Home arrow Archiv arrow AC 2011/03 arrow Mercedes SLK - mit Spaß und Lust um Kurven oder "Schöner lockt keiner!"  
Donnerstag, 25. April 2024
Mercedes SLK - mit Spaß und Lust um Kurven oder "Schöner lockt keiner!" Drucken E-Mail
Geschrieben von Erich Hammerler   

Heft bestellen - Mercedes SLK - mit Spaß und Lust um Kurven oder "Schöner lockt keiner!"

Liebeserklärung zum 15. Geburtstag des R170 von Erich Hammerler.

 

ImageNun, da steht er also, der SLK der ersten Serie. Unberührt lasst der kleine Kerl mit viel Persönlichkeit und Eleganz kaum jemanden - und das auch noch nach fast fünfzehn Jahren.  Der ausgeprägte Keil mit der flachen, langen Schnauze und den lustigen Henkelohren seiner beiden Uberrollbügel signalisiert eine Botschaft, die da lautet: "Nichts wie raus aus dem Alltagstrott, aus der gewohnten Umgebung, aus der vertrauten Landschaft!" Denn noch nie zuvor wurden bei Mercedes-Benz faszinierendere vier Meter Automobil angeboten als im SLK.
Spontan hineinsetzen mochte man sich am liebsten und einfach gleich abhauen - und das ohne die Sicherheit einer bis ins Detail ausgearbeiteten Tourenplanung. Und wer sich als ein vielleicht doch etwas verschämter Zeitgenosse diese Spontanität nicht zutraut, der packe den SLK heimlich an seinen bereits oben erwähnten Henkelohren, zerre den kleinen Lausbuben um die nächste Straßenecke, wo einen niemand sieht, setze sich hinein und dann nichts wie ab! Und wohin? Eigentlich egal. Vielleicht auf die Dopplerhütte, auf den Buschberg, zum Hainburger Braunsberg, hinauf ins skandinavisch anmutende nördliche Waldviertel oder ins kurvenreiche Land um den "König" Ötscher herum: einfach weg aus dem Mief der grauen Vernunft und hinein in die Vielfalt bunter Abwechslung einer neuen Lebensfreude.
Man reist zeitlos und gedankenverloren und selbstvergessen vor sich hin und entdeckt dabei die Gerüche der eigenen Kindheit wieder: den Duft frisch gemähter Wiesen, jenen der schon ziemlich selten gewordenen Misthaufen der Bauernhöfe ebenso wie den Morgenduft der wabernden Nebelschwaden über den weiten Niederungen des burgenländischen Seewinkels.
Aber was - bitte schön - hat das nun alles mit dem SL K zu tun? Zu recht kann man kritisch betrachtet anmerken, dass diese Erfahrungen auch mit jedem anderen x-beliebigen Roadster oder Cabrio erlebbar sind. Aber noch nie zuvor gab es einen "Stern", mit dem das Ziel des Weges begehrenswerter war als im SL K und auch nie zuvor gab es einen, in dem die Beschränkung auf das Notwendigste leichter gefallen wäre als in diesem kleinen Sportler.
Das mitunter launische Wetter in unseren Breitengraden ist keine echte Ausrede: man betätigt sich einfach als Maschinist des genialen Cabriodaches und der bezauberndste Himmel dieser Welt breitet sich nach rund 20 Sekunden in seiner grenzenlosen Fülle uber einen aus. Man ist schlagartig fröhlich und locker, fühlt sich schlichtweg entspannt: vermutlich war noch nie zuvor ein Mercedes so jung wie dieser ...
In und an diesem Auto stimmt einfach alles. Das fängt mit dem Betrachten an, geht über das Hineinsetzen weiter und hört beim Fahren einfach nicht auf: ein 38 Zentimeter kleines, handvernähtes Lederlenkrad mit bunten Huptasten und ein farbiges, fröhliches Armaturenbrett - und das in einem Mercedes ...
An die modischen Trends der dreißiger Jahre erinnern das Firmenlogo mit Stern und Lorbeerkranz in der Airbagmitte, ebenso wie die chromeingefassten Instrumente mit elfenbeinfarbenen Ziffernblättern und schwarzen Zahlen.  Die Hand fällt automatisch auf den extra fur den SLK entworfenen Sportschalthebel Marke "Hundeknochen", mit einer Gelenkkugel oben drauf: man bedient ein Getriebe, das sich beispielhaft angenehm und exakt schalten lasst.  Nach den ersten Kurven ist man vom Handling echt beeindruckt, und das selbst dann, wenn man - so wie der Autor dieser Zeilen - von früher her noch die hohen Standards von gut liegenden und agilen Wettbewerbsautos gewohnt ist. Das spontane Einlenken ohne auch nur irgendwelche nervöse Reaktionen, die selbstverständliche Art und Weise, wie dieser kleine "Stern" sagenhafte Querbeschleunigungen in Kurven aufbaut - dies alles weiß wirklich voll und ganz zu begeistern.  Die Kurven zwischen Klausenleopoldsdorf und dem "Schusternazl", die Fahrt hinauf vom Tullnerfeld zum Tulbinger Kogel oder auch von Mauerbach zur Sophienaipe geraten zu ausgesprochenen Lustveranstaltungen. Da taumelt und schiebt nichts, man fahrt einfach locker und entspannt und erfreut sich am puren Autofahren.  Selbst die manchmal geschmähte Kugelumlauflenkung zeigt sich hier im SLK von ihrer besten Seite, so dass man eine Zahnstangenlenkung gar nicht wirklich vermisst.
ImageLenken, Bremsen, Beschleunigen, Schalten - in manchen Autos sonst eher lästig - macht im 170er echt Spaß ohne Ende. Die quirlige Behändigkeit, mit der man mit dem SLK von der einen Kurve in die nächste wiesein kann, ohne feuchte Hande zu bekommen, sucht im großen Feld des automobilen Angebots nach seinesgleichen.  Wenn der Begriff "handling" ein Wortverwandter von "handlich" ist: Hier erlebt man, warum.  Im R170 macht nicht nur das Fahren einen ungetrübten Spaß, sondern ebenso - stets von immenser Wichtigkeit - das Bremsen. Auch hier zaubert die kleine Wundertüte neue Maßstäbe uber die bisherigen Mercedes-Erfahrungen hinaus - dank der Bremsanlage mit innenbelüfteten vorderen Scheiben, die aus der wesentlich schwereren E-Klasse stammen.
Michael Mauer, jener smarte Karosseriezeichner, aus dessen Feder das "schönste Auto der Welt" stammte, outete sich während der Woche, in der der SLK R170 1996 in der italienischen Toskana der Weltpresse vorgestellt wurde, selbst als Süchtiger. "Als alle Journalisten weg waren bin ich unsere Strecken noch einmal alleine abgefahren, ganz einfach aus Spaß und Freude am Fahren", erzählte er begeistert und mit strahlenden Augen, ohne deshalb gleich den wohlbekannten Slogan von BMW kopieren zu wollen; dafür kam die Äußerung einfach viel zu spontan aus diesem seinen berufenen Mund.
Der SLK der ersten Serie: das ist die völlig zeitgemäße Wiederauferstehung der automobilen Ästhetik der englischen Roadster aus den Sechzigern - nur dass die Freiheit unter dem Himmel nicht - wie damals - mit einem spartanischen Gesamtkonzept bezahlt werden muss. Hier hat man es mit einem Kraftpaket für die Zweisamkeit zu tun, das so außergewöhnlich wie auch alltagstauglich ist, so schnittig wie komfortabel, so sportlich wie sicher ...
 
< voriger Eintrag   weiter >