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Donnerstag, 25. April 2024
Donaumonitor S.M.S. Leitha Drucken E-Mail
Geschrieben von Herbert Klein   

Heft bestellen - Schiffsrestaurierung - Donaumonitor S.M.S. Leitha

Das Fehlen mobiler und kampfkräftiger Einheiten auf der Hauptverkehrsader Donau zwang die k. u. k. Marine Mitte des 19. Jh. zum Aufbau einer schlagkräftigen Donauflottille. Ein Schiff dieser Flotte war S.M.S. Leitha - Geschichte, Rettung und Restaurierung dieses Donaumonitors ist hier beschrieben.

Text & Photos: Herbert Klein

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S.M.S. LEITHA zu Beginn des 1. Weltkrieges 1914 (Foto: Archiv Margitay-Becht)
Mitte des 19. Jahrhunderts
bestand die beim Wiener Kongress gefundene Friedensordnung für Europa seit beinahe 50 Jahren, wurde aber immer schwächer. Der aufkeimende Nationalismus bedrohte das von vielen Völkern besiedelte Kaiserreich Österreich aus dem Inneren, das Streben Preußens nach der Vorherrschaft im deutschen Bund von außen, und zwar so sehr, dass zu befürchten war, dass die preußischen Truppen bis in die Reichshaupt- und -residenzstadt Wien durchbrechen könnten. Die Rivalität zu Italien erzwang eine rasch wachsende Flotte zur See, die sich auch recht erfolgreich behaupten konnte. Der ungarische Nationalismus erzwang im "Ausgleich" die Gleichstellung Ungarns mit Österreich, die Marine war seither (k)aiserlich österreichisch (u)nd (k)öniglich ungarisch, offenbarte aber auch das Fehlen mobiler und kampfkräftiger Einheiten auf der damaligen Hautverkehrsader Donau.

Das Revier. Mit 2.860 km Länge ist die Donau nach der Wolga der zweitlängste Fluss Europas.  Der zu dieser Zeit nur wenig regulierte Strom hatte im Oberlauf den Charakter eines Gebirgsflusses mit hoher Strömungsgeschwindigkeit, die durchschnittliche Wassertiefe betrug zwar rund zwei Meter, seichte Stellen, Furten und Schotterbänke erschwerten die Schifffahrt und begrenzten den Tiefgang auf etwa 1,2 m. Lediglich die mittlere Donau von Komarno bis zum Eisernen Tor galt als gut schiffbar. Dieses galt damals noch als nahezu unpassierbar und eine Bergfahrt schafften gerade einmal die stärksten Dampfschiffe mit einem einzigen Anhang. Zahlreiche flussbauliche Maßnahmen, der Bau des Sip-Kanals sowie die Regulierung der Donau im Wiener Raum schufen auf der oberen und mittleren Donau einigermaßen gleichbleibende Schifffahrtsbedingungen.  Die untere Donau, damals noch türkisches Herrschaftsgebiet, erreicht eine beträchtliche Breite und Tiefe bei geringer Strömung, wobei aber auch heute noch die Schifffahrt durch Niedrigwasser gefährdet ist.

ImagePolitischer Hintergrund. Als man 1866 befürchten musste, dass die Preußen bis nach Wien durchbrechen würden, armierte man eilig requirierte Dampfschiffe einschließlich der kaiserlichen Yacht ADLER: Die Erfahrungen damit waren schlecht, weil diese Schiffe viel zu schwach gebaut waren, um auf ihren Decks Kanonen nennenswerter Kaliber aufstellen zu können. Erst die amerikanischen Erfahrungen aus dem Bürgerkrieg zeigten, dass gepanzerte und niedrig gebaute Kriegsschiffe mit wenig Tiefgang und der schweren Artillerie drehbar in einem Turm aufgestellt (Johan Ericsson, US MONITOR, 1862) durchaus sinnvoll waren. Dennoch galt der Nutzen solcher Schiffe auf dem eng begrenzten Fahrwasser der Flüsse als mehr als zweifelhaft.

