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Freitag, 26. April 2024
Der Motorradsport im Österreichischen Bundesheer der Ersten Republik Drucken E-Mail
Geschrieben von Walter Blasi   

Heft bestellen - Der Motorradsport im Österreichischen Bundesheer der Ersten Republik

Text & Bilder: Walter Blasi

 

ImageSport und Militär schließen sich nicht aus - ganz im Gegenteil, diese enge Verbindung wird in allen Armeen gelebt. So war es auch im österreichischen Bundesheer der Ersten Republik.  Bereits Ende 1921 kam es zu ersten Gründungen von Sportclubs einzelner Truppenkörper und Garnisonen, die sich lokaler (sportlicher) Bedeutung erfreuten und rasch vermehrten. Im Heeresministerium erkannte man bald die Bedeutung der freiwilligen Sportaktivitäten der Soldaten. Es wurde nicht lange überlegt und man ging daran, diese in einem alle Garnisonen umfassenden Sportverband zu kanalisieren und möglichst zweckdienlich zu gestalten. Als Ergebnis wurde 1930 der Österreichische Heeresportverband (Oe.H.Sp.V.) ins Vereinsregister eingetragen.
Schwerpunktmäßig konzentrierte sich der Oe.H.Sp.V. auf die Bereiche Alpinistik, Boxen, Fechten, Fünfkampf, Fußball, Handball, Kraftsport (Stemmen), Leichtathletik, Motorsport, Radfahren, Ringen, Wassersport (Rudern/ Schwimmen/Zillenfahren), Segelflug und Schisport.  Was den Motorradsport betraf, fand sich im Jahre 1928 unter den sportlichen Aktivitäten des Bundesheeres eine Reihe von Wettbewerben, darunter "Motorfahren". Dieses wurde als "vereinfachtes Gymkhana (Hindernis- und Geschicklichkeitsfahren)" beschrieben. Für den Geschwindigkeitsrausch hatte man nichts übrig, denn es wurde extra "Wettfahren haben zu unterbleiben" angeordnet.

Freiwillige Ausbildungsfahrten. Motorradrennen lagen auch nicht im Sinne der Motorradsektion des Heeressportverbandes. Diese bat das Heeresministerium für ihre im Mai 1932 unter der Leitung von Oberstleutnant Dr. Oskar Regele beabsichtigte freiwillige Motorradübung im Raum Korneuburg, Hollabrunn, Krems, Melk und St. Pölten um Unterstützung, und zwar in Form eines dreitägigen Sonderurlaubes und dem Tragen der Uniform samt Feldausrüstung, also Stahlhelm, Feldkappe, Rucksack, Leibriemen mit Bajonett und einer Faustfeuerwaffe.
Überdies sollten zehn Teilnehmer vom Wiener Infanterieregiment Nr. 4 "Hoch- und Deutschmeister" ihre Gasmasken mitnehmen dürfen. Weiters wurde um die Erlaubnis in Kasernen zu nächtigen und um Teilnahme an der Truppenküche ersucht. Die Teilnehmer sollten im Boten- und Meldedienst sowie im Fahren ohne Karte und unter schwierigen Verhältnissen geschult werden. Solche freiwilligen Ausbildungsfahrten erfreuten sich offenbar großer Beliebtheit, denn es nahmen insgesamt 108 Militärpersonen - vom Offizier bis zum einfachen Soldaten - einschließlich eines Zivilbediensteten daran teil. Sogar drei Kavalleristen tauschten den Pferdesattel gegen einen Motorradsitz.
1932 veranstaltete die Motorradsektion für ihre Mitglieder am 15. und 16. Oktober 1932 ihre erste "Militär-Orientierungsfahrt" für Motorräder mit und ohne Beiwagen. Für die Teilnehmer bestand Uniformzwang sowie "Adjustierung Bajonett mit Überschwung". Ein Fahrerwechsel war nicht gestattet und zog den Ausschluss nach sich. Selbstverständlich musste jeder Fahrer im Besitze der behördlich vorgeschriebenen Dokumente sein.
Die Veranstaltung wurde in 3 Etappen abgewickelt: Fahrt von Wien nach Steyr (mit Nächtigung; man bedenke: Damals gab es noch keine Westautobahn und die Strengberge waren auch noch nicht entschärft). Für ein Eintreffen nach 1 Uhr morgens kassierte man 30 Schlechtpunkte und nach 2 Uhr Eintreffende wurden nicht mehr gewertet. Am nächsten Tag ging es von Steyr zurück nach Wien und im Anschluss daran war eine Querfeldeinfahrt im Gelände zu absolvieren (im Überschwemmungsgebiet bei der Stadlauerbrücke). Beim Geländefahren war eine 1 km lange, abgesteckte Strecke auf "unebenen Terrain über Sand, Kieselschotter, Geröll und Wasser, schließlich ein Steilhang mit ca. 30-40 Grad Steigung in einer Länge von 6-7 m" zu bewältigen.  Diese Strecke musste innerhalb von 5 Minuten befahren werden.
Auf den Etappen waren jeweils - vorher nicht bekannte - Aufgaben zu bewältigen; bei Zeitüberschreitungen oder Fehler (im Geländefahren) wurden Schlechtpunkte vergeben; bei Zeitunterschreitungen konnten dagegen Gutpunkte erworben werden. Teilnahmeberechtigt waren nur Mitglieder des Heeressportvereines ("Für dieselben besteht Uniformzwang, Adjustierung Bajonett mit Überschwung"). Es gab 3 Wertungsklassen: Motorräder mit Beiwagen, Motorräder ohne Beiwagen bis 350 cm³ Hubraum und Motorräder ohne Beiwagen über 350 cm³ Hubraum. Und es wurde an den Sportsgeist der Teilnehmer appelliert, denn "Abkürzung der Strecke, sowie jede unmilitärische und unsportliche Handlung zieht den Ausschluss aus der Konkurrenz nach sich".

