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Samstag, 20. April 2024
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Geschrieben von Alexander Korab   

Heft bestellen - Rennsport Einsteiger-Formeln - Kleine Formeln

Die Geschichte der Einsteiger-Formeln und ein Portrait des Lotus 51 Formel Ford von Alexander Korab

Text & Photos: Alexander Korab

 

ImageDie wohl erfolgreichste und beliebteste Monoposto-Rennserie nach der Formel 1 war die Formel Ford. Für die kleinen, mit 1600er-Ford-"Kent"-Motoren ausgestatteten Autos wurden von 1967 bis Mitte der 90er Jahre in vielen Ländern und auf allen Kontinenten Meisterschaften ausgetragen. Mehrere Formel-1-Weltmeister, darunter Emerson Fittipaldi, Nigel Mansell, Ayrton Senna, Michael Schuhmacher und Mika Häkkinen starteten ihre Karriere in der Formel Ford.
Zu allen Zeiten des Motorsports war es schwierig einen der wenigen und sehr begehrten Sitzplätze in einem Grand-Prix-Rennwagen zu ergattern.  Schon in den 20er und 30er Jahren versuchten kreative Köpfe mit geringem Kapitaleinsatz und sogenannten "Specials"-Rennwagen, die zu einem hohen Prozentsatz aus seriennahen Teilen bestanden - bei den Großen mitzumischen. Um die Kostenexplosion einzudämmen, welche mit dem Ehrgeiz einhergeht, bildeten sich Vereinigungen, die Rennen nach eigenen Regeln veranstalteten.  Eine jener Initiativen war der 1939 in England gegründete "750 Motor Club", der bei seinen Bewerben nur Fahrzeuge zuließ, die auf dem winzigen Modell "Seven" von Austin basierten.
Kurz nach dem Krieg fanden sich einige rennbegeisterte Mitarbeiter der Bristol Aeroplane Company im "Club 500" zusammen. Hier sollte alles zugelassen sein, was vier Räder hatte, solange das Hubraumlimit von 500 ccm nicht überschritten wurde. Bis zum Jahr 1947 war die Zahl jener minimalistischen Rennwagen mit Motorradmotoren auf 16 Stück angewachsen, was schließlich die Ausschreibung einer eigenen 500er-Klasse rechtfertigte.
Unsere Geschichte der Einsteigerformeln beginnt 1950, als in Paris ein internationales Formel- 3-Reglement beschlossen wurde, welches für die 500er-Singleseater unter anderem ein Minimalgewicht von 200 kg und für die offiziellen Veranstaltungen eine Mindestlänge von 50 km vorsah. Die erfolgreichste Marke der ersten Jahre war die im Südwesten Londons ansässige Cooper Car Company. Aber auch die Firmen Kieft, JBS, Emeryson, Monopoletta und Scampolo konnten beachtliche Erfolge verbuchen. Bald waren es an die 500 Hersteller, die Autos für die Formel 3 bauten. Viele Topstars wie Stirling Moss, Tony Brooks, Peter Collins und Graham Hill gingen aus der 500er-Formel hervor. Immer erbitterter verlief der Konkurrenzkampf, immer aufwändiger wurden die Konstruktionen, immer teurer die Fahrzeuge, immer geringer war die Chance für junge Talente mit schmaler Brieftasche, hier einzusteigen.
Wieder einmal war es an der Zeit, eine neue, kostengünstige Rennserie ins Leben zu rufen.  Die Weichenstellung dazu wurde diesmal in Italien vorgenommen.
ImageDer Rennfahrer und Journalist Giovanni Conte Lurani setzte sich für die Gründung der so genannten "Formel Junior" ein und gestaltete das Reglement entscheidend mit. Diese Rennkategorie für Nachwuchspiloten wurde 1957 zunächst in Italien und 1958 von der CSI (Commission Sportive Internationale, später FIA) auch international eingeführt. Das technische Reglement für die einsitzigen, offenen Rennwagen schrieb Motoren und Bremsanlagen vor, die aus einem homologierten Tourenwagen stammten.  Motoren mit Kompressoraufladung oder oben liegenden Nockenwellen und Differenziale mit Sperre waren verboten. Kreative Frisuren aller Art waren erlaubt, solange die Blöcke und Zylinderköpfe aus einem Serienfahrzeug kamen.
