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Freitag, 29. März 2024
Autokauf in England Drucken E-Mail
Geschrieben von Andreas Oberweger   

Heft bestellen - Autokauf in England - Gut is’ gangen, nix is g’schehn!

Soeben bin ich mit meinem Oldtimer wieder in der heimatlichen Garage angekommen. Herrliches Wetter, müde nach 6 Stunden Fahrt, kurzen Nächten und von der Anspannung. Ja, Anspannung, denn diese Ausfahrt war "ihre" Feuertaufe.  Klassische Automobile werden in England als "she" angesprochen. The old Lady has done a fine job!  Doch alles der Reihe nach ...

Text: Andreas Oberweger
Photos: Oliver Kepplinger

 

ImageAuf der Suche nach einer passenden Ergänzung in meiner Oldtimergarage bin ich vor ein paar Monaten vom Virus eines Vorkriegs-Oldies infiziert worden. Nach Studium von Teilnehmerlisten verschiedener Rallyes (Wer und Was fährt Wo mit?), nach Lektüre verschiedener Zeitschriften ist mein Entschluss fix: Ein Engländer mit Stil und Leistung soll es sein, nicht so ein schwachmatischer Franzose oder Deutscher mit höchstens 4 Zylindern, kein offener Tourer, wie ihn "jeder" hat, sondern ein ausgewachsener Saloon.  Gehobene Mittelklasse würde man heute sagen.
Es folgt erfolgloses Suchen auf österreichischen und deutschen Internetseiten und schnell lande ich auf den einschlägigen englischen Internetseiten und ich staune über das sehr große Angebot verschiedenster privater und gewerblicher Angebote offenbar recht schöner und auch teilweise günstiger Autos. Noch bin ich ziemlich offen und von Sunbeam über Morris, Daimler bis Lancaster und Singer sind einige Autos dabei, die in die engere Wahl kommen.
In Tulln sehe ich auf dem Stand des Rover Club Austria dann noch einen wunderschön restaurierten P2, genauer, einen Rover 14HP Saloon, dessen elegante Form, das imposante Erscheinungsbild eines offensichtlich komfortablen und gut ausgestatteten Oberklassefahrzeugs sich mir deutlich einprägt.
Zeitsprung. Plötzlich geht alles relativ schnell, eine Woche Zeit ist verfügbar, ein Autotransporter ist zu vernünftigen Kosten erhältlich, das britische Pfund hat einen günstigen Kurs, ... also los!
Meine Bank reagiert prompt, als ich den Kaufauftrag für eine beträchtliche Menge englisches Bargeld gebe, die günstigste Fährverbindung nach England wird gebucht und auch ein sachkundiger Beifahrer ist gefunden.
Beim Versuch, Termine mit verschiedenen Verkäufern zu vereinbaren, muss ich feststellen, dass der englische Markt scheinbar im Sommer 2011 ziemlich aktiv ist, einige der interessanten Fahrzeuge sind bereits verkauft. Die Auswahl nach meinen Kriterien ist jedoch groß und ich kann Termine mit 7 Anbietern ausmachen, von der Nähe zu London bis hinauf nördlich von Glasgow.  Bei der Abholung des Autotransporters stellt sich heraus, dass das Fahrzeug neben leichtem Kühlwasserverlust eigentlich einen Turboschaden hat und zeitweise ins Notprogramm geht.  Dieses Thema wird uns noch die ganze Reise begleiten, an der Stelle aber keine weiteren Worte darüber.
ImageUnser Zeitplan für die Reise ist engagiert aber zu schaffen, sofern sich keine größeren Probleme ergeben. Letztlich hatten wir durch Staus, gesperrte Autobahnen und den defekten Turbo doch diese gröberen Probleme, was zu insgesamt zwei Nächten im Auto führt, um letztlich pünktlich wieder nach Hause zu kommen.
Zu unseren Terminen: Kurz zusammengefasst zeigt sich wieder, dass die Standards in England und auf dem Kontinent durchaus unterschiedlich sind. Patina, Verschleiß, Gebrauchsspuren sind Teil der Autos. Restaurationen sind zum Teil abenteuerlich unprofessionell, es finden sich aber auch höchst interessante Autos in wunderschönem Zustand. Alle Autos haben gelebt und zeigen dies. Mir ist das lieber als ein perfekt zu Tode restauriertes Auto, dem man aus der Ferne schon den Neuwagenstatus ansieht. Die Autos sind jedenfalls in den seltensten Fällen "geschminkte Leichen", wie sie auf dem Kontinent doch öfter angeboten werden, sondern ehrlich.
