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Mittwoch, 24. April 2024
Durch den Böhmerwald Drucken E-Mail
Geschrieben von Hannelore & Franz Pulkert   

Heft bestellen - Durch den Böhmerwald

"Auf den Spuren des Adalbert Stifter" hätte es eigentlich heissen sollen aber diese Spur haben wir leider bald verloren. Dafür aber boten sich uns auf unserer Tour durch das "Dreiländereck" Tschechien-Deutschland-Österreich zahlreiche andere erbauliche Einblicke ...

Text & Photos: Hannelore & Franz Pulkert

 

ImageLos gehts ... Es ist Mitte Juni, frühmorgens rollen wir unseren "kleinen Blauen" aus dem Stadl im oberen Waldviertel. Der Wagen wurde zuvor gut gewartet und vorbereitet, rasch verlassen wir Langschlag und erreichen über Sandl in Oberösterreich das erste Ziel - Windhaag bei Freistadt.  Besonders bemerkenswert ist dass hier die europäische Wasserscheide liegt. Ein künstlerisches Monument mit riesigen Waagschalen auf einer Art Draisine macht deutlich wo die Trennung des Wasserlaufs von Elbe zur Nordsee und der Donau zum Schwarzen Meer liegt. Weiter geht es nach Kerschbaum, wo sich das Pferdeeisenbahnmuseum befindet. Aber dieses hat nur jeweils Sonntag Nachmittag geöffnet, das werden wir vielleicht einmal später nachholen. Nach Leopoldschlag, einem ruhigen Ort noch in Österreich und dem Grenzübertritt in Wullovits, gelangen wir bald nach Vyssí Brod. Eine kleine Stadt, die seit dem Fall des Eisernen Vorhanges von Jahr zu Jahr immer mehr Besucher anlockt und auch anlacht. Die Häuserzeilen rund um den baumbestandenen Hauptplatz wurden bereits restauriert. Hier findet man auch einige Pensionen und Restaurants. Die Tische belegen überwiegend Kanuten, die sich stärken bevor es über die Moldau nach C? esky Krumlov geht. Besonders romantisch liegt das Zisterzienserkloster von Vyssí Brod, etwas außerhalb an der Straße nach Lipno. Das Kloster wurde im 13. Jhdt. von Peter Wok I. von Rosenberg gegründet. Nach Certova Stena und dem Ort Lipno (eine alte Flössergemeinde) halten wir nun in Frymburg. Das 1.300 Einwohner-Städtchen, welches ein beliebter Badeort ist, ist mit Abstand das hübscheste am Lipno-Stausee. Es liegt idyllisch auf einer Halbinsel die durch die Flutung des Moldautals 1958 entstanden ist. Die Fahrt entlang des Ufers des Lipno zeigt uns zahlreiche zauberhafte Ausblicke die zum Radfahren, Wandern und Baden einladen.
ImageIm kleinen Flecken Oberplan (Horní Planá), dem Geburtsort Adalbert Stifters, befindet sich das Stiftermuseum. Hier schrieb er seine Erzählung "Der Hochwald". Viel hat sich seit jenen Tagen hier verändert. Aber die Natur, welche der Dichter so eindringlich in seinen Werken zu beschreiben wusste, ist hier weitgehend noch diesselbe geblieben.
Die Fähre im Ort setzt uns ans andere Ufer, dann geht es weiter nach Schöneben in Österreich.  Hier gibt es einen Aussichtsturm mit gutem Blick auf die Moldau. Wir verzichten darauf den Turm zu finden und zu besteigen, schliesslich war der Tag bereits ganz schön anstrengend und es ist heute sehr heiss. Also wenden wir und suchen die Böhmerwaldkapelle welche hier irgendwo versteckt sein muss. Zadní Zvonková - das ehemalige Glöckelberg. Eine sehr liebevoll restaurierte Kapelle mit Friedhof und Museum, umgeben von uralten Laubbäumen strahlt eine friedliche Atmosphäre aus. Im Museum kann man sich über die traurige Geschichte des Ortes informieren: Nach 1945 wurden deutschstämmige Dorfbewohner vertrieben. Glöckelberg, welches zur Gänze "deutsch" war wurde so zur Geisterstadt. Und so knapp am Eisernen Vorhang schlugen auch alle späteren Ansiedelungspläne des Tschechischen Staates fehl.
Nach nur wenigen Minuten Fussmarsch durch schattige Wälder rasten wir in einer kleinen Gaststätte mit wundervollem Ausblick über den Naturpark Sumava. Besucht wird diese offenbar fast nur von Radfahrern. Überhaupt begegnen uns auf den engen Straßen hier im Park mehr Radfahrer als Automobilisten.
ImageWeiter geht die Reise nach Nová Pec - hier offenbart sich ganz besonders deutlich was diese Region dem Touristen alles zu bieten hat: Bootfahren, Fischen, Schwimmen, Radtouren machen, Wandern ... Von der Brücke haben wir eine gute Sicht auf die Schilfinseln in der hier aufgestauten Moldau, eine Schwanfamilie mit Jungen treibt friedlich vorbei.
Drei Kilometer südlich von Nová Pec verläuft der sogenannte Schwarzenbergkanal. Der ursprünglich 45 km lange Schwemmkanal wurde zwischen 1789 und 1822 gebaut um aus dem abgelegenen aber so holzreichen Böhmerwald Brenn- und Bauholz an die Donau zu bringen um dieses dann bis in die aufstrebende Hauptund Residenzstadt Wien zu driften. Heute gibt es davon aber nur mehr winzige Restarme, einer davon hier bei Nová Pec.
Weiter geht es nach Volary (deutsch Wallern) - bekannt wegen seiner alten Tirolerhäuser (die ersten Siedler hier waren aus Tirol und nahmen ihren Baustil mit). Leider sind heute nur mehr ganz wenige davon erhalten.
Im Schlosshotel Zdíkov bei Vimperk lassen wir uns in gemütlicher Atmosphäre zur Nächtigung nieder. Auch die gute böhmische Küche und die Freundlichkeit des Personals sind hier besonders zu erwähnen.