Die Anzahl der Hauptlager durfte nicht erhöht werden, jedoch war ein 5. Gang zulässig, wenn er in einem Seriengetriebegehäuse untergebracht werden konnte. Autos mit maximal 1000 ccm Hubraum mussten mindestens 360 kg, Autos mit maximal 1100 ccm mindestens 400 kg Trockengewicht aufweisen. Später, als die Fahrzeuge schneller wurden, stellte man die Bremsanlage frei. Erstmals in der Geschichte waren auch Überrollbügel verpflichtend.
Das Reglement war natürlich auf den Fiat 1100 zugeschnitten und daher dominierten anfangs auch die Italiener diese Serie. Die ersten Rennwagen - es waren ausnahmslos Autos mit Frontmotor - wurden von Stanguellini, Volpini, Taraschi, OS CA, Moretti und Bandini produziert.
Manche glichen großen Formel-1-Vorbildern, wie etwa dem Maserati 250F, aufs Haar. Die Formel Junior erfreute sich schon von Beginn an größter Beliebtheit und es dauerte nicht lange, bis auch in anderen Ländern reglementkonforme Konstruktionen auftauchten. In Deutschland waren das die Marken Mitter und Hartmann mit Aggregaten von DKW, aus Frankreich kamen Autos von Ferry und DB (Deutsch & Bonnet) mit Renault-Motoren. Die erste internationale Formel Junior-Meisterschaft (1959) gewann übrigens der Schweizer Michael May auf Stanguellini.  Von den britischen Inseln aus beobachtete man die Entwicklung auf dem Kontinent noch einige Zeit, ehe auch dort das Formel-Junior-Fieber ausbrach. Jenseits des Ärmelkanals steuerten Elva, Moorland, Gemini und Lola Autos mit BMC-A-Motoren bei. In jenen Jahren vollzog sich auch der von Cooper ausgelöste, revolutionäre Wechsel vom Front- zum Mittelmotorkonzept.
Image1959 und 1960 wurde Jack Brabham auf einem Mittelmotor-Cooper Formel-1-Weltmeister.  Cooper übertrug das Design auch auf den T52 - ein Rennwagen für die Formel Junior, der sich allerdings nicht gegen die schnellsten Frontmotor-Konkurrenten durchsetzen konnte.  Mehr Glück mit einem Mittelmotor-Junior hatte Lotus. Jim Clark und Trevor Taylor waren mit dem Lotus 18 die Stars der Saison 1960.  Nicht unwesentlich für diesen Erfolg war auch der neue, von Cosworth überarbeitete Motor des Ford Anglia. Der 1100er leisteten mit zwei Weber-Vergasern bestückt über 100 PS bei mehr als 10.000 Umdrehungen pro Minute!  Ende der 50er Jahre kam mit der Formel Junior auch Schwung in den österreichischen Motorsport.
1959 wurde Walter Schatz auf Hartmann-DKW erster Staatsmeister. Im gleichen Jahr gründeten Curt Bardi-Barry, Gunther Philipp und Rolf Markl die "Ecurie Vienne" und bestellten in Modena zwei Junior-Rennwagen der Marke Poggi. Die Autos erwiesen sich jedoch leider nicht als konkurrenzfähig und so wurden 1961 zwei Cooper-Ford angekauft. Ab nun gelang es Barry und Markl immer wieder auch bei internationalen Bewerben Plätze im Spitzenfeld zu belegen. 1963 erwarb Jochen Rindt Barry´s Cooper und es zeigte sich bald, aus welchem Holz der blutjunge Fahrer geschnitzt war. Beim ersten Einsatz in Vallelunga errang er gleich Pole-Position und kurz danach in Cesenatico trug er sogar den Sieg davon. Zwar hatte der routinierte Teamkollege Barry mit seinem neuen Cooper damals die Nase vorne, doch der ungestüme und noch relativ unerfahrene Rindt schaffte nach einem Jahr Formel Junior bereits den Sprung in die Formel 2.