ImageDie Fahrt auf die Rax. Ebenfalls 1932 (vermutlich im August) erfolgte eine besondere sportliche Leistung zweier Soldaten. Aber lassen wir den einen der Motorsportler selbst schildern: "Von dem Gedanken geleitet, als Soldat eine Leistung zu vollbringen, die unter den gegebenen Umständen von Anderen bisher wohl versucht aber nicht erreicht wurde, reifte in mir der Entschluss mit dem Motorrad ins Hochgebirge vorzudringen und so die Verwendbarkeit desselben auch auf nicht normalen Wegverhältnissen, welche Verwendung speziell vom militärischen Standpunkt von großer Bedeutung ist, zu beweisen und auch praktisch zu erproben. Um nun vor der Durchführung von Überquerungen unserer Hochalpen selbst auch die notwendigen praktischen Erfahrungen zu sammeln, erschien mir der Versuch mit dem (Motor-)Rad das Raxplateau zu erreichen am geeignetsten. Nach Erteilung der Bewilligung aller maßgebenden Stellen wurde die Fahrt am 9. August 1932 als Motorradpatrouillenfahrt durch Zugsführer Karl Beyer des IR 2 und Gefreiten Hans Schneider (dem Verfasser dieser Zeilen; Anm.d.Verf.) des IR 3 auf eigenen Motorrädern und zwar Ersterer auf Panther 600 und Letzterer auf Ariel 500 durchgeführt und das Raxplateau um ca. 11 Uhr glücklich und ohne Zwischenfälle erreicht. Es ist dies das erste Mal, dass ein Motorrad ohne fremde Hilfe und ohne jedes technische Hilfsmittel, also nur der gelegentlichen Mithilfe des Mitfahrers das Raxplateau erreicht hat. Es ist bis zum heutigen Tage nur einem Zivilisten geglückt, mit dem Motorrad das Plateau zu erreichen, doch wurde dasselbe über die schwierigsten Stellen einfach von Hilfsleuten unter Zuhilfenahme von technischen Hilfsmitteln getragen, während alle anderen Versuche im letzten Drittel der Strecke scheiterten.
Als Ausgangspunkt wurde das Preiner Gscheid an der Strasse Prein-Kapelln gewählt. Von der Straße bis zum sogenannten Liechtensteinfelsen auf dem Schlangenweg wurden für diese 3 km lange halbwegs gut fahrbare Straße 10 Minuten benötigt. Von dort beginnt nun dieser Touristenweg in vielen Serpentinen und mit äußerst steilen und unebenen Kehren den Berg hinanzuführen.  Die Steigungsverhältnisse boten in Anbetracht der schweren Maschinen nicht den geringsten Widerstand umsomehr aber die geradzu unmöglichen Wegverhältnisse an den einzelnen Wegstücken. Während Teile mit tiefen und kindskopfgroßen Felsstücken bedeckt waren und sich das Hinterrad einfach eingegraben hat und mit ungemein großen Strapazen für Fahrer und Mitfahrer wieder flottgemacht werden musste, trat an anderen Stellen wieder der blanke Fels in Rinnen und Höckern zutage, was wieder ein Hängenbleiben mit dem Motorblock zur Folge hatte, somit ebenfalls zur Seite gestellt oder darüber gehoben werden musste. Bemerkt muss werden, dass dieses Heben sich lediglich auf nur meterlange Stücke beschränkte und ohne jedes technische Hilfsmittel vom Mitfahrer bewerkstelligt wurde, während der Fahrer auf der Maschine blieb und mit der Motorkraft die Vorwärtsbewegung leitete. Die gesamte Fahrt wurde einzig und allein mit Motorkraft geleistet.
ImageDie Abfahrt erfolgte um 8 Uhr 15 und erreichten wir um 11 Uhr das Karl Ludwighaus.  Die benötigte Gesamtzeit beinhaltet somit die Aufenthalte zwecks fotografischen Aufnahmen wie auch Wiederflottmachen der eingesunkenen Maschinen und Rasten. Es zeigte sich, dass die von uns verwendeten Maschinen sich infolge des allzu geringen Bodenabstandes (ca. 10 cm) sich für derlei Zwecke nicht eignen und ist nach den gemachten Erfahrungen mit einer leichten Maschine mit dem entsprechenden Bodenabstand, da wir in diesem Falle nicht ein einziges Mal hängen geblieben wären, die Auffahrt in einer Stunden glatt durchzuführen".
Die weiteren Fahrten am Plateau wurden ohne Schwierigkeiten bewältigt. Schneider schildert auch die Abfahrt: " ... wurde um 15 Uhr 30 angetreten und nach einer Fahrt von 55 Minuten um 16 Uhr 25 ohne Zwischenfall das Preiner Gscheid erreicht. Während die Bergfahrt ungeheure Anstrengungen an Maschine und Fahrer stellte, kamen bei der Talfahrt noch die mannigfachen Gefahren wie Abgleiten der Maschine und Havarie und nicht zuletzt bei einem eventuellen Abgleiten der Absturz überhaupt hinzu.  Die Abfahrt verlangte äußerste Kaltblütigkeit, zielbewusste Beherrschung der Maschine, in jeder Lage erstklassige Bremsen und auf alle Fälle nur schrittweises Fahren mit Zuhilfenahme des Motors als Bremse und kam, wenn alles dieses in Betracht gezogen wird, mit voller Sicherheit jeder Unfall verhindert werden.
Eine besonders erfreuliche Tatsache war die überaus herzliche Anteilnahme der Ziviltouristen, die uns beim Erreichen der Hütte einen sehr herzlichen Empfang bereiteten, nachdem sie seit langer Zeit den Verlauf unserer Fahrt mit großem Interesse verfolgten, trotzdem sich jeder Tourist ja im Prinzip auf alle Fälle gegen derlei Unternehmungen stellt. Auch die herzlichen Glückwünsche und besorgten Äußerungen bei der Abfahrt zeigten wieder einmal, dass der Soldat des Bundesheeres überall gerne gesehen ist."
Die Motorräder, mit denen die Raxfahrt absolviert wurde, waren, wie der Autor des Berichtes selbst schreibt, alles andere als geeignet für ein solches Unternehmen. Die englische "Panther 600" (leider ist nicht genau bekannt welche Ausführung) erfreute sich Anfang der 30er Jahre gerade in Österreich großer Beliebtheit; es waren gute, standfeste und doch temperamentvolle Touren-Sportmaschinen. Sie hatte eine Leistung von entweder 22 (Standard) oder 25 PS (Redwing), ein Gewicht von 182 kg und eine Bodenfreiheit von 13 cm. Auch die englische Marke "Ariel" erfreute sich vielerorts besonderer Beliebtheit.  Von der "Ariel 500" (auch in diesem Fall ist das genaue Modell unbekannt) wurden in den späten 20er und beginnenden 30er Jahren mehrere Ausführungen angeboten. Die Leistungspalette reichte von 20 bis 27 PS.