Frisch gestärkt geht es am nächsten Tag weiter über Stachy und Rentice nach Kasperské Hory.  Eine zauberhafte Altstadt mit restaurierten Gebäuden erwartet uns hier ebenso wie ein gut bestücktes Motormuseum und - wie man uns ebendort empfiehlt - auch ein reizendes kleines Holzspielzeugmuseum in welchem Kinder aller Altersstufen schon den einen oder anderen Kronen- Geldschein zurück lassen - Man kann hier Spielzeuge auch kaufen. Im Motor- und Fahrradmuseum gab es leider nichts käuflich zu erwerben.  Besonders aufgefallen sind uns eine JAC 500 Baujahr 1930 (Zweitakter mit Kegelschieber direkt an der Kurbelwelle, Fuß-Kupplung, Kardanantrieb und dem Tank unter dem Fahrersitz, es soll nur 35 Exemplare davon gegeben haben).  Weiters eine Jawa-Schrittmachermaschine mit dazugehörigem, originalen Bahnrennrad der 50er Jahre. Und nicht unerwähnt bleiben soll auch eine prächtige "Böhmerwald"-Maschine.  Mit diesem "Ungeheuer" konnten (mit Seitenwagen) ganz legal bis zu sechs Erwachsene reisen!
ImageGanz in der Nähe finden wir die Burg Kasperk.  Besonders groß und imposant wie sie nach Durchwandern des schattigen Waldes plötzlich auftaucht vor uns auftaucht.  Nächster Stopp - Susice (Schüttenhofen). Wir suchen das Böhmerwaldmuseum und finden es - gut beschildert wie fast alles hier - sehr rasch am grossen Hauptplatz. Es beherbergt ein Zündholzmuseum (über Jahrzehnte hinweg wurde fast die ganze Welt mit Streichhölzern aus Susice beliefert!), eine grosse mechanische Krippe (ein wenig kitschig aber die Vielfalt des Handwerks dieser Region ist anschaulich dargestellt) und eine kleine, aber sehr feine Sammlung prächtiger tschechischer Glaskunst.
Die Zeit vergeht uns wie im Flug, es ist bereits Nachmittag und wir beschliessen über Zelezná Ruda (auch hier ein durchaus sehenswertes Motormuseum) weiter nach Bayern zu reisen.  Wir wählen der Romantik wegen nach Möglichkeit immer Nebenstrassen, aber es muss darauf hingewiesen werden, dass deren Zustand wirklich zum Großteil hier sehr schlecht ist. Besonders filigrane Fahrzeuge (und ebensolche Reisende) könnten damit Probleme bekommen. Nicht so natürlich unser braver Zweisitzer und seine Passagiere.
Die Fahrt geht nun durch ein Meer grüner, alpiner Waldhänge, ein Paradies für Wanderer und im Winter auch für den Schisport erschlossen.  Kaum merklich erfolgt der Übertritt in Bayerisch-Eisenstein nach Deutschland. Im Schatten des grossen Arber gelangen wir nach Zwiesel.  Ein (zu) großer Ort für uns, wir haben es gerne etwas ruhiger. Im bayrischen Ort Ringelai finden wir was wir suchen - nette Gastlichkeit im Dorfhotel Gross mit angeschlossener Konditorei und traditionellem Biergarten.

