, die jeweils mit einem 160 PS starken Automobilmotor versehen, eine Fahrgeschwindigkeit von 16 Metern pro Sekunde entwickeln und bis zu sechs Personen befördern könnte.
Der Tod nahm ihm ein Jahr später vom Zeichenbrett. Ing. Paul Haenlein starb am 21. Jänner 1905 im Mainzer Vinzenzhospital. Seine sterblichen Überreste wurden eingeäschert und am Friedhof des Mainzer Krematoriums beigesetzt.
Die Patente Haenleins sollen (nach Angaben eines seiner Familienangehörigen) später vom österreichischen Luftschiffkonstrukteur David Schwarz erworben worden sein, von dem sie dann, am 10. Februar 1898, zusammen mit den Schwarz-Patenten in den Besitz Graf Zeppelins übergingen.

Nachtrag. Ferdinand Graf Zeppelin schrieb im Jahre 1914 in einem Brief an einem Verwandten Paul Haenleins, der den Fischhandel der Familie weiter führte und zum 150-jährigen Jubiläum der Firma eine Festschrift herausgegeben hatte, in dem auch des Luftschiffpioniers in der Familie gedacht wurde.
 
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