ImageDie "Todesspringer".
Kopf und Kragen riskierte neben 2 anderen Kameraden der Feldjäger Leopold Schwarz. Sie sprangen mit voller Rüstung als lebende Fackel mit und ohne Kraftrad von der Stadion- oder Rotundenbrücke vor Tausenden von Zuschauern in den Donaukanal. Alle 3 Soldaten erlangten mit ihren kühnen Sprüngen nationalen Ruhm. Im Juli 1936 kam es bei einer Sportschau im Rahmen der Zillenmeisterschaft auf der Donau zu einem Aufsehen erregenden Zwischenfall. Leopold Schwarz, Angehöriger des Wiener Kraftfahrjägerbataillons Nr. 4, führte in voller Montur auf dem Motorrad (es dürfte sich dabei um eine Puch 250 gehandelt haben) aus 6 m Höhe einen so genannten Todessalto aus.  Unter Wasser blieb er mit dem Karabiner hängen.  Schwimmer mussten nach ihm tauchen und erst nach bangen Minuten konnte er erschöpft in die Rettungszille gezogen werden. Die Illustrierte Kronenzeitung vom 7. 7. 1936 widmete dem fast ins Auge gegangenen Todessalto von Schwarz die Titelseite.
Soldaten des Ersten Bundesheeres traten nicht nur als Akteure auf, vielmehr unterstützte das Heer vielfach motorsportliche Veranstaltungen in Form von der Beistellung von Soldaten als Streckenposten, Zeitnehmer usw.
 
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