Englische Verkäufer sind übrigens Poeten und die Beschreibung ihrer Autos verspricht das sprichwörtlich Blaue vom Himmel. Nach dem zweiten Termin war uns dieser sprachliche Unterschied bewusst und unsere Erwartungshaltung deutlich gedämpft.
Im Overall, bewaffnet mit Taschenlampe, Magnet, Stethoskop und anderen Utensilien durften wir jedes Auto eingehend prüfen und fahren.  Oft ist die Mechanik stark verschlissen (Lenkspiel 1/8-Umdrehung, Vorwahlgetriebe die nicht schalten, starke Laufgeräusche), oder die Lackqualität ziemlich schlecht (im Garten bei Sandsturm lackiert). Es gibt aber auch zum Beispiel einen Morris Oxford Baujahr 1930 um ca. GBP 13.500, der auch aus der Nähe wunderschön aussieht, sich trotz ca. 27 BHP gut fahren lässt und rundherum sehr gepflegt dasteht.  Oder einen Daimler 15 um rund 8.000 Pfund, dessen Mechanik und Ausstattung wirklich einwandfrei sind, aber der erste Rost nach der Restaurierung vor 25 Jahren wieder zu bekämpfen ist und dessen Elektrik eher vom Hauselektriker stammt.
ImageNegative Beispiele sind zwei Autos, von denen eines auch in einer anderen Zeitschrift genannt worden ist: ein Wolseley 18/80, dessen Maschine zwar zieht wie ein Büffel, aber sonst so ziemlich alles "fertig" ist, was mechanisch Probleme bereiten kann. Von zahllosen fehlenden Teilen und Funktionen abgesehen. Und ein anderer, rot/schwarz lackierter Daimler 15 aus 1934 mit gebrochener Blattfeder, ausgeschlagener Lenkung und Ölverlust an allen Stellen, an denen Öl drinnen sein kann um 13.000 unverhandelten Pfund. Wir lehnen dankend ab.
Ein Händlername wird uns immer wieder genannt, jener von D. T. Mathewsons in Thorntonle-Dale.
Auch wir haben die Absicht, uns dort ein Fahrzeug anzusehen, nämlich einen Rover 16 HP Saloon mit Baujahr 1938. Wir erreichen den kleinen Ort in North Yorkshire, in dem die ehemalige Tankstelle und Werkstatt die Hauptstraße dominiert. Heute ist D. T. Mathewsons ein Museum mit angeschlossener Werkstatt und Fahrzeughandel. Neben den Verkäufen über Auktionen vor Ort kann man auch sozusagen das Museum kaufen. Wir finden "unseren" P2 mitten im Museum und beginnen zwischen den Museumsbesuchern unsere übliche Inspektion: Das Auto wurde vor ca. 10 Jahren restauriert und offenbar seither nicht mehr benutzt. Am Unterboden finden wir neue Schrauben und Beilagen ohne Schmutz und Rost, das Leder sieht top aus, die Instrumente sind komplett, der gesamte Kabelbaum aus gewebeummantelten Leitungen ist neu und ist das Einzige, was auf Gebrauch des Motors hinweist sind Spuren von Treibstoff rund um den Vergaser. Gut gemacht, aber nicht perfekt.  Wir sind uns einig, einzig Kratzer in den Fenstern stören das Erscheinungsbild des besten Autos, das wir bisher gesehen haben.
Wenn man genauer schaut, sieht man Flecken vom Kontaktkleber, kleinere Lackschäden (durch Rangieren oder Besucher im Museum) und eine nicht 100% angepasste Motorhaube.  Wäre das Auto noch originaler (z. B. Leder) oder besser im Detail, wäre der Preis um gut ein Drittel höher.
Damit kann ich leben und in Relation zum deutlich höchsten Preis aller Autos ist es der mit Abstand beste Zustand eines Autos. Den prominenten Vorbesitzer, Alexander Frederic Earl of Home, späteren englischen Premierminister, bekomme ich als "Zugabe".
ImageFür die Probefahrt sollen wir am nächsten Tag wieder kommen, Schlüssel für andere Autos, die im Weg stehen, lassen sich nicht finden. Unser Zeitplan gerät wieder einmal in Gefahr, aber wir geben die Hoffnung nicht auf. Am nächsten Tag gegen 18:00 stehen wir wieder vor dem Geschäft und David Mathewson fährt mit uns durchs Dorf. Erstmals können wir von Federungskomfort sprechen, Oliver auf dem Rücksitz fliegt nicht gegen die Decke! Ganz rund läuft der Motor nach der langen Standzeit nicht, eher zu fett, aber er zieht kräftig, David wechselt die Gänge mit Nachdruck und aus dem Antriebsstrang sind keine Geräusche zu hören. Ich freue mich, Platz zu tauschen und selbst zu fahren ... Schwergängig ist die Lenkung, sehr sogar, und die Sitze bieten keinerlei Seitenhalt als Unterstützung.