Bau und Konstruktion. Und so dauerte es in der Monarchie auch bis 1871, bis erst das Schwesterschiff MAROS und wenig später die LEITHA vom Stapel der der "Pest Fiumaner Schiffbau Actien Gesellschaft" in Budapest lief. Wegen der Pleite der Werft ließ die Marine die Schiffe beschlagnahmen und in der Werft der 1. DDSG am anderen Donauufer fertig bauen. Konstrukteur war der k. k. Schiffbau-Inspector Josef Ritter von Romako, ein Bruder des bekannten Malers Anton R. Es gelang ihm, die knappen Parameter sehr geschickt auszunutzen: nur 1,1 m Tiefgang, etwa 8 bis 9 kn schnell (ca. 14 bis 16 km/h). Zwei Hochdruck-Verbundmaschinen mit 2 Lokomotivkesseln der Wiener Maschinenfabrik Siegel trieben das Schiff an.
Um ausreichend große Schiffsschrauben verwenden zu können, ohne dadurch den Tiefgang zu erhöhen, wurden die beide Schiffsschrauben in Tunneln zu beiden Seiten des Kiels geführt, so weit mir bekannt ist, erstmalig weltweit. Leider ist dieses Detail bei einem späteren Umbau der LEITHA zum antriebslosen Elevator verloren gegangen.
Die Bewaffnung bestand aus zwei gezogenen 24-pfündigen Hinterlader-Marinegeschützen (15cm) System Wahrendorf der Mariazeller Eisenwerke in Gußwerk. Ein Original befindet sich in Budapest, zwei weitere in Gußwerk.
Die Panzerung sollte aus schmiedeeisernen Panzerplatten aus England bestehen. Eine österreichische Erfindung eines Verbundpanzers aus Schmiedeeisen und Stahl ergab aber bei geringerem Gewicht eine bessere Widerstandskraft, weshalb MAROS noch den englischen Schmiedeeisenpanzer erhielt und LEITHA den modernen österreichischen.
Um Gewicht zu sparen, hatten die Bordwände wenig Freibord. Dafür war aber das Deck stark gewölbt, heute noch ein deutlich sichtbares Erkennungsmerkmal, womit die für Maschine und Bedienung erforderliche Höhe geschaffen wurde.  Kommando- und Geschützturm (System Coles) wurden aus England bezogen. Der Geschützturm drehte sich um das Lager des Kommandoturmes.  Leider war die Passung des Geschützturmes schlecht, so dass die Bedienung sehr personalaufwändig war. Der runde Kommandoturm befand sich über dem Geschützturm und bot lediglich gegen Gewehrfeuer Schutz, der Steuerstand achtern davon in Mittellinie und war gänzlich ungeschützt, die Sicht nach vorne war durch den Kommandoturm begrenzt.
Trotz vieler Mängel, es war beispielsweise nicht möglich, das Feuer nach achtern zu richten, die Toiletten links und rechts vor dem Geschützturm mussten bei Gefechtsbereitschaft jeweils demontiert werden, keine leichte Bewaffnung, erhielt Österreich-Ungarn mit diesen beiden Schiffen die stärksten Einheiten auf der Donau, denen die anderen Anrainer erst zu Beginn des 20 Jh.  gleichwertige Einheiten entgegenstellen konnten.
In der Folge wurden Schiffe mehrfach umgebaut.
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S.M.S. LEITHA in der Werft Komarno während der Restaurierung 2010 (Foto: Klein)
1881 erhielt die LEITHA eine 25 mm-Palmcrantz- Mitrailleuse mit einer Lafette vorne und achtern und 1887 ergab ein Umbau jenen Bauzustand, der jetzt bei der Restaurierung erreicht werden soll. Die Toiletten wurden vom Vorschiff neben den Maschinenraum verlegt und auf sie wurde je eine vierläufige 25 mm Nordenfelt - Mitrailleuse mit blechernem Schutzschild gesetzt, die sowohl den Bug-, wie auch den Heckbereich bestreichen konnten.
Ein Generalumbau 1893 brachte eine erneuerte Maschinenanlage sowie eine neue schwere Bewaffnung mit zwei 12 cm-Schnellfeuerkanonen L/35 von Krupp. 1897 wurden die beiden Mitrailleusen durch zwei 47 mm Hotchkiss-Revolverkanonen ersetzt, die mit einem größeren Kaliber und Sprenggeschoßen eine deutlich bessere Wirkung im Ziel hatten. Im Krieg wurde am Heck noch eine ältere 7 cm L/45-Schnellfeuerkanone aufgestellt.

Militärischer Einsatz. Der militärische Einsatz vor dem WKI beschränkte sich auf eine Flottendemonstration vor Belgrad und eine aktive und verlustreiche Beteiligung an der Okkupation Bosniens. Die Monitoren wurden in der Save zur Unterstützung der Heereseinheiten eingesetzt und bildeten sie mit dem Spitalschiff TRAISEN I und dem Schleppdampfer TRAUN die "Save- Monitorgruppe" in Brcko. LEITHA beschoß am 12. September 1878 in Unterstützung der Operationen des 13. Armeekorps Brcko.
Mehr schlecht als recht ausgestattet und erhalten, begann für den Monitor, zu diesem Zeitpunkt immerhin schon 42 Jahre alt, 1914 der erste Weltkrieg. Eilig wurde sie ausgerüstet und dienstfähig gemacht und kam an der Save zu ersten Einsätzen. Trotz zahlreicher Beschädigungen überdauerte LEITHA den Krieg, wobei aber zur vertiefenden Lektüre auf Olaf Wulff (Flottillenkommandant der Donauflottille), "Die Donauflottille" verwiesen wird. 1917 wurde die LEITHA abgerüstet und in Budapest aufgelegt.

