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Freitag, 26. April 2024
Edison Puton Monowheel 1915 Drucken E-Mail
Geschrieben von Hannes Denzel   

Heft bestellen - Edison Puton Monowheel 1915 - Das Monstrum

Das wichtigste Kleidungsstück bei Fahren dieses Unikums sind die Blechsohlen, die über das Schuhwerk gestülpt werden.  Sie schleifen permanent über den Asphalt, lassen die Funken spritzen, denn mindestens ein Fuß ist immer am Boden, gibt Halt und subjektive Sicherheit.

Text & Photos: Hannes Denzel

 

ImageDas Riesenrad macht, was es will - der Lenker verdient diesen Namen kaum, ist eher Ballast und regelt über den Gasgriff kaum mehr als die Geschwindigkeit, mit der es irgendwohin geht.  Und mit diesem Griff sollte er sensibel umgehen, denn dreht er zu heftig, hat er urplötzlich nur mehr den Himmel im Visier, macht er zu rasch zu, wirken die Schwerkräfte in eine andere Richtung, er schaukelt kopfüber...
Und er begreift rasch: die beste Bremswirkung haben ein Acker, eine Wiese, oder sonst ein Gelände mit weichem Untergrund, wo man sich gefahrlos hinlegen kann. Relativ gefahrlos, wenn man dem umstürzenden Holz/Eisenmonster aus dem Weg gehen kann, das sicherlich 200 Kilo auf die Waage bringt.
Einer der wenigen, der mit so einem Riesenrad umgehen konnte, war der Niederbayer Toni Wallner. Er bezeichnete sich selbst als Einradartist.  Er bewegte dieses skurrile Vehikel so geschickt wie kaum ein anderer, zwang ihm seinen Willen auf, brachte es schlingernd und schaukelnd so auf Touren, dass er damit sogar einen Geschwindigkeitsrekord für Einräder erzielte.  Seinen größten Auftritt hatte Wallner bei der Rudi Carrell Show in den 70er Jahren, als er zu Showzwecken auf einem abgesperrten Rundkurs einen Vergleichstest gegen zwei moderne Motorräder absolvierte und - nun ja - gewann.  Aber nicht einmal vor laufender Kamera ging es ohne Ausritte und Stürze ab.
Wallner besaß zwei dieser Riesenräder, ein altes und ein nach dessen Vorbild selbst gebautes Replikat, in das natürlich neue Erkenntnisse eingeflossen waren und mit dem er auch den Rekord erzielte. Das alte gehört heute Walter Neumayer. Er hat das furchteinflößende Gefährt wieder fahrbereit gemacht und damit auch einige Fahrversuche unternommen, die aber alle ein gemeinsames Ziel hatten: einen Kartoffelacker.  Deshalb steht das Unikum heute auch sicherer in seinem Oldtimermuseum in Altmünster am Traunsee (www.radmuseum.at), wo es besichtigt und darauf auch Probe gesessen werden kann.  Wie kommt jemand auf die Idee, ein derartiges Monstrum zu erschaffen? Wer war dieser motortechnische Frankenstein?
ImageEs gibt in allen Bereichen immer wieder Tüftler, die versuchen, das Ei neu zu erfinden, oft mit erstaunlichen Ergebnissen. So auch beim Fahr-, bzw. Motorrad, wofür das Monowheel (oder Monocycle, wie es auch genannt wird) ein kurioses Beispiel dafür ist, das bis heute trotz seiner Skurrilität in immer neuen Varianten wieder auflebt.  Was genau ist ein Monowheel? Grob gesagt handelt es sich dabei um ein großes Rad, innerhalb dessen sich der Rahmen samt Fahrersitz und Antrieb nicht mit dreht, bzw. mit drehen sollte. Das erste Monowheel, dessen umlaufendes Rad einen Durchmesser von ca. 2,3 Meter hatte, entstand 1869 in Marseille und wurde vom Franzosen Rousseau gebaut. Es ist heute noch erhalten und kann im Museum Galbiati in Mailand bestaunt werden. Noch im selben Jahr entstand ein ähnliches Vehikel in Paris, wobei nicht bekannt ist, ob sein Erbauer W. Jackson Rousseaus Monowheel kannte, oder er zufällig auf dieselbe Idee gekommen war. Jedenfalls gab es im Folgenden viele Nachahmer (Harper, Gauthier, Hemmings), kommerziellen Erfolg hatte aber keiner davon.
1904 drehte das erste motorisierte Monowheel seine Runden, und zwar wurde es während der Expo in Mailand vorgeführt. Sein Name: PetrolMonocycle.  Die Spuren, die es hinterließ, beschränken sich auf eine kurze Beschreibung der Demonstrationsfahrt in der französischen Zeitschrift "La Vie de l’Automobile", Ausgabe 23. 4.  1904. Möglicherweise hat diese Ausgabe auch der Erfinder Pariser Edison-Puton in die Hände bekommen, jedenfalls stellte er 1910 sein Monowheel vor, dessen über zwei Meter hohes hölzernes Laufrad von einem 150 ccm großen De Dion-Motor mit 3,5 h.p. Leistung angetrieben wurde. So ein Exemplar ist im Technik-Museum Sinsheim erhalten. Ob Edison-Puton eine größere Serie seines Monowheels auflegte, ist nicht bekannt, aber auch unser hier beschriebenes Einrad stammt eindeutig aus seiner Werkstatt.
Im schwingend aufgehängten Rahmen verrichtet allerdings ein stärkerer Motor seinen Dienst, ein wechselgesteuerter MAG-Motor mit vermutlich 350 ccm Hubraum. Dieser Motor wurde erstmals 1915 gebaut, so dürfte also Edison-Puton seine Idee über einen längeren Zeitraum verfolgt haben.
ImageIn den folgenden Jahren gab es immer wieder Versuche, motorisierte Monowheels fahrtauglich zu machen (die meisten davon allerdings im Gegensatz zum Edison-Puton mit Stützrädern).  Sogar Rekorde wurden damit gefahren, Toni Wallners Marke lebte nicht lange (das Guiness Book of Records listet die erreichte Höchstgeschwindigkeit mit 83,5 km/h auf).
Heute kann, wer will, Monocycles kaufen, der Amerikaner Gary McLean bietet sein Vehikel sogar mit einem V8-Motor an!
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