ImageDritter Tag
- Über Freyung, Phillipsreut und Haidmühle gelangen wir zu unserem nächsten Ziel, dem Freilichtmuseum Finsterau. Für dieses wurden sehr liebevoll und mit hohem Aufwand alte Höfe und Bauwerke aus dem Bayerischen Wald an ihren Standorten abgebaut, in Finsterau wieder zusammengetragen und in ihrer ursprünglichen Form wieder aufgebaut. Sie zeigen das harte Leben der Bauern und Tagewerker nüchtern und weitgehend ohne nostalgische Verklärung. Es steckt wohl eine gewisse Ironie darin, dass oft persönliche Schicksale der Grund sind dass Objekte überhaupt so lange erhalten geblieben sind: Wirtschaftlicher Niedergang verhinderte eine "Modernisierung", wurde etwa kein moderner Ladewagen mehr angeschafft so konnte das alte Rundbogen-Eingangstor stehen bleiben statt abgerissen zu werden - ein Glücksfall fürs Museum, aber das wirtschaftliche Ende des Betriebes!
Unser nächstes Ziel ist der Dreisesselberg. Über die kurvenreiche Straße geht es immer höher hinauf,
das letzte Stück wandert man zu Fuß und erreicht den über 1.300 Meter hoch gelegenen felsigen Gipfel. Auf dem zugigen Aussichtsturm bietet sich ein "grenzüberschreitender" Ausblick auf den Böhmerwald in Tschechien, Bayern und Österreich.
Leider ist hier ein großer Teil des Waldes Opfer des Borkenkäfers geworden, die kahlen Stämme der toten Bäume geben ein trauriges Bild. Allerdings kann man auch hier der Reparaturkraft der Natur vertrauen - frisches Grün spriesst aller Orten. Auch hier im Bayerischen Wald sind die Strassen übrigens nicht immer die besten aber hier weisen wenigstens Verkehrsschilder rechtzeitig auf holprige Passagen hin. Beeindruckt von all dem Erlebten befinden wir uns nun auf dem Heimweg.
ImageDer Grenzübertritt - sofern man das so bezeichnen darf, denn das "Länderspringen" ist uns inzwischen schon zu einer Gewohnheit geworden - erfolgt bei Schwarzenberg auf die Mühlviertler Weberstrasse. Über die kurvenreiche Trassierung geht es Richtung Heimat. Zuvor aber wollen wir noch einen stimmigen Ausklang dieser wunderschönen Reise finden. Es bietet sich der Stiftskeller des Stiftes Schlägl an. Das Abendläuten der Stiftsglocken mahnt uns aber bald zum Aufbruch: Die abwechslungsreiche Strecke um Bad Leonfelden und Freistadt bis hin ins Waldviertel entschädigt uns dafür, dass diese kurze Reise nun bald ihr Ende finden wird. Kein Grund zur Traurigkeit, bald wollen wir wieder zu einer neuen Erkundungstour starten!
 
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