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Monitor LEITHA im St. Ilona-Arm in Neszmely (Foto: Klein)
Nach dem 1. Weltkrieg.
Im Verlauf des kommunistischen Putsches ab März 1919 wurde LEITHA nun als LAJTA wieder betriebsfähig gemacht und erst auf Seiten der "roten" Räteregierung Bela Kuhns und dann ab Juni 1919 auf der Seite der "Weißen" in der Gegenrevolution eingesetzt.  Ende Juni 1919 wurde sie erst in Baja und dann in Neusatz (Novi Sad) interniert und 1921 der Donaukommission zur Desarmierung zur Verfügung gestellt. 1921 gelangte sie nach Budapest und am 28. Jänner 1921 in die Werft Korneuburg, wo Waffen und Technik ausgebaut wurden.  Der nunmehrige Ponton wurde an die Budapester Firma Antal Fleischmann verkauft und in den Elevator JÓZSEF LAJOS umgebaut.
Ende der dreißiger Jahre änderte sich der Firmenname in "Delmár Emil, Walter és Tivadar építési vállalkozó Dunakotrási és Dunahajózási Vállalat". Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Elevator JÓZSEF LAJOS von der staatlichen Firma "Folyaszabalyozo es Kavicskotro Vallalat" (abgekürzt: FOKA) übernommen und unter der Bezeichnung FK 201 in Betrieb gesetzt. Viele Jahre baggerte sie Donauschotter aus den Bargen ans Ufer, bis 1981 Dr. Karoly Csonkareti und Prof. Fritz Prasky die FK 201 als LEITHA identifizieren konnten. Professor Prasky recherchierte die Geschichte der Donaumonitoren und auch dieser Bericht stützt sich im Wesentlichen auf seine Arbeit: "Donaumonitoren Österreich - Ungarns - Von 1872 bis zur Gegenwart" (Neuer Wissenschaftlicher Verlag, Wien, 2004, 224 Seiten, gebunden mit rund 240 s/w-Abbildungen.
ISBN 3-7083-0124-2, EUR 64,-).
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Im Inneren der LEITHA 2007 (Foto: Klein)
Mehrere Anläufe zur Renovierung des Schiffs misslangen und verebbten dann als Folge der politischen Veränderungen in Ungarn ganz, lediglich der Elevator-Aufbau wurde abgebaut und der Rumpf konserviert, bis 1988 der Zahnarzt und Shiplover Dr. András Margitay-Becht die Initiative zur Rettung des Schiffes ergriff. Als die FOKA 1992 privatisiert wurde und an die Schweizer "Holderbank Kies und Beton AG" ging, schien das Schicksal des ehemaligen Donaumonitors hoffnungslos!
Aber Dr. Margitay-Becht konnte seinen "Liebling" unter kräftiger Mithilfe des jetzigen ungarischen Außenministers Dr. János Martonyi gerade nochmals retten.  Jetzt hat Ungarn von der EU Geld für ein Projekt der Regionalförderung bekommen, das den Aufbau eines Schifffahrtsmuseums, eines Lehrzentrums für Binnenschiffer und eines Sommerlagers für die Shiplover in Neszmely, am rechten Ufer, bei Stromkilometer 1729, etwa 20 km unterhalb von Komarom, ermöglicht. Neben der LEITHA werden dort die Remorköre ZOLT AN (1869 Linz) und NESZMELY (ex BAKONY II, letztes in Ungarn gebautes Rad-Dampfschiff 1957), DEBRECEN ex KASSA (Fluss-See-Schiff 1939), PETÖFI ex SZENT LÁSZLÓ (1923), SOPRON (Kataraktenschlepper 1960), VÖCSÖK (Tragflächenboot 1963) zu sehen sein. Beteiligt am Projekt ist auch das neszmélyer Weinkombinat "Hill-Top", eine erste Empfehlung (http://www.  hilltop.hu/index.php). Das Projekt ist mit 370 Millionen Forint (ca. EUR 13,5 Mio.) aus der EU finanziert, 10% der Kosten werden von Attila Sztankó, Eigentümer der "Európa Schifffahrt Gesellschaft" (Europahajó Budapest, http://europahajo.  hu/europa-hajo) und Hill-Top aufgebracht.  Die Taufe der LEITHA als LAJTA, allerdings mit der korrekten deutschen Beschriftung, wird am 18. oder 19. August 2010, 138 Jahre nach der Indienststellung, die Gattin des ungarischen Staatspräsidenten vornehmen.
Ich wünsche der LAJTA (ex S. M. S. LEITHA), den anderen Museumsschiffen sowie dem gesamten Projekt immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel!
 
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