Im Laufe der Jahre lieferten über 100 Hersteller - heute noch bekannte, aber auch längst vergessene Marken - Autos für die Formel Junior, darunter Alfa Dana (DK), Alexis (GB), Anderson (S), Apache (US ), Autosud (I), Bananen (S); BCM (I), Bode (D), Bond (GB), Brabham (GB), Branca (I), Britannia (GB), Cammarota (I), Caravelle (GB), Ciaffi Bardahl (I), Civet (US ), Condor (GB), Conrero (I), Crossle (IRL ), Dagrada (I), Dalbot (F), Dane (US ), Deep sanderson (GB), Delta (GB), De Sanctis (I), De Tomaso (I), Dolphin (GB), Elfin (GB), Elhoo (FIN), Elios (I), Elprk (US ), Envoy (GB), Faccioli (I), Falk (S), Fairthorp (GB), Focus (S), Foglietti (I), FRM (D), Garford (GB), Halson (GB), Heron (GB), IFA (S), Intermeccanica (I), ISIS (I), Jocko (US ), Joker (S), Julien (F), Kuhnke (D), Lambkin (GB), Liebl (D), Lippi (I), Lucangeli (I), Mallock (GB), Malz (D), Mathé (A), Melkus (DDR), Meub (D), Monteverdi (CH), Moroni (I), Nardi (I), Nova Special (I), Ocelot (US ), Patriarca (I), Raineri (I), Rak (PL), Rispal (F), Saab (S), Sadler (CND), Sauter (CH), Saxon (GB), Scampinato (I), Scampolo (D), Scorpion (GB), Sirmac (F), Sprintauto (I), Swebe (S), TecMec (I), Terrier (GB), Tojeiro (GB), Tomahawk (GB), U2 (GB), Venom (GB), Wainer (I), Weeke (D), Westerham (GB), Wohlin (S), Yimkin (GB) und Zimmermann (D). Diese bunte Auflistung zeigt sehr schön, wie befruchtend der Geist der Formel Junior für viele ambitionierte Konstrukteure und deren Miniaturfirmen war, aber auch wie viele große Hoffnungen sich nicht erfüllen sollten.
ImageUnangefochten an der Spitze blieb jedoch Lotus.  1961 folgte der Typ 20 und 1962 der legendäre Typ 22. Der letzte Formel-Junior-Lotus Typ 27 war eigentlich ein verkleinerter Grand Prix-Racer mit Alu-Monocoque, der sich vom Lotus 25 - Jim Clarks Siegerwagen in der F1-Saison 1963 - nur in wenigen Details unterschied. Der Lotus 27 war der Konkurrenz nicht nur weit voraus, sondern zudem ziemlich teuer. Damit hatte sich auch die Formel Junior von einem Einsteiger- zu einem Profisport entwickelt. Dieser Umstand und die erdrückende Überlegenheit von Lotus bedeutete für diese Rennserie auch das Ende.  Die Formel Junior wurde nach 1963 nicht mehr fortgesetzt. 1964 wurde die Formel Junior in eine neue Formel 3 mit 1000 ccm Hubraumlimit verwandelt. Die alte 500er Formel 3 war 1960 ausgelaufen. In dieser Epoche (bis 1970) - auch als die "Screamer-Jahre" bezeichnet - dominierten kurzhubige Ford-Motoren, die extrem hoch drehten. Die wichtigsten Marken waren Brabham, Lotus, Tecno und March. Da jene Motoren nur wenige Betriebstunden durchhielten, war der Betrieb der neuen F3-Autos für viele Newcomer zu kostspielig. Günstiger war hingegen die Formel Vau. Die ersten, auf dem 1300er VW Käfer basierenden Rennwagen wurden um 1960 in den US A zusammengebastelt - eine Idee einiger amerikanischer Volkswagen-Händler.
1963 veranstaltete der SCCA (Sportscar Club of America) schon eine nationale Rennserie und 1965 wurde die Formel Vau von Porsche nach Deutschland importiert. 1971 folgte die wesentlich schnellere Formel Super Vau. Mit ihren bis zu 180 PS starken 1,6-Liter-Boxer-Motoren erreichten manche Autos eine Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h. Die Formel Vau war für Österreich insofern von Bedeutung, als hierzulande Spitzenfabrikate hergestellt wurden. Kurt Bergmanns geniale Kaimann-Renner waren gut für zahlreiche nationale Meisterschafts- und drei Europapokalsiege. Unter den vielen Formel-VPiloten finden sich bekannte Namen wie Jochen Rindt, Günther Huber, Peter Peter, Erich Breinsberg, Helmut Marko, Dieter Quester, Niki Lauda, Harald Ertl, Helmut Koinigg, Jochen Mass, Nelson Piquet, Marc Surer, Emerson Fittipaldi und Keke Rosberg.