Bis auf die ungewohnte Lage der einzelnen Gänge ist das Schalten keine Herausforderung, die Kräfte sind angemessen. Dennoch bin ich mir sicher, "mein" Fahrzeug gefunden zu haben, ein Rover P2 in seiner damaligen Topmotorisierung soll mir gehören.
Beim Vertragsabschluss habe ich das Gefühl, David will mir das Auto eigentlich gar nicht verkaufen.  Viele seiner Autos kommen und gehen, dieses würde durch den Export nach Österreich sicher nicht wieder kommen. Erst die Zusicherung, dass es in eine bereits mit anderen Rovern durchsetzte Umgebung kommt, kann ihn bewegen, einzuschlagen. Feilschen? Fehlanzeige! Ich lege meine Bündel an 50-Pfund-Scheinen auf den Tisch und bekomme eine 5-Pfund-Note auf den angeschriebenen Kaufpreis zurück.
Um 20:00 ist das Auto letztlich auf unserem Transporter verzurrt und wir starten in die Nacht. Uns trennen noch ca. 450 Meilen von Dover. Es gilt die Fähre um 4 Uhr zu erwischen.  Dass der Turbo am nun beladenen Transporter nun fast vollständig kollabiert, macht die Sache nicht einfacher.
ImageWir erreichen Braunau ohne weitere Probleme, wo wir meinen Rover abladen und den Transporter zurückgeben. Die 120 km durch die Nacht und auf eigener Achse bis Linz sehe ich als erweiterte Probefahrt. Rechtlich kein Problem, der Rover besitzt noch eine gültige Zulassung und Versicherung, die Steuern sind bis 2012 bezahlt.
Ich schaffe es nicht, die Instrumentenbeleuchtung einzuschalten und so fahre ich nach Gefühl nach Hause. Daheim angekommen meint mein Begleiter im modernen PKW nur, ich sei gefahren wie die sprichwörtliche Wildsau. Nachdem ich niemanden überholt habe und Wildschweine keine Radarstrafen bekommen, habe ich kein schlechtes Gewissen deswegen, sondern freue mich über 60 BHP Leistung und die pannenfreie Ankunft daheim.
Für mich steht der Umbau von den funktionierenden Winkern auf Blinker an ... also, mit dem korrekten Finish der Elektroarbeiten hatte es der Restaurateur nicht so wirklich ... Dafür beinhaltet der Kabelbaum bereits die vollständigen Leitungen für die Blinker. Nach einem Abend in der Garage sind die Umbauarbeiten erledigt.  Typisierung, NoVA-Befreiung und Anmeldung sind "Formsache" und in 3 Stunden erledigt.  Die mechanischen Bremsen ziehen mit weniger als 2% Unterschied, alle Gelenke sind spielfrei, Licht und Hupe funktionieren, keine weiteren Probleme.
Wo liegt eigentlich die Grenze zwischen Mut und Übermut?
Teil des Zeitplans war es auch, den neuen Rover bereits am Wochenende nach dem Import für die Hochzeit eines Freundes zu verwenden.  Die Trauung findet in Bratislava statt, "nur" 250 km von Linz entfernt. Eh klar, dass ich auf eigener Achse anreise, denn ein Rover, "One of Britain’s Fine Cars" muss das aushalten, oder etwa nicht? Er hat es ausgehalten, 500 km hin und retour pannenfrei! Damit schließt sich der Kreis, damit wissen Sie, lieber Leser, was ich am Anfang gemeint habe. Mit jedem Kilometer ist das Auto freier gefahren, hat leichter Gas angenommen, ist leichtfüßiger geworden. Dennoch, ein Sportwagen wird mein P2 nicht werden und das Lenkverhalten der Diagonalreifen muss einfach bei der Linienwahl einkalkuliert werden.
ImageDass ein Auto nach so langer Standzeit aus allen Poren Flüssigkeiten verlieren kann, habe ich erwartet, die Mengen an Öl und teilweise Benzin haben mich aber überrascht.  Somit steht als nächste Arbeit eine Inspektion des Vergasers auf dem Programm. Über den Winter werden noch die üblichen Wartungsarbeiten erledigt werden, ein paar Zubehörteile, wie der berühmte Vikingerkopf als Kühlerfigur ergänzt und dann kann die Saison 2012 auch schon kommen. Das internationale Rover-Treffen in der Schweiz ist jedenfalls schon im Kalender eingetragen! Meine Liebe zu meinem neuen Oldtimer ist bereits gefestigt und bis dahin werde ich mich auch schon an den Gruß der Rover Fahrer gewöhnt haben.
In diesem Sinne, nicht gute Fahrt, sondern happy Rovering.
 
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