Heft bestellen - Die Geschichte von Dr. Twingo und Mr. Gordini
1993 wurde der Renault Twingo präsentiert, d.h. er wird heuer volljährig. Ein guter(?) Anlass, sich den französischen Kleinwagen (und was aus ihm wurde) näher anzusehen. Die Arbeitsteilung war wie immer: Wolfgang M. Buchta fährt und schreibt, Ulli Buchta photographiert.
Seit der Renault 4 CV im Oktober 1946 am Pariser Autosalon präsentiert wurde, hat Renault eine durchgehende Erfolgsgeschichte mit seinen Kleinwagen. Der Renault 4 CV wurde bis 1991 1,1 Millionen mal gebaut, eher er vom Renault 4 abgelöst wurde. Dieser Erfolgstyp wurde 21 Jahre lang gebaut und ist mit 8 Millionen Exemplaren bis heute der Bestseller unter den französischen Automobilen. 1972 stellte Renault dem R4 den R5 zur Seite, der insgesamt ein moderneres Fahrzeug als sein älterer Bruder war. Bis 1992 wurden beide parallel gebaut und 1996 wurde auch der R5 durch den Clio, der etwas gewachsen war, abgelöst. Nun, das Problem, oder sagen wir lieber Phänomen, kennen wir von allen Autoherstellern - das neue Modell ist meist etwas größer, schwerer, stärker und teurer - wahrscheinlich kaufen viele Kunden ihr Automobil nach Lebendgewicht oder Laufmeter und haben so das Gefühl, mehr Gegenwert zu bekommen. Wie auch immer, die Autofirmen erfüllen ihren Kunden diese Wünsche und dafür wachsen "unten" neue, kleine Fahrzeuge mit neuen, phantasievollen Namen nach. Die Entwicklung des Wagens, der 1992 als Renault Twingo - der Name ist ein Kunstwort aus "Twist", "Swing" und "Tango" und soll irgendwie Fröhlichkeit und Unbeschwertheit signalisieren - präsentiert wurde, begann in den 1980er Jahren als Nachfolger für den Renault 4.
Im Rahmen des Projekt VBG (Vehicule Bas de Gamme - etwas: Wagen am unteren Ende der Produktpalette) entstanden eine ganze Reihe von Typen X49 (1981-83), X44 (1983-84) und X45 (1984-85), 1986 entstanden unter der Federführung von Marcello Gandini resp. Gaston Juchet zwei Versionen der W60, Der von Gandini war der optisch ein dramatisch verkleinerte Renault Espace, denn Renault wollte die Erfolge mit dem ersten Europäischen Minivan ins Kleinwagensegment übertragen. Dann geriet das Projekt ins Stocken und wurde erst 1987 von Renault Präsident Raymond Levy unter dem Projektnamen X-06 wieder gestartet. Designdirektor Patrick Le Quement bekam die beiden 1:1 Modelle des W 60, ein Budget von 3.5 Milliarden Frances und den Auftrag "Mach‘ was draus!". Le Quement übergab das Projekt seinem Team, aber die vier Räder "an den Ecken" (so wie beim Mini) - der Radstand des Twingo war größer als der des insgesamt größeren Clio, die größere Spurweite vorne und der "liebe" Frosch-Blick sollen sein persönlicher wunsch gewesen sein. 1988 kam das Projekt noch einmal ins Schleudern, als firmeninterne Kritik laut wurde. Glücklicherweise setzte sich Le Quement durch und am 5. Oktober 1992 konnte ein Kleinwagen präsentiert werden, der einige pfiffige Neuigkeiten aufwies. Wie der klassische Mini hatte er ein zentrales Instrumentenpanel, die Farben waren, sagen wir einmal, mutig, die Rücksitze waren verschiebbar, d.h. zwischen Fußraum und Platz im Kofferraum konnte variiert werden und gegen Aufpreis gab es ein Faltschiebedach.
Gleich auf der Mondial de l‘Automobile konnte sich Renault über 2.240 unterschriebenen Verträgen freuen. Bis zur Produktionseinstellung im Jahre 2007 sollten der Kleinwagen 2,4 Millionen Käufer finden. Ehe aber die Produktion der ersten Generation des Twingo 2007 in Frankreich eingestellt wurde - in Kolumbien und Uruguay wird er bis heute produziert - bekam der Wagen noch drei kleinere Facelifts (1998 - lackierte Stoßstangen, 2000 - verbesserte Bremsen, etc. und 2004 - erkennbar am "Renault Rhombus" auf der Heckklappe) und eine Reihe von Sondermodellen. Im Oktober 1994 kam der Twingo Easy mit Automatic-Getriebe auf den Markt, im Oktober 1998 als "Initial" ein in der Ausstattung aufgewertetes Spitzenmodell. Der Twingo bekam viel Publicity, als er von Greenpeace als Basis für das Niedrigenergiefahrzeug Twingo Smile (small, intelligent, light and efficient) wurde. Weitere Sondermodelle - Kenzo, Summertime, Beach, ... - erschöpften sich in Austattungsdetails, neuen Farben und zusätzlichen Aufklebern im Namensschriftzug. Im März 2006 wurde der neue Twingo als Concept am Genfer Salon präsentiert und ein Jahr später als Serienmodell. Technisch basiert der Twingo II auf dem Renault Clio und wird in Novo Mesto, Slovenien gebaut. Der Twingo II ist gegenüber seinem Vorgänger deutlich (um 17 cm) gewachsen und generell "erwachsener" geworden. Das "Kindchenschema", das Le Quement einst dem Wagen spendiert hat, ist verschwunden. Dafür gibt es mehr Platz, mehr Sicherheit und - beim Spitzenmodell Twingo RS Gordini - beachtliche Fahrleistungen.
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