ImageMit den hohen Kosten für die Anschaffung und den Betrieb von Formel-3-Fahrzeugen hatte auch Geoffrey Clark zu kämpfen. Er war Rennschulbesitzer in England und die Ausbildung von Nachwuchsfahrern mit jenen heiklen Boliden erschien ihm zunehmend unwirtschaftlich.  Clark überlegte, handelsübliche Kent-Motoren aus dem Ford Cortina 1600 GT in Formel-3-Rahmen einzubauen und legte damit den Grundstein für die Formel Ford. Man wollte nicht den gleichen Fehler begehen wie in der Formel Junior und entwickelte ein strenges Regelwerk: keine Veränderungen am Motor, der ca.  106 bis 108 PS leistete. Monocoques und aerodynamische Hilfsmittel, welche damals in Mode kamen, waren nicht gestattet. Vergaser, Reifen und Felgen wurden vereinheitlicht. Erster Autolieferant für die Formel Ford war Lotus mit dem Typ 51. Am 2. Juli 1967 ging in Brands Hatch das erste Rennen über die Bühne mit 20 Autos am Start, darunter 10 Lotus. Sieger wurde Ray Allen - natürlich auf Lotus 51. Der erfolgreichste Fahrer dieses Jahres war jedoch Dan Hawkes mit fünf Siegen auf Lotus.
Die Formel Ford breitete sich ebenso rasant über den Globus aus wie einst die Formel Junior.  1969 stellte Lotus den keilförmigen Typ 61 vor und hatte Mühe, sich gegen die immer mächtigere Konkurrenz von Merlyn und Alexis zur Wehr zu setzen. Der 1970 und 1971 produzierte Typ 69 war der letzte von Lotus gebaute Formel Ford. Es war ein Baukasten-Auto, welches auch als Formel 3 und als Formel 2 angeboten wurde. In Österreich und Deutschland wurden ab 1970 Rennen für die Formel Ford ausgeschrieben.  Erwähnenswert ist hier das Team von Michael Bulla, Dieter Karl Anton und Gerhard Irsa. Alle drei fuhren in den frühen 1970er Jahren den Lotus 69. Mit mehreren internationalen Siegen und zwei Staatsmeistertiteln war Gerhard Irsa der erfolgreichste. Auch der Werdegang von Hans Binder begann in der Formel Ford und führte den Tiroler bis in die Formel 1.
ImageDie Liste der Marken, welche in der Formel Ford auftauchten ist mindestens so lang, wie jene der Formel Junior. Viele Firmen, die schon Juniors hergestellt hatten, produzierten später auch Formel Fords. Die bekanntesten Hersteller neben den bereits erwähnten waren March, Reynard, PRS , Eifelland, McNamara, Elden, Crosslé, Ray, Faster, Hawke, LCR, Lola, Mondiale, Mygale, Quest, Royale und Swift. Zum Spezialisten der späten 1970er und 1980er Jahre wurde der ehemalige Lotus-Mechaniker Ralph Firman, Gründer von Van Diemen. 1975 wurde in England die Formel Ford 2000 eingeführt. Die "Super-Fords" waren mit 2-Liter-Pinto-Motoren ausgestattet und durften nun auch Flügel und Slicks verwenden. Doch diese Serie erreichte nie die Popularität der Formel Ford 1600.
Kleine historische Singelseater erfreuen sich immer größerer Beliebtheit und es gibt heute schon zahlreiche Gelegenheiten, diese bei Rennveranstaltungen und nationalen Meisterschaften einzusetzen. In Österreich kann man mit Formel Vau-, Formel-Ford und Formel-3-Rennwagen der Jahre 1961 bis 1988 beim Histo-Cup teilnehmen.  Es hat sich bereits eine stattliche Gruppe von Enthusiasten zusammengefunden, die diese Autos dort ziemlich professionell bewegen.
 
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